GRUR 2007, 754-760, Prof. Dr.Christian Berger (Leipzig): Die öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlichen Werken an elektronischen Leseplätzen in Bibliotheken, Museen und Archiven - Urheberrechtliche, verfassungsrechtliche und europarechtliche Aspekte des geplanten § 52 b UrhG
Das Gutachten für den Börsenverein steht auch als Download (PDF) zur Verfügung.
Der Leipziger Jurist wendet sich gegen eine Auslegung des künftigen Urheberrechts-Gesetzes, die durch die Endfassung gegenstandslos wurde. Es dürfen also nur Werke aus dem Bestand und "grundsätzlich" nur soviele gleichzeitig zugänglich gemacht werden, wie der Bestand umfasst.
Man kann und sollte dieses in der renommiertesten Urheberrechtszeitschrift erschienene Auftrags-Machwerk auf sich beruhen lassen. Die Argumente für einen Verstoss gegen das Eigentumsgrundrecht sind doch recht dürftig, zumal konkurrierende Kommunikations-Grundrechte nicht in die Betrachtung einbezogen werden.
Einige wenige Anmerkungen:
Das vermisste Annex-Vervielfältigungsprivileg (S. 756) ergibt sich aus dem Zweck der Regelung. Es könnte aber auch aus der in § 53 UrhG erlaubten digitalen Vervielfältigung zur Aufnahme in ein eigenes Archiv, die den Bibliotheken, Archiven und Museen als nicht-kommerziellen Institutionen zur Verfügung steht, abgeleitet werden. Die Nutzung von Digitalisaten zu erlauben, das Herstellen der Digitalisate aber zustimmungspflichtig zu machen, wäre ziemlich widersinnig. Selbst dem häufig miserabel arbeitenden deutschen Gesetzgeber ist ein solcher Schwachsinn nicht zuzutrauen.
Ein Anschlussnutzungsverbot ist nicht angezeigt (S. 756). Hier kann man sich ohne weiteres an § 53 UrhG orientieren, der die private Weitergabe im kleinen Kreis ermöglicht. Wird eine Vervielfältigung nach § 53 UrhG mit USB-Stick angefertigt, gilt natürlich für diese Vervielfältigung auch das Anschlussnutzungsverbot des § 53 UrhG. Simple juristische Logik ist offenbar nicht gefragt, wenn es darum geht, dem Börsenverein gegen - vermutlich eine erkleckliche Summe - unter die Arme zu greifen.
Wenn Berger danach fragt, wie man denn sicherstellen könne, dass die Werknutzung ausschließlich zu wissenschaftlichen bzw. privaten Zwecken erfolge, so ist zu entgegnen: Auch das Vorliegen der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen in § 53 UrhG kann nicht kontrolliert werden.
Bei nicht wenigen wissenschaftlichen Büchern wird kein Entgelt seitens der Verlage gezahlt, die Behauptung, "typischerweise" würde ein Entgelt entrichtet (S. 757), also fragwürdig.
Berger plädiert für einen "Kontrahierungszwang" der Bibliotheken, die angemessene Verlagsangebote annehmen müssten (S. 759). Der Begriff Kontrahierungszwang meint genau das Gegenteil: dass Anbieter verpflichtet sind, jedem Nutzer ein Angebot zu machen. Hier geht es darum, Bibliotheken, Archive und Museen dazu verpflichten, völlig überteuerte Monopolangebote zu nutzen. Nur wenn kein digitales Angebot besteht, dürften die Bibliotheken die Werke an den Leseplätzen nutzen lassen. Solange "angemessen" als "branchenüblich" verstanden wird, ist den Wucherpreisen der Verlage Tür und Tor geöffnet.
Es sei den "Bibliotheken und anderen Einrichtungen ohne Weiteres zumutbar ... ihre Beschaffungspolitik zu ändern". Dass dank der Mondpreise der digitalen Anbieter die Bibliotheken immer weniger attraktive Angebote machen können und Zeitschriften abbestellen müssen, ignoriert Berger. Eine ökonomische Binsenweisheit lautet: Wird bei einem von Monopolen bestimmten Markt mehr Geld ins System gepumpt, wird der Zuwachs von den Monopolanbietern abgeschöpft. Das ist ihr gutes Recht, aber sollte die Gesellschaft die Zukunft der Wissenschaft und die Bildung unserer Kinder (Berger wendet sich gegen die Ausweitung des Privilegs auf Schulbibliotheken, S. 755) auf dem Altar des Verlags-Profits opfern? Solange der Wissensstandort Deutschland unter der Knute der Verlage, die mit massiver Lobby-Arbeit ihre Pfründen wahren wollen und sich Hofjuristen wie den feinen (von Steuergeldern bezahlten) Professor Berger halten, ächzt, kann man nur düster in die Zukunft sehen.
Das Gutachten für den Börsenverein steht auch als Download (PDF) zur Verfügung.
Der Leipziger Jurist wendet sich gegen eine Auslegung des künftigen Urheberrechts-Gesetzes, die durch die Endfassung gegenstandslos wurde. Es dürfen also nur Werke aus dem Bestand und "grundsätzlich" nur soviele gleichzeitig zugänglich gemacht werden, wie der Bestand umfasst.
Man kann und sollte dieses in der renommiertesten Urheberrechtszeitschrift erschienene Auftrags-Machwerk auf sich beruhen lassen. Die Argumente für einen Verstoss gegen das Eigentumsgrundrecht sind doch recht dürftig, zumal konkurrierende Kommunikations-Grundrechte nicht in die Betrachtung einbezogen werden.
Einige wenige Anmerkungen:
Das vermisste Annex-Vervielfältigungsprivileg (S. 756) ergibt sich aus dem Zweck der Regelung. Es könnte aber auch aus der in § 53 UrhG erlaubten digitalen Vervielfältigung zur Aufnahme in ein eigenes Archiv, die den Bibliotheken, Archiven und Museen als nicht-kommerziellen Institutionen zur Verfügung steht, abgeleitet werden. Die Nutzung von Digitalisaten zu erlauben, das Herstellen der Digitalisate aber zustimmungspflichtig zu machen, wäre ziemlich widersinnig. Selbst dem häufig miserabel arbeitenden deutschen Gesetzgeber ist ein solcher Schwachsinn nicht zuzutrauen.
Ein Anschlussnutzungsverbot ist nicht angezeigt (S. 756). Hier kann man sich ohne weiteres an § 53 UrhG orientieren, der die private Weitergabe im kleinen Kreis ermöglicht. Wird eine Vervielfältigung nach § 53 UrhG mit USB-Stick angefertigt, gilt natürlich für diese Vervielfältigung auch das Anschlussnutzungsverbot des § 53 UrhG. Simple juristische Logik ist offenbar nicht gefragt, wenn es darum geht, dem Börsenverein gegen - vermutlich eine erkleckliche Summe - unter die Arme zu greifen.
Wenn Berger danach fragt, wie man denn sicherstellen könne, dass die Werknutzung ausschließlich zu wissenschaftlichen bzw. privaten Zwecken erfolge, so ist zu entgegnen: Auch das Vorliegen der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen in § 53 UrhG kann nicht kontrolliert werden.
Bei nicht wenigen wissenschaftlichen Büchern wird kein Entgelt seitens der Verlage gezahlt, die Behauptung, "typischerweise" würde ein Entgelt entrichtet (S. 757), also fragwürdig.
Berger plädiert für einen "Kontrahierungszwang" der Bibliotheken, die angemessene Verlagsangebote annehmen müssten (S. 759). Der Begriff Kontrahierungszwang meint genau das Gegenteil: dass Anbieter verpflichtet sind, jedem Nutzer ein Angebot zu machen. Hier geht es darum, Bibliotheken, Archive und Museen dazu verpflichten, völlig überteuerte Monopolangebote zu nutzen. Nur wenn kein digitales Angebot besteht, dürften die Bibliotheken die Werke an den Leseplätzen nutzen lassen. Solange "angemessen" als "branchenüblich" verstanden wird, ist den Wucherpreisen der Verlage Tür und Tor geöffnet.
Es sei den "Bibliotheken und anderen Einrichtungen ohne Weiteres zumutbar ... ihre Beschaffungspolitik zu ändern". Dass dank der Mondpreise der digitalen Anbieter die Bibliotheken immer weniger attraktive Angebote machen können und Zeitschriften abbestellen müssen, ignoriert Berger. Eine ökonomische Binsenweisheit lautet: Wird bei einem von Monopolen bestimmten Markt mehr Geld ins System gepumpt, wird der Zuwachs von den Monopolanbietern abgeschöpft. Das ist ihr gutes Recht, aber sollte die Gesellschaft die Zukunft der Wissenschaft und die Bildung unserer Kinder (Berger wendet sich gegen die Ausweitung des Privilegs auf Schulbibliotheken, S. 755) auf dem Altar des Verlags-Profits opfern? Solange der Wissensstandort Deutschland unter der Knute der Verlage, die mit massiver Lobby-Arbeit ihre Pfründen wahren wollen und sich Hofjuristen wie den feinen (von Steuergeldern bezahlten) Professor Berger halten, ächzt, kann man nur düster in die Zukunft sehen.
KlausGraf - am Montag, 1. Oktober 2007, 23:27 - Rubrik: Archivrecht
KlausGraf meinte am 2007/11/12 22:46:
Mehr dazu in INETBIB
http://archiv.twoday.net/stories/4440795/