URN: urn:nbn:de:bsz:25-opus-87679
URL: http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/8767/
Graf, Klaus: Gottfried Wilhelm Leibniz, Ladislaus Sunthaim und die süddeutsche Welfen-Historiographie
Kurzfassung in Deutsch:
In Band 1 der Scriptores rerum Brunsvicensium von 1707 druckte Leibniz auf sechs Seiten als Nr. 58 die 1511 datierte genealogische Ausarbeitung zur Geschichte der Welfen des aus Ravensburg gebürtigen Wiener Kanonikers Ladislaus Sunthaim - Hofhistoriograph Maximilians I. und einer der Väter der modernen Genealogie. Der Beitrag würdigt Sunthaim als Vorläufer des "Genealogen" Leibniz und erwägt, ob die anonyme "Summula de Guelfis", das wichtigste Zeugnis der süddeutschen Welfen-Historiographie um 1500, aus Sunthaims Feder stammen könnte. S. 39 Anm. 25 wird ein wichtiger Neufund zur Überlieferung der Werke Sunthaims mitgeteilt: Zwei bislang unidentifizierte Sammelbände Sunthayms verwahrt als Handschriften Nr. 189 und 193 des Schlüsselberg-Archivs das Oberösterreichische Landesarchiv.
SWD-Schlagwörter: Sunthaym, Ladislaus , Leibniz, Gottfried Wilhelm , Welfen
Freie Schlagwörter (deutsch): Wissenschaftsgeschichte der Genealogie
Freie Schlagwörter (englisch): genealogy
Institut: Historisches Seminar
DDC-Sachgruppe: Geschichte
Dokumentart: Aufsatz
Quelle: Leibniz als Sammler und Herausgeber historischer Quellen, hrsg. von Nora Gädeke (Wolfenbütteler Forschungen 129), Wiesbaden 2012, S. 33-47
Sprache: Deutsch
Erstellungsjahr: 2012
Publikationsdatum: 01.10.2012
Bemerkung: Verlags-PDF. Preprint mit Links: Archivalia vom 14. Oktober 2007: http://archiv.twoday.net/stories/4349225/ bzw. Archivversion http://www.webcitation.org/5xQyrF4hi
***
Passend dazu teile ich den von mir für die NDB geschriebenen Artikel über Sunthaim mit (in der von mir eingereichten, nicht redigierten Fassung):
Sunthaym, Ladislaus, Historiograph, Genealoge und Geograph
* um 1440 in Ravensburg
+ wohl um den 1. Februar 1513 in Wien
Der aus einer Ravensburger Bürgersfamilie stammende S. begegnet
erstmals 1460 in der Wiener Universitätsmatrikel. 1465 Baccalaureus geworden, schlug er in Wien eine Klerikerlaufbahn ein. Bevor er 1504 ein Kanonikat am Stephansdom erhielt, versorgten ihn drei Messpfründen an der gleichen Kirche. Seit 1500 erhielt er finanzielle Zuwendungen als Historiograph und "cronickmaister" Maximilians I.
Aufgrund seiner fundierten genealogischen Forschungen war S. zunächst der führende Kopf des Gelehrtenkreises, der gemeinsam mit dem Herrscher das singuläre Ruhmes- und Erinnerungswerk Maximilians konzipierte. Ab 1505 verdrängte ihn der für kühnere genealogische Konstruktionen aufgeschlossenere Jurist Jakob Mennel aus dieser Position. Zwei große Interessensgebiete bestimmten S.s Studien: die landesbeschreibende Geographie und die Genealogie des Adels. Wenn es an Geld und Schreibern nicht fehle, schrieb er 1503 an Matthäus Lang, wolle er sich beeilen, sein Wissen in zwei Büchern zusammenzufassen, das eine vom Adel, das andere von Ländern, Städten, Klöstern und Flüssen.
S.s Werke liegen vor allem in mehreren Sammelhandschriften vor. Die wohl weitgehend auf ausgedehnten eigenen Reisen fußende Beschreibung oberdeutscher Regionen (um 1500) in den Stuttgarter Codices hist. 2° 250 und 249 liefern überwiegend nüchterne topographisch-statistische Notizen, die aber immer wieder mit reizvollen Beobachtungen angereichert werden. Sie waren für Sebastian Münsters Kosmographie (Erstausgabe 1544) eine
wichtige Quelle. Die geographischen Arbeiten S.s, zu denen auch eine auf seine Materialien zurückgehende Beschreibung Österreichs gezählt werden darf, sind zu sehen vor dem Hintergrund der
kosmographisch-ethnographischen Darstellungen des Humanismus und des ambitionierten Plans von Konrad Celtis einer "Germania illustrata". Mit dem Poeten Celtis verband S. ein enges, wenn auch
nicht immer konfliktfreies Verhältnis.
Wie Mennel und Matthäus Marschalk von Pappenheim kann S. als Pionier der "modernen" Genealogie gelten. In einer Zeit, die noch keine genealogischen Nachschlagewerke kannte, war es eine große Leistung, Ordnung in die Stammfolgen mitteleuropäischer Dynastien zu bringen (neben den Habsburgern dokumentieren die Sammelbände z.B. auch die Welfen, Wittelsbacher und Württemberger). Bereits die anlässlich der Heiligsprechung des Babenbergerherzogs Leopold 1485 für das Stift
Klosterneuburg verfasste Babenberger-Genealogie "Tabulae
Claustroneoburgenses" (1491 anonym in Basel gedruckt) demonstrieren S.s Kennerschaft im Umgang mit der hochmittelalterlichen Quellenüberlieferung.
S. gehörte zum neuen Typ des "reisenden Historikers" (F. Eheim), der insbesondere in klösterlichen Bibliotheken und Archiven auf
Quellensuche ging. Integriert in die Wiener humanistische Sodalitas,
kann S. doch nicht als Humanist betrachtet werden, wählt man den
programmatischen Bezug auf die Antike als Kriterium. Seine
historischen Studien ordnen ihn vielmehr den ausgeprägten
retrospektiven Strömungen der Zeit um 1500 zu, wie sie damals nicht nur am deutschen Königshof gepflegt wurden, sondern auch im
"monastischen Historismus" reformierter Benediktinerklöster (mit
Johannes Trithemius an der Spitze) und im Kontext der ritterlichen
Altertümern nachspürenden "Ritter-Renaissance" (z.B. im Wappenbuch Konrad Grünenbergs).
Werke: A. F. Oefele, Rerum Boicarum Scriptores, Bd. 2, 1763, S.
557-644; K. Uhde, Ladislaus Sunthayms geographisches Werk und seine Rezeption durch Sebastian Münster. 1-2. 1993
Literatur: ADB; ²VL (W. Stelzer); F. Eheim, Ladislaus Sunthaym. Leben und Werk. masch. Diss. Wien 1949, Ders., Ladislaus Sunthaym. Ein Historiker aus dem Gelehrtenkreis um Maximilian I., in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 67 (1959), S. 54-91; R. Perger: Sunthaym-Beiträge, in: Adler 10 (1974/76), S. 224-239; R. Götz,
Wege und Irrwege frühneuzeitlicher Historiographie,
2007, S. 25-32; K. Graf, Gottfried Wilhelm Leibniz, Ladislaus Sunthaim und die süddeutsche Welfen-Historiographie, in: Leibniz als Sammler und Herausgeber historischer Quellen (in Vorb.)
[Druckfassung: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 706f.]
Markgräfin Agnes (aus Sunthaims Klosterneuburger Stammbaum)
URL: http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/8767/
Graf, Klaus: Gottfried Wilhelm Leibniz, Ladislaus Sunthaim und die süddeutsche Welfen-Historiographie
Kurzfassung in Deutsch:
In Band 1 der Scriptores rerum Brunsvicensium von 1707 druckte Leibniz auf sechs Seiten als Nr. 58 die 1511 datierte genealogische Ausarbeitung zur Geschichte der Welfen des aus Ravensburg gebürtigen Wiener Kanonikers Ladislaus Sunthaim - Hofhistoriograph Maximilians I. und einer der Väter der modernen Genealogie. Der Beitrag würdigt Sunthaim als Vorläufer des "Genealogen" Leibniz und erwägt, ob die anonyme "Summula de Guelfis", das wichtigste Zeugnis der süddeutschen Welfen-Historiographie um 1500, aus Sunthaims Feder stammen könnte. S. 39 Anm. 25 wird ein wichtiger Neufund zur Überlieferung der Werke Sunthaims mitgeteilt: Zwei bislang unidentifizierte Sammelbände Sunthayms verwahrt als Handschriften Nr. 189 und 193 des Schlüsselberg-Archivs das Oberösterreichische Landesarchiv.
SWD-Schlagwörter: Sunthaym, Ladislaus , Leibniz, Gottfried Wilhelm , Welfen
Freie Schlagwörter (deutsch): Wissenschaftsgeschichte der Genealogie
Freie Schlagwörter (englisch): genealogy
Institut: Historisches Seminar
DDC-Sachgruppe: Geschichte
Dokumentart: Aufsatz
Quelle: Leibniz als Sammler und Herausgeber historischer Quellen, hrsg. von Nora Gädeke (Wolfenbütteler Forschungen 129), Wiesbaden 2012, S. 33-47
Sprache: Deutsch
Erstellungsjahr: 2012
Publikationsdatum: 01.10.2012
Bemerkung: Verlags-PDF. Preprint mit Links: Archivalia vom 14. Oktober 2007: http://archiv.twoday.net/stories/4349225/ bzw. Archivversion http://www.webcitation.org/5xQyrF4hi
***
Passend dazu teile ich den von mir für die NDB geschriebenen Artikel über Sunthaim mit (in der von mir eingereichten, nicht redigierten Fassung):
Sunthaym, Ladislaus, Historiograph, Genealoge und Geograph
* um 1440 in Ravensburg
+ wohl um den 1. Februar 1513 in Wien
Der aus einer Ravensburger Bürgersfamilie stammende S. begegnet
erstmals 1460 in der Wiener Universitätsmatrikel. 1465 Baccalaureus geworden, schlug er in Wien eine Klerikerlaufbahn ein. Bevor er 1504 ein Kanonikat am Stephansdom erhielt, versorgten ihn drei Messpfründen an der gleichen Kirche. Seit 1500 erhielt er finanzielle Zuwendungen als Historiograph und "cronickmaister" Maximilians I.
Aufgrund seiner fundierten genealogischen Forschungen war S. zunächst der führende Kopf des Gelehrtenkreises, der gemeinsam mit dem Herrscher das singuläre Ruhmes- und Erinnerungswerk Maximilians konzipierte. Ab 1505 verdrängte ihn der für kühnere genealogische Konstruktionen aufgeschlossenere Jurist Jakob Mennel aus dieser Position. Zwei große Interessensgebiete bestimmten S.s Studien: die landesbeschreibende Geographie und die Genealogie des Adels. Wenn es an Geld und Schreibern nicht fehle, schrieb er 1503 an Matthäus Lang, wolle er sich beeilen, sein Wissen in zwei Büchern zusammenzufassen, das eine vom Adel, das andere von Ländern, Städten, Klöstern und Flüssen.
S.s Werke liegen vor allem in mehreren Sammelhandschriften vor. Die wohl weitgehend auf ausgedehnten eigenen Reisen fußende Beschreibung oberdeutscher Regionen (um 1500) in den Stuttgarter Codices hist. 2° 250 und 249 liefern überwiegend nüchterne topographisch-statistische Notizen, die aber immer wieder mit reizvollen Beobachtungen angereichert werden. Sie waren für Sebastian Münsters Kosmographie (Erstausgabe 1544) eine
wichtige Quelle. Die geographischen Arbeiten S.s, zu denen auch eine auf seine Materialien zurückgehende Beschreibung Österreichs gezählt werden darf, sind zu sehen vor dem Hintergrund der
kosmographisch-ethnographischen Darstellungen des Humanismus und des ambitionierten Plans von Konrad Celtis einer "Germania illustrata". Mit dem Poeten Celtis verband S. ein enges, wenn auch
nicht immer konfliktfreies Verhältnis.
Wie Mennel und Matthäus Marschalk von Pappenheim kann S. als Pionier der "modernen" Genealogie gelten. In einer Zeit, die noch keine genealogischen Nachschlagewerke kannte, war es eine große Leistung, Ordnung in die Stammfolgen mitteleuropäischer Dynastien zu bringen (neben den Habsburgern dokumentieren die Sammelbände z.B. auch die Welfen, Wittelsbacher und Württemberger). Bereits die anlässlich der Heiligsprechung des Babenbergerherzogs Leopold 1485 für das Stift
Klosterneuburg verfasste Babenberger-Genealogie "Tabulae
Claustroneoburgenses" (1491 anonym in Basel gedruckt) demonstrieren S.s Kennerschaft im Umgang mit der hochmittelalterlichen Quellenüberlieferung.
S. gehörte zum neuen Typ des "reisenden Historikers" (F. Eheim), der insbesondere in klösterlichen Bibliotheken und Archiven auf
Quellensuche ging. Integriert in die Wiener humanistische Sodalitas,
kann S. doch nicht als Humanist betrachtet werden, wählt man den
programmatischen Bezug auf die Antike als Kriterium. Seine
historischen Studien ordnen ihn vielmehr den ausgeprägten
retrospektiven Strömungen der Zeit um 1500 zu, wie sie damals nicht nur am deutschen Königshof gepflegt wurden, sondern auch im
"monastischen Historismus" reformierter Benediktinerklöster (mit
Johannes Trithemius an der Spitze) und im Kontext der ritterlichen
Altertümern nachspürenden "Ritter-Renaissance" (z.B. im Wappenbuch Konrad Grünenbergs).
Werke: A. F. Oefele, Rerum Boicarum Scriptores, Bd. 2, 1763, S.
557-644; K. Uhde, Ladislaus Sunthayms geographisches Werk und seine Rezeption durch Sebastian Münster. 1-2. 1993
Literatur: ADB; ²VL (W. Stelzer); F. Eheim, Ladislaus Sunthaym. Leben und Werk. masch. Diss. Wien 1949, Ders., Ladislaus Sunthaym. Ein Historiker aus dem Gelehrtenkreis um Maximilian I., in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 67 (1959), S. 54-91; R. Perger: Sunthaym-Beiträge, in: Adler 10 (1974/76), S. 224-239; R. Götz,
Wege und Irrwege frühneuzeitlicher Historiographie,
2007, S. 25-32; K. Graf, Gottfried Wilhelm Leibniz, Ladislaus Sunthaim und die süddeutsche Welfen-Historiographie, in: Leibniz als Sammler und Herausgeber historischer Quellen (in Vorb.)
[Druckfassung: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 706f.]
Markgräfin Agnes (aus Sunthaims Klosterneuburger Stammbaum)
KlausGraf - am Montag, 1. Oktober 2012, 21:41 - Rubrik: Geschichtswissenschaft