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"Quer / durch die Woche mit Christoph Süß" wird am Donnerstag, 1. März um 20.15 über den Fall Eichstätt berichten. (Wdh. Samstag, 3. März auf 3sat, Mo, 5.3., 22:15 bei EinsFestival.)

- Schätze im Müll: Bibliothek wirft wertvolle Bücher weg
100.000 Bücher aus einem Vermächtnis hat die Universitäts-Bibliothek Eichstätt entsorgt. Doch im Müllcontainer landeten nicht nur alte Zeitschriften und abgenutzte Bücher. Ein Bücherfreund fand dort auch einzigartige, wertvolle Schriften der Kapuziner-Mönche. Jetzt ist die Aufregung groß: Sind noch mehr unersetzliche Bücher in den Müll gewandert? quer auf den Spuren eines Bücherkrimis.
KlausGraf meinte am 2007/03/01 21:39:
Nichts Neues im TV
Die alten geretten Bücher edel in Szene gesetzt. RA Männlein mit Handschuhen in ihnen blätternd. Empörung. Leere Regale in Altötting. Junger Kapuziner: es gab keine angemessen betreuung, man wollte den Bestand der Öffentlichkeit zugänglich machen. Volle Regale und unausgepackte Kisten in Eichstätt. Kanzler: Anfangsverdacht. Holzbauer: so viele wertlose Bücher habe ich nicht übernommen. Bilder von Besitzeinträgen aus Antiquariaten. Bücher vor 1802 hätten nicht verkauft werden dürfen, da Staatseigentum. Ehepaar Schneider wollte Schallplattensammlung als Ganzes erhalten. Ehefrau: sei dumm gewesen zu schenken. Ehemann: Skandal. 
BCK meinte am 2007/03/03 02:48:
Gereimtes und Ungereimtes zur Causa Eichstätt, Berichterstattung der Katholischen Tagespost
(Eichstätter Kurier, 2.3.2007, Leserbrief)

Eine Kulturschändung von apokalyptischer Dimension
ereignete sich im Bayerischen Eichstätt, vor Zeiten schon.
350 000 historische Bücher hatten die Kapuziner übertragen
an die Katholische Universität, die sollte sie verwahren.
Die dort verantwortliche Bibliothekarin
hatte statt Konservierung nur Entsorgung im Sinn
Auch dem Uni-Kanzler und dem Kapuziner-Provinzial muss man vorhalten,
dass sie die gebotene Sorgfalt und Aufsicht nicht ließen walten

Was "Die Tagespost" (über Bayern hinaus) berichtet,
liest sich wie eine Krimigeschicht’
Die Strafanzeige von Ulrike Männlein bringt hoffentlich das erhoffte Licht.
Denn "80 Tonnen Altpapier" von teils unschätzbarem Wert danach schreien,
dass geahndet wird, statt zu schweigen und zu verzeihen.

Karl Kremer, Bottrop


Die Bayerische Staatsbibliothek stellte am Tag der Ausstrahlung von Quer eine Pressemitteilung ins Netz (vgl. auch http://archiv.twoday.net/stories/3375612/ ):

01.03.07
Untersuchung in der Causa Eichstätt

Im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie im Auftrag der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt untersucht die Bayerische Staatsbibliothek als Fachbehörde für das Bibliothekswesen in Bayern die Vorwürfe gegenüber der Universitätsbibliothek Eichstätt, wertvolle Bücher aus dem Bestand der übernommenen Zentralbibliothek der Bayerischen Kapuziner in Altötting (ZBAÖ) seien vernichtet oder unzulässigerweise verkauft worden.

Ziel der Untersuchung, die unter Mitwirkung der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt erfolgt, ist eine umfassende Sachverhaltsaufklärung der gesamten Vorgänge, die bis ins Jahr 1998 zurückreichen. Eine abschließende Bewertung ist erst nach Abschluss der Untersuchung möglich.

Die Basler Zeitung vom 27.2.2007 brachte im Kulturpanorama auf S.3 drei Kurzmeldungen:
- verheissungsvoll: Die ägyptische Nationalbibliothek ist nach umfangreichen Renovierungsarbeiten wieder eröffnet worden ...
- verdienstvoll: Das Philharmonische Orchester der Stadt Heidelberg hat den früheren Generalmusikdirektor Mario Venzago zu seinem ersten Ehrendirigenten ernannt ...
- jammervoll: Die Vernichtung von mindestens 100 000 Büchern teils aus alten Klosterbeständen durch die Bibliothek der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt beschäftigt nun auch die Justiz ...

Einmal mehr fällt Die Tagespost - Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur, durch ihre umfassende und gut informierte Berichterstattung auf ( vgl. schon http://archiv.twoday.net/stories/3342838/ ).

Strafanzeige nach Büchervernichtung
Katholische Universität Eichstätt: Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt ermittelt gegen Bibliotheksleiterin – Verdacht auf Untreue
DT vom 01.03.2007 / Von Regina Einig
http://www.die-tagespost.de/Archiv/titel_anzeige.asp?ID=30172

Eichstätt/Würzburg (DT) Die Vernichtung von gut achtzig Tonnen alter Bücher aus den Beständen der bayerischen Kapuziner an der Katholischen Universität Eichstätt (KU) (DT 20. Januar) hat juristische Konsequenzen: Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt ermittelt nun wegen Verdacht auf Untreue gegen die Bibliotheksleiterin Angelika Reich, nachdem die Erlanger Rechtsanwältin Ulrike Männlein Mitte Januar Strafanzeige gegen Reich erstattet hatte. Frau Männlein regte an, die Ermittlungen auf den Kanzler der KU, Gottfried Freiherr von der Heydte und den Provinzial der bayerischen Kapuziner, Pater Josef Mittermeier auszudehnen. Als Begründung führte sie an, dass von der Heydte „offensichtlich nicht nur von der Büchervernichtungsaktion wusste, sondern diese auch noch stützte“, während Mittermeier das Vorgehen der Bibliotheksleitung nach eigenem Bekunden mitgetragen habe.

Die Rechtsanwältin erklärte im Gespräch mit dieser Zeitung, sie sei der Universitätsbibliothek durch zahlreiche Ausstellungsbesuche persönlich verbunden. In ihrem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Ingolstadt weist sie darauf hin, dass der Inhalt von Bibliotheken Allgemeingut ist und die Universitätsbibliothek nicht das Recht hat, über fremdes Vermögen zu verfügen. Die Bücher der Kapuziner sollten der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. „Eine Bibliotheksdirektorin kann das nicht wie ihr Eigentum behandeln.“

In der Erlanger Kanzlei sind fünf aus den Altpapiercontainern gerettete Bücher abgegeben worden. Drei der teilweise besterhaltenen und ledergebundenen Bände stammen aus dem siebzehnten beziehungsweise achtzehnten Jahrhundert: Die „Kurze katholische Auslegung aller feiertäglichen Evangelien“ (1626), die „Sermones Sancti“ von Thomae a Villa nova (1661) und das „Theatrum Asceticum“ (1747) gehören dem Freistaat Bayern.

Mit Nachdruck wendet sich Frau Männlein in ihrem Schreiben gegen die Behauptung der Hochschulleitung, es habe sich bei den entsorgten Bänden um Schundliteratur, vor 1800 erschienene Ausgaben oder um Bücher in schlechtem Zustand gehandelt. In den Räumen, in denen die 1 400 Bücherkisten aus der Zentralbibliothek der bayerischen Kapuziner deponiert wurden, gab es nach ihren Angaben keine Verbindung zu online-Katalogen, so dass eine Dublettenprüfung weder im Bestand der Universitätsbibliothek noch in anderen Katalogen möglich war. Die vernichteten Bände „wurden vollkommen undokumentiert weggeworfen, so dass niemand so richtig kontrollieren kann, welche Schätze eigentlich vernichtet worden sind“.

(...)

Der Überlassungsvertrag, der im Juni 1999 mit Zustimmung aller bayerischen Diözesen zwischen der Provinz der bayerischen Kapuziner und der Stiftung Katholische Universität Eichstätt geschlossen wurde, sieht vor, dass die Universitätsbibliothek die Bestände „nach Maßgabe ihrer personellen und sächlichen Kapazitäten“ innerhalb von zehn Jahren aufarbeiten und die Bände „bis zu ihrer Aufarbeitung sicher aufbewahren soll“. Die Kritik an der Bibliotheksdirektorin Angelika Reich hat sich insbesondere an der offensichtlichen Nichteinhaltung dieser Vereinbarung entzündet. Wenige Monate nach ihrem Amtsantritt im Februar 2005 äußerte sie anlässlich eines Dublettenverkaufs aus dem Gesamtbestand der Universität gegenüber Radio Pegasus, sie habe beschlossen „einiges anders zu machen“ und wolle Werke, die niemals mehr gebraucht würden, verkaufen, um Platz zu schaffen und Geld für Neuanschaffungen einzunehmen. Ihr Hinweis auf „350 000 bis 400 000 Bücher aus Kapuzinerklöstern“ zeigt, dass sie immerhin über den Umfang der Bestände aus der Zentralbibliothek des Ordens informiert war.

Eine Dokumentation der Eichstätter Dublettenverkäufe existiert jedoch ebenso wenig wie ein Verzeichnis der vernichteten Bücher. Die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert den Geschäftsführer des Aachener Hochschularchivs Klaus Graf, der die „Vernichtung von Kulturgut“ durch die Universitätsbibliothek Eichstätt beklagt. „Unersetzliche Einzelstücke“ aus dem Bestand der KU-Bibliothek seien „in großem Maße“ in deutschen Antiquariaten aufgetaucht.

Schon mehrere Monate ehe der „Eichstätter Kurier“ zum ersten Mal über die Büchervernichtung in der KU berichtete, ist der ehemalige Direktor der Universitätsbibliothek, Hermann Holzbauer nach eigenen Angaben durch den Brief eines Förderers der Unibibliothek auf das Problem aufmerksam gemacht worden. Dieser hatte der KU im Januar 2005 eine bedeutende Planschriften-Sammlung geschenkt und mit der Universitätsleitung einen Überlassungsvertrag geschlossen. Der Vertrag musste jedoch wieder aufgehoben werden, da die Sammlung nach Auffassung der Universitätsleitung zuviel Arbeit und Platz beanspruchte.

(...)

Holzbauer unterstrich, dass er den „Eichstätter Kurier“ nicht informiert habe. Aktiv geworden sei er erst, nachdem Bücher aus den Beständen der Kapuziner anonym vor seinem Haus abgestellt wurden, mit dem Hinweis, dass sie aus dem Container der KU stammten. Holzbauer wandte sich an den Provinzial der bayerischen Kapuziner und zeigte ihm die Funde. Das Interesse daran habe sich jedoch in Grenzen gehalten: Der Provinzial beschied den ehemaligen Bibliotheksdirektor mit der Information, die Sache werde intern geklärt.

Wie Holzbauer erklärte, waren viele der 350 000 für Eichstätt bestimmten Bände erhaltungswürdig. Bei den vernichteten Büchern handele es sich offenbar auch um völlig unbeschädigte Exemplare. Bei der Sichtung der Bestände in Altötting seien die buchklimatisch ungünstig deponierten Bücher „besonders auf ihre weitere Verwendbarkeit überprüft worden“. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Buchrestaurierung in München habe man vor dem Transport nach Eichstätt auch vom Schimmel befallene Bücher behandelt beziehungsweise aussortiert. Ungebundene und lückenhafte Mehrfachdubletten, die für den Antiquariatsverkauf nicht mehr in Frage kamen, seien entsorgt worden. Insgesamt stellten die sieben bayerischen Diözesen zwischen 1999 und 2005 147 500 Euro für den Transport und die Aufarbeitung der Bibliothek zur Verfügung.

Holzbauer, der auch Gutachten für mehrere Jesuitenprovinzen angefertigt hat, unterstrich gegenüber der „Tagespost“ seine Einschätzung, dass „eine katholische Universität für die Abfederung der Säkularisation einer Ordensbibliothek in hohem Maße berufen ist. Der Sinn ist: besitzen und teilen. Sonst wird angesichts der absehbaren Auflösungen von Klosterbibliotheken in den nächsten Jahrzehnten eine Sammlung nach der anderen in alle Winde zerstreut.“

 
 

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