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"Robert Schmidt" wirft Lammert vor, eine Arbeit zitiert zu haben, die gar nicht existiert:

http://lammertplag.wordpress.com/2013/07/20/seite-37/

Mathias Schmitz, Die Funktion der Parteien im parlamentarischen Regierungssystem, in: W. Gagel (Hrsg), Zur Rolle und Funktion der Parteien, Stuttgart 1967, S. 3-36

"Es existiert kein von einer Person namens Gagel herausgegebenes Buch, das den Titel Zur Rolle und Funktion der Parteien o.ä. trägt. Auch im Literaturverzeichnis findet sich dieses Phantomwerk"

Lammert hat das offenbar von Jäger 1973 abgeschrieben, der schon 1971 das Werk zitierte:

http://books.google.de/books?id=LSN6ZfxvQhUC&pg=PA15

Dem Kontext zufolge wäre es befremdlich, wenn eine "gute Übersicht über den Stand der Parteienforschung" erfunden wäre.

Offenbar gemeint ist: Schmitz, Mathias 1967: Funktionen der Parteien im parlamentarischen Regierungssystem, in: Politische Bildung, 1 (1967), H. 1: Politische Parteien im parlamentarischen Regie­rungssystem, S. 3-36
Zitiert auf
http://www.fischerverlage.de/?template=autor_hinweise&id=800526

Das Heft der Politischen Bildung hat offenbar keinen Herausgeber, es heißt "mit Beitr. von Mathias Schmitz ; Manfred Hättich ; Walter Gagel" im HBZ-Katalog. Jäger hat vielleicht in seinen Aufzeichnungen den nicht ganz korrekt zitierten Titel von Schmitz und den Aufsatz von Gagel gemeinsam aus dem Heft exzerpiert und bei der Auswertung aus Gagel den Herausgeber gemacht. Wenn Gagels Aufsatz NICHT "Zur Rolle und Funktion der Parteien" hieß, dann könnte eine Kommentarbemerkung in die Funktion des Titels gerutscht sein.

Halten wir fest: Jäger hat einen real existierenden Titel so entstellt, dass Plagiatjäger Schmitz ihn nicht finden konnte. Lammert hat aus zweiter Hand zitiert, wobei es dann eigentlich wurscht ist, ob ein erfundener oder ein real existierender Titel verwendet wurde. Gute Wissenschaft ist das nicht.

Lammert ist ein respektierter Politiker, der seinen Job gut macht. Man wird abwarten müssen, was die öffentliche Prüfung seiner Arbeit UND die Bochumer Untersuchung ergeben werden.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sagte, es müsse zunächst in Ruhe abgewartet werden, wie die Universität Bochum die Vorwürfe bewerte. Allerdings sei ihm neu, „dass man die gesamte Literatur, die man in einer Arbeit verwendet, auch gelesen haben muss“.
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/bundestagspraesident-opposition-verteidigt-lammert-gegen-plagiatsvorwurf-12312240.html

Das ist eine unglaubliche Fehlleistung eines Abgeordneten, der im übrigen sein Studium ohne Abschluss beendet hat. Selbstverständlich gehört zu selbstständigem Arbeiten auch, dass man ausnahmslos alle Literatur entweder in Autopsie zur Kenntnis nimmt oder, wenn sie nicht zu beschaffen ist bzw. zu unwichtig ist, als dass eine Beschaffung zumutbar wäre, mit "zitiert nach" kenntlich macht.
Joachim Bever (Gast) meinte am 2013/07/30 20:38:
Selbstverständlich war Walter Gagel Mitbegründer der Zeitschrift "Politische Bildung" (vgl. http://www.wochenschau-verlag.de/40-jahre-politische-bildung.html), er ist im Impressum der Zeitschrift auch solcher ausgewiesen; als Mitbegründer ist man wohl automatisch auch Mitherausgeber der Zeitschrift; als Gagel noch nicht emeritiert war, was zum Zeitpunkt der Dissertation Lammerts unschwer erkennbar der Fall war, kann er nach den üblichen Zitierregeln wohl auch als Herausgeber benannt werden. Insofern ist die Literaturangabe maximal oberflächlich, aber nicht falsch. Das kann bereits durch einfaches Googeln zu "Gagel" recherchiert werden. Die Geschichte des angeblich nicht existierenden Werks gerät hier zur formalen Erbsenzählerei und verrät, dass in bestimmtem politischen Interesse Zitierfehler und -schlampigkeiten zur hochnotpeinlichen Plagiatsaffäre hochgepuscht werden. Ob angebliche Bauernopfer im Interesse der Auffüllung von Literaturverzeichnissen wirklich schon Plagiate sind, ist indes zweifelhaft. Meiner Erinnerung nach wurde dieses Verfahren im Wissenschaftsbetrieb der 70er Jahre in Seminaren und Abschlussarbeitennicht selten augenzwinkernd auch von Dozenten als nicht unüblich angesehen oder doch zumindest nicht ernsthaft moniert, wenn es um das Referat des jeweiligen Forschungsstands oder die zusammenfassende Darstellung von Theorieansätzen ging. Nicht immer waren alle Primärquellen in Seminar- oder Universitätsbibliotheken greifbar, so dass man sich notfalls mit Sekundärzitaten begnügte, manchmal auch begnügen musste. Dass man hin und wieder das "zit. nach..." vergaß, mag auch dem Zeitdruck geschuldet sein.
Bedenklich immerhin ist der selbstgerechte Jakobinismus und die formale Pedanterie, mit denen prominente Politiker ex post vor die Gutachertribunale gezerrt werden, um dann genüsslich unter dem Beifall der Öffentlichkeit guillotiniert zu werden. Das Urteil scheint, selbst wenn es sich eher um kleinere Vergehen handelt, von vornherein festzustehen.... 
Informant (Gast) antwortete am 2013/07/30 23:04:
Ich habe eine andere Quellenangabe gefunden
Mathias Schmitz; Manfred Hättich; Walter Gagel: Politische Parteien im parlamentarischen Regierungssystem. Stuttgart, E. Klett, 1967. Politische Bildung (Stuttgart), Jahrg. 1967/1, Heft 1. Mit Beiträgen von Mathias Schmitz, Manfred Hättich, Walter Gagel.

Darin findet sich der richtig zitierte Aufsatz von Mathias Schmitz. 
Informant (Gast) antwortete am 2013/07/30 23:12:
Im übrigen hat Jäger den Fehler gemacht
Jäger (oder ein evtl. von ihm genutzter Autor) muss den Fehler gemacht haben, den Hinweis in einer Fußnote: "Zur Rolle und Funktion der Parteien: W. Gagel" für einen Buchtitel gehalten zu haben. Anders ist das falsche Zitat bei Jäger nicht zu erklären, das Lammert übernommen hat. 
KlausGraf meinte am 2013/07/30 21:29:
Zu verurteilendes Zitieren aus zweiter Hand, aber keine Plagiate
Ich hab mir mal die Stellen angesehen, das ist zwar nicht erfreulich und sicher Anlass, den Autor zu rügen, hat aber bis jetzt nicht den Unrechtsgehalt der Plagiatfälle. Wenn nicht noch mehr ans Licht kommt: Freispruch wegen geringer Schuld. 
KlausGraf meinte am 2013/07/30 21:56:
Anders Weber
http://plagiatsgutachten.de/blog.php/von-guttenberg-zuruck-zu-lammert-das-wissenschaftsplagiat-hat-also-eine-lange-tradition/ 
FeliNo antwortete am 2013/07/30 23:44:
Hat jemals jemand hier Dissertationen aus den 1970er/80er jahren gelesen? Die bestanden aus 1.1.1.-unendlich Ein-Satzunterteilungen im max. oberen Viertel der Seite mit ellenlangen Fußnoten (in denen gelegentlich die entscheidenden, vor allem aber oft die interessanten Informationen zu finden waren) und hinten Anhängen mit Literaturangaben zigseitigen Umfangs in der Größenordnung einer veritablen mittleren Bibliothek. Schon seinerzeit konnte niemand davon ausgehen, dass ein einzelner Mensch all das in 2 oder 3 Jahren gelesen haben sollte; ist auch niemand. Nur wäre niemand mehr mit den paar Echtseiten Literaturliste an Gelesenem promoviert worden. 
Stefan Heßbrüggen (Gast) meinte am 2013/07/31 00:21:
Zwei Anmerkungen
1. Ohne abschließenden Prüfungen vorgreifen zu wollen, sei aber doch darauf hingewiesen, dass Lammert als Honorarprofessor noch unlängst Lehrveranstaltungen in Bochum abgehalten und Hausarbeiten als Prüfungsleistungen abgenommen hat. http://www.uv.rub.de/pvz-planung/i3v/00022200/24407322.htm Darauf sollte er in Zukunft wohl verzichten.

2. Wer sehen will, wie sich die neuen DFG-/HRK-Empfehlungen propagandistisch ausschlachten lassen, sei auf den letzten Absatz dieses Artikels verwiesen: http://www.berliner-zeitung.de/politik/plagiatsverdacht-unterstuetzung-fuer-lammert,10808018,23868974.html 
KlausGraf antwortete am 2013/07/31 01:17:
Nu lassen mir mal bitte die Kirche im Dorf
Nur weil er 1975 geschludert hat, muss Lammert nicht ungeeignet sein, anno 2013 Studierende zu unterrichten.

So furchtbar propagandistisch finde ich die Erwähnung der Richtlinien nicht (die ich nach wie vor für falsch halte). 
M. Kellner (Gast) meinte am 2013/07/31 12:10:
Kritik an der Kritik?
So wichtig eine akademische Selbstkontrolle ist (die sicher auch vor 40 Jahre alten Dissertationen nicht zurückscheuen sollte), wird sie mit der wenigstens gefühlten politischen Instrumentalisierung zur Farce. Der 22. September ist nicht fern.

In mehr als einem Fall wurde die Publikation der Enthüllungen taktisch (partei-politisch?) terminiert, was weder der öffentlichen noch der internen (universitären) Untersuchung gut tut.

Wem also nützt es, wenn etwas akademisch eigentlich Selbstverständliches dazu (ge-/miss-)braucht wird, um wieder "eine Sau durchs Dorf zu treiben"...?

Und, ist auch Kritik an anonymen Veröffentlichungen möglich? Wieso braucht es "Robert Schmidt"? 
 

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