Mir liegt eine Fotokopie des Exemplars der WLB Stuttgart von den außerordentlich raren "Poetischen Versuchen" vor, die der spätere Publizist Johannes Scherr (geboren 1817 in Rechberg-Hinterweiler) 1835 bei den Gebrüdern Raach in Schwäbisch Gmünd drucken ließ.
Scherrs Jugendleben hat Anton Nägele in einer Artikelserie in den Gmünder Heimatblättern 1929/30 beleuchtet, ist aber auf den Gedichtband nur kurz eingegangen (Jg. 2, 1929, S. 80f., 92f.). Scherr schrieb bzw. veröffentlichte die Gedichte, als er während eines Fuß- und Augenleidens den Besuch des Ehinger Konvikts im Frühjahr 1835 unterbrechen musste (ebd., S. 80).
Scherr hat nicht nur in dem von Nägele erwähnten Gedicht "Fremdlings Heimkehr und Rückfahrt" (S. 58-60) auf seine Heimat mit Erwähnungen von Hohenstaufen und Rechberg Bezug genommen. Er schrieb auch ein Gedicht "Auf dem Hohenstauffen" (S. 71f.), das die Geschichte der Staufer zeittypisch in Verse fasst (zum Staufer-Mythos im 19. Jahrhundert: http://archiv.twoday.net/stories/6412734/ )
Drei weitere Gedichte aus dem Bändchen mit Heimatbezügen liegen online vor, da sie Bernhard Gaugele in sein Heimatbuch von 1910 aufgenommen hat, das digitalisiert auf Wikimedia Commons einzusehen ist:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c7/Gaugele_Meiner_Heimat_T%C3%A4ler_und_H%C3%B6hen.djvu
Gaugele schließt sein Buch mit Scherrs Gedicht "Schwäbische Sage", das den Kyffhäuser-Barbarossa-Mythos am Hohenstaufen lokalisiert (Gaugele S. 144f.; Scherr S. 69-71).
Die "Sage vom Schloss Rechberg" (Scherr S. 51-54) ist bei Gaugele in zwei Teile zerschlagen (S. 40-42, 123f.). Erst in der Zeit um 1800 begegnet die Lokalisierung der angeblichen großen frühmittelalterlichen Christenschlacht ins Christental - eine Erfindung der "Schwäbischen Chronik" des Thomas Lirer - bei Nenningen.
Grundlegend zu dieser Überlieferung: Florian Henning Setzen, Geheimnisvolles Christental. Geschichtliches und Sagenhaftes um Burgruine Granegg und Reiterles-Kapelle, Donzdorf 1994, S. 12-26. Siehe auch Graf, Sagen der Schwäbischen Alb (2008), Nr. 212; Stütz, Sagen der Heimat (2011), Nr. 11 http://archiv.twoday.net/stories/16578482/
http://www.histsem.uni-freiburg.de/mertens/graf/kirch.htm#t62
[ http://archiv.twoday.net/stories/120171638/ ]
Scherr konnte die Überlieferung aus den Werken des Pfarres Joseph Alois Rink kennen, aus der Gmünder Stadtgeschichte von 1802:
Wikisource
oder dem Aufsatz im Schwäbischen Taschenbuch auf das Jahr 1820:
Wikisource
2011 widmete sich eine Ausstellung der Schlacht von Waldstetten im Städtekrieg 1449 http://archiv.twoday.net/stories/31626557/. Gaugele bezieht sicher zu Recht Scherrs Gedicht "Die Jagd" (S. 55-58; mit anderer Versaufteilung bei Gaugele S. 22f.) auf diesen Konflikt. Ulrich von Rechberg, den Scherr anachronistisch als Graf bezeichnet, schlägt die Städter (der Name der Stadt Gmünd wird nicht genannt!), die in sein Gebiet eingefallen sind und auf einer Rast ihren Sieg feiern. Während der bürgerliche Zeitgeist damals die adeligen "Raubritter" schmähte, ergreift Scherr die Partei des Rechbergers und denunziert die Städter als Räuber.
Von der Schlacht bei Waldstetten konnte Scherr wieder durch Rinks Stadtgeschichte wissen, der auch Ulrich von Rechberg als Beteiligten nennt
Wikisource
"Deßwegen zogen die Gmünder durch die Haller verstärkt den 1. Sept. aus, und verbrannten zwey Rechbergische Schlösser, worunter das zu Waldstett war, und zündeten den Wald bey Rechberg an, nachdem sie zuvor die Bäume umgehauen hatten. Da sie sich aber sehr unordentlich zurückzogen, fiel ihnen Ulrich von Rechberg aus seiner Burg Rechberg in den Rücken, und unterstützt durch Graf Ulrich von Wirtemberg schlug er sie gänzlich zurück. Dabey wurden 54 getödtet, und 65 gefangen, die mit der wieder abgenommenen Beute nach Göppingen geführt wurden. Nach Steinhofer wurden über 100 erlegt, und über 150 gefangen."
Steinhofers Chronik (der sich auf Oswald Gabelkover stützt):
http://books.google.de/books?id=tn4AAAAAcAAJ&pg=PA913
Zur Schlacht von Waldstetten siehe
Wikisource mit weiteren Hinweisen
Weitere Heimat-Reminiszenzen Scherrs sind über
http://de.wikisource.org/wiki/Johannes_Scherr
zu erschließen: In den "Sagen aus Schwabenland" (1836) schuf Scherr eine einflussreiche eigene Fassung der Gmünder Ringsage, und 1883 erinnerte sich Scherr an das Gmünder Passionsspiel.
"Ein Priester" (1843) spielt in Rechberg, und das Buch beginnt mit einer Schilderung der Landschaft um den Hohenstaufen:
http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10119086_00013.html
Nach Nägele (S. 69) bieten die Erzählungen "Der Wildschütz" (1838) und "Letzter Frühling eines Frühverwelkten" "ansprechende Bilder vom Hauptschauplatz Straßdorf und von der Burg Rechberg".
Nachtrag: Die Poetischen Versuche von 1835 sind jetzt online
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Poetische_Versuche_(Scherr).pdf
#forschung
Scherrs Jugendleben hat Anton Nägele in einer Artikelserie in den Gmünder Heimatblättern 1929/30 beleuchtet, ist aber auf den Gedichtband nur kurz eingegangen (Jg. 2, 1929, S. 80f., 92f.). Scherr schrieb bzw. veröffentlichte die Gedichte, als er während eines Fuß- und Augenleidens den Besuch des Ehinger Konvikts im Frühjahr 1835 unterbrechen musste (ebd., S. 80).
Scherr hat nicht nur in dem von Nägele erwähnten Gedicht "Fremdlings Heimkehr und Rückfahrt" (S. 58-60) auf seine Heimat mit Erwähnungen von Hohenstaufen und Rechberg Bezug genommen. Er schrieb auch ein Gedicht "Auf dem Hohenstauffen" (S. 71f.), das die Geschichte der Staufer zeittypisch in Verse fasst (zum Staufer-Mythos im 19. Jahrhundert: http://archiv.twoday.net/stories/6412734/ )
Drei weitere Gedichte aus dem Bändchen mit Heimatbezügen liegen online vor, da sie Bernhard Gaugele in sein Heimatbuch von 1910 aufgenommen hat, das digitalisiert auf Wikimedia Commons einzusehen ist:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c7/Gaugele_Meiner_Heimat_T%C3%A4ler_und_H%C3%B6hen.djvu
Gaugele schließt sein Buch mit Scherrs Gedicht "Schwäbische Sage", das den Kyffhäuser-Barbarossa-Mythos am Hohenstaufen lokalisiert (Gaugele S. 144f.; Scherr S. 69-71).
Die "Sage vom Schloss Rechberg" (Scherr S. 51-54) ist bei Gaugele in zwei Teile zerschlagen (S. 40-42, 123f.). Erst in der Zeit um 1800 begegnet die Lokalisierung der angeblichen großen frühmittelalterlichen Christenschlacht ins Christental - eine Erfindung der "Schwäbischen Chronik" des Thomas Lirer - bei Nenningen.
Grundlegend zu dieser Überlieferung: Florian Henning Setzen, Geheimnisvolles Christental. Geschichtliches und Sagenhaftes um Burgruine Granegg und Reiterles-Kapelle, Donzdorf 1994, S. 12-26. Siehe auch Graf, Sagen der Schwäbischen Alb (2008), Nr. 212; Stütz, Sagen der Heimat (2011), Nr. 11 http://archiv.twoday.net/stories/16578482/
http://www.histsem.uni-freiburg.de/mertens/graf/kirch.htm#t62
[ http://archiv.twoday.net/stories/120171638/ ]
Scherr konnte die Überlieferung aus den Werken des Pfarres Joseph Alois Rink kennen, aus der Gmünder Stadtgeschichte von 1802:
Wikisource
oder dem Aufsatz im Schwäbischen Taschenbuch auf das Jahr 1820:
Wikisource
2011 widmete sich eine Ausstellung der Schlacht von Waldstetten im Städtekrieg 1449 http://archiv.twoday.net/stories/31626557/. Gaugele bezieht sicher zu Recht Scherrs Gedicht "Die Jagd" (S. 55-58; mit anderer Versaufteilung bei Gaugele S. 22f.) auf diesen Konflikt. Ulrich von Rechberg, den Scherr anachronistisch als Graf bezeichnet, schlägt die Städter (der Name der Stadt Gmünd wird nicht genannt!), die in sein Gebiet eingefallen sind und auf einer Rast ihren Sieg feiern. Während der bürgerliche Zeitgeist damals die adeligen "Raubritter" schmähte, ergreift Scherr die Partei des Rechbergers und denunziert die Städter als Räuber.
Von der Schlacht bei Waldstetten konnte Scherr wieder durch Rinks Stadtgeschichte wissen, der auch Ulrich von Rechberg als Beteiligten nennt
Wikisource
"Deßwegen zogen die Gmünder durch die Haller verstärkt den 1. Sept. aus, und verbrannten zwey Rechbergische Schlösser, worunter das zu Waldstett war, und zündeten den Wald bey Rechberg an, nachdem sie zuvor die Bäume umgehauen hatten. Da sie sich aber sehr unordentlich zurückzogen, fiel ihnen Ulrich von Rechberg aus seiner Burg Rechberg in den Rücken, und unterstützt durch Graf Ulrich von Wirtemberg schlug er sie gänzlich zurück. Dabey wurden 54 getödtet, und 65 gefangen, die mit der wieder abgenommenen Beute nach Göppingen geführt wurden. Nach Steinhofer wurden über 100 erlegt, und über 150 gefangen."
Steinhofers Chronik (der sich auf Oswald Gabelkover stützt):
http://books.google.de/books?id=tn4AAAAAcAAJ&pg=PA913
Zur Schlacht von Waldstetten siehe
Wikisource mit weiteren Hinweisen
Weitere Heimat-Reminiszenzen Scherrs sind über
http://de.wikisource.org/wiki/Johannes_Scherr
zu erschließen: In den "Sagen aus Schwabenland" (1836) schuf Scherr eine einflussreiche eigene Fassung der Gmünder Ringsage, und 1883 erinnerte sich Scherr an das Gmünder Passionsspiel.
"Ein Priester" (1843) spielt in Rechberg, und das Buch beginnt mit einer Schilderung der Landschaft um den Hohenstaufen:
http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10119086_00013.html
Nach Nägele (S. 69) bieten die Erzählungen "Der Wildschütz" (1838) und "Letzter Frühling eines Frühverwelkten" "ansprechende Bilder vom Hauptschauplatz Straßdorf und von der Burg Rechberg".
Nachtrag: Die Poetischen Versuche von 1835 sind jetzt online
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Poetische_Versuche_(Scherr).pdf
#forschung
KlausGraf - am Samstag, 4. August 2012, 22:52 - Rubrik: Landesgeschichte