In einer Herausgabeklage (Az: 2/4 0 125/99) vor dem Landgericht Frankfurt am Main hat der Landkreis Löbau-Zittau die Herausgabe
eines mittelalterlichen Messbuches aus dem Jahre 1415, des sogenannten Prager Missales, gegen ein Auktionshaus erwirkt. Das Buch, das Vorschriften zur Durchführung des Gottesdienstes enthält, befand sich seit 1554 in Besitz und Eigentum der Christian-Weise-Bibliothek Zittau bis es 1985 an die damalige deutsche Staatsbibliothek in Berlin ausgeliehen wurde und dort unter nicht näher geklärten Umständen verschwand. Im Januar 1999 wurde das Missale von einem hessischen Auktionshaus zur Versteigerung angeboten.
In seinen Entscheidungsgründen stellte das Gericht im Hinblick auf
die Eigentumslage bis zum 02.10.1990 entscheidend auf die Regelungen des Zivilgesetzbuches (ZGB) der DDR ab. Danach zählte
das Messbuch als Kulturgut der damaligen Kulturkategorie I zum
Volkseigentum, das gemäß § 18 Abs. 1 ZGB Teil des sozialistischen
Eigentums war. Gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 ZGB war der Erwerb
und die Übertragung von sozialistischem Eigentum in persönliches
Eigentum unzulässig.
Aufgrund dieses Grundsatzes der Unantastbarkeit sozialistischen
Eigentums hat es das Gericht dahin stehen lassen, auf welche Weise
das Buch abhanden gekommen war. Weil bis zum 02.10.1990 nach
dem ZGB auch keine Ersitzung möglich war, habe der Landkreis
sein Eigentum danach auch nicht durch Ersitzung gemäß § 937 Bürgerliches Gesetzbuch verloren.
Mit diesen Entscheidungsgründen hat das Urteil grundsätzliche Bedeutung für die Herausgabe von Kulturgut an Archive, Bibliotheken und Museen in Ostdeutschland, das bis 1990 unter kaum aufklärbaren Umständen verschwand. Man darf gespannt sein, ob andere Gerichte bei gleichgelagerten Sachverhalten
dieser Argumentation folgen, nach der es überhaupt nicht auf den
Nachweis der Bösgläubigkeit zum Ausschluss eines rechtmäßigen
gutgläubigen Erwerbs von Kulturgut ankommt.
Das Urteil ist rechtskräftig, und das Missale befindet sich seit August 2002 wieder in der Christian-Weise-Bibliothek in Zittau.
Silke Birk, Sächsisches Staatsministerium des Innern
http://www.sachsen.de/de/bf/verwaltung/archivverwaltung/pdf/archivblatt_1_2003.pdf
Anmerkung: Die Missale A VII war natürlich nicht seit 1554 im Besitz der CWBZ, die noch nicht solange besteht. Dieses und weitere 2 Meßbücher sind wahrscheinlich 1421 im Zusammenhang mit der Flucht der Prager Domherren vor den Hussiten in das damals böhmische Zittau gelangt. Nach Auflösung der Johanniterkommende 1554 gelangte sämtlicher klösterlicher Besitz in Besitz der Stadt und wurde um 1800 der Zittauer Stadtbibliothek übergeben.
Trotz dieses Lapsus ein lesenswerter Beitrag über eine wichtige Rechtsentscheidung.
eines mittelalterlichen Messbuches aus dem Jahre 1415, des sogenannten Prager Missales, gegen ein Auktionshaus erwirkt. Das Buch, das Vorschriften zur Durchführung des Gottesdienstes enthält, befand sich seit 1554 in Besitz und Eigentum der Christian-Weise-Bibliothek Zittau bis es 1985 an die damalige deutsche Staatsbibliothek in Berlin ausgeliehen wurde und dort unter nicht näher geklärten Umständen verschwand. Im Januar 1999 wurde das Missale von einem hessischen Auktionshaus zur Versteigerung angeboten.
In seinen Entscheidungsgründen stellte das Gericht im Hinblick auf
die Eigentumslage bis zum 02.10.1990 entscheidend auf die Regelungen des Zivilgesetzbuches (ZGB) der DDR ab. Danach zählte
das Messbuch als Kulturgut der damaligen Kulturkategorie I zum
Volkseigentum, das gemäß § 18 Abs. 1 ZGB Teil des sozialistischen
Eigentums war. Gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 ZGB war der Erwerb
und die Übertragung von sozialistischem Eigentum in persönliches
Eigentum unzulässig.
Aufgrund dieses Grundsatzes der Unantastbarkeit sozialistischen
Eigentums hat es das Gericht dahin stehen lassen, auf welche Weise
das Buch abhanden gekommen war. Weil bis zum 02.10.1990 nach
dem ZGB auch keine Ersitzung möglich war, habe der Landkreis
sein Eigentum danach auch nicht durch Ersitzung gemäß § 937 Bürgerliches Gesetzbuch verloren.
Mit diesen Entscheidungsgründen hat das Urteil grundsätzliche Bedeutung für die Herausgabe von Kulturgut an Archive, Bibliotheken und Museen in Ostdeutschland, das bis 1990 unter kaum aufklärbaren Umständen verschwand. Man darf gespannt sein, ob andere Gerichte bei gleichgelagerten Sachverhalten
dieser Argumentation folgen, nach der es überhaupt nicht auf den
Nachweis der Bösgläubigkeit zum Ausschluss eines rechtmäßigen
gutgläubigen Erwerbs von Kulturgut ankommt.
Das Urteil ist rechtskräftig, und das Missale befindet sich seit August 2002 wieder in der Christian-Weise-Bibliothek in Zittau.
Silke Birk, Sächsisches Staatsministerium des Innern
http://www.sachsen.de/de/bf/verwaltung/archivverwaltung/pdf/archivblatt_1_2003.pdf
Anmerkung: Die Missale A VII war natürlich nicht seit 1554 im Besitz der CWBZ, die noch nicht solange besteht. Dieses und weitere 2 Meßbücher sind wahrscheinlich 1421 im Zusammenhang mit der Flucht der Prager Domherren vor den Hussiten in das damals böhmische Zittau gelangt. Nach Auflösung der Johanniterkommende 1554 gelangte sämtlicher klösterlicher Besitz in Besitz der Stadt und wurde um 1800 der Zittauer Stadtbibliothek übergeben.
Trotz dieses Lapsus ein lesenswerter Beitrag über eine wichtige Rechtsentscheidung.
Kurt - am Donnerstag, 26. Juni 2003, 08:05 - Rubrik: Archivrecht
KlausGraf meinte am 2003/06/26 12:24:
Ein wichtiger Beitrag - vielen Dank!
Zur Auktionsproblematik siehe auch in ARCHIVALIA:http://archiv.twoday.net/stories/31273/