Alarmierend muss vor dem Hintergrund des Hausbuch-Verkaufs der Tenor der Aussagen wirken, die der Hausbuch-Verkäufer Johannes Fürst von Waldburg zu Wolfegg-Waldsee (siehe http://archiv.twoday.net/stories/4691755/ )in einem von Timo John und Sigmund Kopitzki anlässlich der Sigmaringer Ausstellung von 2006 "Adel im Wandel. Oberschwaben von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart" geführten Interview (abgedruckt im Katalogband 2, S. 841-846) traf.
Der Chef des Hauses blickt streng auf dem Foto und macht bereits bei der Antwort auf die erste Frage klar, dass er die Frage adeligen Kulturbesitzes höchst unsentimental sieht.
Der Interviewer spricht die Welfen-Auktion in Hannover an, bei der einem das Herz blute, "was da an Kunstschätzen unter den Hammer kam".
Seine Durchlaucht ist ungerührt: "Warum blutet wem das Herz, das ist hier die Frage."
Vermutlich meint S.D., dass nur bürgerliche Ladenschwengel aus romantischer Nostalgie die nüchterne Umschichtung von Vermögen bedauern.
Der Interviewer gibt zu, dass dem Kunsthistoriker und Museumsmann auf jeden Fall das Herz blute, da die Sammlung als solche verloren sei.
S.D. lässt sich auf solche Gefühlsduselei nicht ein:
"Ich sehe das nicht so mit Herzblut wie Sie, gerade im besonderen Fall der Welfen nicht. Das ist ja eine Immobilie, die kaum oder gar nicht genutzt wurde". Man habe auch bei den Fürstenberg-Sammlungen gesehen, dass diese eine sehr geringe Besucherfrequenz gehabt hätten. Er habe das Problem auf der Waldburg auch.
"Das Interesse der Öffentlichkeit wird manchmal überbewertet. Zum anderen können Sammlungen nicht entstehen, wenn es nichts zu erwerben gibt. Ohne entsprechende Angebote hätten nie neue Sammlungen entstehen können. Natürlich sind neue Sammlungen auch auf Objekte aus alten Sammlungen angewiesen. Insofern sehe ich das nicht so statisch. Man darf der Dynamik in den kunstsammlerischen Kreisen nicht zu viel in den Weg legen".
Kein anderer der interviewten Adeligen (Württemberg, Hohenzollern, Bernadotte) hat sich so nassforsch die Ideologie des Kunsthandels zu eigen gemacht.
Nun fängt wieder das Herz des Interviewers an zu bluten abgesichts des Auseinanderbrechens profilierter Sammlungen, doch pariert S.D. kalt mit Ökonomie. Es gehe eigentlich nicht um "Notverkäufe", sondern um Vermögensverwaltung: "Da gibt es keine Tabus mehr." Wenn er gezwungen sei, einen Hufschmiedebetrieb auf Ewigkeit zu führen, könnte er damit gar nichts mehr machen.
Auch auf den Einwand, ursprünglich solle der Besitz zusammengehalten werden, um die Überlebensfähigkeit des Hauses zu sichern, antwortet S.D. mit dem Vokabular des Wirtschaftsmannes (Portfoliostruktur, Benchmarks). Die Kunstverkäufe seien nicht aus der Not heraus geboren, sondern hätten mit "einer ganz rationalen Betrachtung der Vermögensstruktur" zu tun.
Zur Waldseemüller-Karte sagt S.D., die Library of Congess sei nun der "ideale Besitzer".
Zum Kupferstichkabinett vernimmt man nur Vages:
"Wie abgeschlossen ist die Sache, oder wie statisch muss man denken. Noch kaufe ich Arbeiten dazu, moderne, zeitgenössische Stiche". Immerhin gibt S.D. zu, dass sie als unverändert gebliebene Sammlung des 17. Jahrhunderts ein "spannender Stoff" sei. Das limitiere aber auch etwas die Ergänzung.
"Aber es wäre doch schade, wenn dieses Ordnungsprinzip zerschlagen würde", bohrt der Interviewer nach. S.D. windet sich:
"Es ist sehr schwierig, diesen strukturellen Zusammenhang zu bewahren, ohne dass man es damit stört. Das hat eben diesen zusätzlichen Effekt diese Ordnungsstruktur."
Verstehe das, wer wolle.
Ob er sich vorstellen könne, die Sammlungen zu veräußern?
Nebulös S.D.: Das eine liege ihm näher am Herzen (plötzlich hat er eins!), das andere weniger. Wenn es hart auf hart komme, müsse man überlegen, ob man zunächst das veräußere, was Einnahmen bringe oder das, was Geld koste.
S.D. erhalte ja keine Unterstützung etwa vom Landkreis für seinen Kunstbesitz, meint der Interviewer verständnisvoll, was S.D. Gelegenheit gibt, über die im Dritten Reich aufgestellte nationale Kulturgüterliste herzuziehen. Er habe sechs Objekte auf dieser Liste, die es, wie angeblich ein Landesbeamter gesagt habe, ja deshalb gebe, um dem Land die Möglichkeit zu verschaffen, die entsprechenden Objekte günstig zu erwerben.
Nein, S.D. wäre es nicht lieber gewesen, er hätte 30 Prozent weniger für die Waldseemüller-Karte erhalten, wenn diese nun im Deutschen Historischen Museum in Berlin wäre. Die USA seien mit dem Stück sehr viel emotionaler verbunden.
Aus den Passagen zum Denkmalschutz greife ich noch heraus, dass S.D. im Kuratorium der Stiftung Denkmalschutz sitzt (Sapienti sat!) und man die Denkmalpflege privatisieren solle.
Schließlich wettert S.D. noch gegen die Erbschaftssteuer, ein "Relikt kommunistischen Gedankenguts in Europa" und meint auf die Aussage des Interviewers, mit manchem Erben würde man schon gerne tauschen, reichlich von oben herab: "Aber nur aus der Sicht derer, die nicht viel haben vielleicht".
Dass man sich als Adeliger nicht unbedingt als arroganter Kotzbrocken bloßstellen muss, dem an Kulturgütern wenig liegt, zeigen, wie gesagt, die freundlichen und verbindlichen Worte der anderen Adeligen, die interviewt wurden.
Nach diesen entlarvenden Aussagen bin ich geneigt, keinen roten Heller mehr auf den dauerhaften Zusammenhalt des von Max Willibald zusammengetragenen Wolfegger Ensembles zu verwetten. Dieses muss ins Denkmalbuch - sofort!
Der wegen seiner Härte berüchtigte "Bauernjörg" aus der Wolfegger Pappenheim-Chronik
Der Chef des Hauses blickt streng auf dem Foto und macht bereits bei der Antwort auf die erste Frage klar, dass er die Frage adeligen Kulturbesitzes höchst unsentimental sieht.
Der Interviewer spricht die Welfen-Auktion in Hannover an, bei der einem das Herz blute, "was da an Kunstschätzen unter den Hammer kam".
Seine Durchlaucht ist ungerührt: "Warum blutet wem das Herz, das ist hier die Frage."
Vermutlich meint S.D., dass nur bürgerliche Ladenschwengel aus romantischer Nostalgie die nüchterne Umschichtung von Vermögen bedauern.
Der Interviewer gibt zu, dass dem Kunsthistoriker und Museumsmann auf jeden Fall das Herz blute, da die Sammlung als solche verloren sei.
S.D. lässt sich auf solche Gefühlsduselei nicht ein:
"Ich sehe das nicht so mit Herzblut wie Sie, gerade im besonderen Fall der Welfen nicht. Das ist ja eine Immobilie, die kaum oder gar nicht genutzt wurde". Man habe auch bei den Fürstenberg-Sammlungen gesehen, dass diese eine sehr geringe Besucherfrequenz gehabt hätten. Er habe das Problem auf der Waldburg auch.
"Das Interesse der Öffentlichkeit wird manchmal überbewertet. Zum anderen können Sammlungen nicht entstehen, wenn es nichts zu erwerben gibt. Ohne entsprechende Angebote hätten nie neue Sammlungen entstehen können. Natürlich sind neue Sammlungen auch auf Objekte aus alten Sammlungen angewiesen. Insofern sehe ich das nicht so statisch. Man darf der Dynamik in den kunstsammlerischen Kreisen nicht zu viel in den Weg legen".
Kein anderer der interviewten Adeligen (Württemberg, Hohenzollern, Bernadotte) hat sich so nassforsch die Ideologie des Kunsthandels zu eigen gemacht.
Nun fängt wieder das Herz des Interviewers an zu bluten abgesichts des Auseinanderbrechens profilierter Sammlungen, doch pariert S.D. kalt mit Ökonomie. Es gehe eigentlich nicht um "Notverkäufe", sondern um Vermögensverwaltung: "Da gibt es keine Tabus mehr." Wenn er gezwungen sei, einen Hufschmiedebetrieb auf Ewigkeit zu führen, könnte er damit gar nichts mehr machen.
Auch auf den Einwand, ursprünglich solle der Besitz zusammengehalten werden, um die Überlebensfähigkeit des Hauses zu sichern, antwortet S.D. mit dem Vokabular des Wirtschaftsmannes (Portfoliostruktur, Benchmarks). Die Kunstverkäufe seien nicht aus der Not heraus geboren, sondern hätten mit "einer ganz rationalen Betrachtung der Vermögensstruktur" zu tun.
Zur Waldseemüller-Karte sagt S.D., die Library of Congess sei nun der "ideale Besitzer".
Zum Kupferstichkabinett vernimmt man nur Vages:
"Wie abgeschlossen ist die Sache, oder wie statisch muss man denken. Noch kaufe ich Arbeiten dazu, moderne, zeitgenössische Stiche". Immerhin gibt S.D. zu, dass sie als unverändert gebliebene Sammlung des 17. Jahrhunderts ein "spannender Stoff" sei. Das limitiere aber auch etwas die Ergänzung.
"Aber es wäre doch schade, wenn dieses Ordnungsprinzip zerschlagen würde", bohrt der Interviewer nach. S.D. windet sich:
"Es ist sehr schwierig, diesen strukturellen Zusammenhang zu bewahren, ohne dass man es damit stört. Das hat eben diesen zusätzlichen Effekt diese Ordnungsstruktur."
Verstehe das, wer wolle.
Ob er sich vorstellen könne, die Sammlungen zu veräußern?
Nebulös S.D.: Das eine liege ihm näher am Herzen (plötzlich hat er eins!), das andere weniger. Wenn es hart auf hart komme, müsse man überlegen, ob man zunächst das veräußere, was Einnahmen bringe oder das, was Geld koste.
S.D. erhalte ja keine Unterstützung etwa vom Landkreis für seinen Kunstbesitz, meint der Interviewer verständnisvoll, was S.D. Gelegenheit gibt, über die im Dritten Reich aufgestellte nationale Kulturgüterliste herzuziehen. Er habe sechs Objekte auf dieser Liste, die es, wie angeblich ein Landesbeamter gesagt habe, ja deshalb gebe, um dem Land die Möglichkeit zu verschaffen, die entsprechenden Objekte günstig zu erwerben.
Nein, S.D. wäre es nicht lieber gewesen, er hätte 30 Prozent weniger für die Waldseemüller-Karte erhalten, wenn diese nun im Deutschen Historischen Museum in Berlin wäre. Die USA seien mit dem Stück sehr viel emotionaler verbunden.
Aus den Passagen zum Denkmalschutz greife ich noch heraus, dass S.D. im Kuratorium der Stiftung Denkmalschutz sitzt (Sapienti sat!) und man die Denkmalpflege privatisieren solle.
Schließlich wettert S.D. noch gegen die Erbschaftssteuer, ein "Relikt kommunistischen Gedankenguts in Europa" und meint auf die Aussage des Interviewers, mit manchem Erben würde man schon gerne tauschen, reichlich von oben herab: "Aber nur aus der Sicht derer, die nicht viel haben vielleicht".
Dass man sich als Adeliger nicht unbedingt als arroganter Kotzbrocken bloßstellen muss, dem an Kulturgütern wenig liegt, zeigen, wie gesagt, die freundlichen und verbindlichen Worte der anderen Adeligen, die interviewt wurden.
Nach diesen entlarvenden Aussagen bin ich geneigt, keinen roten Heller mehr auf den dauerhaften Zusammenhalt des von Max Willibald zusammengetragenen Wolfegger Ensembles zu verwetten. Dieses muss ins Denkmalbuch - sofort!
Der wegen seiner Härte berüchtigte "Bauernjörg" aus der Wolfegger Pappenheim-Chronik
FeliNo meinte am 2008/02/28 02:28:
''Dieses muss ins Denkmalbuch - sofort!'' heißt es im Eintrag. - Sofern die Politik es nicht bequemer findet, 20 Millionen Euro zu blechen, wäre dies die, wenn auch nicht ganz so einfache, aber nach Maßgabe sinnvollste Lösung.
ThomGo meinte am 2008/02/28 11:26:
Wem ist was was wert?
Es ist doch recht einfach: Eine Gesellschaft, ein Gemeinwesen sollte sich darüber klar werden, was es für den Erhalt und Verbleib von wichtigen Kulturgütern zu zahlen bereit ist, und das Geld dann auf den Tisch legen (sich meinetwegen auch ein grundsätzliches Vorkaufsrecht einräumen). Es ist aber ziemlich verlogen, alle möglichen schönen Dinge als kostbare Kulturgüter des Landes auszurufen, dann aber nicht bereit zu sein, dafür etwas zu zahlen, sondern qua Gesetz dem jetztigen Eigentümer (wie der zu seinem Eigentum gelangte, ist eine andere Diskussion) einfach vorzuschreiben, daß er es nicht veräußern darf. Hier ist ein klares Entweder-Oder gefragt: Ist ein Kulturgut dem Land was wert, dann soll es dafür zahlen, wie es das für seine Opern, Museen etc. auch tut; ist es ihm das anscheinend nicht wert - wozu dann die Aufregung?
KlausGraf antwortete am 2008/02/28 12:14:
Nix verstanden
Seit Jahrzehnten funktioniert der Denkmalschutz gottseidank anders. Der Gesetzgeber bestimmt Inhalt und Schranken des Eigentums, was der Eigentümer als Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums hinzunehmen hat.Und auch beim Natur- und Umweltschutz müssen Eigentümer löhnen, ohne dass sie erwarten können, dass der Staat ihnen alle Kosten ersetzt, die im öffentlichen Interesse entstehen.
ThomGo antwortete am 2008/02/28 15:05:
Nix verstanden, Teil 2
Beim Umweltschutz müssen Besitzer (bspw. von Fabriken) löhnen, weil sie das verursachen, was die Wirtschaftswissenschaft als "externe Kosten" (nämlich für die Allgemeinheit) bezeichnet. Das ist bei Kulturgütern in Privatbesitz nicht der Fall; im Gegenteil gibt es hier allenfalls "externen Nutzen", der normalerweise durch Zuschüsse unterstützt werden sollte (und z.B. bei Instandsetzungen von Altbauten zum Wohle des Stadtbildes auch wird). Eintragung in Denkmallisten ist letztlich eine Form von Teilenteignung, nur daß hier mit dem Argument "is' doch Kultur" das Ganze als gute Sache ausgerufen wird. Aber für eine "gute Sache" den Einzelnen zahlen zu lassen, was solidarisch die Allgemeinheit zahlen sollte, ist ja in Deutschland gang und gäbe - weil es im öffentlichen Interesse ist, ganz wie von Ihnen wohlwollend gesagt (wie praktisch auch, daß der Enteignende, der Staat, das auch selbst definieren kann...)
Es bleibt dabei: Ehrlich wäre es, der Staat kaufte die Kulturgüter, die er selbst auch als wichtig für die Gemeinschaft einschätzt.
Hier übrigens noch ein interessanter Beitrag eines Wirtschaftswissenschaftlers zu einem ähnlichen Thema, dem Kauf von Patenten (und Urheberrechten?) durch die öffentliche Hand.
http://www.slate.com/id/68674/
FeliNo antwortete am 2008/02/28 15:19:
Dass der Staat nicht zu zahlen bereit ist, stimmt ja auch nicht; allerdings ist fraglich, ob er die völlig irrealen Fantasiepreise zu zahlen hat und damit diesen Marktirrsinn auch noch adeln muss. Das sind Preise, die durch wenige amerikanische Milliardäre in Dada-ähnlichen Veranstaltungen, genannt Auktionen, in die Welt gebracht worden sind in den letzten zehn Jahren und hier von einem keineswegs in der ersten Liga des internationalen Manuskript-und-Rara-Handels spielenden Adelsvetter gegen den Staat in Stellung gebracht werden. Und bevor nicht die zuständigen Behörden einen "Kaufvertrag" über diese Summe, unterschrieben von einem inländischen Sammler, in der Hand gehabt haben als Beweis, dass da tatsächlich ein Deal stattgefunden hat, ist diese Summe einschließlich des Deals einfach ein Gerücht, weiter nix.