http://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/reden_stellungnahmen/download/empfehlung_wiss_praxis_0198_ergaenzungen.pdf
Problematisch ist schon, dass keine konsolidierte Fassung der ganzen Empfehlungen geboten wird, sondern nur die Änderungen dokumentiert werden und zwar - das ist entscheidend - in gekürzter Form. Es werden also teilweise nur "Auszüge" mitgeteilt, und es fehlen die Literaturnachweise komplett.
Zur Whistleblower-Empfehlung 17 wurde schon genügend gesagt, siehe nur
http://archiv.twoday.net/stories/444866075/
Empfehlung 5 gilt der Stärkung des Ombudswesens: "Hochschulen und Forschungseinrichtungen sollen unabhängige Vertrauenspersonen/Ansprechpartner (Ombudspersonen)
vorsehen, an die sich ihre Mitglieder in Fragen guter wissenschaftlicher Praxis und in Fragen vermuteten wissenschaftlichen Fehlverhaltens wenden können."
Das ist ersichtlich völlig ungenügend. Es muss heißen: "Jeder darf sich darüber hinaus an die Ombudspersonen wenden, wenn er von wissenschaftlichem Fehlverhalten betroffen ist, das einem Mitglied der Einrichtung zur Last gelegt wird. Zugleich prüfen die Ombudspersonen alle Hinweise über vermutetes wissenschaftliches Fehlverhalten, die an sie herangetragen werden."
Als universitätsinternes Schlichtungsverfahren verletzt das Ombudsverfahren ersichtlich die Rechte Betroffener (z.B. Co-Autoren außerhalb der Universität), die nicht der Universität angehören. Faktisch akzeptieren wohl alle Ombudspersonen Beschwerden externer Betroffener, und man kann durch den Gleichbehandlungsgrundsatz des öffentlichen Rechts als Betroffener Rechte ableiten, die in Satzungen Hochschulmitgliedern gewährt wird. Aber die Hochschulsatzungen sollten unbedingt geändert werden, da sie einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit externer Betroffener darstellen. Dass Verfahren an öffentlichen Institutionen, die der Geltung des öffentlichen Rechts unterstehen, zu Fragen guter wissenschaftlicher Praxis dem Schutz des Art. 5 GG unterstehen, erscheint mir nicht zweifelhaft. Unterlässt es eine öffentliche Stelle, wissenschaftliches Fehlverhalten aufzuklären, greift sie in Rechte Betroffener ein.
Beispiel der Marburger Satzung:
http://www.uni-marburg.de/administration/recht/satzung/fehlverhalten.pdf
"Auf Vorschlag der Leitung der Hochschule bestellt der Senat einen erfahrenen Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin der Philipps-Universität Marburg als Ansprechpartner für Angehörige der Hochschule, die Vorwürfe wissenschaftlichen Fehlverhaltens vorzubringen haben (Ombudsman)."
Empfehlung 7 (Aufbewahrung von Primärdaten) ist völlig unzureichend, da eine Aufbewahrungsfrist ohne Angabe von Nutzungsmöglichkeiten sinnlos ist. Angesichts der lebhaften Diskussion über Open Access zu Forschungsdaten ist es inakzeptabel, dass keine Anbietungspflicht an archivierende Institutionen vorgesehen ist. Diese Anbietungspflicht ist NICHT identisch mit der archivrechtlichen Anbietungspflicht auf gesetzlicher Grundlage. Forschungdaten sollen sinnvollerweise von dafür kompetenten Einrichtungen langzeitarchiviert werden. Siehe dazu auch meinen Aufsatz
http://www.archiv.rwth-aachen.de/web/ouploads/festschrift40jahrehochschularchiv.pdf (S. 71ff.)
Zur Debatte hier in den Kommentaren:
http://archiv.twoday.net/stories/444866075/
ist anzumerken, dass in den Erläuterungen zu Empfehlung 8 der Vorrang gesetzlicher Regelungen (Disziplinarverfahren, Arbeitsrecht, Entzug akademischer Grade) unterstrichen wird.
Es fehlt die Verpflichtung, bei jeder Feststellung von wissenschaftlichem Fehlverhalten, die sich in der Öffentlichkeit auswirkt (z.B. bei Publikationen), die Öffentlichkeit zu informieren. Wer öffentlich gravierend gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis verstößt z.B. durch ein Dissertations-Plagiat hat kein schutzwürdiges Interesse anonym zu bleiben. Weigert sich eine Zeitschrift, einen Artikel zurückzuziehen, kann eine Information der Öffentlichkeit ein Korrektiv darstellen.
Aus den Erläuterungen zu Empfehlung 12 (unverändert): "Viele gute und angesehene Zeitschriften verlangen in ihren Autorenrichtlinien eine schriftliche Versicherung, dass der Inhalt eines Manuskripts nicht schon ganz oder teilweise anderweitig publiziert oder zur Publikation eingereicht wurde. Sie akzeptieren Manuskripte insbe-
sondere dann nicht, wenn ihr Inhalt zuvor (ehe er von Gutachtern und von der Fachöffentlichkeit geprüft werden konnte) dem
allgemeinen Publikum bekanntgegeben wurde; Ausnahmen werden bei der ausführlichen Publikation zuvor nur in Kongressbeiträgen
(„abstracts“) referierter Ergebnisse zugelassen."
Was hier beschrieben wird, sind alles andere als Regeln guter wissenschaftlicher Praxis. Es ist die bei Open-Access-Befürwortern zu Recht berüchtigte Ingelfinger-Rule, die einer lebendigen Preprint-Kultur im Wege steht:
http://en.wikipedia.org/wiki/Ingelfinger_rule
Beispielsweise schrieb Peter Suber 2009:
"It's time to retire the dinosaur Ingelfinger rule"
http://legacy.earlham.edu/~peters/fos/2009/01/speak-up-on-dropping-ingelfinger-rule.html
In den Erläuterungen zu Empfehlung 12 (Auszug: "Gutachter eingereichter Manuskripte sollen auf Vertraulichkeit und auf Offenlegung von Befangenheit verpflichtet werden") vermisst man jeden Hinweis auf die Möglichkeit von Open Peer Review.
Problematisch ist schon, dass keine konsolidierte Fassung der ganzen Empfehlungen geboten wird, sondern nur die Änderungen dokumentiert werden und zwar - das ist entscheidend - in gekürzter Form. Es werden also teilweise nur "Auszüge" mitgeteilt, und es fehlen die Literaturnachweise komplett.
Zur Whistleblower-Empfehlung 17 wurde schon genügend gesagt, siehe nur
http://archiv.twoday.net/stories/444866075/
Empfehlung 5 gilt der Stärkung des Ombudswesens: "Hochschulen und Forschungseinrichtungen sollen unabhängige Vertrauenspersonen/Ansprechpartner (Ombudspersonen)
vorsehen, an die sich ihre Mitglieder in Fragen guter wissenschaftlicher Praxis und in Fragen vermuteten wissenschaftlichen Fehlverhaltens wenden können."
Das ist ersichtlich völlig ungenügend. Es muss heißen: "Jeder darf sich darüber hinaus an die Ombudspersonen wenden, wenn er von wissenschaftlichem Fehlverhalten betroffen ist, das einem Mitglied der Einrichtung zur Last gelegt wird. Zugleich prüfen die Ombudspersonen alle Hinweise über vermutetes wissenschaftliches Fehlverhalten, die an sie herangetragen werden."
Als universitätsinternes Schlichtungsverfahren verletzt das Ombudsverfahren ersichtlich die Rechte Betroffener (z.B. Co-Autoren außerhalb der Universität), die nicht der Universität angehören. Faktisch akzeptieren wohl alle Ombudspersonen Beschwerden externer Betroffener, und man kann durch den Gleichbehandlungsgrundsatz des öffentlichen Rechts als Betroffener Rechte ableiten, die in Satzungen Hochschulmitgliedern gewährt wird. Aber die Hochschulsatzungen sollten unbedingt geändert werden, da sie einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit externer Betroffener darstellen. Dass Verfahren an öffentlichen Institutionen, die der Geltung des öffentlichen Rechts unterstehen, zu Fragen guter wissenschaftlicher Praxis dem Schutz des Art. 5 GG unterstehen, erscheint mir nicht zweifelhaft. Unterlässt es eine öffentliche Stelle, wissenschaftliches Fehlverhalten aufzuklären, greift sie in Rechte Betroffener ein.
Beispiel der Marburger Satzung:
http://www.uni-marburg.de/administration/recht/satzung/fehlverhalten.pdf
"Auf Vorschlag der Leitung der Hochschule bestellt der Senat einen erfahrenen Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin der Philipps-Universität Marburg als Ansprechpartner für Angehörige der Hochschule, die Vorwürfe wissenschaftlichen Fehlverhaltens vorzubringen haben (Ombudsman)."
Empfehlung 7 (Aufbewahrung von Primärdaten) ist völlig unzureichend, da eine Aufbewahrungsfrist ohne Angabe von Nutzungsmöglichkeiten sinnlos ist. Angesichts der lebhaften Diskussion über Open Access zu Forschungsdaten ist es inakzeptabel, dass keine Anbietungspflicht an archivierende Institutionen vorgesehen ist. Diese Anbietungspflicht ist NICHT identisch mit der archivrechtlichen Anbietungspflicht auf gesetzlicher Grundlage. Forschungdaten sollen sinnvollerweise von dafür kompetenten Einrichtungen langzeitarchiviert werden. Siehe dazu auch meinen Aufsatz
http://www.archiv.rwth-aachen.de/web/ouploads/festschrift40jahrehochschularchiv.pdf (S. 71ff.)
Zur Debatte hier in den Kommentaren:
http://archiv.twoday.net/stories/444866075/
ist anzumerken, dass in den Erläuterungen zu Empfehlung 8 der Vorrang gesetzlicher Regelungen (Disziplinarverfahren, Arbeitsrecht, Entzug akademischer Grade) unterstrichen wird.
Es fehlt die Verpflichtung, bei jeder Feststellung von wissenschaftlichem Fehlverhalten, die sich in der Öffentlichkeit auswirkt (z.B. bei Publikationen), die Öffentlichkeit zu informieren. Wer öffentlich gravierend gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis verstößt z.B. durch ein Dissertations-Plagiat hat kein schutzwürdiges Interesse anonym zu bleiben. Weigert sich eine Zeitschrift, einen Artikel zurückzuziehen, kann eine Information der Öffentlichkeit ein Korrektiv darstellen.
Aus den Erläuterungen zu Empfehlung 12 (unverändert): "Viele gute und angesehene Zeitschriften verlangen in ihren Autorenrichtlinien eine schriftliche Versicherung, dass der Inhalt eines Manuskripts nicht schon ganz oder teilweise anderweitig publiziert oder zur Publikation eingereicht wurde. Sie akzeptieren Manuskripte insbe-
sondere dann nicht, wenn ihr Inhalt zuvor (ehe er von Gutachtern und von der Fachöffentlichkeit geprüft werden konnte) dem
allgemeinen Publikum bekanntgegeben wurde; Ausnahmen werden bei der ausführlichen Publikation zuvor nur in Kongressbeiträgen
(„abstracts“) referierter Ergebnisse zugelassen."
Was hier beschrieben wird, sind alles andere als Regeln guter wissenschaftlicher Praxis. Es ist die bei Open-Access-Befürwortern zu Recht berüchtigte Ingelfinger-Rule, die einer lebendigen Preprint-Kultur im Wege steht:
http://en.wikipedia.org/wiki/Ingelfinger_rule
Beispielsweise schrieb Peter Suber 2009:
"It's time to retire the dinosaur Ingelfinger rule"
http://legacy.earlham.edu/~peters/fos/2009/01/speak-up-on-dropping-ingelfinger-rule.html
In den Erläuterungen zu Empfehlung 12 (Auszug: "Gutachter eingereichter Manuskripte sollen auf Vertraulichkeit und auf Offenlegung von Befangenheit verpflichtet werden") vermisst man jeden Hinweis auf die Möglichkeit von Open Peer Review.
KlausGraf - am Dienstag, 9. Juli 2013, 15:48 - Rubrik: Wissenschaftsbetrieb