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An zwei Punkten zumindest scheinen das Hausbuch und sein Meister diese
Grenze sogar zu durchbrechen. Auffallend ist die rein profane
Ausrichtung der Blätter, es gibt verschlungene Pärchen hinter den
Büschen, einen Ritter, der kurz vorm Turnier der Dame seines Herzens an
den Busen faßt, Kriegsgerät und Hüttentechnik, Astrologie und
Badeszenen. Einmal sieht man ein Kruzifix fern am Horizont in der
Landschaft stehen, doch wird es überragt vom Galgen, über dem die Krähen
kreisen. Und auf der Doppelseite der Hochwildjagd steht ein Wegkreuz so
verloren in der Landschaft, als sei es längst aller Funktionen enthoben
und ein bloßes Relikt vergangener Zeiten.

Eine ebensolche irritierende Zeitgenossenschaft erreicht das Hausbuch
auf Zeichnungen, die das "Badehaus" und das "Hüttenwerk" darstellen. In
beiden Fällen finden sich früheste Beispiele für jenes von Wolfgang Kemp
geprägte Wort vom Betrachter, der "im Bild ist". Es ist fast verstörend,
mit welcher lässigen Selbstverständlichkeit der junge Höfling mit nichts
anderem beschäftigt scheint, als - stellvertretend für den Betrachter -
die schönen nackten Damen im Bad zu beobachten. Mag aber dieses Motiv
hier noch einen voyeuristischen Unterton haben, den man auch
mythologisch vorgebildet findet, so sind die zwei Herren, die den
Treibofen im Hüttenwerk betrachten, eine motivische Sensation. Die
Eleganz des Strichs, die mühelos an die italienischen Zeitgenossen
heranreicht, wirkt so preziös, als handele es sich bei dem galanten Paar
um Besucher aus einem späteren Jahrhundert. So weit holt der rechte
Höfling mit dem Arm aus, so unübersehbar ist sein "Da, schau
her!"-Gestus, daß er selbst fünfhundert Jahre später noch unsere Blicke
auf den glimmenden Ofen zu lenken vermag.


Florian Illies in der Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.1997, Nr. 239, S. 41 über die damalige Staedel-Ausstellung.
 

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