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Aus einem im Sommer 2010 geschriebenen, derzeit ruhenden Aufsatzprojekt zur Handschriftenforschung im Internet kopiere ich meine Stellungnahme zum alten ManuMed:

Manuscripta Mediaevalia (ManuMed) ist das beste Portal zur Handschriftenforschung weltweit. Die riesige Datenbank mit über 60.000 Einträgen und die Vielzahl digitalisierter moderner Kataloge machen es zu einem unschätzbaren Werkzeug.

Bei näherem Hinsehen fällt es aber nicht schwer, eine stattliche Mängelliste aufzustellen.

1. Ein Unding ist es, dass immer noch keine Permanent-Links für die einzelnen Einträge zur Verfügung stehen.

2. Weder die Linkliste noch die Übersicht über die digitalisierten Handschriften ist in einem Zustand, den man als “gepflegt” bezeichnen kann.

Es ist ein Armutszeugnis für ManuMed, dass eine Forscherin (Brigitte Pfeil) eine eigene Übersicht über weltweite Handschriftenkataloge im Internet unterhalten muss (leider auch nicht ganz aktuell) [Fußnote: http://www.uni-erfurt.de/amploniana/handschriftenkatalogeonline/. Siehe aber auch die Zusammenstellung des Handschriftencensus: http://www.handschriftencensus.de/forschungsliteratur/kataloge. Ein Desiderat ist die Erschließung der im Sommer 2010 in Toronto ins Netz gestellten Mikrofilme des umfangreichen “A Microfilm Corpus of Unpublished Inventories of Latin Manuscripts through 1600" z.B. Bd. 81: http://www.archive.org/details/corpusofunpublis81prep. ]

3. Es gibt keinen RSS-Feed für die Neuigkeiten, die sowohl Neuigkeiten zum Portal als auch zu deutschen Handschriftendigitalisaten enthalten.

4. Sowohl die ManuMed-Datenbank als auch die Katalogdigitalisierung weisen ärgerliche riesige Rückstände auf. Warum hat man den 2001 erschienenen Katalog der Handschriften des Stadtarchivs Hildesheim nicht digitalisiert, andere Bände der gleichen Reihe “Handschriften in Niedersachsen” aber durchaus? Wieso steht etwa der Katalog von Brigitte Pfeil über die deutschen Handschriften in Halle, der 2007 nicht bei einem kommerziellen Verlag erschien, nicht schon längst auf ManuMed zur Verfügung? Wieso wird der in München digitalisierte Katalog der Dillinger Handschriften von Wunderle nicht wenigstens verlinkt? Wieso wird bei DFG-geförderten Projekten nicht gleich in die Datenbank katalogisiert - die Erschließung würde dann sofort recherchierbar sein.

Dass man sich “aus Gründen des Urheberrechts” 2005 gezwungen sah, zahlreiche Kataloge wieder zu entfernen, beweist ein hohes Maß an Unprofessionalität, denn bei den vor 1995 erschienenen Katalogen galt damals noch die Regelung, dass unbekannte Nutzungsarten (hier: Online-Nutzung) nicht vertraglich wirksam übertragen werden konnten.

5. Gründliche Tests der Zuverlässigkeit der Datenbank liegen bislang nicht vor und wurden auch von mir nicht durchgeführt. Vereinzelte Beobachtungen weisen jedoch darauf hin, dass die Verlässlichkeit der Auswertung der Kataloge/Datenquellen nicht überschätzt werden darf.

Dies gilt auch für die “Expertensuche” (Tests am 19. Juni 2010). Beispielsweise wird der Cgm 2517, der laut Katalog im Raum Augsburg im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts entstanden ist, in der Expertensuche mit der zeitlichen Eingrenzung 1450-1500 und der zusätzlichen Angabe Augsburg in “Alle Felder” nicht gefunden. Der Cpg 314 wird bei der Suche nach Heidelberger handschriften Augsburger Entstehung gefunden, aber nicht mit der zutreffenden Zeiteingrenzung 1400-1500. Noch bedenklicher: Die Schnellsuche erbringt zu Gossembrot 33 Treffer, die fast alle dem 15. Jahrhundert angehören, während die Expertensuche mit Zeiteingrenzung 1400-1500 und Gossembrot in “Alle Felder” lediglich zwei Treffer enthält. Wenig vertrauenerweckend ist der Umstand, dass die Expertensuche mit Gossembrot in “Alle Felder” scheinbar 35 Treffer, also zwei Treffer mehr als die Schnellsuche liefert (in der Ergebnisliste sind es dann doch nur 33). Wer komplexere Suchanfragen (etwa zur Literaturgeographie) unter Zuhilfenahme der Zeiteingrenzung an die Datenbank stellen will, sollte sich darüber im klaren sein, dass er in der Regel keine zutreffenden Ergebnisse bekommt.

6. Es ist nicht akzeptabel, dass für die unzähligen vorläufigen Beschreibungen, die als PDFs angeboten werden, keine eigene Suchfunktion zur Verfügung steht, denn in der Datenbank sind diese Inhalte nicht recherchierbar.

7. Weder die Benutzungsoberfläche noch die Darstellung der Treffer macht die Arbeit mit ManuMed zur Freude. Es ist schon eine “Meisterleistung”, auf der Startseite unter dem Menüpunkt “Handschriften” eine Übersicht zu Digitalisaten anzubieten, im Datenbankbereich aber unter der gleichen Bezeichnung “Handschriften” an der gleichen Stelle eine Browsing-Möglichkeit zu den erfassten Beständen nach Bibliotheken. Wer soll das bitteschön bemerken? Da nur Insider dieses Angebot kennen dürften, scheint es nicht verwunderlich, dass die Fehlfunktionen bei der Anzeige nicht beseitigt werden.

8. Vereinzelt in der Datenbank eingebundene Bilder (z.B. aus Greifswald) sind nicht gezielt ansteuerbar und so hingebungsvoll versteckt, dass man sie nur mit großer Mühe aufspürt.

9. Eine Übersicht der deutschen Handschriftenbestände - vergleichbar dem Schweizer Angebot www.codices.ch - . wird womöglich noch Jahre auf sich warten lassen. Ein erster Versuch “Übersicht über die mittelalterlich-abendländischen Handschriftenbestände in Deutschland” wurde im Juni 2008 ins Netz gestellt, aber aufgrund der eklatanten Mängel [Fußnote: Siehe dazu: http://archiv.twoday.net/stories/5029463/. ] umgehend wieder entfernt.

10. Obwohl Kooperation zwingend geboten wäre, sind externe Angebote wie der Handschriftencensus in ManuMed bei den einzelnen Handschriften nicht verlinkt.

Difficile est saturam non scribere! Die 1997 von mir euphorisch vorgestellte Datenbank hat unbestreitbar inzwischen erhebliche Verbesserungen erfahren, aber würde das Projekt sich nicht so unglaublich schwerfällig vorwärts bewegen, könnte es 13 Jahre später erheblich weiter sein. Dass die großen öffentlichen Gelder, die in das Projekt geflossen sind, effizient verwendet wurden, darf bezweifelt werden. Eine Neukonzeption und Öffnung gegenüber dem Web 2.0 ist überfällig.
 

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