Rose-Maria Gropp hat nun endlich in der FAZ die Causa Hausbuch aufgegriffen. Auszüge:
In Sachen des Hausbuchs nun brachten die Nachfragen dieser Zeitung bei den zuständigen Behörden zuvörderst Verwirrung zutage. Es scheint nachgerade Schicksal im Land Baden-Württemberg zu sein, dass an einer Misere stets mindestens zwei Ministerien beteiligt sind, zwischen denen obendrein die Kommunikation, gelinde gesagt, schlecht läuft. Denn sonst wüsste man ja im Ministerium für Wissenschaft und Kunst auch nicht erst seit ein paar Tagen, was der Wirtschaftsminister Ernst Pfister, nach Angaben aus seinem eigenen Haus, seit dem 15. Januar weiß, aber zum Beispiel dem Tübinger Regierungspräsidium bis Anfang dieser Woche noch nicht verraten hatte: den aktuellen Eigentümer der Handschrift nämlich. Dessen Namen pfeifen mittlerweile die Spatzen von den Dächern; der Industrielle August von Finck ist von allen beteiligten Seiten als Käufer undementiert (auch von denen, die nichts wissen).
Dabei könnte die Lage einfacher nicht sein, betrachtet man die Tatsachen. Gemäß einem Urteil des Fideikommiss-Senats des Oberlandesgerichts Stuttgart von 1956 nämlich bedarf jegliche Verfügung über das Hausbuch seitens des Hauses Waldburg-Wolfegg der Zustimmung des Landes, um wirksam zu werden. Zuständig ist dafür das Regierungspräsidium Tübingen, das die „Aufsichtspflicht“ über das Hausbuch hat. Wie auch immer diese wahrzunehmen ist: Das Fideikommiss verlangt, dass der Eigentümer jede „Standortveränderung“ mitzuteilen hat und dass „jede Verfügung vom Eigentümer anzuzeigen“ ist. Weiter heißt es, dass ohne Genehmigung „rechtliche Verfügungen unwirksam sind“: Eine Veräußerung ist entschieden ein Verfügungs-Geschäft. Solange also eine entsprechende Genehmigung nicht erteilt ist, ist der Verkauf des Hausbuchs an einen Dritten „schwebend unwirksam“ – vulgo: von Anfang an unwirksam. Noch aber hat das Land den Verkauf nicht genehmigt. Deshalb stehen ihm sämtliche Optionen offen, endlich in Ruhe den Umgang mit dem Hausbuch zu erwägen – und dabei über das Landesinteresse daran nachzudenken.
Einige unangenehme Fragen
Hinzu kommt, dass das Land Baden-Württemberg, ebenfalls aufgrund des OLG-Beschlusses von 1956, ein Vorkaufsrecht auf das Hausbuch hat, wie aus dem Tübinger Regierungspräsidium verlautet. Aufgrund dieses Vorkaufsrechts ist das Land berechtigt, sich den eventuellen Kaufvertrag mit einem Dritten vorlegen zu lassen, um nach Einsichtnahme zu entscheiden, ob es selbst in diesen Vertrag eintreten will oder nicht. Offenbar hat noch niemand in der Landesregierung diese Option erkannt – was sich vorsichtig als befremdlich bezeichnen lässt. Wenn nun gestern aus dem Wissenschaftsministerium bestätigt wurde: Doch, ja, es gebe ein Vorkaufsrecht am Hausbuch; das Land habe es aber nicht ausüben können, weil ihm kein Kaufvertrag vorgelegen habe, dann ist das schon ein Witz, kein guter.
Denn Oettingers hohe Beamte müssen sich schon einige unangenehme Fragen gefallen lassen, zuvörderst: Wieso wurde der Erwerb des Hausbuchs seitens des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst einfach abgelehnt? Schon im Sommer 2006 war das Hausbuch der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart angeboten worden, im Tausch gegen Handschriften aus deren Beständen. Damals soll die Rede von einem Preis in Höhe von fünfundzwanzig Millionen Euro für die dreiundsechzig erhaltenen Blätter des einmaligen Konvoluts gewesen sein. Es gibt gute Gründe, wertvolle Bestände aus Museen und Bibliotheken nicht zu veräußern, um damit andere Ankäufe zu ermöglichen. Aber im Fall dieses lebendigen Zeugnisses mittelalterlichen Lebens hätte von den zuständigen Ministerien zumindest mit Waldburg-Wolfegg verhandelt werden müssen. Stattdessen handelte der oberschwäbische Fürst ein Jahr später. Ob ihm dabei hätte klar sein müssen, dass er gegen die geltenden Spielregeln in Sachen des Hausbuchs verstieß, sei dahingestellt. Immerhin hätte er diese speziellen Auflagen kennen können, weil es beim Verkauf der Waldseemüllerkarte vor knapp sieben Jahren dieselben Kautelen gab.
Das Land braucht Entscheidungsgrundlagen
Warum aber dann der Brief des Fürsten vom August 2007 im Wirtschaftsministerium einfach liegenblieb bis Mitte November, das ist das Geheimnis dieses Hauses. Der Fürst gibt darin den Verkauf des Hausbuchs zur Kenntnis und verbürgt sich – gemäß dem gesetzlichen Schutz national wertvollen Kulturguts vor Abwanderung – für dessen Verbleib in Deutschland, genauer in Bayern. Erst Mitte November 2007 sah das Regierungspräsidium Tübingen diesen Brief – und erfuhr also von der längst erfolgten Veräußerung des seiner Aufsichtspflicht unterstellten Objekts. Kaum wagt man schüchtern die brennende Frage: Sollte – erst 2006 im Wissenschaftsministerium, dann 2007 im Wirtschaftsministerium – niemand eine Ahnung gehabt haben, von welch singulärem Stück da die Rede war?
Ehe also weiter gemauschelt oder gezetert wird: Das Land muss erst einmal die Entscheidungsgrundlagen verlangen; dafür braucht man gemeinhin Fakten. Der Skandal liegt darin, dass das Land die Dinge einfach ungeprüft laufen ließ. Anstatt sich fröhlich in Kompetenzverteilungen zu üben – hier die nationale Liste, da das Fideikommiss –, muss sich die Regierung endlich über die Konditionen des Kaufvertrags kundig machen, um dann zu entscheiden, ob sie das Hausbuch selbst will oder nicht – allem voran über den tatsächlich bezahlten Preis: Der wird zurzeit mit zwanzig Millionen Euro beziffert, aber niemand kennt die Summe bisher verlässlich. Selbst wenn Baden-Württemberg also die Karten noch in der Hand haben mag: Was Kulturgut angeht, scheint Oettingers Regierung dicke Bretter vor die Köpfe genagelt zu haben. Die schier unglaubliche Parallelaktion von Handschriften-Affäre und Hausbuch-Panne zeigt dies in grellem Licht.
Kommentar:
Die Darstellung der Fideikommissverhältnisse ist korrekt. Der Kauf ist nichtig.
Hinsichtlich des Tauschangebots muss man entschieden festhalten, dass der Erwerb eines Kulturguts nie das Opfern eines andern rechtfertigt. Auch französische Handschriften der WLB sind Teile des unveräußerlich sein sollenden Landeskulturguts.
Kritik übt auch die Berliner Zeitung:
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/feuilleton/724651.html
Allerdings wird hier irrig angenommen, der Verkauf lasse sich nicht mehr rückgängig machen.
In Sachen des Hausbuchs nun brachten die Nachfragen dieser Zeitung bei den zuständigen Behörden zuvörderst Verwirrung zutage. Es scheint nachgerade Schicksal im Land Baden-Württemberg zu sein, dass an einer Misere stets mindestens zwei Ministerien beteiligt sind, zwischen denen obendrein die Kommunikation, gelinde gesagt, schlecht läuft. Denn sonst wüsste man ja im Ministerium für Wissenschaft und Kunst auch nicht erst seit ein paar Tagen, was der Wirtschaftsminister Ernst Pfister, nach Angaben aus seinem eigenen Haus, seit dem 15. Januar weiß, aber zum Beispiel dem Tübinger Regierungspräsidium bis Anfang dieser Woche noch nicht verraten hatte: den aktuellen Eigentümer der Handschrift nämlich. Dessen Namen pfeifen mittlerweile die Spatzen von den Dächern; der Industrielle August von Finck ist von allen beteiligten Seiten als Käufer undementiert (auch von denen, die nichts wissen).
Dabei könnte die Lage einfacher nicht sein, betrachtet man die Tatsachen. Gemäß einem Urteil des Fideikommiss-Senats des Oberlandesgerichts Stuttgart von 1956 nämlich bedarf jegliche Verfügung über das Hausbuch seitens des Hauses Waldburg-Wolfegg der Zustimmung des Landes, um wirksam zu werden. Zuständig ist dafür das Regierungspräsidium Tübingen, das die „Aufsichtspflicht“ über das Hausbuch hat. Wie auch immer diese wahrzunehmen ist: Das Fideikommiss verlangt, dass der Eigentümer jede „Standortveränderung“ mitzuteilen hat und dass „jede Verfügung vom Eigentümer anzuzeigen“ ist. Weiter heißt es, dass ohne Genehmigung „rechtliche Verfügungen unwirksam sind“: Eine Veräußerung ist entschieden ein Verfügungs-Geschäft. Solange also eine entsprechende Genehmigung nicht erteilt ist, ist der Verkauf des Hausbuchs an einen Dritten „schwebend unwirksam“ – vulgo: von Anfang an unwirksam. Noch aber hat das Land den Verkauf nicht genehmigt. Deshalb stehen ihm sämtliche Optionen offen, endlich in Ruhe den Umgang mit dem Hausbuch zu erwägen – und dabei über das Landesinteresse daran nachzudenken.
Einige unangenehme Fragen
Hinzu kommt, dass das Land Baden-Württemberg, ebenfalls aufgrund des OLG-Beschlusses von 1956, ein Vorkaufsrecht auf das Hausbuch hat, wie aus dem Tübinger Regierungspräsidium verlautet. Aufgrund dieses Vorkaufsrechts ist das Land berechtigt, sich den eventuellen Kaufvertrag mit einem Dritten vorlegen zu lassen, um nach Einsichtnahme zu entscheiden, ob es selbst in diesen Vertrag eintreten will oder nicht. Offenbar hat noch niemand in der Landesregierung diese Option erkannt – was sich vorsichtig als befremdlich bezeichnen lässt. Wenn nun gestern aus dem Wissenschaftsministerium bestätigt wurde: Doch, ja, es gebe ein Vorkaufsrecht am Hausbuch; das Land habe es aber nicht ausüben können, weil ihm kein Kaufvertrag vorgelegen habe, dann ist das schon ein Witz, kein guter.
Denn Oettingers hohe Beamte müssen sich schon einige unangenehme Fragen gefallen lassen, zuvörderst: Wieso wurde der Erwerb des Hausbuchs seitens des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst einfach abgelehnt? Schon im Sommer 2006 war das Hausbuch der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart angeboten worden, im Tausch gegen Handschriften aus deren Beständen. Damals soll die Rede von einem Preis in Höhe von fünfundzwanzig Millionen Euro für die dreiundsechzig erhaltenen Blätter des einmaligen Konvoluts gewesen sein. Es gibt gute Gründe, wertvolle Bestände aus Museen und Bibliotheken nicht zu veräußern, um damit andere Ankäufe zu ermöglichen. Aber im Fall dieses lebendigen Zeugnisses mittelalterlichen Lebens hätte von den zuständigen Ministerien zumindest mit Waldburg-Wolfegg verhandelt werden müssen. Stattdessen handelte der oberschwäbische Fürst ein Jahr später. Ob ihm dabei hätte klar sein müssen, dass er gegen die geltenden Spielregeln in Sachen des Hausbuchs verstieß, sei dahingestellt. Immerhin hätte er diese speziellen Auflagen kennen können, weil es beim Verkauf der Waldseemüllerkarte vor knapp sieben Jahren dieselben Kautelen gab.
Das Land braucht Entscheidungsgrundlagen
Warum aber dann der Brief des Fürsten vom August 2007 im Wirtschaftsministerium einfach liegenblieb bis Mitte November, das ist das Geheimnis dieses Hauses. Der Fürst gibt darin den Verkauf des Hausbuchs zur Kenntnis und verbürgt sich – gemäß dem gesetzlichen Schutz national wertvollen Kulturguts vor Abwanderung – für dessen Verbleib in Deutschland, genauer in Bayern. Erst Mitte November 2007 sah das Regierungspräsidium Tübingen diesen Brief – und erfuhr also von der längst erfolgten Veräußerung des seiner Aufsichtspflicht unterstellten Objekts. Kaum wagt man schüchtern die brennende Frage: Sollte – erst 2006 im Wissenschaftsministerium, dann 2007 im Wirtschaftsministerium – niemand eine Ahnung gehabt haben, von welch singulärem Stück da die Rede war?
Ehe also weiter gemauschelt oder gezetert wird: Das Land muss erst einmal die Entscheidungsgrundlagen verlangen; dafür braucht man gemeinhin Fakten. Der Skandal liegt darin, dass das Land die Dinge einfach ungeprüft laufen ließ. Anstatt sich fröhlich in Kompetenzverteilungen zu üben – hier die nationale Liste, da das Fideikommiss –, muss sich die Regierung endlich über die Konditionen des Kaufvertrags kundig machen, um dann zu entscheiden, ob sie das Hausbuch selbst will oder nicht – allem voran über den tatsächlich bezahlten Preis: Der wird zurzeit mit zwanzig Millionen Euro beziffert, aber niemand kennt die Summe bisher verlässlich. Selbst wenn Baden-Württemberg also die Karten noch in der Hand haben mag: Was Kulturgut angeht, scheint Oettingers Regierung dicke Bretter vor die Köpfe genagelt zu haben. Die schier unglaubliche Parallelaktion von Handschriften-Affäre und Hausbuch-Panne zeigt dies in grellem Licht.
Kommentar:
Die Darstellung der Fideikommissverhältnisse ist korrekt. Der Kauf ist nichtig.
Hinsichtlich des Tauschangebots muss man entschieden festhalten, dass der Erwerb eines Kulturguts nie das Opfern eines andern rechtfertigt. Auch französische Handschriften der WLB sind Teile des unveräußerlich sein sollenden Landeskulturguts.
Kritik übt auch die Berliner Zeitung:
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/feuilleton/724651.html
Allerdings wird hier irrig angenommen, der Verkauf lasse sich nicht mehr rückgängig machen.
FeliNo meinte am 2008/02/13 00:31:
Nur am Rande ...
Ganz lustige Bagatelle: Wenn man das Bild vom "Bergwerkspanorama" aus dem Hausbuch, das den oben verlinkten FAZ-Artikel illustriert, dortselbst vergrößert, bekommt es - Automatismus des Programms - einen FAZ-Copyright-Vermerk, dabei steht es doch als erkennbar derselbe Scan "public domain" auf der Seite von Wikimedia Commons ...:-)
Ladislaus meinte am 2008/02/13 08:39:
Der Copyrightvermerk ist natürlich Unfug, aber dass das Bild aus dem "FAZ-Archiv" stammt,kann schon sein. Der Scan ist m. E. nicht der gleiche, und das Bild ist ja durchaus einigermaßen bekannt, so dass es im FAZ-Archiv herumgeistern könnte.
FeliNo meinte am 2008/02/13 09:12:
Auch wieder wahr. Mich erstaunt nur immer wieder, wie viele Merkwürdigkeiten unserer "Ansichten" unterdessen nur auf "automatischen" Machinenenreflexen zu beruhen scheinen.