http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Titelseite;art692,2447221
Die Bundesländer, eifersüchtig auf ihre Kulturhoheit bedacht und deswegen jeder bundeseinheitlichen Vorgehensweise abhold, sind schlecht gerüstet, wenn es um Eigentumsfragen mit bisweilen jahrhundertelanger Vorgeschichte geht. Die adligen Erben, im Bunde mit Auktionshäusern in London oder New York, schlagen mit schwerem juristischen Geschütz ohne Mühe Breschen in die aufgeschreckte ministerielle Abwehr. In aller Regel haben die Landesregierungen sogar ihre Pflicht versäumt, abwanderungsbedrohte Kulturschätze auf die 1955 geschaffene „Liste national wertvollen Kulturguts“ zu setzen und so zumindest in Deutschland zu halten.
Die Probleme spitzen sich zu. Ab Januar 2014 stehen in den „neuen“ Bundesländern Museumsgüter zur Disposition, die vor 1945 in adligem Besitz waren und nach dem Krieg enteignet wurden. So ist’s im Einigungsvertrag von 1990 geregelt. Noch haben die Museen ein Vorkaufsrecht. In manchen Fällen gelangen bereits mustergültige Einigungen, wie in Leipzig bei einem auf viele Millionen geschätzten Altarbild von Roger van der Weyden. Anderenorts drängen Adelshäuser auf Ausgleich durch Immobilien. Darin allerdings liegt enormer Sprengstoff: Soll das, was als „Junkerland in Bauernhand“ bis 1949 sozialisiert worden war, nun durch die Hintertür wieder in fürstliche Obhut zurückkehren?
Noch gibt es nicht einmal einen genauen Überblick über gestellte und zu befürchtende Forderungen. Die nationale Liste gegen Abwanderung ist ein Flickenteppich. Eine abgestimmte Strategie der Länder ist erst recht nicht in Sicht. Über einen gemeinsamen Feuerwehrfonds für dringende Ankäufe wird nicht einmal nachgedacht. Jetzt ist zuallererst Sachverstand gefordert – dann aber politische Weitsicht, um zu einer gemeinverträglichen Lösung zu kommen. Die föderale Kulturhoheit steht auf dem Prüfstand.
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 30.12.2007)
Zur tickenden Zeitbombe des EALG in den ostdeutschen Ländern siehe
http://archiv.twoday.net/stories/537543/
http://archiv.twoday.net/stories/529585/
http://archiv.twoday.net/stories/3082417/
Rogier van der Weyden in Leipzig, siehe
http://www.mdr.de/kultur/ausstellung/541795.html
Die Bundesländer, eifersüchtig auf ihre Kulturhoheit bedacht und deswegen jeder bundeseinheitlichen Vorgehensweise abhold, sind schlecht gerüstet, wenn es um Eigentumsfragen mit bisweilen jahrhundertelanger Vorgeschichte geht. Die adligen Erben, im Bunde mit Auktionshäusern in London oder New York, schlagen mit schwerem juristischen Geschütz ohne Mühe Breschen in die aufgeschreckte ministerielle Abwehr. In aller Regel haben die Landesregierungen sogar ihre Pflicht versäumt, abwanderungsbedrohte Kulturschätze auf die 1955 geschaffene „Liste national wertvollen Kulturguts“ zu setzen und so zumindest in Deutschland zu halten.
Die Probleme spitzen sich zu. Ab Januar 2014 stehen in den „neuen“ Bundesländern Museumsgüter zur Disposition, die vor 1945 in adligem Besitz waren und nach dem Krieg enteignet wurden. So ist’s im Einigungsvertrag von 1990 geregelt. Noch haben die Museen ein Vorkaufsrecht. In manchen Fällen gelangen bereits mustergültige Einigungen, wie in Leipzig bei einem auf viele Millionen geschätzten Altarbild von Roger van der Weyden. Anderenorts drängen Adelshäuser auf Ausgleich durch Immobilien. Darin allerdings liegt enormer Sprengstoff: Soll das, was als „Junkerland in Bauernhand“ bis 1949 sozialisiert worden war, nun durch die Hintertür wieder in fürstliche Obhut zurückkehren?
Noch gibt es nicht einmal einen genauen Überblick über gestellte und zu befürchtende Forderungen. Die nationale Liste gegen Abwanderung ist ein Flickenteppich. Eine abgestimmte Strategie der Länder ist erst recht nicht in Sicht. Über einen gemeinsamen Feuerwehrfonds für dringende Ankäufe wird nicht einmal nachgedacht. Jetzt ist zuallererst Sachverstand gefordert – dann aber politische Weitsicht, um zu einer gemeinverträglichen Lösung zu kommen. Die föderale Kulturhoheit steht auf dem Prüfstand.
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 30.12.2007)
Zur tickenden Zeitbombe des EALG in den ostdeutschen Ländern siehe
http://archiv.twoday.net/stories/537543/
http://archiv.twoday.net/stories/529585/
http://archiv.twoday.net/stories/3082417/
Rogier van der Weyden in Leipzig, siehe
http://www.mdr.de/kultur/ausstellung/541795.html
KlausGraf meinte am 2008/01/04 11:19:
Darstellung zum EALG von 2002 in der damaligen Museumsliste
http://h-net.msu.edu/cgi-bin/logbrowse.pl?trx=vx&list=h-museum&month=0202&week=&msg=JO2OhEBmnpo85YCKWQla5g&user=&pw=From: "Klaus Graf"
List Editor: editor@museumslist.net (MusProf [Marra])
Editor's Subject: LIT: Essay Kulturgueter in Museen, Archive und Bibliotheken
Author's Subject: Kulturgueter in Museen, Archive und Bibliotheken
Date Written: Thu, 31 Jan 2002 03:22:55 +0100
Date Posted: Mon, 4 Feb 2002 19:22:41 +0100
---------------------------------------------------------
Nach wie vor hängt über zahlreichen Kulturgütern in den Museen, Archiven
und Bibliotheken der neuen Bundesländer das Damoklesschwert der
Rückgabe an Alteigentümer, die in der Regel nichts besseres zu tun
haben, als diese unersetzlichen Stücke in die Auktionshäuser zu tragen.
Die Verluste für das regionale und nationale Kulturerbe sind immens.
Leider hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom
22.11.2001 [1] zum Entschädigungs- und Ausgleichleistungsgesetz (EALG)
den Kulturgutschutz erheblich geschwächt, indem es über Gebühr auf die
Interessen der Alteigentümer Rücksicht genommen hat.
Auf den ersten Blick scheint das Urteil positiv, denn die Kläger, die
sich unter anderem gegen die Bestimmung des Ausgleichsleistungsgesetzes
über die Kulturgüter gewandt hatten, konnten sich nicht durchsetzen: Das
EALG ist verfassungsgemäß.
Das Ausgleichsleistungsgesetz [2] regelt die Wiedergutmachung von
Vermögensverlusten, die auf entschädigungslose Enteignungen zurückgehen,
die 1945 bis 1949 in der sowjetischen Besatzungszone auf
besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage vorgenommen
wurden.
§ 5 Abs. 2 lautet:
"Zur Ausstellung für die Öffentlichkeit bestimmtes Kulturgut bleibt für
die Dauer von 20 Jahren unentgeltlich den Zwecken der Nutzung seitens
der Öffentlichkeit oder der Forschung gewidmet (unentgeltlicher
öffentlicher Nießbrauch). Der Nießbrauchsberechtigte kann die
Fortsetzung des Nießbrauchs gegen angemessenes Entgelt verlangen.
Gleiches gilt für wesentliche Teile der Ausstattung eines
denkmalgeschützten, der Öffentlichkeit zugänglichen Gebäudes Wenn das
Kulturgut mehr als zwei Jahre nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht
worden ist, endet auf Antrag der Berechtigten der Nießbrauch, es sei denn,
dass die oberste Landesbehörde triftige Gründe für die Nichtzugänglichkeit
und das Fortbestehen der in Satz 1 genannten Zweckbestimmung feststellt."
Das Bundesverfassungsgericht stellte fest (Rdnr. 348f.):
"Ohne Erfolg bleiben schließlich die Rügen, § 5 Abs. 2 Satz 1 und 2
AusglLeistG verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3
GG und gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG,
soweit danach zur Ausstellung für die Öffentlichkeit bestimmtes
bewegliches, nicht in einen Einheitswert einbezogenes Kulturgut nach seiner
Rückübertragung gemäß § 5 Abs. 1 AusglLeistG für die Dauer von 20
Jahren unentgeltlich den Zwecken der Nutzung seitens der Öffentlichkeit
und der Forschung gewidmet bleibt und der Nießbrauchsberechtigte die
Fortsetzung dieses öffentlichen Nießbrauchs gegen angemessenes Entgelt
verlangen kann. [...]
Diese Regelung ist hinreichend bestimmt und deshalb nicht wegen
Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot zu
beanstanden."
"Die Belastung der von § 5 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG erfassten
Kulturgüter mit einem unentgeltlichen öffentlichen Nießbrauch dient dem
Ausgleich der Interessen einerseits der früheren Eigentümer dieser
Güter und andererseits der neuen Länder, in deren Bereich die Kulturgüter in
der Vergangenheit zur Ausstellung für die Öffentlichkeit bestimmt waren.
Die Alteigentümer sollen ihr Eigentum zwar gemäß § 5 Abs. 1 AusglLeistG
zurückerhalten, aber nur auf eine Weise, die sicherstellt, dass die
betroffenen Gegenstände weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich bleiben
und die Museen und öffentlichen Sammlungen, in denen sie sich bisher
überwiegend befanden, nicht auf einen Schlag "leer geräumt" werden
(vgl. Hellmann, a.a.O., § 5 AusglLeistG Rn. 77). Dazu kommt erkennbar das
Ziel, die Nießbrauchsberechtigten für die Dauer von 20 Jahren dadurch
finanziell zu entlasten, dass während dieses Zeitraums ein Entgelt für die
Gebrauchsüberlassung nicht zu entrichten ist. Diese Zielsetzungen sind
angesichts der kulturellen Bedeutung, die die unter § 5 Abs. 2 Satz 1
Ausgl-LeistG fallenden Gegenstände für die neuen Länder und die dort
lebenden Menschen haben, und im Hinblick auf die im Beitrittsgebiet
noch immer bestehenden finanziellen Engpässe in den öffentlichen Haushalten
geeignet, die Belastungen der Eigentümer von zur Ausstellung für die
Öffentlichkeit bestimmten Kulturgütern und die Schlechterbehandlung
gegenüber den Eigentümern anderer restituierter beweglicher Sachen
verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Das gilt trotz der Dauer von 20
Jahren, die § 5 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG für den unentgeltlichen
öffentlichen Nießbrauch vorsieht." (Rdnr. 353).
Zwar seien die Eigentümerbeschränkungen von großer Tragweite:
"Privatnützigkeit und die grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers
als die prägenden Kennzeichen des Eigentums (vgl. BVerfGE 98, 17 <35>;
101,
54 <74 f.>) bleiben ihm auf lange Zeit vorenthalten, weil Kulturgüter,
auf
denen der unentgeltliche
öffentliche Nießbrauch lastet, vom Eigentümer selbst nicht genutzt werden
können, keinen Ertrag abwerfen und auch so gut wie nicht veräußerbar sein
dürften.
Auf der anderen Seite ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Eigentümer
betroffener Kulturgüter in der Zeit vor der Wiedervereinigung weder über
Eigentum an diesen Gütern noch über daraus ableitbare Nutzungs- und
Verwertungsbefugnisse verfügten. Sie werden auch kaum noch damit gerechnet
haben, diese Befugnisse jemals wiederzuerlangen. Überdies war der
Gesetzgeber zu Regelungen über die Rückgabe der Kulturgüter nicht
verpflichtet." (Rdnr. 354f.).
Dann aber heißt es:
"Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass der Nießbrauchsberechtigte
nach Ablauf von 20 Jahren gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AusglLeistG die
Fortsetzung des Nießbrauchs gegen angemessenes Entgelt verlangen kann,
wenn die in § 5 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG genannte Zweckbestimmung
weiter gegeben ist. Mit Rechtsstaatsprinzip und Willkürverbot nicht
vereinbar wäre diese Regelung allerdings dann, wenn sie zwingend dahin
verstanden werden müsste, dass es der Nießbrauchsberechtigte allein in
der Hand hat, durch einseitige Erklärung, also auch gegen den Willen
des Eigentümers, die Fortsetzung des Nießbrauchs herbeizuführen (vgl.
Weskamm, a.a.O., § 5 AusglLeistG Rn. 109). Denn dann wären die für
den Eigentümer mit dem öffentlichen Nießbrauch verbundenen Belastungen
trotz der Entgeltlichkeit der weiteren Nutzung angesichts des Umstands
nicht mehr angemessen, dass § 5 Abs. 2 Satz 2 Ausgl-LeistG keinerlei
zeitliche Beschränkung des Nießbrauchsrechts vorsieht.
Die Vorschrift lässt sich jedoch, ohne dass dem ihr Wortlaut oder der
klar erkennbare Wille des Gesetzgebers entgegenstünde, verfassungskonform
so interpretieren, dass der Nießbrauchsberechtigte die Fortsetzung des
Nießbrauchs gegen angemessenes Entgelt vom Eigentümer nur verlangen
kann, wenn dieser auf vertraglicher Grundlage damit einverstanden ist.
§ 5 Abs. 2 Satz 2 AusglLeistG gibt dem Nießbrauchsberechtigten bei diesem
Verständnis nur einen Anspruch auf Aufnahme von Verhandlungen mit dem
Ziel einer Fortsetzung des Nießbrauchs zu angemessenen Bedingungen.
Bei einer solchen Auslegung hängt es maßgeblich vom Willen des
Eigentümers ab, ob und gegebenenfalls gegen welches Entgelt er nach 20
Jahren weiter bereit ist, im Allgemeininteresse auf den unmittelbaren
Besitz des ihm gehörenden Kulturguts zu verzichten. Privatnützigkeit seines
Eigentums und die grundsätzliche Befugnis, über dieses frei zu
verfügen, kommen damit wieder uneingeschränkt zum Tragen. Der
Nießbrauchsberechtigte wird, falls er an einem Fortbestand seines
Nutzungsrechts interessiert ist, dem Eigentümer dieses Interesse so
rechtzeitig vor Ablauf der 20-jährigen Nutzungsfrist mitteilen müssen,
dass ein Vertrag über die Fortsetzung des Nießbrauchs möglichst nahtlos an
das Fristende anschließen kann. Wird die Frist im Zuge der Verhandlungen
zwischen den Beteiligten im Einzelfall überschritten und kommt es nicht
zu einer Vereinbarung über eine Verlängerung des Nießbrauchs, gilt für die
Zeit der Fristüberschreitung hinsichtlich der Höhe des Nutzungsentgelts
§ 5 Abs. 2 Satz 2 AusglLeistG." (Rdnr. 357f.)
Ein Regierungsdirektor im Bundesjustizministerium hat die Entscheidung
in einer einschlägigen Zeitschrift besprochen [3] und den Finger auf die
Wunde gelegt: Es habe im Zusammenhang mit dem § 5 AusglLeistG eines
erheblichen "Klimmzuges" bedurft (S. 293), da eine verfassungskonforme
Auslegung notwendig geworden sei. Er meint in seiner Bewertung, das
Gericht habe die Grenzen einer solchen Auslegung überschritten (S. 295).
Es hätte die Vorschrift für verfassungswidrig erklären müssen: "Bei der
vom BVerfG vorgenommenen Deutung, der Nießbrauchsberechtigte dürfe mit
dem Eigentümer in Verhandlungen über eine Fortsetzung treten, hätte die
Vorschrift keine Funktion mehr und wäre schlichtweg überflüssig".
Der Gesetzgeber sei mit der 20-Jahresfrist, resümiert der Autor, an die
Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen gegangen, bei der Fortsetzung
des Nießbrauchs sogar darüber hinaus. Nur mit einer einschränkenden
Auslegung könne § 5 II den "verfassungsrechtlichen Maßstäben aus dem
Rechtstaatsprinzip und dem Willkürverbot gerecht werden. Diese Wertung
wird bei der weiteren Anwendung der Vorschrift zu berücksichtigen sein"
(S. 296).
Das Land Thüringen schrieb in einer Pressemitteilung über die sogenannte
gütliche Einigung mit dem Haus Sachsen-Meiningen über das Meininger
Archivgut:
"Nach 2014 kann eine Fortsetzung des Nießbrauchs nur gegen ein
angemessenes Entgelt und nur dann verlangt werden, wenn das Herzogliche
Haus Sachsen-Meiningen hiermit einverstanden ist. Dies hat das
Bundesverfassungsgericht in jüngsten Entscheidung zum
Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz vom 22. November 2000
noch einmal bekräftigt. Mittelfristig wäre also eine Herausgabe sämtlicher
betroffener Bestände - die zwischenzeitlich Erhaltungsaufwendungen
verursacht haben - unabwendbar; wichtige Bestandteile der thüringischen
Kulturgeschichte gingen dann dauerhaft verloren" [4].
Daß dies trotzdem der Fall war, wird noch zu zeigen sein. Hier ist
festzuhalten: Das Bundesverfassungsgesetz hat eine ohnehin höchst
problematische Regelung, zu deren Erlaß der Gesetzgeber überhaupt nicht
verpflichtet gewesen wäre, einer dort vorgesehenen Möglichkeit beraubt,
Zeit für den Erhalt unersetzlicher Kulturgüter zu gewinnen.
Seine Entscheidung ist nicht nur kulturpolitisch, sondern auch
juristisch fragwürdig. Das Bundesverfassungsgericht hat zum Schaden des
Kulturgutschutzes verkannt, daß die Möglichkeit einer unbefristeten
Dauerleihgabe nach Ende der 20-Jahresfrist voll und ganz mit dem
Grundgesetz in Einklang steht. Es handelt sich um eine Inhalts- und
Schrankenbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG), die eine
angemessene Ausgleichsleistung des Staates für die Einschränkung der
Eigentümerbefugnisse vorsieht und den Kernbereich der Eigentumsgarantie
keineswegs aushöhlt. Das BVerfG hat es nicht für nötig gehalten, sich
mit der umfangreichen Judikatur zu Eigentumsbeschränkungen nach den
Denkmalschutzgesetzen der Länder und dem Kulturgutschutzgesetz
auseinanderzusetzen [5]. Die Kulturgüter bleiben veräußerbar, sie dürfen
nur nicht an einen anderen Ort verbracht werden. Sowohl die Eintragung
ins Denkmalbuch als auch die Eintragung in das Verzeichnis national
wertvollen Kulturgutes stellen de facto eine Wertminderung etwa einer
privaten Sammlung dar, ohne daß die Rechtssprechung bisher einen Anlaß
gesehen hat, solche Vorschriften als verfassungswidrig zu verwerfen.
Zubehör eines Baudenkmals ("historische Ausstattung") hat ebenfalls
unbefristet bei diesem zu verbleiben.
Nachdem es sich um Mobilien handelt, die als ausgestellte Stücke in
besonderem Maße allgemeinzugängliches Kulturgut geworden sind, kann die
Überführung in den privaten Verfügungsbereich des Eigentümers, der diese
unbefristet jeglicher öffentlichen oder wissenschaftlichen Nutzung
entziehen kann, nur als unnötiger schmerzhafter Aderlaß für die
ostdeutsche Kultur betrachtet werden. Kulturgut ist immer kulturelles
Allgemeingut, der privatrechtlichen Verfügbarkeit des Einzelnen
entzogen. Dem "Interesse der Allgemeinheit an einem ungehinderten Zugang
zu den Kulturgütern" hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach
Aufmerksamkeit geschenkt [6] - es wäre gut beraten gewesen, sich auch
bei der vorliegenden Entscheidung darauf zu besinnen.
Nun ist es denkbar geworden, daß betroffene Alteigentümer sich
Verhandlungen während der 20-Jahresfrist gänzlich verweigern - sie
können ihr Eigentum danach ja auf jeden Fall zurückfordern. Die
Möglichkeit, einen weiteren Nießbrauch fordern zu können, hätte die
berechtigten Interessen der Allgemeinheit in die Waagschale werfen
können. Das Bundesverfassungsgericht hat den ostdeutschen Museen,
Archiven und Bibliotheken schweren Schaden zugefügt. Die Eigentümerlobby
hat zwar nicht das bekommen, was sie wollte, aber sie steht in Sachen
Kulturgutschutz doch als heimlicher Sieger da, und eine willfährige
Ministerialbürokratie [siehe Anm. 3] macht sich bereit, dem
Vernichtungswerk juristischen Flankenschutz zu geben.
II
Ist "Vernichtungswerk" nicht übertrieben? Die bisherige Anwendung des
EALG hat gezeigt, daß die finanzielle Bedrängnis der betroffenen Länder
in Verbindung mit einer kunsthandelsfreundlichen Adelsmentalität zu
irreparablen Verwüstungen in den Sammlungen geführt hat. Dies soll an
einigen Beispielen demonstriert werden.
Zu empfehlen ist die vollständige Lektüre des von Friedrich Dieckmann in
der FAZ vom 16. Juli 1998 erschienenen Aufsatzes zu den katastrophalen
Wirkungen des EALG (online nachlesbar [7]) insbesondere in Thüringen.
Zurückgefordert wurde beispielsweise ja auch das Weimarer Goethe- und
Schiller-Archiv - die Frage ist derzeit in der Schwebe [8]!
Dieckmann kritisiert das Gesetz von 1994:
"Daß die Folgen jenes Reprivatisierungs-Paragraphen in
dem Bundesgesetz von 1994 in eklatantem Gegensatz zu dem
Kulturschutzartikel des deutschen Staatsvereinigungsgesetzes vom August
1990 geraten würden (dieser verfügt, daß die kulturelle Substanz im
östlichen Deutschland "keinen Schaden nehmen" dürfe), ist vor vier Jahren
offenbar niemandem aufgegangen."
Dieckmann kommt auch auf den ersten bekanntgewordenen Verlust, die
Kunstschätze der Fürsten Reuss betreffend, zu sprechen:
"In Gera war die alte Fürstin Reuß unlängst so großzügig, dem städtischen
Museum, das seit 1946 viele wertvolle Kunstgegenstände aus dem Besitz des
einstmals regierenden Fürstenhauses besaß, dreihundert Dauerleihgaben zu
gewähren. Sie lieh dem Museum, was diesem seit fünfzig Jahren gehörte, und
ließ sich, in Vollzug jenes Bundesgesetzes, zum Ausgleich siebenhundert
Kunstgegenstände aushändigen, deren Versteigerung im Mai mehr als fünf
Millionen Mark erlöste (siehe F.A.Z. vom 30. 5. 1998, S. 41). Eine Meißner
Kanne aus der frühen Böttger-Zeit brachte allein vierhunderttausend Mark und
ein Rokoko-Schreibtisch höchsten Ranges mehr als eine halbe Million.
Auch hier sollte man nicht die alte Fürstin, sondern den neuen
Paragraphen kritisieren; auch haben die zuständigen Instanzen, auf
Schadensbegrenzung statt auf Schadensverhinderung bedacht, diesen
merkwürdigen Deal, der ein einheimisches Museum unersetzlicher Stücke
beraubte, ganz offenbar begünstigt. Sie konnten dann zusehen, wie die
landesgeschichtlich bedeutsame Ahnengalerie dieses alteingesessenen
Fürstengeschlechts meistbietend und mit schönem finanziellen Ertrag in alle
Welt zerstreut wurde. Oder doch nur bis nach Österreich? Wie man hört, ist
ein Teil dieser Bildnisse von dem österreichischen Zweig der hochfürstlichen
Familie ersteigert worden, der sie lieber unmittelbar von der Geraer Fürstin
erworben hätte, aber Auktion ist nun mal Auktion. Wie immer das ging: für
Land und Region sind diese geschichtlichen Zeugnisse dauerhaft verloren".
Dem kann nur beigepflichtet werden. Der Autor plädiert für eine
Novellierung des Gesetzes, um weitere Verluste zu vermeiden.
Eine solche Novellierung sollte eine Thüringer Bundesratsinitiative
bewirken, die aber Anfang 2000 zurückgezogen wurde, was der
SPD-Politiker Hans-Jürgen Döring kritisierte:
"Den jetzt von der Thüringer Landesregierung angekündigten Verzicht auf eine
Bundesratsinitiative zur Änderung des
Entschädigungs-/Ausgleichsleistungsgesetzes (EALG) wertet der
SPD-Kulturpolitiker als eine Schwächung der Verhandlungsposition des Landes,
die den erfolgversprechenden Weg zum Erhalt des Kulturgutes gefährdet.
Döring fordert eine Novellierung dieses Gesetzes. Veränderungen seien
möglich, ohne dass die Eigentumsrechte eingeschränkt werden: So zum Beispiel
durch Verlängerung des Nießbrauchsrechtes und Erweiterung desselben auf
wertvolle Kulturgüter, die nicht, nur selten oder zeitweilig öffentliche
präsentiert werden können - wie Grafiken oder Handschriften" [9].
Nach der Versteigerung aus den Geraer Museen im Mai 1998 kam es 1999 zu
einer weiteren Auktion bei Christie's, die wertvolles ostdeutsches
Kulturgut betraf. Ich habe damals in einem Beitrag zur Mailingliste
demuseum [10] und kürzer in der "Kunstchronik" [11] dargelegt, daß das
versteigerte Inventar (unter anderem Ahnenbilder) aus dem
mecklenburgischen Schloß Ludwigslust ein schützenswertes
Ausstattungs-Ensemble darstellte, das nie hätte preisgegeben werden
dürfen.
1999 wurde aufgrund einer gütlichen Einigung zwischen dem Haus Wettin
und dem Land Sachsen der sogenannte "Moritzburger Schatz" versteigert,
Pretiosen von besonderer Bedeutung für die sächsische Landesgeschichte
[12]. Auch bei der Amsterdamer Adelsauktion bei Sotheby's letztes Jahr
wurde ehemaliges Inventar Dresdener Museen durch die Wettiner auf den
Markt gebracht [13] .
Im September 2001 wurde gemeldet, daß Inventar des Schloßes Kochberg bei
Weimar, zwei Schreibsekretäre Goethes, möglicherweise an das Haus
Schwerin herausgegeben werden müsse [14].
Daß nicht nur die Museen betroffen sind, sondern auch die Bibliotheken,
zeigt die im Herbst 2001 erfolgte Versteigerung von Handschriften (und
Drucken) der ehemaligen Öffentlichen Herzoglichen Bibliothek Meiningen
bei Reiss in Königsstein. Hier sind für die Landesgeschichte Thüringens
bedeutsame Geschichtsquellen unwiderruflich in alle Winde zerstreut
worden [15]. Eine archivzentrierte Sichtweise des Meiniger Staatsarchivs
hat verhindert, daß von allen betroffenen Handschriften Filme
angefertigt wurden (und nicht nur, wie geschehen, von denen, die der
Archivleiter als landesgeschichtlich bedeutsam einschätzte).
Andreas Petter hat die gütliche Einigung zwischen dem Land Thüringen und
dem Fürstenhaus Sachsen-Meiningen zutreffend so kommentiert:
"Aus Sicht des Staatsarchivs Meiningen stellt die Einigung tatsächlich
einen Erfolg dar. Katastrophal ist das Ergebnis dagegen in Bezug auf die
Bestimmungen für jenen Teil der kulturellen "Verhandlungsmasse", der
gemeinhin bibliothekarisch betreutes handschriftliches Sammlungsgut
darstellt"
[16].
Soll man sich freuen, daß das Gros der Meininger Bücher irgendwo in der
ehemaligen Sowjetunion wohl mehr schlecht als recht gelagert wird, weil
eine Rückkehr nach Deutschland sie sofort - sie sind ja keine
"Ausstellungsstücke" gemäß EALG - in die Hände des Alteigentümers
bringen würde, der sie dann wieder bei Reiss versilbern könnte? Kann man
bei den ohnehin unendlich schwierigen Beutekunstverhandlungen mit
Russland wirklich Verständnis auf der Gegenseite voraussetzen, wenn an
die Stelle einer (derzeit wohl nur theoretischen) Nutzungsmöglichkeit in
einer wissenschaftlichen Bibliothek Russlands die Zerstreuung der
Bestände auf dem Auktionsmarkt gesetzt werden soll? Wenn die Meininger
Bücher im fernen Osten geschlossen zusammenbleiben, gepflegt werden und
der Benutzung zugänglich sind, ist dies allemal besser, als wenn sie
unrekonstruierbar in den Händen von Privatsammlern, Händlern und
vielleicht zu einem Bruchteil auch von Bibliotheken landen.
Eine gewachsene Thüringer Bibliothek wird auf diese Weise filetiert und
als beziehungsreiche Gesamtheit zerstört. Dieses undokumentierte
Auseinanderreißen von zusammengehörigen Beständen, die für die
Geschichte der Kulturpflege im Herzogtum Sachsen-Meiningen von größtem
Wert sind, ist nichts anderes als das Zerschneiden einer illuminierten
Handschrift, um die Einzelblätter besser verhökern zu können.
Die bisherigen Beispiele zeigen: Mit der Generosität der Alteigentümer
ist kaum zu rechnen (die Ausnahme von Arnim bestätigt nur die Regel
[17]), und mit der Finanzkraft der neuen Länder noch viel weniger.
Positiv ist es immerhin zu verbuchen, daß die gütliche Einigung mit dem
ehemaligen Gothaer Fürstenhaus offenbar keine Kulturgutverluste mit sich
brachte, da es ein Kompensationsgeschäft mit Landesforsten gab [18].
Der Ausblick in die Zukunft stimmt düster: Von weiteren gravierenden
Kulturgutverlusten ist auszugehen. Wie auch in den alten Bundesländern
[19] wirkt sich die unselige Trennung zwischen dem Denkmalschutz
(Baudenkmale und Archäologie) und dem Kulturgutschutz (bewegliche
Kulturdenkmäler) verheerend aus. Da die Ämter mit den Baudenkmälern und
den Bodenfunden genug zu tun haben, blenden sie den Bereich der Mobilien
weitgehend aus und nützen nicht ansatzweise die Möglichkeiten der
Denkmalschutzgesetze. In Thüringen hat man zwar dem Vernehmen nach durch
eine vertragliche Vereinbarung sichergestellt, daß die berühmte Meiniger
Ring-Handschrift, die unverzeihlicherweise ebenfalls zurückgegeben
wurde, nicht aus dem Land entfernt werden darf, von einer Eintragung in
die Liste des national wertvollen Kulturguts aber abgesehen - ein von
der Ministerin Schipanski zu verantwortender klarer Bruch von
Bundesrecht! Denn ob ein Stück ein nationales wertvolles Kulturgut ist,
bestimmt sich einzig und allein nach objektiven Kriterien.
Da Bund und Länder sich über die Kulturstiftung zerstritten haben, wird
man wenig Hoffnung auf die Kulturstiftung des Bundes setzen dürfen.
Eine fachliche Diskussion der brisanten Thematik in Archiven, Museen und
Bibliotheken ist mir nicht bekannt. Die Verbände schweigen zu den
ostdeutschen Kulturgutverlusten (wie auch zu den westdeutschen) - wie
lange noch?
Klaus Graf
[1] BVerfG, 1 BvR 2307/94 vom 22.11.2000 (zitiert nach Randnummern)
Volltext unter:
http://www.bverfg.de/entscheidungen/frames/rs20001122_1bvr230794
http://www.uni-wuerzburg.de/dfr/bv102254.html
[2] Siehe das EALG-Forum mit Gesetzestext:
http://home.snafu.de/mf/ealgforum/ealgforum.htm
[3] Mathias Hellmann, Die EALG-Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts und die Rückgabe von Kulturgut nach § 5
AusglleistG, in: Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht. Das
Recht in den neuen Bundesländern ["VIZ"] 11 (2001), H. 6, S. 293-296
[4] http://www.thueringen.de/de/tmwfk/aktuelles/presse/00257/uindex.html
[5] Zu diesen vgl. Rudolf Kleeberg/Wolfgang Eberl, Kulturgüter in
Privatbesitz, 2. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnr. 273ff., 313.
[6] BVerfGE 31, S. 229 ff.; vgl. auch BVerfGE 79, S. 29 ff. und zuletzt
BVerfG, 1 BvR 825/98 vom 29.6.2000, online:
http://www.bverfg.de/entscheidungen/frames/rk20000629_1bvr082598 (Rdnr.
23)
[7] http://www.igmedien.de/publikationen/kunst+kultur/1999/02/09.html
[8] Pressestimmen (1998) zur Rückforderung:
http://www.geist.de/fachdienst/09-98.pdf
[9] http://www.spd-thl.de/presse/2000/pr02072.html
[10] http://www.dhm.de/~roehrig/mailarchive/demuseum/arc7/msg00828.html
[11] Klaus Graf, Vom Winde verweht: Schloßausstattungen von Ludwigslust
(Mecklenburg) und Niederstotzingen (Ostwürttemberg), in: Kunstchronik 52
(1999), S. 521-525.
[12] Einen Artikel aus der SZ dazu stellt Konrad Fischer bereit:
http://home.t-online.de/home/konrad-fischer/8ks1.htm
[nunmehr:
http://www.konrad-fischer-info.de/8ks1.htm ]
[13] http://www.welt.de/daten/2001/10/14/1014km288565.htx
[14] http://www.kunstrecht.de/news/2001/01kunst04.htm
[15] Siehe meinen Beitrag:
http://www.uni-bayreuth.de/departments/aedph/2001/0395.html
[16] Beitrag in MEDIAEVISTIK, auch in INETBIB:
http://www.hbz-nrw.de/mlist/inetbib/200112/20011206.html
[17] http://www.aski.org/kb2_99/kb299arnim.htm
[18]
http://www.thueringen.de/de/ontothetop.html#homepage/presse/01235/uindex.htm
l
[19] Siehe dazu meine Ausführungen unter:
http://www.uni-koblenz.de/~graf/dondig.htm und
die laufende Berichterstattung über Kulturgutverluste unter:
http://www.uni-koblenz.de/~graf/#kulturgut
edyta (Gast) antwortete am 2010/06/29 02:22:
Bitte
Dzień dobryJestem polskim i proszę mi pomoc bibliotekarza
Mieszkam w Freystat - Kożuchów na Dolnym Śląsku
Koło jest zwycięzcą Freystat wsi Podbrzezie Dolne Nieder Siegersorf
W Dolnej Wsi , zwycięzca Palais hrabiego Reuth Klack . w Palais
Salomon Maimon życia
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Siegesrdorf na 1945 rok
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Edyta Czaplińską