Neu im Netz ist eine Inkunabel der "Geschichte der Juden zu Sternberg", die von der UB Frankfurt irrig nach wie vor dem Druckort Speyer zugewiesen wird, obwohl der GW Basel hat.
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hebis:30:2-50487
Der GW dokumentiert sieben Flugschriften, die alle nicht vor dem 24. Oktober 1492 angesetzt werden. Vier davon sind bis jetzt online.
http://gesamtkatalogderwiegendrucke.de/docs/STERNBE.htm
Über den Sternberger Hostienschänderprozess verschafft einen guten Überblick der Wikipedia-Artikel:
http://de.wikipedia.org/wiki/Sternberger_Hostienschänderprozess
"Im Ergebnis wurden 27 Juden zum Feuertod verurteilt und am 24. Oktober 1492 vor den Toren der Stadt Sternberg auf dem Scheiterhaufen hingerichtet." Nach dem Pogrom mussten alle Juden Mecklenburg verlassen. Auch in anderen norddeutschen Territorien wurden die Juden vertrieben.
Hier soll es nur um die zeitgenössischen Erinnerungsmedien gehen, mit denen man die Erinnerung an den angeblichen Frevel wach halten wollte.
1494/96 baute man an die Pfarrkirche eine Heiligblut-Kapelle an, in der die Monstranz mit den durchbohrten und anscheinend blutbefleckten Hostien als wunderwirkend betrachtet wurde. Dank der großen medialen Resonanz des Prozesses konnte sich Sternberg bis zur Reformation als beliebter Wallfahrtsort etablieren. Als Andenken wurden auch Pilgerzeichen vertrieben:
http://www.libreka.de/9783937233864/222
Als handgreifliche Beweise wurden in und an der Kapelle Dinge präsentiert, die mit dem vermeintlichen Geschehen in Verbindung gebracht wurden. Heute noch vorhanden ist die mit einer Inschrift versehene Tischplatte, auf der die Hostien durchstochen worden sein sollen:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stele_Judenprogrom_Sternberger_Kirche_2008.jpg
Außen an der Kapelle sieht man die übergroßen Fußabdrücke der Frau des Hostienschänders Eleazar:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2012_Kirche_Sternberg_Detail_Fussabdruecke.JPG
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2012_Kirche_Sternberg_Fussabdruecke.JPG
Auch eine bildliche Darstellung der Judenverbrennung ist noch vorhanden. Franck 1721 S. 42 sagt, dass sich auch ein Bild der Rostocker Hinrichtung des mit den Juden im Bund stehenden Priesters Peter Däne (1493) in der "Guarde-Kammer" befand.
Zu den Erinnerungszeichen:
http://www.libreka.de/9783937233864/222
Volker Honemann 1994, wieder in seinen gesammelten Aufsätzen 2008, im Auszug bei Google Books (Honemann schrieb auch den Artikel im ²VL)
http://books.google.de/books?id=ks7-uubAn4wC&pg=PA195
Lisch 1847
http://mvdok.lbmv.de/resolve/id/mvdok_document_00000868/fulltext#page225
Franck 1721
http://books.google.de/books?id=d4tDAAAAcAAJ
Nicht mehr vorhanden sind die im 17. Jahrhundert abhanden gekommenen Nadeln und der Topf (Grapen), den der Priester Peter Däne im Tausch gegen die Hostien als Pfand auslöste. In den Topf wurden die Pfriemen (Nadeln) gelegt, mit denen die Hostien durchstochen worden waren (Franck S. 13). Die Hostienmonstranz verschwand schon in der Reformationszeit (Lisch S. 224f.).
Das (natürlich erfolterte) Geständnis der Juden konnte bis zum Brand 1659 auf einer großen Holztafel im Sternberger Ratshaus, wo sich auch die mecklenburgischen Landstände versammelten, nachgelesen werden (Wortlaut bei Franck S. 53-56). Der Text schließt mit der Rostocker Hinrichtung 1493.
Das Haus des Eleazar wurde abgebrochen und blieb als ein "verbanneter Ort" (Franck S. 8) lange Zeit unbebaut. Das Grundstück hatte als landesherrliches Eigentum einen Sonderstatus und blieb bis etwa 1622 wüst liegen. Solche "Hauswüstungen" habe ich in meiner im Jahr 2000 erschienenen Studie zur Erinnerungskultur der Strafjustiz untersucht (ohne das Sternberger Beispiel):
http://projekte.geschichte.uni-freiburg.de/mertens/graf/strafj.htm#t154
Eine vergleichende Studie zur Traditionsbildung rund um die angeblichen jüdischen Hostienschändungen oder Ritualmorde unter Berücksichtung der Erinnerungsmedien ist mir nicht bekannt.
#forschung
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hebis:30:2-50487
Der GW dokumentiert sieben Flugschriften, die alle nicht vor dem 24. Oktober 1492 angesetzt werden. Vier davon sind bis jetzt online.
http://gesamtkatalogderwiegendrucke.de/docs/STERNBE.htm
Über den Sternberger Hostienschänderprozess verschafft einen guten Überblick der Wikipedia-Artikel:
http://de.wikipedia.org/wiki/Sternberger_Hostienschänderprozess
"Im Ergebnis wurden 27 Juden zum Feuertod verurteilt und am 24. Oktober 1492 vor den Toren der Stadt Sternberg auf dem Scheiterhaufen hingerichtet." Nach dem Pogrom mussten alle Juden Mecklenburg verlassen. Auch in anderen norddeutschen Territorien wurden die Juden vertrieben.
Hier soll es nur um die zeitgenössischen Erinnerungsmedien gehen, mit denen man die Erinnerung an den angeblichen Frevel wach halten wollte.
1494/96 baute man an die Pfarrkirche eine Heiligblut-Kapelle an, in der die Monstranz mit den durchbohrten und anscheinend blutbefleckten Hostien als wunderwirkend betrachtet wurde. Dank der großen medialen Resonanz des Prozesses konnte sich Sternberg bis zur Reformation als beliebter Wallfahrtsort etablieren. Als Andenken wurden auch Pilgerzeichen vertrieben:
http://www.libreka.de/9783937233864/222
Als handgreifliche Beweise wurden in und an der Kapelle Dinge präsentiert, die mit dem vermeintlichen Geschehen in Verbindung gebracht wurden. Heute noch vorhanden ist die mit einer Inschrift versehene Tischplatte, auf der die Hostien durchstochen worden sein sollen:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stele_Judenprogrom_Sternberger_Kirche_2008.jpg
Außen an der Kapelle sieht man die übergroßen Fußabdrücke der Frau des Hostienschänders Eleazar:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2012_Kirche_Sternberg_Detail_Fussabdruecke.JPG
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2012_Kirche_Sternberg_Fussabdruecke.JPG
Auch eine bildliche Darstellung der Judenverbrennung ist noch vorhanden. Franck 1721 S. 42 sagt, dass sich auch ein Bild der Rostocker Hinrichtung des mit den Juden im Bund stehenden Priesters Peter Däne (1493) in der "Guarde-Kammer" befand.
Zu den Erinnerungszeichen:
http://www.libreka.de/9783937233864/222
Volker Honemann 1994, wieder in seinen gesammelten Aufsätzen 2008, im Auszug bei Google Books (Honemann schrieb auch den Artikel im ²VL)
http://books.google.de/books?id=ks7-uubAn4wC&pg=PA195
Lisch 1847
http://mvdok.lbmv.de/resolve/id/mvdok_document_00000868/fulltext#page225
Franck 1721
http://books.google.de/books?id=d4tDAAAAcAAJ
Nicht mehr vorhanden sind die im 17. Jahrhundert abhanden gekommenen Nadeln und der Topf (Grapen), den der Priester Peter Däne im Tausch gegen die Hostien als Pfand auslöste. In den Topf wurden die Pfriemen (Nadeln) gelegt, mit denen die Hostien durchstochen worden waren (Franck S. 13). Die Hostienmonstranz verschwand schon in der Reformationszeit (Lisch S. 224f.).
Das (natürlich erfolterte) Geständnis der Juden konnte bis zum Brand 1659 auf einer großen Holztafel im Sternberger Ratshaus, wo sich auch die mecklenburgischen Landstände versammelten, nachgelesen werden (Wortlaut bei Franck S. 53-56). Der Text schließt mit der Rostocker Hinrichtung 1493.
Das Haus des Eleazar wurde abgebrochen und blieb als ein "verbanneter Ort" (Franck S. 8) lange Zeit unbebaut. Das Grundstück hatte als landesherrliches Eigentum einen Sonderstatus und blieb bis etwa 1622 wüst liegen. Solche "Hauswüstungen" habe ich in meiner im Jahr 2000 erschienenen Studie zur Erinnerungskultur der Strafjustiz untersucht (ohne das Sternberger Beispiel):
http://projekte.geschichte.uni-freiburg.de/mertens/graf/strafj.htm#t154
Eine vergleichende Studie zur Traditionsbildung rund um die angeblichen jüdischen Hostienschändungen oder Ritualmorde unter Berücksichtung der Erinnerungsmedien ist mir nicht bekannt.
#forschung
KlausGraf - am Freitag, 30. August 2013, 19:02 - Rubrik: Geschichtswissenschaft