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Die Inschriften der Stadt Baden-Baden und des Landkreises Rastatt. (= Die Deutschen Inschriften, Bd. 78), gesammelt und bearb. von Ilas Bartusch, Wiesbaden: Reichert 2009, CXII, 648 Seiten, Tafeln mit 314 Abb., 12 Strichzeichnungen.

[ http://www.inschriften.net/baden-baden-und-landkreis-rastatt/einleitung.html ]

"Ein in diesem Umfang unvermuteter Schatz ist gehoben", beginnt Kurt Andermann, gewiss einer der besten Kenner des behandelten Gebietes, seine Besprechung des Bandes in der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 158 (2010), S. 572-574. Der Bearbeiter sei "mit der größten Akribie und Umsicht" vorgegangen. Diesem sehr positiven Urteil schließe ich mich gern an, denn auch ich fand das Inventar gründlich und sorgfältig bearbeitet. (Zu weiteren Bänden der Reihe siehe
http://archiv.twoday.net/stories/38735149/ )

Bartusch hat 541 Nummern zusammengetragen. Davon lagen knapp zwei Drittel (343) im Original vor. Die in der Einleitung besprochenen wichtigsten Standorte sind: Baden-Baden, Kloster Lichtenthal, Gernsbach, Kloster Schwarzach, Bühl und Kappelwindeck und Ottersweier.

Am Schluss der umfangreichen Einleitung findet sich ein mit 119 Nummern äußerst stattliches Verzeichnis der in den Hauptkatalog nicht aufgenommenen Inschriften (S. XCIII-CXII): Seltene Inschriften aus serieller Produktion und Sonderfälle; Vollständig zerstörte bzw. nicht originalgetreu wiederhergestellte Inschriften auf erhaltenen Trägern; Nachgewiesene Inschriftenträger, deren Inschriften nicht überliefert sind; Inschriftenträger gesicherter Fremdprovenienz; Inschriftenträger ungeklärter Fremdprovenienz; In die Zeit nach 1650 datierte Inschriften; Kopial überlieferte Jahreszahlen; Irrtümer und Zweifelsfälle in der Überlieferung. Diese umfangreiche Dokumentation, die selbstverständlich (leider) nicht die einwandfrei nach 1650 entstandenen Inschriften enthält, ist sehr hilfreich. Man kann nur hoffen, dass sich die Heidelberger Akademie, von deren DI-Bänden noch kein einziger auf http://www.inschriften.net einsehbar ist, nicht allzu viel Zeit lässt, ein elektronisches Angebot einzurichten, das in Bild und Texte auch die nach 1650 entstandenen Inschriften in angemessener Form dokumentiert. Denn mit gedruckten Einzelbänden ist der Forschung heutzutage nicht mehr geholfen. Wer einen Namen oder Begriff sucht (z.B. Weinsberg), der in den sich leider im wesentlichen auf den Inschriftentext beschränkenden Registern fehlt, kann sich nicht auf die Volltextsuche Googles verlassen, da diese Lücken aufweist:
http://books.google.de/books?id=cSVBAQAAIAAJ (kein Treffer zu Weinsberg, das S. 26f. vorkommt)

Ein elektronisches Angebot könnte mehr Bilder bringen. Der gedruckte Band enthält bedauerlicherweise keine Farbabbildungen (anders als z.B. DI 76 über die Heideklöster).

Da etliche der behandelten Stücke mit dem "Karlsruher Kulturgüterstreit" in Verbindung stehen, bereite ich einen Aufsatz "Kulturgutverschleppung und Kulturgutverlust im Spiegel eines Inschriftenbandes" vor. Notizen und Bemerkungen, die dort keinen Platz haben oder gekürzt werden müssen, teile ich im folgenden mit.

***

Die kopiale Überlieferung der Inschriften (zu ihr S. XXXIXff.) setzt um 1500 mit den Aufzeichnungen von Ladislaus Sunthaym zur Genealogie der Markgrafen von Baden ein (niedergeschrieben offenbar 1511, siehe Oefele S. 585). Dass man dies nur dem Literaturverzeichnis zu Nr. 40 entnehmen kann, wo auch der Autor der Stuttgarter Kollektaneen Cod. hist. fol. 249, Bl. 91r irreführend "Sunthemius" genannt wird, ist unbefriedigend. Diesem wichtigen Zeugnis hätte mindestens eine Fußnote, wenn nicht gar ein Abschnitt der Einleitung gewidmet werden müssen, denn bei näherem Hinsehen erweisen sich Sunthayms Genealogica noch für weitere Nummern als relevant:

http://books.google.com/books?id=RKpDAAAAcAAJ&hl=de&pg=PA583 (Edition von Oefele)

Anscheinend hat der "reisende Historiker" (Eheim) Sunthaym Baden-Baden und Lichtenthal selbst aufgesucht. Im Kloster dürfte er die Inschriften der Grabsteine ausgewertet haben; möglicherweise gab es auch ein Memorialzeugnis mit einer Zusammenstellung der hier bestatteten Angehörigen der Stifterfamilie. Sunthaym nennt oft Daten und Jahreszahlen bei den in Lichtental Begrabenen. Auf Autopsie lässt der Vermerk bei dem Todesdatum 1372 des Grabmals für Rudolf VI. (Nr. 40) schließen: "cujus sepulchri longitudo habet duodecim pedes" (Oefele S. 583).

Bei Agnes von Weinsberg (vgl. Nr. 18) findet man zur Jahreszahl 1333 bei Sunthaym das deutschsprachige Datum "auf der zehentausent Ritter Tag den andern Tag des Brachmonaths" (ebd.). Das passt ganz und gar nicht zur anderweitigen Überlieferung, siehe etwa die RMB Nr. 752
http://www.archive.org/stream/regestendermarkg01oberuoft#page/n97/mode/2up

In Wirklichkeit bezieht sich das Datum, ohne dass dies sprachlich erkennbar ist, auf ihren zuvor genannten Ehemann Friedrich, der nach seinem Grabmal (Nr. 18) am 22. Juni 1333 starb (10 Kal. Julii). Den Zehntausendmärtyrertag hat - allerdings zum Vortag (Vigilia) - ein in Anm. 10 zu Nr. 18 zitiertes Lichtenthaler Nekrolog. Wenn man nicht annehmen will, dass Sunthaym das Datum X Kal. Julii des Grabsteins in ein Heiligendatum übersetzt hat, was wenig wahrscheinlich erscheint, muss man eine andere Quelle für das deutschsprachige Datumszitat annehmen.

Die Äbtissin Margareta von Baden verstarb nach ihrem nicht erhaltenen Grabmal (Nr. 126) am 12. Januar 1496, nach dem Lichtenthaler Totenbuch erst am 14. Januar. Sunthaym (Oefele S. 586) gibt den 20. Mai 1495.

Richard Fester schrieb in einer Literaturnotiz (von Bartusch in Nr. 97 benutzt) in der ZGO 46 (1892), S. 190, Sunthaym sei "in seinen älteren genealogischen Notizen ganz unbrauchbar und auch später meist unzuverlässig". Ganz so einfach sollte man es sich heute nicht mehr machen, denn Sunthaym hatte offenbar Zugriff auf den Lichtentaler Denkmalbestand und die mittelalterliche Klosterüberlieferung. Es geht nicht um Fakten und Daten, sondern um das, was seine Sammlungen über die genealogische Kultur um 1500, die Nutzung von Inschriften als Quelle und mögliche Lichtenthaler Memorialzeugnisse über die Markgrafen von Baden auszusagen vermögen.

Ebenso wenig wie Sunthaym hätte Bartusch die auf eine Zeichnung des Augsburger Goldschmieds Jörg Seld aus dem Jahr 1508 zurückgehende Darstellung des Grabmals Nr. 40 im Trachtenbuch (Kostümbiographie) des Augsburger Fugger-Buchhalters Matthäus Schwarz (1497-1574) übergehen dürfen, auf die nur durch Zitat der Studie von Habich 1910 zu Beginn der Überlieferungsnachweise zu Nr. 40 indirekt hingewiesen wird.

Ulrich Merkl: Buchmalerei in Bayern in der ersten Hälfte des 16. Jahrthunderts. Regensburg 1999, S. 326-329 Kat. 34 ist die wichtigste neue Zusammenstellung zur Handschrift des Herzog-Anton-Ulrichs-Museum in Braunschweig. Die maßgebliche Bearbeitung stammt von August Fink: Die Schwarzschen Trachtenbücher. Berlin 1963 (zu Lichtenthal S. 178). Fink meinte, dass die unbeholfenen Wiedergaben der Seld-Vorlagen von Schwarz selbst stammen könnten.

Weitere Literatur (außer Habich 1910, S. 6):
Norbert Lieb: Jörg Seld. München 1947, S. 35
Norbert Lieb, Die Augsburger Familie Seld. In: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben, Bd. 6, München 1958, S. 38-87, hier S. 55

Zum Kontext:
Ellen Kemp and Wolfgang Kemp: Lambert Lombards antiquarische Theorie und Praxis. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 36 (1973), S. 122-152, hier S. 123
http://www.jstor.org/stable/1481843 (nur Abonennten)
Klaus Graf: Retrospektive Tendenzen in der bildenden Kunst vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. Kritische Überlegungen aus der Perspektive des Historikers. In: Mundus in imagine. Bildersprache und Lebenswelten im Mittelalter. Festgabe für Klaus Schreiner, hrsg. von Andrea Löther u.a., München 1996, S. 389-420, hier S. 397
http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/395/

Zu den im Trachtenbuch ebenfalls dargestellten Mauerkirchener Reitern vgl. zuletzt den Katalog Ritterwelten im Spätmittelalter. Landshut 2009, S. 226f. sowie
http://archiv.twoday.net/stories/5613023/

Die im Trachtenbuch nachgezeichnete Zeichnung Selds des Lichtenthaler Grabmals aus dem Jahr 1508 (unter Weglassung der Inschrift!) ist alles andere als naturgetreu. Sie ist aber ein kostbares, weil besonders frühes Dokument der Auseinandersetzung mit "ritterlichen Altertümern".

Sowohl der Genealoge und Historiker Sunthaym, für Maximilian I. als Historiograph tätig, als auch der Künstler Seld setzten sich intensiv mit "Altertümern" auseinander. (Seld orientierte sich bei dem Reliquienaltärchen für Bernhard Adelmann bewusst an romanischen Vorbildern, vgl. Michael Schmidt: Reverentia und Magnificentia. Regensburg 1999, S. 142.) Natürlich hätten beide Zeugnisse in dem Inschriftenband nicht ausführlich kommentiert werden können, sie aber in einer Belegreihe zu verstecken haben sie nicht verdient.



http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rudolf_lichtenthal.jpg

nach Habich 1910 = http://hdl.handle.net/2027/mdp.39015010231820?urlappend=%3Bseq=537 (US-Proxy)



http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Trachtenbuch_des_Matthaus_Schwarz_aus_Augsburg,1520_-_1560_132.png

Eine alte, am Anfang des 18. Jh. für Leibniz angefertigte Kopie der Braunschweiger Handschrift liegt in Hannover, ein komplettes Digitalisat in Farbe ist unter
http://www.mediafire.com/?cbo3krr9x54rurn
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Trachtenbuch_des_Matthaus_Schwarz_aus_Augsburg,1520_-_1560.PDF
einsehbar. Siehe auch http://bookmarks2009.de/trachtenbuch-des-matthaus-schwarz-aus-augsburg/trachtenbuch-des-matthaus-schwarz-aus-augsburg/219/

***

Nr. 30 befindet sich in der Pfarrkirche von Söllingen. Mit der Zuweisung der lateinischen Inschrift, 1385 sei dieses Kloster bestätigt (confirmatum) worden, an das Kloster Schwarzach bin ich nicht einverstanden. Hier wird man an irgendeine kleinere klösterliche Niederlassung (Beginenklause?) zu denken haben, denn die Hypothese von Bartusch, die Bestätigung könne sich auch auf die Konventsgröße beziehen, wird jedem klostergeschichtlich Versierten nur als absurd erscheinen. Wenn in der Geschichte des Klosters Schwarzach nicht eindeutig eine Bestätigungsurkunde von 1385 ermittelt werden kann, besteht nicht die geringste Berechtigung, die Spolie des Sturzes dem Benediktinerkloster zuzuweisen. Eine vergleichbare Inschrift aus einem Benediktinerkloster des 14. Jahrhunderts ist mir nicht bekannt.

Nr. 129: Zur Familie des Magister Johannes Gessel aus Augsburg (gestorben 1497 als Stiftskustos in Baden-Baden) einige Belege bei Rochholz 1877, S. 403f.
http://www.archive.org/stream/tellundgessleri01rochgoog#page/n413/mode/2up

Nr. 144 betrifft ein Tafelbild mit den vier Kirchenvätern um 1500 im Museum des Kloster Lichtenthals. Jeder der vier hat ein geöffnetes Buch in der Hand, in dem die Seiten mit lateinischen Texten (gemäß des Editionsrichtlinien des Werks nur in der Fußnote wiedergegeben) auf Pergament geschrieben und auf die Leinwand aufgeklebt wurden. Müsste man das bemerkenswerte Stück zugleich als Handschrift inventarisieren?

Nr. 147: Dass es im Teilort Balg von Baden-Baden in der Pfarrkirche St. Eucharius eine aus der Marienkapelle stammende Schnitzfigur der hl. Notburga von Hochhausen (die Identifizierung der "Santa Noburg" ist durch die Krone abzusichern) aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts gibt, wurde m.W. in der Literatur zur Heiligen noch nicht vermerkt.

***

Nr. 232 ist in diesem Weblog ein alter Bekannter: der sogenannte "kleine Baldung" (Koelitz Nr. 87), ein früher fälschlich Hans Baldung Grieg zugeschriebenes Ölgemälde Markgraf Christophs I. von Baden, 1930 von der Karlsruher Kunsthalle dem Haus Baden überstellt. Ihm haben wir (Bernd-Christoph Kämper und ich) in der Karlsruher Kulturgüterkrise Ende 2006 einiges an Recherche gewidmet:

http://archiv.twoday.net/stories/2918302/

Ein Zitat vom 3.11.2006 zur Erinnerung (weiteres siehe
http://archiv.twoday.net/search?q=baldung&start=30 ):
"Ausgenommen von der Abtretung bleiben die hier unten genannten Familienbildnisse. . .", heißt es im Gesetzesblatt. Nach der Katalogliste ist als erstes die "Nr. 87" angeführt: Hans Baldung, genannt Grien: Markgraf Christof I. von Baden." Nur auf den ersten Blick sieht dies allerdings so aus, als handle es sich bei diesem ausdrücklich nicht dem Land Baden übereigneten Werk um die wertvolle "Markgrafentafel". Dagegen spricht jedoch nicht nur der Brief des Markgrafen Bertold. Ein Blick in die erwähnte Katalogliste hilft auch weiter: Die "Markgrafentafel" trägt dort die Nr. 88, während es sich beim Bild Nr. 87 um eine "Kopie nach Baldung Grien" handelt, wie Kunsthallendirektor Klaus Schrenk inzwischen weiß. "Gottseidank" herrsche jetzt über die Zuordnung des Bildes Klarheit, freute sich Schrenk gestern. Die "Markgrafentafel" sei jetzt "zweifelsfrei in unserem Besitz." Im Finanzministerium, das den angestrebten Vergleich mit dem Haus Baden seit Monaten betreibt und in der Angelegenheit seit Jahren federführend ist, muss man sich nachsagen lassen, schlampig gearbeitet zu haben und 87 von 88 nicht unterscheiden zu können.
http://archiv.twoday.net/stories/2905478/

Gut zu wissen, dass dieses von Elke Schneider für den Band wohl in Salem fotografierte Stück anders als andere in dem Band behandelte Bilder der denkmalgeschützten Zähringer Bildnissammlung nicht verschollen ist.

Bartusch datiert Nr. 232 "1527 oder später". Das ist mit Blick auf den sonst erst im 17. Jahrhundert belegten, für 1527 anachronistischen Fürstenhut nicht akzeptabel, die Datierung Kirchers in das Ende des 16. Jahrhunderts vorzuziehen. Angesichts der Dürer-Renaissance um 1600 halte ich es für absolut nicht ungewöhnlich, wenn die Formen der bei Malern der Dürerzeit beliebten frühhumanistischen Kapitalis nachgeahmt wurden. Natürlich ist auch denkbar, dass der Fürstenhut eine spätere Zutat ist oder das Bild die Kopie einer älteren Vorlage. Bartusch sieht den Datierungsrahmen durch die frühhumanistische Kapitalis eindeutig zu unflexibel. In den bisher online gestellten norddeutschen DI-Bänden auf inschriften.net kann man bequem nach "frühhumanist*" suchen und nach Datum absteigend sortieren lassen. Die Schriftart ist also sehr wohl noch um 1600 zu belegen. Für Süddeutschland habe ich aus einigen DI-Bänden, die mir zur Hand sind, folgende Daten für die frühhumanistische Kapitalis herausgesucht: 1585 Weil der Stadt (DI 47 Nr. 243), 1591 Pforzheim (DI 57 Nr. 204), 1601 Großheppach (DI 37, Nr. 240). Diese Zeugnisse sind zwar nicht unmittelbar vergleichbar, aber das voll ausgebildete Formenrepertoire der frühhumanistischen Kapitalis konnte von einem "historisierenden" Maler Ende des 16. Jahrhunderts problemlos nachgeschaffen werden. Die Frühdatierung ist abzulehnen.



http://archiv.twoday.net/stories/3043589/ (Bild)

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Archivisches: Natürlich stößt man immer wieder auf Nummern, die den Nutzen archivalischer Recherchen für die Kommentierung der Inschriften belegen. Aber es gibt in dem Band auch Hinweise auf die materielle Kultur der Archive: Nr. 212 betrifft eine Wandnische in der Sakristei der Ottersweier Pfarrkirche, die nach dem Windeckschen Wappenbuch die Jahreszahl 1521 trug und offenbar Urkunden und Rechtsaufzeichnungen zur Pfarrei aufnehmen sollte. Aus der gleichen Quelle ist bekannt, dass ein Schrank mit Aufschrift von 1522 in der gleichen Sakristei die Unterlagen des Pfarrbezirks Bühl enthielt (Nr. 215). Bei dem Umbau des Baden-Badener Neuen Schlosses wurde der Archivturm mit badischem Wappen und der Jahreszahl 1529 versehen (Nr. 234).

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In Nr. 21 wird eine 1989 eingereichte Stuttgarter Magisterarbeit zu den Grafen von Asperg als "nicht einsehbar" bezeichnet, in Nr. 213 heißt es von einer Heidelberger Magisterarbeit 1994 "für die Benutzung gesperrt". Ich gehe davon aus, dass in beiden Fällen ein Bibliotheksexemplar vorhanden ist. Ebenso wenig, wie Archive Unterlagen aufnehmen sollten, die unbefristet für die Benutzung gesperrt sind, sollten Bibliotheken Abschlussarbeiten ohne Vereinbarung einer Sperrfrist übernehmen. Entweder man verzichtet ganz auf diese Stücke oder man vereinbart eine vernünftige Frist für die Benutzung, denn nach Ablauf des Urheberrechtsschutz 70 Jahre nach dem Tod des Autors nützen solche Arbeiten niemandem mehr. Von solchen "toten" Prüfungsarbeiten im Giftschrank von Bibliotheken profitieren nur die Betreuer und andere Personen, die de facto Zugriff auf die Arbeiten haben: Sie können sich in unmoralischer Weise am geistigen Gehalt bedienen, es ist ihr "Herrschaftswissen". Leider unternimmt niemand etwas gegen diese Missstände.

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Man mag die Entscheidung des Bearbeiters, den gedruckten Inschriftenband nicht durch Zitat einer Internetquelle zu "entweihen", verurteilen (wie ich) oder mit Sympathie aufnehmen (wie die Angehörigen der "Generation Fax"). Aber "Zeitenblicke 4 (2005) H. 2" ist ohne URL nun einmal kein korrektes wissenschaftliches Zitat (Nr. 275). Die Zeitenblicke empfehlen:

Christian Wieland : Die bayerische Adelsverschwörung von 1563. Ereignis und Selbstdeutungen , in: zeitenblicke 4 (2005), Nr. 2, [2005-06-28], URL: http://www.zeitenblicke.de/2005/2/Wieland/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-1326

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Zuletzt noch ein paar Worte zum Urheberrecht. Wenn man schon so tut, als sei ein solcher Band in Stein gemeisselt und anders als die Produkte von uns Online-Schmierern für die Ewigkeit bestimmt, sollte man im Abbildungsnachweis S. 648 die Peinlichkeit vermeiden deutlich zu zeigen, dass man vom Urheberrecht keine Ahnung hat. Vom Copyfraud bei den zweidimensionalen Vorlagen will ich sogar absehen, aber wenn es bei Fotos, die von Mitarbeitern der Inschriftenarbeitsstelle gemacht wurden, gelegentlich heißt "copyright SKH Markgraf von Baden", dann stört mich daran nicht nur die unerträgliche Speichelleckerei, offenbar der Preis für die wissenschaftliche Bearbeitung der in Salem befindlichen Objekte. Es gibt nämlich im deutschen Recht kein Copyright, bei uns nennt sich das Urheberrecht, und Urheber ist nicht der Eigentümer eines Stücks, sondern der jeweilige Fotograf. Ein Copyright-Vermerk gibt - das ist bei Abbildungsnachweisen branchenüblich - den Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte an, und ich bezweifle ganz stark, dass diese SKH eingeräumt wurden. Auch nach der Fehlentscheidung des BGH in Sachen Potsdamer Schlösser bleibt es dabei, dass es kein Recht am Bild der gemeinfreien Sache gibt. Hat SKH einmal der kommerziellen Nutzung seines Eigentums (denn ein Band in einem kommerziellen Verlag ist nichts anderes) zugestimmt, kann er die Weiterverbreitung nicht mehr aufgrund seines Eigentumsrechtes kontrollieren, allenfalls durch vertragliche Abmachungen mit den Fotografen, aber gegen das wissenschaftliche Bildzitat (§ 51 UrhG) hilft auch das nichts.



Ankündigung des Bandes:
http://www.inschriften.net/projekt/aktuelles/artikel/details/die-inschriften-der-stadt-baden-baden-und-des-landkreises-rastatt.html

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