Allgemeines
Architekturarchive
Archivbau
Archivbibliotheken
Archive in der Zukunft
Archive von unten
Archivgeschichte
Archivpaedagogik
Archivrecht
Archivsoftware
Ausbildungsfragen
Bestandserhaltung
Bewertung
Bibliothekswesen
Bildquellen
Datenschutz
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
null

 
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ab vergangenen Herbst hat der Internationale Suchdienst in Bad Arolsen (ITS) eine neue Benutzerregelung, die regelt, was geht und was nicht. Auf die in der Benutzerregelung angelegte Willkür hat Klaus Graf in Archivalia bereits hingewiesen ( http://archiv.twoday.net/stories/11430012/ ). (Darüber sollte man weiter diskutieren, ich sehe allerdings alleine die Existenz einer verbindlichen Benutzerordnung schon als großen Fortschritt, nachdem ich im vergangenen Jahr beim ITS damit konfrontiert worden war, dass es neuerdings ein Limit von 100 Kopien für Benutzer gäbe, welches ich durch meine Forschungen in den Vorjahren schon überschritten habe!!!)

In der dazugehörigen Gebührenordnung ( http://www.its-arolsen.org/fileadmin/user_upload/Dateien/forschung/GebuehrenordnungKplt_ITS_Oct2010__4_.pdf ) steht

Die Herausgabe von Kopien ganzer Aktenbestände oder Sammlungen ist nicht möglich.

Im Januar 2011 war ich in Arolsen um zu Zwangsarbeit in Berlin zu forschen, speziell zu Neukölln. Ich habe zahlreiche Kopien bestellt, u. a. zu dem Gaswagenhersteller (der KFZ-Firma Gaubschat), zur Verlegung Schwerstkranker in das Sterbelager Blankenfelde-Nord, zu polnischen Zwangsarbeitern aus "Litzmannstadt" (die für eine Tochterfirma von NCR Dayton arbeiteten), vor allem aber Listen von Zwangsarbeitern in Neuköllner Krankenhäusern und die nach Befehl 163 erstellten Listen von Ausländern in Neukölln. Die zeitaufwändige Auswertung dieser Dokumente ist nicht vor Ort möglich, daher ist es notwendig, mit Kopien zu Hause zu arbeiten.

Der ITS verweigert bis heute die Herausgabe dieser Kopien unter dem Hinweis auf "komplette Bestände".
Als "Bestände" definiert der ITS
1. einzelne Listen (beispielsweise 13 Blatt mit Holländern oder 34 Blatt mit Jugoslawen, aber auch umfangreichere Listen von Russen oder Polen - Listen von 2 oder 5 Blatt hingegen nicht),
2. einzelne Ordner (das sind digitalisierte Leitz-Ordner, also etwa 400 Blatt) Da ich aber nicht einmal vollständige Ordner bestellt habe, wird angeführt, ich habe "fast komplette Ordner" bestellt.

Meiner Kenntnis (als Nicht-Archivar) nach ist "Bestand" ein definierter Archiv-Terminus: "Archivgutkomplex auf oberer Tektonikstufe, der idealerweise auf der Grundlage gemeinsamer Provenienz Struktur und Tätigkeit des Registraturbildners widerspiegelt." ( http://oesta.gv.at/site/4936/default.aspx ). Meine Frage an die Expert/inn/en in der Liste: Sehe ich das richtig?

Wenn ja, dann drängt sich der Eindruck auf: Der ITS nimmt sich die Freiheit,
1. die Archiv-Terminologie zu missachten und eigene Definitionen zu erstellen um damit
2. die eigenen veröffentlichten Regeln, die eigentlich verbindlich sein sollten, zu umgehen. (Abgesehen davon, dass in der Benutzerregelung von "kompletten Aktenbeständen und Sammlungen" die Rede ist und nicht von "kompletten Ordnern".)
Damit gelingt es dem ITS wieder einmal, die Forschung zu Holocaust und Zwangsarbeit massiv einzuschränken.

Ich möchte dagegen vorgehen. Deswegen bat ich die Kolleginnen und Kollegen der Mailing Liste NS-Zwangsarbeit, die Behinderungen beim ITS erfahren haben, mir diese Erfahrungen mitzuteilen.

Mit besten Grüßen,

Bernhard Bremberger


Kommentar: Bremberger sieht das richtig, die Benutzungsregelung ist nur eine Scheinfassade für die Willkür der Archivare.

(ML) Archivliste, auch PM
Bremberger meinte am 2011/04/13 10:41:
Neudefinition
Vom ITS bekam ich nun mit einem Schreiben eine Neudefinition. Demnach handle es sich um das, was mir gegenüber vor 2 Monaten als "Bestände" bezeichnet wurde, "selbstverständlich" nicht um ganze Bestände. Jetzt geht es anscheinend nur noch um einen "Bestand", nämlich um eine Liste, die sich im Ordner 0139 befindet.

Zur Erläuterung:
Unter "2.1.5.1. Listen von Angehörigen der Vereinten Nationen, anderer Ausländer, deutscher Juden und Staatenloser, Berlin“ finden sich rund 400 (Leitz-)Ordner (mittlerweile digitalisiert).
Darunter sind die Ordner 0131 bis 0218 mit "Neukölln" beschriftet.
Darunter sind die Ordner 0133 bis 0211 mit Unterlagen aus dem Krankenhaus Neukölln.
Darunter sind die Ordner 0139 bis 0191 zu polnischen Patienten. Der strittige Ordner 0139 enthält zum einen eine rund 300-seitigen Patientenliste sowie rund ein Dutzend Krankenakten. Auch die folgenden Ordner enthalten Krankenakten.

Mir kommt es hier für eine Untersuchung zur Polenstation im Krankenhaus Neukölln auf die Patientenliste an. Im Jahr 2009 erhielt ich nur Kopien der Jahrgänge 1939-1942 und 1945. Die Jahrgänge 1943 und 1944 durfte ich nicht bestellen, da ich sonst ja über die komplette Liste hätte auswerten können. Damals gab es noch keine Benutzerregelung, sie trat erst Herbst 2010 in Kraft. Nun habe ich Kopien der fehlenden Jahrgänge bestellt.
Wenn ich diese bekäme, so argumentiert der ITS, läge mir ein kompletter Bestand vor.

Ich habe nun beim Direktor des ITS nach einer dort gültigen Definition von "Bestand" gefragt. 
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma