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http://www.rechnungshof.baden-wuerttemberg.de/fm/976/Denkschrift-2006-druckopti.pdf

Im Abschnitt über die beiden landesbibliotheken wird das Drehen der Gebührenschraube empfohlen:

Der RH schlägt vor, für die Inanspruchnahme der Fernleihe künftig kostendeckende
Gebühren zu erheben. Es ist nicht zu rechtfertigen, dass der aufwendige
Fernleihverkehr, der jeweils einzelnen Benutzern zugerechnet werden
kann und allein diesen zugute kommt, aus Steuergeldern subventioniert wird.


Dann könnten tausende wissenschaftliche Nutzer ihre wissenschaftliche Arbeit vergessen. Niemand bestellt aus Spaß eine Fernleihe (kostendeckend wären wohl Gebühren von 20 Euro/Fernleihe), sondern, weil die Literaturversorgung immer schwieriger wird und natürlich die Landesbibliotheken dank beschränkter Ankaufetats kaum noch aktuelle Literatur kaufen können.

Beide Landesbibliotheken sollten verstärkt von ihrem Recht Gebrauch
machen, Pflichtexemplare von geringer literarischer oder historischer Bedeutung
nicht zu archivieren. Aus Sicht des RH reicht es aus, wenn die diversen
Lokal- und Regionalausgaben der in Baden-Württemberg erscheinenden
Zeitungen von den jeweiligen Verlagen archiviert werden. Ebenso kann auf
die Archivierung von Buchpublikationen ohne literarischen oder historischen
Wert verzichtet werden. Das bei den Bibliotheken beschäftigte wissenschaftliche
Personal ist aufgrund seiner Ausbildung in der Lage, die notwendigen
Entscheidungen über eine Archivierung verantwortlich zu treffen.


Die Verlage haben keinerlei Verpflichtung, Archive dauernd zu unterhalten. Diese Vorschläge spotten jeder Beschreibung. Das Pflichtexemplarrecht (vom BVerfG abgesegnet) dient der umfassenden Dokumentation der kulturellen Produktion. Gerade auch der sog. "Schmutz und Schund" (diese miesen Kleingeister scheinen in den 1950er Jahren stehengeblieben zu sein) ist eine einzigartige Quelle der Alltags- und Kulturgeschichte, nicht nur das, was irgendwelche Bibliothekare, deren Stelle vom RH nicht weggekürzt wurden, als literarisch und historisch wertvoll ansehen. Diese Auswahltätigkeit ist mit der Neutralitätspflicht des Staats und damit mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren. Wir halten fest: Wenn der RH gegen die Verfassung verstößt, ist Widerstand Pflicht!

Reduzierte Öffnungszeiten der Sonderlesesäle: die Öffnungszeiten sind ohnehin nicht besonders benutzerfreundlich!

Der Staat sollte den Bürgern dienen und nicht spar-geilen Überwachungs-R***, denen nur Abzocke beim Bürger einfällt.

Bei der Stuttgarter Staatsgalerie empfiehlt der RH (wiederholt in der Presse erwähnt):

die Festlegung von Sammlungsschwerpunkten, die einen maßvollen Abbau der Sammlungsbestände der Staatsgalerie ermöglichen.

"Zum Thema „Abbau von Sammlungsbeständen“ verweist das MWK auf die Beschlussempfehlung
des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kunst
vom 17.11.2005, in dem die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für die
Veräußerung von Kunstgegenständen aus den Museen des Landes niedergelegt
worden seien. Es bleibe unklar, weshalb der RH für einen Abbau der Bestände
über die dort festgelegten Grundsätze hinaus plädiert."

Der RH replizierte:

"Ein maßvoller Abbau der Sammlungsbestände (z. B. Dubletten, „Ladenhüter“
oder Objekte außerhalb der Sammlungsschwerpunkte) könnte räumliche und
personelle Ressourcen freisetzen, außerdem auch (bescheidene) Veräußerungserlöse
erbringen. Dieser Abbau ist aber auch deshalb notwendig, weil die
Prüfung ergeben hat, dass die Staatsgalerie mit der sachgerechten Verwaltung
des bisherigen Bestandes teilweise überfordert ist."

Die besagte Beschlussempfehlung auf einen zurückgezogenen Antrag der Abgeordneten Utzt findet sich in:
http://www2.landtag-bw.de/wp13/drucksachen/5000/13_5052_d.pdf

Ein CDU-Abgeordneter führte aus:

"Die Konzeption, die das Wissenschaftsministerium in seiner
Stellungnahme vorlege, zeuge von äußerster Zurückhaltung, die
er teile. Folgende Punkte seien klipp und klar festgehalten:

Erstens: Die Landeshaushaltsordnung lasse Veräußerungen von
Sammlungsgegenständen zu.

Zweitens: Veräußerungen seien nur in Einzelfällen möglich, zum
Beispiel bei verzichtbaren Dubletten. Bei der Besichtigung von
Museumsdepots habe er viele Dinge gesehen, die niemals ausgestellt worden seien.

Drittens: Veräußerungen könnten nur auf Antrag der Museumsleitung
erfolgen.

Viertens: In den Entscheidungsprozess sei eine unabhängige Expertenkommission
einzubinden. Dies sei besonders wichtig, weil
oftmals eigensüchtige Interessen gebremst werden müssten.

Fünftens: Der Erlös fließe wieder den Museen zu.
Diese Konzeption halte er für sehr vernünftig. Das Positionspapier
des Deutschen Museumsbundes dagegen sei total überbürokratisiert."

Der Wissenschaftsminister schloss sich dieser Stellungnahme an.
Ladislaus meinte am 2006/10/24 10:52:
Dieser RH-Bericht ist m. E. schon in seiner Grundintention verfassungswidrig (Art. 3 der Verfassung von BW). Die völlige Missachtung unserer Kultur, ja unserer ganzen Demokratie und ihrer Verfassung, die daraus spricht, schreit geradezu danach, in einem Untersuchungsausschuß des Landtages besprochen zu werden.

Zum Fernleihverkehr wäre übrigens vielmehr folgender Absatz sinnvoll gewesen: "Es ist nicht zu rechtfertigen, dass der aufwendige
Fernleihverkehr, der jeweils einzelnen Benutzern zugerechnet werden kann und allein diesen zugute kommt, aus Steuergeldern subventioniert wird. Daher sollten, wenn sachlich möglich und wirtschafltich halbwegs sinnvoll, die gewünschten Bücher angeschafft werden, um auch weiteren Benutzern zur Verfügung zu stehen."

Zum "Nichtausstellen": Sogar die Wikipedia weiß, dass ein Museum "eine Institution" ist, "die eine Sammlung interessanter Gegenstände für die Öffentlichkeit aufbewahrt und Teile davon ausstellt." Warum weiß sowas ein Wissenschaftsminister nicht? 
steffens80 antwortete am 2006/10/24 16:37:
Wirtschaftlichkeitsgebot verfassungswidrig
Der RH verweist auf nichts anderes als das Wirtschaftlichkeitsgebot der öffentlichen Hand, was sich nebenbei auch im Grundgesetz wiederfindet. Das RH bisweilen krude Auffassungen von Kultur haben ist offenkundig, der Vorwurf des baden-württembergischen RH ist jedenfalls sowohl verfassungskonform wie konform zum geltenden Haushaltsrecht, was auch für öffentliche wie wissenschaftliche Bibliotheken gilt. Der Rechnungshof fungiert hier quasi als Kontrollinstitution und weist den Handlungsspielraum öffentlicher Kultureinrichtungen wie Bibliotheken. Zumeist reichlich eng, nur der genannte Vorwurf des RH bezüglich der Fernleihgebühren ist grundsätzlich nachvollziehbar, nur die Forderung nach Kostendeckung erscheint kaum umsetzbar. Mich würden einmal die aktuellen Fernleihgebühren der kritisierten Bibliothek(en) interessieren zwecks Einschätzung bzw. Einordnung der RH-Kritik.

Das Wirtschaftlichkeitsgebot für Kultureinrichtungen selbst ist diskutierenswert. Hier liegt m.E. der "Hase im Pfeffer". Das geltende Haushaltsrecht bedarf hier einer grundsätzlichen Änderung, um den RH den Wind aus den Segeln zu nehmen. 
Ladislaus antwortete am 2006/10/24 17:25:
Seit wann steht irgendeine Haushaltsordnung über der Verfassung? Tut mir leid, Artikel 3c (2) ist doch eindeutig: "Die Landschaft sowie die Denkmale der Kunst, der Geschichte und der Natur genießen öffentlichen Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden." 
steffens80 antwortete am 2006/10/25 00:09:
Haushaltsrecht und Grundgesetz
Jede Haushaltsordnung darf, als eigene Rechtsnorm keiner übergeordneten widersprechen, was schlußendlich das Grundgesetz einschließt. Die Artikel zum Finanzwesen finden sich ab Artikel 104 ff. und bilden letztlich, neben den Gesetzgebungskompetenzen (welche erst zu, Erlaß der Haushaltsordnungen bzw. -gesetze ob Bund oder Länder ermächtigen) die Grundlage für jedwedes Haushaltsrecht. Das Wirtschaftlichkeitsgebot in Wortausführung findet sich schlußendlich in jeglichen Vorschriften zum Haushaltswesen zumeist in den Haushalts(ver)ordnungen für die kommunale Ebene oder den Hauhaltsgesetzen für Bund und Länder. Es bildet eine Handlungsgrundlage der öffentlichen Hand. Nur genau dieser Grundsatz kann in der Kultur quasi nicht erreicht werden. Ein Theater, eine Bibliothek kann sich nicht rechnen und genau hier muß m.E. der Hebel ansetzen - in einer entspr. Änderung resp. Einschränkung des Wirtschaftlichkeitsprinzips für Kultureinrichtungen. M.E. wird dieses Prinzip gern als Hebel gegen Kultureinrichtungen benutzt, um Kürzungen der entspr. Finanzmittel zu begründen. Solchen Begründungen ist der (rechtliche) Boden zu entziehen. 
Ladislaus meinte am 2006/10/25 16:52:
Zum Thema gibt es auch einen lesenswerten Beitrag im Blog "Bibliotheksrecht"
 

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