Den Pressemeldungen zum Beschluss der UrhG-Novelle war
nicht exakt zu entnehmen, was denn nun (nach Zustimmung des
Bundesrats im September) Gesetz werden wird.
Beschlossen wurde die Beschlussempfehlung des
Rechtsausschusses, die in der BT-Drucksache 16/5939 steht.
Elektronische Vorabversion:
http://dip.bundestag.de/btd/16/059/1605939.pdf
„§ 53a
Kopienversand auf Bestellung
(1) Zulässig ist auf Einzelbestellung die
Vervielfältigung und Übermittlung einzelner
in Zeitungen und Zeitschriften erschienener
Beiträge sowie kleiner Teile eines erschienenen
Werkes im Weg des Post- oder Faxversands
durch öffentliche Bibliotheken, sofern
die Nutzung durch den Besteller nach § 53
zulässig ist. Die Vervielfältigung und Übermittlung
in sonstiger elektronischer Form ist
ausschließlich als grafische Datei und zur
Veranschaulichung des Unterrichts oder
für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung
zulässig, soweit dies zur Verfolgung
nicht gewerblicher Zwecke gerechtfertigt
ist. Die Vervielfältigung und Übermittlung
in sonstiger elektronischer Form
ist ferner nur dann zulässig, wenn der Zugang
zu den Beiträgen oder kleinen Teilen
eines Werkes den Mitgliedern der Öffentlichkeit
nicht offensichtlich von Orten und
zu Zeiten ihrer Wahl mittels einer vertraglichen
Vereinbarung zu angemessenen Bedingungen
ermöglicht wird.
(2) Für die Vervielfältigung und Übermittlung
ist dem Urheber eine angemessene Vergütung
zu zahlen. Der Anspruch kann nur
durch eine Verwertungsgesellschaft geltend
gemacht werden.“
Das bedeutet: Der Arzt, der fuer einen Tumorpatienten
dringendst einen Fachaufsatz benoetigt, muss auf das Fax
vertrauen, denn medizinische Zwecke fallen weder unter
Veranschaulichung des Unterrichts noch unter
Forschungszwecke. Im Zweifel ist das hoeherrangige
Rechtsgut des Patientenlebens in eine Abwaegung der
Rechtswidrigkeit nach § 97 UrhG einzustellen.
Buergerinnen und Buerger, die sich nicht auf
wissenschaftliche Zwecke berufen koennen (die Verlegerlobby
wird gewiss eine strenge Pruefung der Wissenschaftlichkeit
verlangen), muessen sich ebenfalls auf Post und Fax
verweisen lassen.
Wenn man "angemessen" als "branchenueblich" definiert, sind
20-30 Euro pro Aufsatz (einschliesslich kurzer Rezensionen
von 1-2 Seiten) angemessen - und zugleich fuer den normalen
Wissenschaftsbetrieb unbezahlbar. Dazu aus der Begruendung
der Aenderung (S. 80f.):
"Ob die Bedingungen angemessen sind, wird im
Einzelfall unter Heranziehung dessen zu beurteilen sein,
was gemäß § 32 Abs. 2 S. 2 im Geschäftsverkehr üblicher-
und redlicherweise zu leisten ist; zu den angemessenen
Bedingungen gehört auch die Gewährleistung eines
dauerhaften, zuverlässigen Werkzugangs. Außerdem wird,
worauf schon der Regierungsentwurf hinweist,
die Preisgestaltung insbesondere auch im Hinblick daraufhin
zu überprüfen sein, dass dem Nutzer ein adäquater Zugang
nur zu den von ihm gewünschten Werken ermöglicht wird, ohne
hierbei nicht benötigte Beiträge im Paket oder ein
umfangreicheres Abonnement erwerben zu müssen."
„§ 52b
Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen
in öffentlichen Bibliotheken, Museen und
Archiven
Zulässig ist, veröffentlichte Werke aus dem
Bestand öffentlich zugänglicher Bibliotheken,
Museen oder Archive, die keinen unmittelbar
oder mittelbar wirtschaftlichen oder
Erwerbszweck verfolgen, ausschließlich in
den Räumen der jeweiligen Einrichtung an
eigens dafür eingerichteten elektronischen
Leseplätzen zur Forschung und für private
Studien zugänglich zu machen, soweit dem
keine vertraglichen Regelungen entgegenstehen.
Es dürfen grundsätzlich nicht mehr
Exemplare eines Werkes an den eingerichteten
elektronischen Leseplätzen gleichzeitig
zugänglich gemacht werden, als der Bestand
der Einrichtung umfasst. Für die Zugänglichmachung
ist eine angemessene Vergütung
zu zahlen. Der Anspruch kann nur
durch eine Verwertungsgesellschaft geltend
gemacht werden.“
Die maximale Zugänglichmachung von 4 Exemplaren bei
Belastungsspitzen steht in der Begruendung S. 79:
"Andererseits erlaubt die Formulierung
die Berücksichtigung wissenschaftlicher und hochschulischer
Belange wie beispielsweise
Belastungsspitzen in der Nutzung eines bestimmten Werkes.
In diesen
Situationen dürfen mehr Exemplare gleichzeitig an den
Leseplätzen zugänglich gemacht
werden, als der Bestand der jeweiligen Einrichtung umfasst.
Die Ausnahmefälle
sollen allerdings – soweit dies möglich ist - zeitlich und
ferner auch quantitativ
begrenzt bleiben; sie dürfen die gleichzeitige Nutzung
eines Exemplars aus dem Bestand
der Einrichtung an vier elektronischen Leseplätzen nicht
überschreiten."
Die Moeglichkeit wird ueber das Wort "grundsaetzlich" im
Gesetz verankert.
§ 31 Abs. 4 wird wegfallen. § 137 l betrifft die
Altvertraege ueber unbekannte Nutzungsarten. Da die
Online-Nutzung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des
Gesetzes bekannt ist, werden Urheber, die seit dem 1.1.1966
ausschliessliche Nutzungsrechte vergeben haben, ENTEIGNET,
sofern sie nichts davon mitbekommen, dass sie innerhalb
eines Jahres widersprechen muessen. Die Dreimonatsfrist
nach Benachrichtigung gilt nur fuer Neuvertraege und fuer
die (derzeit noch theoretische) Moeglichkeit, dass heute
unbekannte weitere unbekannte Nutzungsrechte auftauchen.
Dies bedeutet einen schweren Rueckschlag fuer Open Access.
Von einer Staerkung der Urheberrechte zu sprechen, ist ein
Witz, denn wann weitere unbekannte Nutzungsarten
auftauchen, ist nicht absehbar.
Ein Wissenschaftler, der ab 1.1.1966 einen ueblichen
Verlagsvertrag ueber ein Buch abgeschlossen hat, kann
dieses also, sofern er nicht in Jahresfrist nach
Inkrafttreten (1. Tag des 3. Monats nach Verkuendigung im
BGBl.) widerspricht, nicht ohne Zustimmung des Verlags
"Open Access" im Internet zugaenglich machen (anders als
jetzt: vor ca. 1995 geschlossene Vertraege konnten noch
keine Online-Nutzung rechtswirksam vorsehen mit der
Konsequenz, dass die Online-Rechte beim Autor und nicht
beim Verlag liegen). Er hat zwar einen Verguetungsanspruch,
falls eine Online-Nutzung durch ein Verlagsangebot erfolgt,
kann diesen aber nur ueber eine Verguetungsgesellschaft
geltend machen.
Waehrend bei wissenschaftlichen Werken ueblicherweise keine
Verguetung erfolgt (weder bei Verbreitung im Druck noch
online), wird eine Nutzung aufgrund einer unbekannten
Nutzungsart kuenftig in jedem Fall via VG verguetet.
Zu Vertraegen vor 1966 siehe Dreier/Schulze, UrhR ²2006, §
31 Rdnr. 86-88. Liegt weder eine stillschweigende noch eine
ausdrueckliche Rechteeinraeumung fuer kuenftig bekannte
Nutzungsarbeiten vor, so wird man aufgrund der
Zweckuebertragungsregel davon ausgehen muessen, dass die
Rechte nicht an die Verwerter fallen.
Aus INETBIB (gekürzt)
nicht exakt zu entnehmen, was denn nun (nach Zustimmung des
Bundesrats im September) Gesetz werden wird.
Beschlossen wurde die Beschlussempfehlung des
Rechtsausschusses, die in der BT-Drucksache 16/5939 steht.
Elektronische Vorabversion:
http://dip.bundestag.de/btd/16/059/1605939.pdf
„§ 53a
Kopienversand auf Bestellung
(1) Zulässig ist auf Einzelbestellung die
Vervielfältigung und Übermittlung einzelner
in Zeitungen und Zeitschriften erschienener
Beiträge sowie kleiner Teile eines erschienenen
Werkes im Weg des Post- oder Faxversands
durch öffentliche Bibliotheken, sofern
die Nutzung durch den Besteller nach § 53
zulässig ist. Die Vervielfältigung und Übermittlung
in sonstiger elektronischer Form ist
ausschließlich als grafische Datei und zur
Veranschaulichung des Unterrichts oder
für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung
zulässig, soweit dies zur Verfolgung
nicht gewerblicher Zwecke gerechtfertigt
ist. Die Vervielfältigung und Übermittlung
in sonstiger elektronischer Form
ist ferner nur dann zulässig, wenn der Zugang
zu den Beiträgen oder kleinen Teilen
eines Werkes den Mitgliedern der Öffentlichkeit
nicht offensichtlich von Orten und
zu Zeiten ihrer Wahl mittels einer vertraglichen
Vereinbarung zu angemessenen Bedingungen
ermöglicht wird.
(2) Für die Vervielfältigung und Übermittlung
ist dem Urheber eine angemessene Vergütung
zu zahlen. Der Anspruch kann nur
durch eine Verwertungsgesellschaft geltend
gemacht werden.“
Das bedeutet: Der Arzt, der fuer einen Tumorpatienten
dringendst einen Fachaufsatz benoetigt, muss auf das Fax
vertrauen, denn medizinische Zwecke fallen weder unter
Veranschaulichung des Unterrichts noch unter
Forschungszwecke. Im Zweifel ist das hoeherrangige
Rechtsgut des Patientenlebens in eine Abwaegung der
Rechtswidrigkeit nach § 97 UrhG einzustellen.
Buergerinnen und Buerger, die sich nicht auf
wissenschaftliche Zwecke berufen koennen (die Verlegerlobby
wird gewiss eine strenge Pruefung der Wissenschaftlichkeit
verlangen), muessen sich ebenfalls auf Post und Fax
verweisen lassen.
Wenn man "angemessen" als "branchenueblich" definiert, sind
20-30 Euro pro Aufsatz (einschliesslich kurzer Rezensionen
von 1-2 Seiten) angemessen - und zugleich fuer den normalen
Wissenschaftsbetrieb unbezahlbar. Dazu aus der Begruendung
der Aenderung (S. 80f.):
"Ob die Bedingungen angemessen sind, wird im
Einzelfall unter Heranziehung dessen zu beurteilen sein,
was gemäß § 32 Abs. 2 S. 2 im Geschäftsverkehr üblicher-
und redlicherweise zu leisten ist; zu den angemessenen
Bedingungen gehört auch die Gewährleistung eines
dauerhaften, zuverlässigen Werkzugangs. Außerdem wird,
worauf schon der Regierungsentwurf hinweist,
die Preisgestaltung insbesondere auch im Hinblick daraufhin
zu überprüfen sein, dass dem Nutzer ein adäquater Zugang
nur zu den von ihm gewünschten Werken ermöglicht wird, ohne
hierbei nicht benötigte Beiträge im Paket oder ein
umfangreicheres Abonnement erwerben zu müssen."
„§ 52b
Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen
in öffentlichen Bibliotheken, Museen und
Archiven
Zulässig ist, veröffentlichte Werke aus dem
Bestand öffentlich zugänglicher Bibliotheken,
Museen oder Archive, die keinen unmittelbar
oder mittelbar wirtschaftlichen oder
Erwerbszweck verfolgen, ausschließlich in
den Räumen der jeweiligen Einrichtung an
eigens dafür eingerichteten elektronischen
Leseplätzen zur Forschung und für private
Studien zugänglich zu machen, soweit dem
keine vertraglichen Regelungen entgegenstehen.
Es dürfen grundsätzlich nicht mehr
Exemplare eines Werkes an den eingerichteten
elektronischen Leseplätzen gleichzeitig
zugänglich gemacht werden, als der Bestand
der Einrichtung umfasst. Für die Zugänglichmachung
ist eine angemessene Vergütung
zu zahlen. Der Anspruch kann nur
durch eine Verwertungsgesellschaft geltend
gemacht werden.“
Die maximale Zugänglichmachung von 4 Exemplaren bei
Belastungsspitzen steht in der Begruendung S. 79:
"Andererseits erlaubt die Formulierung
die Berücksichtigung wissenschaftlicher und hochschulischer
Belange wie beispielsweise
Belastungsspitzen in der Nutzung eines bestimmten Werkes.
In diesen
Situationen dürfen mehr Exemplare gleichzeitig an den
Leseplätzen zugänglich gemacht
werden, als der Bestand der jeweiligen Einrichtung umfasst.
Die Ausnahmefälle
sollen allerdings – soweit dies möglich ist - zeitlich und
ferner auch quantitativ
begrenzt bleiben; sie dürfen die gleichzeitige Nutzung
eines Exemplars aus dem Bestand
der Einrichtung an vier elektronischen Leseplätzen nicht
überschreiten."
Die Moeglichkeit wird ueber das Wort "grundsaetzlich" im
Gesetz verankert.
§ 31 Abs. 4 wird wegfallen. § 137 l betrifft die
Altvertraege ueber unbekannte Nutzungsarten. Da die
Online-Nutzung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des
Gesetzes bekannt ist, werden Urheber, die seit dem 1.1.1966
ausschliessliche Nutzungsrechte vergeben haben, ENTEIGNET,
sofern sie nichts davon mitbekommen, dass sie innerhalb
eines Jahres widersprechen muessen. Die Dreimonatsfrist
nach Benachrichtigung gilt nur fuer Neuvertraege und fuer
die (derzeit noch theoretische) Moeglichkeit, dass heute
unbekannte weitere unbekannte Nutzungsrechte auftauchen.
Dies bedeutet einen schweren Rueckschlag fuer Open Access.
Von einer Staerkung der Urheberrechte zu sprechen, ist ein
Witz, denn wann weitere unbekannte Nutzungsarten
auftauchen, ist nicht absehbar.
Ein Wissenschaftler, der ab 1.1.1966 einen ueblichen
Verlagsvertrag ueber ein Buch abgeschlossen hat, kann
dieses also, sofern er nicht in Jahresfrist nach
Inkrafttreten (1. Tag des 3. Monats nach Verkuendigung im
BGBl.) widerspricht, nicht ohne Zustimmung des Verlags
"Open Access" im Internet zugaenglich machen (anders als
jetzt: vor ca. 1995 geschlossene Vertraege konnten noch
keine Online-Nutzung rechtswirksam vorsehen mit der
Konsequenz, dass die Online-Rechte beim Autor und nicht
beim Verlag liegen). Er hat zwar einen Verguetungsanspruch,
falls eine Online-Nutzung durch ein Verlagsangebot erfolgt,
kann diesen aber nur ueber eine Verguetungsgesellschaft
geltend machen.
Waehrend bei wissenschaftlichen Werken ueblicherweise keine
Verguetung erfolgt (weder bei Verbreitung im Druck noch
online), wird eine Nutzung aufgrund einer unbekannten
Nutzungsart kuenftig in jedem Fall via VG verguetet.
Zu Vertraegen vor 1966 siehe Dreier/Schulze, UrhR ²2006, §
31 Rdnr. 86-88. Liegt weder eine stillschweigende noch eine
ausdrueckliche Rechteeinraeumung fuer kuenftig bekannte
Nutzungsarbeiten vor, so wird man aufgrund der
Zweckuebertragungsregel davon ausgehen muessen, dass die
Rechte nicht an die Verwerter fallen.
Aus INETBIB (gekürzt)
KlausGraf - am Dienstag, 10. Juli 2007, 14:24 - Rubrik: Archivrecht