Verband Deutscher Kunsthistoriker e.V.
aus aktuellem Anlass:
Offener Brief: Zum drohenden Verkauf Karlsruher Handschriften
An den
Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg
Herrn Günther H. Oettinger
Staatsministerium Baden-Württemberg
Richard-Wagner-Straße 15
70184 Stuttgart
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
der Verband Deutscher Kunsthistoriker protestiert aufs Schärfste gegen den Plan der baden-württembergischen Landesregierung, kostbare Handschriften aus der Landesbibliothek Karlsruhe zu verkaufen, um mit dem erhofften Erlös das großherzogliche Haus Baden zu entschulden und zugleich damit den denkmalpflegerischen Erhalt des ehemaligen Zisterzienserklosters Salem zu sichern, das seit 1802 dem Haus Baden gehört und weiterhin als Wohnsitz dienen soll.
Es ist höchst zweifelhaft, ob dem Haus Baden überhaupt ein Besitzrecht an den von ihm beanspruchten beweglichen Kunst- und Bibliotheksgütern zusteht, die auch vor 1918 nicht Privatbesitz der Großherzöge waren. Die heute in der FAZ (Nr. 227, S. 37) veröffentlichte Beurteilung des Heidelberger Steuer- und Finanzrechtlers Mußgnug widerspricht mit sehr eindeutiger Begründung der derzeit von der baden-württembergischen Landesregierung geäußerten Auffassung.
Doch selbst im gegenteiligen Falle wäre es Pflicht und Ehrensache des verantwortlichen Ministerpräsidenten, eine derart beispiellose und barbarische Zerstreuung wertvollsten, gewachsenen Kulturgutes unter allen Umständen zu verhindern.
Denn Sie, Herr Ministerpräsident, tragen in der Gegenwart und vor der Zukunft des Ihrer Obhut anvertrauten Landes dafür Verantwortung, die mehr als tausend Jahre umspannenden Zeugnisse seiner kulturellen Eigenart und auch die Zeugnisse der weitgreifenden, die heutigen Landesgrenzen weit überschreitenden kulturellen Interessen zu bewahren, die sich in dem Karlsruher Bücherbestand von größtem ideellen Wert manifestieren.
Solche Sammlungsbestände besitzen, wie man in den Geschichtswissenschaften seit langem erkannt hat, ihren besonderen Wert in der gewachsenen, vielschichtigen Einheit. Diese stellt ein bedeutendes historisches Zeugnis in sich dar, das für alle Zeiten zerstört würde durch den Verlust auch nur weniger Handschriften, so wie eine kostbare Krone durch das Herausbrechen einzelner Perlen und Steine an materiellem und ideellem Wert entscheidend verlöre.
Und was wäre die Plünderung der einzigartigen Karlsruher Handschriftensammlung für ein Beitrag zur kulturgeschichtlichen Gleichberechtigung der badisch-schwäbischen Geschwisterschaft, wenn der ehemals württembergische Bibliotheksbesitz gottseidank unanfechtbar in der Stuttgarter Landesbibliothek erhalten bleibt?
Als 1980 die kostbare Bibliothek des Hauses Oettingen-Wallerstein bedroht war, fand die bayerische Staatsregierung unter Franz Josef Strauß eine intelligente Mischfinanzierung, mit der die Bibliothek – zu einem damals schon sehr stattlichen Preis ! – vollständig für die Universität des schwäbischen Landesteils in Augsburg und damit für das gemeinsame kulturelle Gedächtnis gerettet wurde. Das war in einem Land, das gleichzeitig an einem wirtschaftlich hochanspruchsvollen und wie wir sehen erfolgreichen Strukturwandel arbeitete, selbstverständlich. Sollte so etwas nicht auch heute in Ihrem Bundesland nicht nur möglich, ja vielmehr obligatorisch sein?
Wirtschaft und Kultur, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, sind – und waren – immer zwei Seiten derselben Medaille, und für die Kultur waren immer auch hohe wirtschaftliche Opfer zu bringen, die sich freilich reich verzinsen.
Bei entsprechend gewachsenem Bewußtsein für das, was auf dem Spiel steht und angesichts des drohenden Verlustes an kultureller Identität und internationalem Ansehen müßte in einem so sprichwörtlich kreativen Lande wie dem Ihren doch auch in der Regierung soviel Phantasie zu entwickeln sein, wie nötig ist, um den vollständigen Erhalt der Karlsruher Bücherschätze zugleich mit dem von Kloster Salem sicherzustellen. Das können nicht nur die Bürger Ihres Landes von Ihnen erwarten, dazu fordert auch die Fachöffentlichkeit Sie dringendst auf!
Im Namen der Mitglieder des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker
Hochachtungsvoll
gez. Prof. Dr. Georg Satzinger
Wer etwaige weitere Protestmaßnahmen namentlich unterstützen möchte,
teile dies bitte unter Angabe von Namen und Anschrift unter folgender
E-Mail-Adresse mit:
unterschrift kunsthistoriker.org
Vielen Dank für Ihre Unterstützung!
Information
Der im August 1948 gegründete Berufsverband vertritt die Interessen der in Deutschland und in deutschen Institutionen tätigen Kunsthistoriker. Öffentlichkeit für das Fach Kunstgeschichte wird unter anderen durch Publikationen und den zweijährlich stattfindenden Deutschen Kunsthistorikertag geschaffen (mit Mitgliederversammlung). Neben der Betreuung der klassischen Bereiche Universitäten und Forschungsinstitute, Museen und Denkmalpflege widmet sich der Verband verstärkt der Situation der in freien Berufen tätigen Kollegen und der Studenten, die vor dem Einstieg ins Berufsleben stehen.
Quelle:
http://www.zikg.lrz-muenchen.de/VDK/homepage.htm
aus aktuellem Anlass:
Offener Brief: Zum drohenden Verkauf Karlsruher Handschriften
An den
Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg
Herrn Günther H. Oettinger
Staatsministerium Baden-Württemberg
Richard-Wagner-Straße 15
70184 Stuttgart
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
der Verband Deutscher Kunsthistoriker protestiert aufs Schärfste gegen den Plan der baden-württembergischen Landesregierung, kostbare Handschriften aus der Landesbibliothek Karlsruhe zu verkaufen, um mit dem erhofften Erlös das großherzogliche Haus Baden zu entschulden und zugleich damit den denkmalpflegerischen Erhalt des ehemaligen Zisterzienserklosters Salem zu sichern, das seit 1802 dem Haus Baden gehört und weiterhin als Wohnsitz dienen soll.
Es ist höchst zweifelhaft, ob dem Haus Baden überhaupt ein Besitzrecht an den von ihm beanspruchten beweglichen Kunst- und Bibliotheksgütern zusteht, die auch vor 1918 nicht Privatbesitz der Großherzöge waren. Die heute in der FAZ (Nr. 227, S. 37) veröffentlichte Beurteilung des Heidelberger Steuer- und Finanzrechtlers Mußgnug widerspricht mit sehr eindeutiger Begründung der derzeit von der baden-württembergischen Landesregierung geäußerten Auffassung.
Doch selbst im gegenteiligen Falle wäre es Pflicht und Ehrensache des verantwortlichen Ministerpräsidenten, eine derart beispiellose und barbarische Zerstreuung wertvollsten, gewachsenen Kulturgutes unter allen Umständen zu verhindern.
Denn Sie, Herr Ministerpräsident, tragen in der Gegenwart und vor der Zukunft des Ihrer Obhut anvertrauten Landes dafür Verantwortung, die mehr als tausend Jahre umspannenden Zeugnisse seiner kulturellen Eigenart und auch die Zeugnisse der weitgreifenden, die heutigen Landesgrenzen weit überschreitenden kulturellen Interessen zu bewahren, die sich in dem Karlsruher Bücherbestand von größtem ideellen Wert manifestieren.
Solche Sammlungsbestände besitzen, wie man in den Geschichtswissenschaften seit langem erkannt hat, ihren besonderen Wert in der gewachsenen, vielschichtigen Einheit. Diese stellt ein bedeutendes historisches Zeugnis in sich dar, das für alle Zeiten zerstört würde durch den Verlust auch nur weniger Handschriften, so wie eine kostbare Krone durch das Herausbrechen einzelner Perlen und Steine an materiellem und ideellem Wert entscheidend verlöre.
Und was wäre die Plünderung der einzigartigen Karlsruher Handschriftensammlung für ein Beitrag zur kulturgeschichtlichen Gleichberechtigung der badisch-schwäbischen Geschwisterschaft, wenn der ehemals württembergische Bibliotheksbesitz gottseidank unanfechtbar in der Stuttgarter Landesbibliothek erhalten bleibt?
Als 1980 die kostbare Bibliothek des Hauses Oettingen-Wallerstein bedroht war, fand die bayerische Staatsregierung unter Franz Josef Strauß eine intelligente Mischfinanzierung, mit der die Bibliothek – zu einem damals schon sehr stattlichen Preis ! – vollständig für die Universität des schwäbischen Landesteils in Augsburg und damit für das gemeinsame kulturelle Gedächtnis gerettet wurde. Das war in einem Land, das gleichzeitig an einem wirtschaftlich hochanspruchsvollen und wie wir sehen erfolgreichen Strukturwandel arbeitete, selbstverständlich. Sollte so etwas nicht auch heute in Ihrem Bundesland nicht nur möglich, ja vielmehr obligatorisch sein?
Wirtschaft und Kultur, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, sind – und waren – immer zwei Seiten derselben Medaille, und für die Kultur waren immer auch hohe wirtschaftliche Opfer zu bringen, die sich freilich reich verzinsen.
Bei entsprechend gewachsenem Bewußtsein für das, was auf dem Spiel steht und angesichts des drohenden Verlustes an kultureller Identität und internationalem Ansehen müßte in einem so sprichwörtlich kreativen Lande wie dem Ihren doch auch in der Regierung soviel Phantasie zu entwickeln sein, wie nötig ist, um den vollständigen Erhalt der Karlsruher Bücherschätze zugleich mit dem von Kloster Salem sicherzustellen. Das können nicht nur die Bürger Ihres Landes von Ihnen erwarten, dazu fordert auch die Fachöffentlichkeit Sie dringendst auf!
Im Namen der Mitglieder des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker
Hochachtungsvoll
gez. Prof. Dr. Georg Satzinger
Wer etwaige weitere Protestmaßnahmen namentlich unterstützen möchte,
teile dies bitte unter Angabe von Namen und Anschrift unter folgender
E-Mail-Adresse mit:
unterschrift kunsthistoriker.org
Vielen Dank für Ihre Unterstützung!
Information
Der im August 1948 gegründete Berufsverband vertritt die Interessen der in Deutschland und in deutschen Institutionen tätigen Kunsthistoriker. Öffentlichkeit für das Fach Kunstgeschichte wird unter anderen durch Publikationen und den zweijährlich stattfindenden Deutschen Kunsthistorikertag geschaffen (mit Mitgliederversammlung). Neben der Betreuung der klassischen Bereiche Universitäten und Forschungsinstitute, Museen und Denkmalpflege widmet sich der Verband verstärkt der Situation der in freien Berufen tätigen Kollegen und der Studenten, die vor dem Einstieg ins Berufsleben stehen.
Quelle:
http://www.zikg.lrz-muenchen.de/VDK/homepage.htm