http://faz-community.faz.net/blogs/antike/archive/2011/04/02/sozialgeschichte-abgeschrieben-erinnerung-an-ein-plagiat.aspx
Da erschien 1972 in einem renommierten Verlag „Sozialgeschichte der Antike. Ein Abriß", ein handliches Taschenbuch, verfaßt von einem einschlägig promovierten Lehrbeauftragten an einer der neuen Hochschulen. Das Büchlein wurde offenbar ein Erfolg, zwei Jahre später erschien jedenfalls eine Neuauflage. [...]
Es gab aber einen Spielverderber. Der Kölner Althistoriker Friedrich Vittinghoff (1910-1999), selbst ein herausragender Kenner der römischen Kaiserzeit in all ihren Facetten, publizierte in der Historischen Zeitschrift eine Rezension, wie man sie nicht oft zu lesen bekommt (HZ 217, 1973, 111-113). Hier der Anfang:
„Man nehme wörtliche oder wenig frisierte Exzerpte aus gängigen Handbüchern zur griechischen und römischen Geschichte, mische sie, verschweige ihre Herkunft, gebe sich die Aura eines Fachmannes („Lehrbeauftragter für Antike Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Bochum") und verkaufe das Machwerk in einer bekannten Taschenbuchreihe unter dem Desiderat „Sozialgeschichte der Antike": so muß sich der Vf. das Ganze wohl gedacht haben. Ich habe die Plagiatsammlung lediglich mit Bengtson (Griechische Geschichte, 41969; Grundriß der römischen Geschichte 1, 21970), Heuß (Römische Geschichte, 21964) und Finley (in: Fischer Weltgeschichte 3, 1966 und 4, 1967) verglichen. Obwohl B. in den Anmerkungsbelegen (...) umfangreiche und gute moderne Literatur anführt, wird nur einmal beiläufig Heuß mit seiner Schätzung von italischen Einwohnerzahlen (...) genannt (...), sonst aber zur Täuschung des Lesers genauso wie Bengtson und Finley unterschlagen."
Es folgt eine erdrückende Sammlung von Belegen. Vittinghoff skizziert dann, was eine moderne Sozialgeschichte der Antike bieten müßte, und schließt die Rezension, wie dieser Blogeintrag beginnt - mit Traurigkeit:
„Dieser unredliche und unzureichende Abriß einer ‘Geschichte der Antike im Spiegel deutscher Handbücher (ohne Quellenangaben)' - so könnte allenfalls der Titel weniger verkaufstüchtig lauten - ist nicht nur auf weiten Strecken ein Plagiat, sondern desavouiert jede ‘Sozialgeschichte der Antike'. Schade!" (Link ergänzt)
(RSS)
Da erschien 1972 in einem renommierten Verlag „Sozialgeschichte der Antike. Ein Abriß", ein handliches Taschenbuch, verfaßt von einem einschlägig promovierten Lehrbeauftragten an einer der neuen Hochschulen. Das Büchlein wurde offenbar ein Erfolg, zwei Jahre später erschien jedenfalls eine Neuauflage. [...]
Es gab aber einen Spielverderber. Der Kölner Althistoriker Friedrich Vittinghoff (1910-1999), selbst ein herausragender Kenner der römischen Kaiserzeit in all ihren Facetten, publizierte in der Historischen Zeitschrift eine Rezension, wie man sie nicht oft zu lesen bekommt (HZ 217, 1973, 111-113). Hier der Anfang:
„Man nehme wörtliche oder wenig frisierte Exzerpte aus gängigen Handbüchern zur griechischen und römischen Geschichte, mische sie, verschweige ihre Herkunft, gebe sich die Aura eines Fachmannes („Lehrbeauftragter für Antike Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Bochum") und verkaufe das Machwerk in einer bekannten Taschenbuchreihe unter dem Desiderat „Sozialgeschichte der Antike": so muß sich der Vf. das Ganze wohl gedacht haben. Ich habe die Plagiatsammlung lediglich mit Bengtson (Griechische Geschichte, 41969; Grundriß der römischen Geschichte 1, 21970), Heuß (Römische Geschichte, 21964) und Finley (in: Fischer Weltgeschichte 3, 1966 und 4, 1967) verglichen. Obwohl B. in den Anmerkungsbelegen (...) umfangreiche und gute moderne Literatur anführt, wird nur einmal beiläufig Heuß mit seiner Schätzung von italischen Einwohnerzahlen (...) genannt (...), sonst aber zur Täuschung des Lesers genauso wie Bengtson und Finley unterschlagen."
Es folgt eine erdrückende Sammlung von Belegen. Vittinghoff skizziert dann, was eine moderne Sozialgeschichte der Antike bieten müßte, und schließt die Rezension, wie dieser Blogeintrag beginnt - mit Traurigkeit:
„Dieser unredliche und unzureichende Abriß einer ‘Geschichte der Antike im Spiegel deutscher Handbücher (ohne Quellenangaben)' - so könnte allenfalls der Titel weniger verkaufstüchtig lauten - ist nicht nur auf weiten Strecken ein Plagiat, sondern desavouiert jede ‘Sozialgeschichte der Antike'. Schade!" (Link ergänzt)
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KlausGraf - am Samstag, 2. April 2011, 18:15 - Rubrik: Wissenschaftsbetrieb