Wie lang läuft das Urheberrecht bei nicht namentlich gekennzeichneten historischen Plakaten?
Bezugnehmend auf
http://archiv.twoday.net/stories/36386
http://archiv.twoday.net/stories/145113/
soll die Aussage von Gabriele Lutterbeck über die Schutzfrist
"70 Jahre nach Erstveröffentlichung bei künstlerischen Werken anonymer Urheber (interessant an dieser Stelle ist, daß man u.U. mit einer Erstveröffentlichung selbst diese Fristen erst auslöst!)"
http://www.fes.de/archiv/_projekte/lut_cop.htm
kommentiert werden.
Zu unterscheiden ist zwischen Fotos (Lichtbildwerke, normalerweise 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen geschützt, und einfachen Lichtbildern) und anderen künstlerischen Werken (Plakate, Zeichnungen usw.). § 66 UrhG, der anonyme Werke betrifft, wird am Beispiel von Fotos sehr ausführlich erörtert in URECHT:
http://jurix.jura.uni-sb.de/pipermail/urecht/Week-of-Mon-20040719/001664.html
Darauf kann Bezug genommen werden. Das Fazit: "Die praktischen Huerden sind so hoch, dass die Bedeutung des § 66 UrhG fuer die Allgemeinheit minimal ist."
Gemäß § 137f UrhG richtet sich die Beurteilung der Schutzdauer bei vor dem 1.7.1995 existierenden Werken nach dem § 66 alter Fassung des UrhG, wenn sich durch § 66 neuer Fassung eine Verkürzung der Schutzdauer ergäbe (hierzu und auch zum folgenden Katzenberger in Schricker, UrhG 2. Aufl. 1999 § 66 UrhG). Bei Werken der bildenden Künste, wozu nicht Lichtbildwerke gezählt wurden (ebd. Rdnr. 54), wohl aber Werke der angewandten Kunst , die einem Gebrauchszweck dienen (also etwa Plakate), war die Anwendung von § 66 UrhG vor der Änderung von 1995 ausgeschlossen.
Bei anonymen Plakaten, die vor dem 1.7.1995 geschaffen wurden, kann also nicht ohne weiteres mit der 70jährigen Schutzfrist nach der (befugten) Veröffentlichung argumentiert werden. Es bleibt insofern bei der Regelschutzfrist 70 Jahre pma (post mortem auctoris), es sei denn, es ergäbe sich nach neuem Recht eine längere Schutzfrist und der Schutz war am 1.7.1995 nach dem Gesetz eines Mitgliedstaates der EU (und weniger anderer Staaten) noch nicht erloschen.
Es ist nicht bekannt, ob sich aus dem Recht anderer Mitgliedstaaten über anonyme Werke Konsequenzen für das folgende ergeben - auszuschliessen ist es nicht, schliesslich haben die langen spanischen Schutzfristen für Fotografien ja auch dazu geführt, dass heute alle Lichtbildwerke 70 Jahre pma geschützt sind, auch solche, die vor 1995 schon lange gemeinfrei waren.
http://archiv.twoday.net/stories/263547/
Fall A: Ein Plakatkünstler (gest. 1926) schuf 1919 ein Plakat (hier wie im folgenden meint Plakat immer auch den ungedruckten Plakatentwurf), das von seinen Erben erstmals 1950 auf einer Plakatausstellung gezeigt wurde und zwar anonym. § 66 aF war nicht anwendbar, also endete die Schutzfrist 1996, war also am 1.7.1995 noch nicht abgelaufen. § 137f Abs. 1 ist nicht relevant, es würde keine Schutzdauer verkürzt. Nach Abs. 2 ist neues Recht anzuwenden, was dazu führt, dass, wenn tatsächlich von den Erben eine Offenbarung der Identität des Künstlers konsequent verhindert wurde, die Frist 2020 endet (70 Jahre nach Erstveröffentlichung, 96 Jahre nach dem Tod des Künstlers - laut Rdnr. 17 kommt ein Schutz von bis zu 140 Jahren pma juristisch in Betracht). Die nach § 66 UrhG für eine Offenbarung allein zuständigen Rechtsnachfolger oder der Testamentsvollstrecker (nicht etwa die Inhaber von Nutzungsrechten wie Verlage!) könnten also - etwa über einen Rechtsanwalt - an Nutzer herantreten, wobei bei einem Prozess das Offenlegen der Legitimation als Berechtigte sicher nicht als Offenbarung gewertet würde. Da für künstlerische Werke § 66 aF nicht galt, kommen auch die Offenbarungserleichterungen (es genügte z.B. ein Bekannwerden durch Indiskretion) des alten Rechts einem potentiellen Nutzer nicht zu Hilfe. Fazit: Die Erben können also durch Stillhalten nur gewinnen.
Fall B: Ein Plakatkünstler (gest. 1960) schuf ein auf der gleichen Ausstellung 1950 erstmals, aber anonym gezeigtes Plakat. Nach neuem Recht würde der Schutz ohne Offenbarung 2020 enden, nach altem Recht 2030 (70 Jahre pma), das demnach anzuwenden ist. Die Erben verlieren oder gewinnen nichts durch eine Offenbarung der Identität.
Fall C: Ein Plakatkünstler (gest. 1920) schuf 1919 ein 1950 erstmals anonym gezeigtes Plakat. Da § 66 aF nicht anwendbar war, lief der Schutz 1990 ab und lebte 1995 auch nicht wieder auf. Nach neuem Recht wäre das Plakat noch geschützt (ohne Offenbarung), denn es wurde innerhalb der Frist von 70 Jahren nach Schaffung erstveröffentlicht und die Frist liefe bis 2020. Also: gemeinfrei!
Fall D: Ein Plakatkünstler (gest. 1920) schuf 1919 ein 1981 erstmals gezeigtes Plakat - ob anonym oder nicht, ist irrelevant. Die bis 1995 gültige Sonderbestimmung für nachgelassene Werke, die in den letzten 10 Jahren der Schutzfrist von 70 Jahren pma veröffentlicht wurden, § 64 Abs. 2 (1995 aufgehoben), sicherte dem Plakat eine Schutzfrist bis 1991. 1995 war es also nicht mehr geschützt. Ergebnis wie C: gemeinfrei.
Fall E: Ein Plakatkünstler (gest. 1926) schuf ein 1986 anonym erstmals gezeigtes Plakat. Gemäss Fall D war es nach § 64 Abs. 2 (aufgehoben 1995) bis 1996 geschützt und damit ist § 66 UrhG (neues Recht) anwendbar. Ohne Offenbarung seitens der Rechtsnachfolger/Erben kommt es auf das Datum der Schaffung an: Wurde es vor 1916 geschaffen, wäre es nicht in der 70-Jahresfrist nach Herstellung veröffentlicht worden und bereits gemeinfrei. Wurde es 1919 geschaffen wie in Fall A, so gilt die Schutzfrist 70 Jahre nach 1986: 2056 (130 Jahre pma). Die Erben können also bei einer Offenbarung jetzt schon alles verlieren. Es kommt in diesem Fall überhaupt nicht darauf an, ob § 66 aF anwendbar ist (nein), durch die Übergangsvorschrift wurde das Werk durch den am 30.6.1996 noch bestehenden Schutz in das (in diesem Fall für die Erben günstigere) neue Recht "gehievt".
Fall F: Ein Plakatkünstler (gest. 1920) schuf 1914 ein zunächst nicht veröffentlichtes Plakat, dessen Entwurf in der Familie blieb und von ihr erstmals im Jahr 2000 veröffentlicht wurde. Gemäß Fall E wäre für die Erben nichts damit zu gewinnen gewesen, das Werk anonym zu veröffentlichen, das hätte nach neuem Recht bis 1984 erfolgen müssen. Als Eigentümer des Entwurfs kann sich die Familie aber nach der (m.E. unhaltbaren) Rspr. des LG Magdeburg
http://archiv.twoday.net/stories/322397/
auf § 71 UrhG berufen und das Recht der editio princeps für sich in Anspruch nehmen, womit das seit 1990 gemeinfreie Werk wieder für 25 Jahre (also hier bis 2025) geschützt wäre. Da eine Einstellung in ein Archiv (etwa der FES) nach h.M. keine Veröffentlichung bedeutet, wäre eine Deponierung durch die Familie unschädlich, soweit sie eine Erstpublikation des Plakats verhindern kann.
Strukturiert man den Interessenkonflikt als ein Dialog-Spiel zwischen Urhebern/Rechtsnachfolgern und Nutzern, so ergibt sich für die ersteren die für sie günstige Position des "Ick bün allhier", oder mit einem anderen Bild: der Nutzer ist fast immer schachmatt.
Bei anonymen Werken gilt ja leider nicht, wie dargestellt, dass der Nutzer 70 Jahre pma notwendigerweise "auf der sicheren Seite" ist.
Ein anonymes altes Plakat/Plakatentwurf wirft urheberrechtliche Fragen auf, die man mit vernünftigem Aufwand nicht beanworten kann (weder der Archivar noch der Benutzer, eine Verwertungsgesellschaft oder eine Detektei):
- Wann ist es geschaffen worden? (Datierungsproblematik!)
- Wann ist es erstmals veröffentlicht worden? Erfolgte diese Veröffentlichung autorisiert (durch Urheber oder Erben bzw. bei der edition princeps laut LG Magdeburg auch durch den Eigentümer)?
- Wer hat es geschaffen und wann starb er?
- Gibt es irgendwo eine Veröffentlichung oder ein Werkstück, bei dem der Künstler sich zur Urheberschaft ausdrücklich bekannt hat?
- Gibt es solches Bekenntnis für seine Rechtsnachfolger pma oder den Testamentsvollstrecker ("Offenbarung" der Urheberschaft)?
- Wie komme ich in Kontakt zu den Nutzungsberechtigten und den Rechtsnachfolgern?
Die Rechtsnachfolger und Nutzungsberechtigten können frei entscheiden, ob sie dazu Auskünfte erteilen möchten oder ob sie eine eigene Veröffentlichung oder Offenbarung vornehmen wollen, die ihnen weitergehenden Schutz sichert.
Wer das verwirrender findet als die oben zitierte Aussage von Frau Lutterbeck, sei daran erinnert, dass kein Archiv und kein Bürger daran gehindert ist, gegenüber dem Bundestag oder dem Justizministerium dafür einzutreten (Art. 17 GG), dass zu einem funktionierenden Urheberrecht auch faire, Rechtssicherheit gewährleistende Regeln für Nutzer gehören. Davon kann mit Blick auf die Regelungen über anonyme Werke überhaupt nicht die Rede sein, wie schon in URECHT aaO ausgeführt wurde.
Bezugnehmend auf
http://archiv.twoday.net/stories/36386
http://archiv.twoday.net/stories/145113/
soll die Aussage von Gabriele Lutterbeck über die Schutzfrist
"70 Jahre nach Erstveröffentlichung bei künstlerischen Werken anonymer Urheber (interessant an dieser Stelle ist, daß man u.U. mit einer Erstveröffentlichung selbst diese Fristen erst auslöst!)"
http://www.fes.de/archiv/_projekte/lut_cop.htm
kommentiert werden.
Zu unterscheiden ist zwischen Fotos (Lichtbildwerke, normalerweise 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen geschützt, und einfachen Lichtbildern) und anderen künstlerischen Werken (Plakate, Zeichnungen usw.). § 66 UrhG, der anonyme Werke betrifft, wird am Beispiel von Fotos sehr ausführlich erörtert in URECHT:
http://jurix.jura.uni-sb.de/pipermail/urecht/Week-of-Mon-20040719/001664.html
Darauf kann Bezug genommen werden. Das Fazit: "Die praktischen Huerden sind so hoch, dass die Bedeutung des § 66 UrhG fuer die Allgemeinheit minimal ist."
Gemäß § 137f UrhG richtet sich die Beurteilung der Schutzdauer bei vor dem 1.7.1995 existierenden Werken nach dem § 66 alter Fassung des UrhG, wenn sich durch § 66 neuer Fassung eine Verkürzung der Schutzdauer ergäbe (hierzu und auch zum folgenden Katzenberger in Schricker, UrhG 2. Aufl. 1999 § 66 UrhG). Bei Werken der bildenden Künste, wozu nicht Lichtbildwerke gezählt wurden (ebd. Rdnr. 54), wohl aber Werke der angewandten Kunst , die einem Gebrauchszweck dienen (also etwa Plakate), war die Anwendung von § 66 UrhG vor der Änderung von 1995 ausgeschlossen.
Bei anonymen Plakaten, die vor dem 1.7.1995 geschaffen wurden, kann also nicht ohne weiteres mit der 70jährigen Schutzfrist nach der (befugten) Veröffentlichung argumentiert werden. Es bleibt insofern bei der Regelschutzfrist 70 Jahre pma (post mortem auctoris), es sei denn, es ergäbe sich nach neuem Recht eine längere Schutzfrist und der Schutz war am 1.7.1995 nach dem Gesetz eines Mitgliedstaates der EU (und weniger anderer Staaten) noch nicht erloschen.
Es ist nicht bekannt, ob sich aus dem Recht anderer Mitgliedstaaten über anonyme Werke Konsequenzen für das folgende ergeben - auszuschliessen ist es nicht, schliesslich haben die langen spanischen Schutzfristen für Fotografien ja auch dazu geführt, dass heute alle Lichtbildwerke 70 Jahre pma geschützt sind, auch solche, die vor 1995 schon lange gemeinfrei waren.
http://archiv.twoday.net/stories/263547/
Fall A: Ein Plakatkünstler (gest. 1926) schuf 1919 ein Plakat (hier wie im folgenden meint Plakat immer auch den ungedruckten Plakatentwurf), das von seinen Erben erstmals 1950 auf einer Plakatausstellung gezeigt wurde und zwar anonym. § 66 aF war nicht anwendbar, also endete die Schutzfrist 1996, war also am 1.7.1995 noch nicht abgelaufen. § 137f Abs. 1 ist nicht relevant, es würde keine Schutzdauer verkürzt. Nach Abs. 2 ist neues Recht anzuwenden, was dazu führt, dass, wenn tatsächlich von den Erben eine Offenbarung der Identität des Künstlers konsequent verhindert wurde, die Frist 2020 endet (70 Jahre nach Erstveröffentlichung, 96 Jahre nach dem Tod des Künstlers - laut Rdnr. 17 kommt ein Schutz von bis zu 140 Jahren pma juristisch in Betracht). Die nach § 66 UrhG für eine Offenbarung allein zuständigen Rechtsnachfolger oder der Testamentsvollstrecker (nicht etwa die Inhaber von Nutzungsrechten wie Verlage!) könnten also - etwa über einen Rechtsanwalt - an Nutzer herantreten, wobei bei einem Prozess das Offenlegen der Legitimation als Berechtigte sicher nicht als Offenbarung gewertet würde. Da für künstlerische Werke § 66 aF nicht galt, kommen auch die Offenbarungserleichterungen (es genügte z.B. ein Bekannwerden durch Indiskretion) des alten Rechts einem potentiellen Nutzer nicht zu Hilfe. Fazit: Die Erben können also durch Stillhalten nur gewinnen.
Fall B: Ein Plakatkünstler (gest. 1960) schuf ein auf der gleichen Ausstellung 1950 erstmals, aber anonym gezeigtes Plakat. Nach neuem Recht würde der Schutz ohne Offenbarung 2020 enden, nach altem Recht 2030 (70 Jahre pma), das demnach anzuwenden ist. Die Erben verlieren oder gewinnen nichts durch eine Offenbarung der Identität.
Fall C: Ein Plakatkünstler (gest. 1920) schuf 1919 ein 1950 erstmals anonym gezeigtes Plakat. Da § 66 aF nicht anwendbar war, lief der Schutz 1990 ab und lebte 1995 auch nicht wieder auf. Nach neuem Recht wäre das Plakat noch geschützt (ohne Offenbarung), denn es wurde innerhalb der Frist von 70 Jahren nach Schaffung erstveröffentlicht und die Frist liefe bis 2020. Also: gemeinfrei!
Fall D: Ein Plakatkünstler (gest. 1920) schuf 1919 ein 1981 erstmals gezeigtes Plakat - ob anonym oder nicht, ist irrelevant. Die bis 1995 gültige Sonderbestimmung für nachgelassene Werke, die in den letzten 10 Jahren der Schutzfrist von 70 Jahren pma veröffentlicht wurden, § 64 Abs. 2 (1995 aufgehoben), sicherte dem Plakat eine Schutzfrist bis 1991. 1995 war es also nicht mehr geschützt. Ergebnis wie C: gemeinfrei.
Fall E: Ein Plakatkünstler (gest. 1926) schuf ein 1986 anonym erstmals gezeigtes Plakat. Gemäss Fall D war es nach § 64 Abs. 2 (aufgehoben 1995) bis 1996 geschützt und damit ist § 66 UrhG (neues Recht) anwendbar. Ohne Offenbarung seitens der Rechtsnachfolger/Erben kommt es auf das Datum der Schaffung an: Wurde es vor 1916 geschaffen, wäre es nicht in der 70-Jahresfrist nach Herstellung veröffentlicht worden und bereits gemeinfrei. Wurde es 1919 geschaffen wie in Fall A, so gilt die Schutzfrist 70 Jahre nach 1986: 2056 (130 Jahre pma). Die Erben können also bei einer Offenbarung jetzt schon alles verlieren. Es kommt in diesem Fall überhaupt nicht darauf an, ob § 66 aF anwendbar ist (nein), durch die Übergangsvorschrift wurde das Werk durch den am 30.6.1996 noch bestehenden Schutz in das (in diesem Fall für die Erben günstigere) neue Recht "gehievt".
Fall F: Ein Plakatkünstler (gest. 1920) schuf 1914 ein zunächst nicht veröffentlichtes Plakat, dessen Entwurf in der Familie blieb und von ihr erstmals im Jahr 2000 veröffentlicht wurde. Gemäß Fall E wäre für die Erben nichts damit zu gewinnen gewesen, das Werk anonym zu veröffentlichen, das hätte nach neuem Recht bis 1984 erfolgen müssen. Als Eigentümer des Entwurfs kann sich die Familie aber nach der (m.E. unhaltbaren) Rspr. des LG Magdeburg
http://archiv.twoday.net/stories/322397/
auf § 71 UrhG berufen und das Recht der editio princeps für sich in Anspruch nehmen, womit das seit 1990 gemeinfreie Werk wieder für 25 Jahre (also hier bis 2025) geschützt wäre. Da eine Einstellung in ein Archiv (etwa der FES) nach h.M. keine Veröffentlichung bedeutet, wäre eine Deponierung durch die Familie unschädlich, soweit sie eine Erstpublikation des Plakats verhindern kann.
Strukturiert man den Interessenkonflikt als ein Dialog-Spiel zwischen Urhebern/Rechtsnachfolgern und Nutzern, so ergibt sich für die ersteren die für sie günstige Position des "Ick bün allhier", oder mit einem anderen Bild: der Nutzer ist fast immer schachmatt.
Bei anonymen Werken gilt ja leider nicht, wie dargestellt, dass der Nutzer 70 Jahre pma notwendigerweise "auf der sicheren Seite" ist.
Ein anonymes altes Plakat/Plakatentwurf wirft urheberrechtliche Fragen auf, die man mit vernünftigem Aufwand nicht beanworten kann (weder der Archivar noch der Benutzer, eine Verwertungsgesellschaft oder eine Detektei):
- Wann ist es geschaffen worden? (Datierungsproblematik!)
- Wann ist es erstmals veröffentlicht worden? Erfolgte diese Veröffentlichung autorisiert (durch Urheber oder Erben bzw. bei der edition princeps laut LG Magdeburg auch durch den Eigentümer)?
- Wer hat es geschaffen und wann starb er?
- Gibt es irgendwo eine Veröffentlichung oder ein Werkstück, bei dem der Künstler sich zur Urheberschaft ausdrücklich bekannt hat?
- Gibt es solches Bekenntnis für seine Rechtsnachfolger pma oder den Testamentsvollstrecker ("Offenbarung" der Urheberschaft)?
- Wie komme ich in Kontakt zu den Nutzungsberechtigten und den Rechtsnachfolgern?
Die Rechtsnachfolger und Nutzungsberechtigten können frei entscheiden, ob sie dazu Auskünfte erteilen möchten oder ob sie eine eigene Veröffentlichung oder Offenbarung vornehmen wollen, die ihnen weitergehenden Schutz sichert.
Wer das verwirrender findet als die oben zitierte Aussage von Frau Lutterbeck, sei daran erinnert, dass kein Archiv und kein Bürger daran gehindert ist, gegenüber dem Bundestag oder dem Justizministerium dafür einzutreten (Art. 17 GG), dass zu einem funktionierenden Urheberrecht auch faire, Rechtssicherheit gewährleistende Regeln für Nutzer gehören. Davon kann mit Blick auf die Regelungen über anonyme Werke überhaupt nicht die Rede sein, wie schon in URECHT aaO ausgeführt wurde.
KlausGraf - am Dienstag, 28. September 2004, 01:29 - Rubrik: Archivrecht
KlausGraf meinte am 2004/09/28 04:06:
England?
http://latis.ex.ac.uk/library/faq.htmDas 1950 veröffentlichte Plakat im Fall C war nach dem Copyright Act von 1988 vermutlich in England (das bei anonymen Werken keine Ausnahme für künstlerische Werke wie § 66 UrhG aF kennt) 70 Jahre nach Publikation geschützt. Nach § 137 Abs. 2 UrhG ist also neues Recht anzuwenden. NICHT GEMEINFREI, sondern bis 2020 geschützt.
Analog könnte man auch in Fall D und E (Variante vor 1916) argumentieren. Es wäre also gar nichts gemeinfrei.
KlausGraf meinte am 2004/09/28 17:36:
Frankreich?
http://www.photographie.com/contact/juridique/loi-fr/droit-auteur.html (Gesetz von 1957)50 Jahre nach Erscheinen
kg (Gast) antwortete am 2005/08/11 02:52:
Wikipedia zu anonymen Werken
http://de.wikipedia.org/wiki/Anonymes_Werk_%28Urheberrecht%29