Mit der Karlsruher Handschrift St. Peter pap. 23 ist nun eine der beiden vollständigen Handschriften der deutschsprachigen Exempelsammlung "Der Seelen Wurzgarten" online:
http://digital.blb-karlsruhe.de/blbhsl/content/titleinfo/256781
Grundlegende Erkentnisse zu dem Werk werden Werner Williams-Krapp verdankt. Sein zusammenfassender (wenngleich nicht von Fehlern freier) Artikel im Verfasserlexikon - Werner Williams-Krapp, 'Der Seelen Wurzgarten', in: 2VL 8 (1992), Sp. 1027-1029 - ist bei Libreka einsehbar:
http://www.libreka.de/9783110126907/522
Werner Williams-Krapp, Exempla im heilsgeschichtlichen Kontext. Zum 'Seelenwurzgarten', in: Exempel und Exempelsammlungen, hg. von Walter Haug und Burghart Wachinger (Fortuna vitrea 2), Tübingen 1991, S. 208-222 und
Heike Annette Burmeister, Der 'Judenknabe'. Studien und Texte zu einem mittelalterlichen Marienmirakel in deutscher Überlieferung (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 654), Göppingen 1998
http://books.google.de/books?id=4apbAAAAMAAJ&q=jakob+f%C3%BCrst+widmann+georg
liegen mir derzeit nicht vor.
An online einsehbarer Sekundärliteratur nenne ich Niesner 2007
http://www.uni-salzburg.at/pls/portal/docs/1/1165210.PDF
und den Abschnitt bei Duntze 2007, S. 156-159
http://books.google.de/books?id=iochsYU1g9UC&pg=PA157&dq="Exempla+im+heilsgeschichtlichen+Kontext"
1. Zur Karlsruher Handschrift
Anders als die Metadaten des Digitalisats in Übernahme der Angaben des Katalogs von Klaus Niebler 1969 suggerieren
http://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/content/pageview/67987
wurde die Handschrift wohl nicht 1467 im Kloster Comburg geschrieben, denn es gibt keinen Anhaltspunkt, dass es sich um die "Urhandschrift" handelt. Ermittlungen zu den Wasserzeichen liegen nicht vor. Beigebunden ist der üblicherweise um 1474 datierte Melusinendruck GW 12656
http://gesamtkatalogderwiegendrucke.de/docs/GW12656.htm
Möglicherweise ist die Karlsruher Handschrift erst in den 1470er Jahren niedergeschrieben worden. Williams-Krapp datiert laut Handschriftencensus "nach 1469".
2. Handschriftliche Überlieferung
http://www.handschriftencensus.de/werke/2301 enthält nicht alle von Williams-Krapp nachgewiesenen Exzerpte. Man muss ergänzend die Liste der Handschriften, die auf die Überlieferungsliste von Williams-Krapp verweisen, heranziehen:
■Augsburg, Universitätsbibl., Cod. III.1.2° 14
■Breslau / Wrocław, Universitätsbibl., Cod. I D 41a
■Heidelberg, Universitätsbibl., Cpg 109
(Bl. 145r-147r, der Handschriftenkatalog ohne Erwähnung des Seelenwurzgartens:
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/zimmermann2003/0321 )
■Karlsruhe, Landesbibl., Cod. Donaueschingen 120
■Karlsruhe, Landesbibl., Cod. Donaueschingen 245
■Karlsruhe, Landesbibl., Cod. St. Peter pap. 23
■München, Staatsbibl., Cgm 275
■München, Staatsbibl., Cgm 286
■München, Staatsbibl., Cgm 371
■München, Staatsbibl., Cgm 523
■München, Staatsbibl., Cgm 8108
■Solothurn, Zentralbibl., Cod. S 398
Der Häberlin'sche Handschriftenkatalog der Bibliothek des Ulmer Bürgermeisters Raymund Krafft - Franz Dominicus Häberlin, Catalogus Bibliothecae [...] Raymundo Krafft de Delmensingen, Ulm 1739 - steht mir nicht zur Verfügung [2012 online, siehe unten], aber es sieht nicht danach aus, dass die Krafftsche Handschrift des Seelenwurzgartens, die wie die Karlsruher Handschrift und Cgm 275 den lateinischen Einleitungsvermerk hatte, mit einer der beiden identisch ist. Dieser Vermerk wird zitiert in Schelhorns Amoenitates 1725 Bd. 3, S. 56
http://books.google.de/books?id=19EpAAAAYAAJ&pg=PA56
und in der verbesserten Zweitauflage von 1730:
http://books.google.com/books?id=UrkTAAAAQAAJ&pg=PA56
3. Digitalisate der Inkunabeln und Frühdrucke
Digitalisate der Inkunabeln weist nach:
http://www.gesamtkatalogderwiegendrucke.de/docs/SEELENW.htm
Die Ulmer Ausgabe vom 26. Juli 1483 ist mit 134 Holzschnitten geschmückt:
http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00031609/image_6
Die Augsburger Ausgabe von 1504:
http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00001872/image_3
Straßburger Ausgabe von 1515:
http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00001887/image_7
VD 16 S 5277 ist vom MDZ noch nicht digitalisiert worden.
4. Quellenanalyse
Diese wurde von Karin Schneider in zwei ihrer Münchner Handschriftenkataloge weitgehend geleistet:
http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/katalogseiten/HSK0043_a217_JPG.htm zur anderen vollständigen Handschrift Cgm 275
http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/katalogseiten/HSK0044_b082_JPG.htm zu Cgm 371 aus Rebdorf
5. Entstehungskontext
Es gibt offenbar keine Handschriften, die sicher vor 1467, dem Datum des Einleitungsvermerks, zurückreichen. Die Wasserzeichen der Handschrift der UB Augsburg weisen auf den Zeitraum 1464-1469:
http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/katalogseiten/HSK0148_a171_JPG.htm
Das Werk muss jedenfalls sehr schnell von der Komburg nach Ostschwaben gelangt sein, wenn man an der Zuverlässigkeit des Einleitungsvermerks für das gesamte Werk festhalten will.
Die zu weitgehenden, methodisch fragwürdigen Angaben von Williams-Krapp habe ich mit der in einer Fußnote gebotenen Kürze bereits 1995 zurückgewiesen:
http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/5242/pdf/Graf_ordensreform.pdf (S. 155)
Williams-Krapp stilisiert den Komburger Abt zu einem Reformanhänger hoch, aber der maßgeblichen Arbeit von Jooß kann man geradezu das Gegenteil entnehmen. Anders als im ²VL angegeben waren die beiden allzu hypothetisch in die Runde geworfenen Personen Fürst und Widman keine Konventualen, und "ob complacenciam" möchte ich nicht als Auftrag werten. Mit Niebler gehe ich von "geschrieben mit Erlaubnis des Abtes [...] aus Vorlagen der Bibliothek" aus. Das im Werk vorhandene Zeugnis eines Tückelhäuser Kartäusers verweist auf das Bistum Würzburg und den monastischen Bereich, zugegeben. Aber ansonsten bleiben Verfasserschaft und Entstehungskontext im Dunkeln.
Unsinnig ist es wenn Duntze S. 167f. die Laienbrüder als Primärpublikum des Seelenwurzgartens anspricht, und absurd wird es, wenn er die auf dem Titelblatt des Hupfuff-Drucks bei den Weltlichen zunächst an die Laienbrüder denken will.
Ich wiederhole meine These von 1995: Entscheidend war die Allianz von reformgesinnten Mönchen, Weltgeistlichen und Laien für die Verbreitung religiöser Literatur in der Volkssprache - in Handschrift und Druck.
Durch das Medium des Drucks ist die von Williams-Krapp behauptete Dominanz der Verbreitungswege der Ordensreform spätestens ab dem vierten Viertel des 15. Jahrhunderts nicht mehr gegeben. 1475 ist dabei keine wirkliche Zäsur, vielmehr orientiert sich die Zeitangabe an den üblichen Datierungsspielräumen der Handschriftenkataloge. Für die Verbreitung gedruckter Literatur - auch in den Klöstern - war der Buchhandel entscheidend, wenngleich nach wie vor Bücher zwischen den Klöstern ausgetauscht wurden.
Für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts bestreite ich also die These von der Dominanz der Verbreitung religiöser Werke durch die Ordensreform.
Für die Zeit um 1500 ist auch bei der Produktion religiöser Literatur mit anderen Einflüssen zu rechnen, wie ich im Fall des Thomas Finck gezeigt habe:
http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/4798/
Die Drucküberlieferung hat den Seelenwurzgarten über den monastischen Bereich hinaus als Erbauungsbuch auch in Laienkreisen populär gemacht. Dies mag man auch den drei folgenden Zeugnissen entnehmen.
6. Rezeption
Zur Popularität der Drucke notiere ich:
Nennung bei Werner Steiner im 16. Jh.
http://retro.seals.ch/digbib/view?rid=szg-004:1885:4::419&id=hitlist
Nennung bei Ulrich Zwingli
http://books.google.de/books?id=UW0uAAAAYAAJ&pg=RA1-PA132
1515 schrieb der Freiburger (CH) Peter Falk aus Venedig an seine Tochter:
"Du findest in miner libery der heiligen und der alten vätter läben. So ist der granatöpfel und die vierundzwentzig alten, ouch der seelenwurzgarten vorhanden, darin laß diner seelen wol sin."
http://books.google.de/books?pg=RA1-PA144 (US-Proxy)
Offenkundig wurde das Digitalisat gegen ein besseres ausgetauscht, der im Internet Archive gespiegelte Scan ist nicht brauchbar:
http://www.archive.org/stream/freiburgergesch01freigoog#page/n427/mode/2up
[Siehe jetzt:
http://www.archive.org/details/FreiburgerGeschichtsblaetter11-1905 ]
Nachtrag: Falk Eisermann sah freundlicherweise für mich im Haeberlin'schen Katalog nach (Mail vom 5.9.2011): Er nennt S.40f. 39f. Nr. 17 die besagte Seelenwurzgarten-Hs. und zitiert im Wesentlichen die bei Schelhorn (den er auch nennt) zitierte Stelle m. d. Bemerkung: "In initio hujus Codicis leguntur sequentia".
Am Ende heißt es dann noch: "Sub finem denique hujusque Scripti leguntur quaedam Historiae de patratis â Deipara aliisque Sanctis miraculis, itemque aliae materiae Theologicae, v. gr. de Purgatorio, XV. Signis, judicium supremum antecessuris, &c."
Juni 2012: Der Häberlin-Katalog ist seit 2011 online:
http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB00005BF300000000
Daraus ergibt sich, dass die Handschrift nicht wie Eisermann mitteilte auf S. 40f. beschrieben ist, sondern auf S. 39f.
Nachtrag: Ein Bamberger Druck von 1493 ist ein Auszug aus dem Seelenwurzgarten.
http://archiv.twoday.net/stories/1022218904/
Und noch ein anderer Bamberger Druck 1493:
http://archiv.twoday.net/stories/1022466551/
#forschung
http://digital.blb-karlsruhe.de/blbhsl/content/titleinfo/256781
Grundlegende Erkentnisse zu dem Werk werden Werner Williams-Krapp verdankt. Sein zusammenfassender (wenngleich nicht von Fehlern freier) Artikel im Verfasserlexikon - Werner Williams-Krapp, 'Der Seelen Wurzgarten', in: 2VL 8 (1992), Sp. 1027-1029 - ist bei Libreka einsehbar:
http://www.libreka.de/9783110126907/522
Werner Williams-Krapp, Exempla im heilsgeschichtlichen Kontext. Zum 'Seelenwurzgarten', in: Exempel und Exempelsammlungen, hg. von Walter Haug und Burghart Wachinger (Fortuna vitrea 2), Tübingen 1991, S. 208-222 und
Heike Annette Burmeister, Der 'Judenknabe'. Studien und Texte zu einem mittelalterlichen Marienmirakel in deutscher Überlieferung (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 654), Göppingen 1998
http://books.google.de/books?id=4apbAAAAMAAJ&q=jakob+f%C3%BCrst+widmann+georg
liegen mir derzeit nicht vor.
An online einsehbarer Sekundärliteratur nenne ich Niesner 2007
http://www.uni-salzburg.at/pls/portal/docs/1/1165210.PDF
und den Abschnitt bei Duntze 2007, S. 156-159
http://books.google.de/books?id=iochsYU1g9UC&pg=PA157&dq="Exempla+im+heilsgeschichtlichen+Kontext"
1. Zur Karlsruher Handschrift
Anders als die Metadaten des Digitalisats in Übernahme der Angaben des Katalogs von Klaus Niebler 1969 suggerieren
http://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/content/pageview/67987
wurde die Handschrift wohl nicht 1467 im Kloster Comburg geschrieben, denn es gibt keinen Anhaltspunkt, dass es sich um die "Urhandschrift" handelt. Ermittlungen zu den Wasserzeichen liegen nicht vor. Beigebunden ist der üblicherweise um 1474 datierte Melusinendruck GW 12656
http://gesamtkatalogderwiegendrucke.de/docs/GW12656.htm
Möglicherweise ist die Karlsruher Handschrift erst in den 1470er Jahren niedergeschrieben worden. Williams-Krapp datiert laut Handschriftencensus "nach 1469".
2. Handschriftliche Überlieferung
http://www.handschriftencensus.de/werke/2301 enthält nicht alle von Williams-Krapp nachgewiesenen Exzerpte. Man muss ergänzend die Liste der Handschriften, die auf die Überlieferungsliste von Williams-Krapp verweisen, heranziehen:
■Augsburg, Universitätsbibl., Cod. III.1.2° 14
■Breslau / Wrocław, Universitätsbibl., Cod. I D 41a
■Heidelberg, Universitätsbibl., Cpg 109
(Bl. 145r-147r, der Handschriftenkatalog ohne Erwähnung des Seelenwurzgartens:
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/zimmermann2003/0321 )
■Karlsruhe, Landesbibl., Cod. Donaueschingen 120
■Karlsruhe, Landesbibl., Cod. Donaueschingen 245
■Karlsruhe, Landesbibl., Cod. St. Peter pap. 23
■München, Staatsbibl., Cgm 275
■München, Staatsbibl., Cgm 286
■München, Staatsbibl., Cgm 371
■München, Staatsbibl., Cgm 523
■München, Staatsbibl., Cgm 8108
■Solothurn, Zentralbibl., Cod. S 398
Der Häberlin'sche Handschriftenkatalog der Bibliothek des Ulmer Bürgermeisters Raymund Krafft - Franz Dominicus Häberlin, Catalogus Bibliothecae [...] Raymundo Krafft de Delmensingen, Ulm 1739 - steht mir nicht zur Verfügung [2012 online, siehe unten], aber es sieht nicht danach aus, dass die Krafftsche Handschrift des Seelenwurzgartens, die wie die Karlsruher Handschrift und Cgm 275 den lateinischen Einleitungsvermerk hatte, mit einer der beiden identisch ist. Dieser Vermerk wird zitiert in Schelhorns Amoenitates 1725 Bd. 3, S. 56
http://books.google.de/books?id=19EpAAAAYAAJ&pg=PA56
und in der verbesserten Zweitauflage von 1730:
http://books.google.com/books?id=UrkTAAAAQAAJ&pg=PA56
3. Digitalisate der Inkunabeln und Frühdrucke
Digitalisate der Inkunabeln weist nach:
http://www.gesamtkatalogderwiegendrucke.de/docs/SEELENW.htm
Die Ulmer Ausgabe vom 26. Juli 1483 ist mit 134 Holzschnitten geschmückt:
http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00031609/image_6
Die Augsburger Ausgabe von 1504:
http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00001872/image_3
Straßburger Ausgabe von 1515:
http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00001887/image_7
VD 16 S 5277 ist vom MDZ noch nicht digitalisiert worden.
4. Quellenanalyse
Diese wurde von Karin Schneider in zwei ihrer Münchner Handschriftenkataloge weitgehend geleistet:
http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/katalogseiten/HSK0043_a217_JPG.htm zur anderen vollständigen Handschrift Cgm 275
http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/katalogseiten/HSK0044_b082_JPG.htm zu Cgm 371 aus Rebdorf
5. Entstehungskontext
Es gibt offenbar keine Handschriften, die sicher vor 1467, dem Datum des Einleitungsvermerks, zurückreichen. Die Wasserzeichen der Handschrift der UB Augsburg weisen auf den Zeitraum 1464-1469:
http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/katalogseiten/HSK0148_a171_JPG.htm
Das Werk muss jedenfalls sehr schnell von der Komburg nach Ostschwaben gelangt sein, wenn man an der Zuverlässigkeit des Einleitungsvermerks für das gesamte Werk festhalten will.
Die zu weitgehenden, methodisch fragwürdigen Angaben von Williams-Krapp habe ich mit der in einer Fußnote gebotenen Kürze bereits 1995 zurückgewiesen:
http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/5242/pdf/Graf_ordensreform.pdf (S. 155)
Williams-Krapp stilisiert den Komburger Abt zu einem Reformanhänger hoch, aber der maßgeblichen Arbeit von Jooß kann man geradezu das Gegenteil entnehmen. Anders als im ²VL angegeben waren die beiden allzu hypothetisch in die Runde geworfenen Personen Fürst und Widman keine Konventualen, und "ob complacenciam" möchte ich nicht als Auftrag werten. Mit Niebler gehe ich von "geschrieben mit Erlaubnis des Abtes [...] aus Vorlagen der Bibliothek" aus. Das im Werk vorhandene Zeugnis eines Tückelhäuser Kartäusers verweist auf das Bistum Würzburg und den monastischen Bereich, zugegeben. Aber ansonsten bleiben Verfasserschaft und Entstehungskontext im Dunkeln.
Unsinnig ist es wenn Duntze S. 167f. die Laienbrüder als Primärpublikum des Seelenwurzgartens anspricht, und absurd wird es, wenn er die auf dem Titelblatt des Hupfuff-Drucks bei den Weltlichen zunächst an die Laienbrüder denken will.
Ich wiederhole meine These von 1995: Entscheidend war die Allianz von reformgesinnten Mönchen, Weltgeistlichen und Laien für die Verbreitung religiöser Literatur in der Volkssprache - in Handschrift und Druck.
Durch das Medium des Drucks ist die von Williams-Krapp behauptete Dominanz der Verbreitungswege der Ordensreform spätestens ab dem vierten Viertel des 15. Jahrhunderts nicht mehr gegeben. 1475 ist dabei keine wirkliche Zäsur, vielmehr orientiert sich die Zeitangabe an den üblichen Datierungsspielräumen der Handschriftenkataloge. Für die Verbreitung gedruckter Literatur - auch in den Klöstern - war der Buchhandel entscheidend, wenngleich nach wie vor Bücher zwischen den Klöstern ausgetauscht wurden.
Für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts bestreite ich also die These von der Dominanz der Verbreitung religiöser Werke durch die Ordensreform.
Für die Zeit um 1500 ist auch bei der Produktion religiöser Literatur mit anderen Einflüssen zu rechnen, wie ich im Fall des Thomas Finck gezeigt habe:
http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/4798/
Die Drucküberlieferung hat den Seelenwurzgarten über den monastischen Bereich hinaus als Erbauungsbuch auch in Laienkreisen populär gemacht. Dies mag man auch den drei folgenden Zeugnissen entnehmen.
6. Rezeption
Zur Popularität der Drucke notiere ich:
Nennung bei Werner Steiner im 16. Jh.
http://retro.seals.ch/digbib/view?rid=szg-004:1885:4::419&id=hitlist
Nennung bei Ulrich Zwingli
http://books.google.de/books?id=UW0uAAAAYAAJ&pg=RA1-PA132
1515 schrieb der Freiburger (CH) Peter Falk aus Venedig an seine Tochter:
"Du findest in miner libery der heiligen und der alten vätter läben. So ist der granatöpfel und die vierundzwentzig alten, ouch der seelenwurzgarten vorhanden, darin laß diner seelen wol sin."
http://books.google.de/books?pg=RA1-PA144 (US-Proxy)
Offenkundig wurde das Digitalisat gegen ein besseres ausgetauscht, der im Internet Archive gespiegelte Scan ist nicht brauchbar:
http://www.archive.org/stream/freiburgergesch01freigoog#page/n427/mode/2up
[Siehe jetzt:
http://www.archive.org/details/FreiburgerGeschichtsblaetter11-1905 ]
Nachtrag: Falk Eisermann sah freundlicherweise für mich im Haeberlin'schen Katalog nach (Mail vom 5.9.2011): Er nennt S.
Am Ende heißt es dann noch: "Sub finem denique hujusque Scripti leguntur quaedam Historiae de patratis â Deipara aliisque Sanctis miraculis, itemque aliae materiae Theologicae, v. gr. de Purgatorio, XV. Signis, judicium supremum antecessuris, &c."
Juni 2012: Der Häberlin-Katalog ist seit 2011 online:
http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB00005BF300000000
Daraus ergibt sich, dass die Handschrift nicht wie Eisermann mitteilte auf S. 40f. beschrieben ist, sondern auf S. 39f.
Nachtrag: Ein Bamberger Druck von 1493 ist ein Auszug aus dem Seelenwurzgarten.
http://archiv.twoday.net/stories/1022218904/
Und noch ein anderer Bamberger Druck 1493:
http://archiv.twoday.net/stories/1022466551/
#forschung
KlausGraf - am Montag, 29. August 2011, 18:28 - Rubrik: Kodikologie