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von Heidrun Wiesenmüller, in: Südwest-Info. Mitteilungsblatt des VDB-Regionalverbandes Südwest, Nr. 19 (2006) (pdf), Dezember 2006, Seite 3.

Selten hat ein ‘Bibliotheksthema’ die Öffentlichkeit so bewegt wie der Plan der baden-württembergischen Landesregierung, wertvolle Handschriften aus den Sammlungen der Badischen Landesbibliothek zugunsten des Hauses Baden zu verkaufen. Davon zeugen unzählige Artikel in der regionalen, überregionalen und internationalen Presse, Stellungnahmen aus dem In- und Ausland sowie politische Anträge bis hin zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Viele gute Gründe für den Erhalt der Sammlung am angestammten Ort wurden darin zusammengetragen, die hier nicht wiederholt werden müssen (von der zweifelhaften Rechtsgrundlage einmal ganz abgesehen). Dass ein solches Argumentieren aber überhaupt nötig geworden war – im 21. Jahrhundert, in Friedenszeiten und in einem wirtschaftlich starken deutschen Bundesland, das dem öffentlichen Schutz der „Denkmale der Kunst [und] der Geschichte“ Verfassungsrang (Art. 3c) einräumt! – war für viele eine traumatische Erfahrung.

Für die Landesregierung kam der heftige Widerstand überraschend: Offenbar hatte man nicht nur den emotionalen Wert mittelalterlicher Handschriften unterschätzt, sondern auch das Mobilisierungspotential von Wissenschaft und Kultur in Zeiten des Internets. Ein gutes Beispiel dafür ist der von Marburger Historikern initiierte offene Brief, der binnen weniger Tage von mehr als 2.500 Personen online unterzeichnet wurde.

Der Verkauf wurde abgewendet – die Besorgnis jedoch bleibt. Nicht nur ist damit zu rechnen, dass der Kultur- und Wissenschaftsbereich zumindest einen Teil der erwünschten Millionenbeträge auf anderem Wege wird erbringen müssen – sei es durch „Solidarbeiträge“, Etatkürzungen oder durch die Umwidmung von Projektmitteln der Landesstiftung. Zum anderen gab es im Lauf der Debatte durchaus auch Stimmen, die die Aufregung nicht so recht nachvollziehen konnten oder den Protest gar als elitär und professoral abtaten: „Sie sitzen in den vorderen Kirchenbänken des Kulturbetriebs, und wenn sie ihre Stimme erheben, erbeben die Feuilletons“, so mokierte sich etwa die bekannte Kolumnistin Susanne Offenbach über den Handschriftenprotest. Zwar sei „das Verfahren keine glückliche Aktion“ gewesen, dennoch müsse die Diskussion darüber, „ob alle Kunst und Kultur vor lauter missverstandener Ehrfurcht auf immer dort zu bleiben habe, wo sie heute ist, (…) dringend geführt werden“ („Sonntag aktuell“ vom 05.11.2006). Der kaum verblümte Vorwurf dahinter: Die Gedächtnisinstitutionen würden – auf Kosten des Steuerzahlers – im großen Stile Dinge sammeln, die es nicht wert sind, aufbewahrt zu werden.

Derselbe Tenor findet sich in der aktuellen Denkschrift des Landesrechnungshofes: Der Stuttgarter Staatsgalerie wird ein „maßvollen Abbau der Sammlungsbestände“ ans Herz gelegt, und bei den Landesbibliotheken soll künftig „auf die Archivierung von Buchpublikationen ohne literarischen oder historischen Wert verzichtet werden.“

Hier das „gute“ kulturelle Erbe, dort das „minderwertige“? Ein solches Kulturverständnis schien lange Zeit passé. Als Paradebeispiel wurde gerne der – bekanntlich längst zum anerkannten Forschungsthema mutierte – Groschenroman zitiert. Auch sonst hat sich die neuere Forschung oft besonders intensiv mit Themen der Alltagskultur beschäftigt.

Unabdingbar ist und bleibt es deshalb, die Zeugnisse unserer Kultur und Zivilisation auf einer breiten Basis zu sammeln. Schon bisher freilich mussten an diesem Ideal manche Abstriche gemacht werden. Angesichts stetig sinkender Etats und Personalstellen wird es künftig nicht einfacher werden – und dies, obwohl mit den Internet-Publikationen ein schwieriges und aufwändiges Sammelgebiet dazu gekommen ist.

Für die großartigen Handschriften der Badischen Landesbibliothek fanden sich zahllose Fürsprecher. Ungleich schwieriger ist es, bei Politik und Öffentlichkeit Verständnis dafür zu wecken, dass auch weniger Spektakuläres bewahrenswert ist. Die Bibliotheken, so scheint es, müssen künftig aktiver als bisher für ihre Sammeltätigkeit werben und deutlich machen: Der Erhalt des vielzitierten „kulturellen Erbes“ ist nicht zum Nulltarif zu haben!

Heidrun Wiesenmüller, Stuttgart
KlausGraf meinte am 2006/12/30 02:05:
Pflichtexemplare müssen dem ganzen Volke kostenfrei zur Verfügung stehen
Zum Bewertungsvorschlag des Rechnungshofs:
http://archiv.twoday.net/stories/2843831/

Es ist absolut daneben, dass die Deutsche Nationalbibliothek happige Jahresgebühren verlangt (Tageskarte 5 Euro).

Die KB in Den Haag bietet für 15 Euro jährlich eine wirklich formidable Datenbankauswahl per remote access - jeder darf eine Karte erwerben, was ich getan habe. 
 

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