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Als ich mich 1991 mit dem als "Speyrer Chronik" bekannten Geschichtswerk befasste, musste ich mich auch mit den Speyerer Kanzleihänden und ihrem Verhältnis zu den Händen im Codex unicus im GLAK auseinandersetzen:

http://www.ag-landeskunde-oberrhein.de/fileadmin/protokolle/P309V.pdf

Eine gründliche Sichtung der archivalisch kaum erschlossenen reichen spätmittelalterlichen Speyerer Überlieferung konnte ich nicht leisten und musste mich auf einige Stichproben beschränken. Der Urheber der Chronik, den man wohl mit der Hand A der einzigen Handschrift identifizieren darf, war aber wohl kein Speyerer Stadtschreiber. Immerhin fand ich die Hand des Stadtschreibers Marcus Mommenson und wohl auch die des Stadtschreibers Eberhard Selbach im Karlsruher Codex.

Dem Internet sei Dank: Inzwischen kann man sehr viel bequemer Materialien zur Kanzleigeschichte der Stadt Speyer im 15. Jahrhundert zusammenstellen als vor über 20 Jahren. Die jetzt erfolgte Digitalisierung der Speyerer Urkunden ist ein riesiger Schritt voran - Joachim Kempers Engagement verdient größtes Lob.

Für Archivalia_EN auf Tumblr wählte ich als Abbildung aus dem Speyerer Digitalisate-Bestand ein Notariatssignet des Johannes Selbach 1442, der auch als Stadtschreiber tätig war.

http://www.mom-ca.uni-koeln.de/mom/DE-StaASpeyer/1Uchron/106/charter?q=selbach

1442 November 26
Der Notar Johannes Selbach beurkundet die Aussagen einiger alter Speyerer Bürger über die Instandhaltung des Wages zum "Lußheimer far".

In monasterium.net gibt es noch zwei weitere Kurzregesten, die ihn erwähnen:

1440 Februar 1
Vollmacht des Rates der Stadt Speyer für die Altermeister Conrad Eyerer und Jost Fryspecher und für den Schreiber Johannes Selbach zu einem von Herman Loißke, Freigraf zu Lichtenfels, in Mainz festgesetzen Tag wegen der Forderungen von Herman Weise von Furbach und von Gunthram Schencke von Sweynsberg.

Das Regest ist nicht ganz präzise. In der Urkunde ist von "unserem" Schreiber die Rede, Selbach war damals also auch Rats- bzw. Stadtschreiber.

1442 Dezember 10
Notar Johannes Selbach von Gießen transsumiert vier Urkunden von 1368 November 2, 1361 April 22, 1361 März 17 und 1379 Dezember 4.

Abgesehen von den Lebensdaten ist die Angabe des Münchner Clm 10473 von großer Bedeutung. Diese legistische Handschrift schrieb Selbach, der sich als Protonotar der Stadt Speyer und clericus conjugatus des Erzbistums Trier bezeichnet, im Oktober 1446 während seines (juristischen) Studiums in Padua.

http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/katalogseiten/HSK0240_b183_jpg.htm

Für die Stadt Mainz legte der Offenschreiber und Notar Johannes Selbach von Gießen 1442 eine Privilegiensammlung an: Chroniken der deutschen Städte 18, 1882, Verfassungsgeschichte S. 137 (damals im Münchner Reichsarchiv).

http://www.archive.org/stream/diechronikenderm02bayeuoft#page/136/mode/2up

Selbach war nicht nur für die Stadt, sondern auch für die in Speyer ansässigen geistlichen Institutionen als Notar und Schreiber tätig. Wie so häufig lässt uns Busch/Glasschröders ergiebige "Chorregel" (I, 1923, S. 189 Anm. 1) nicht im Stich: Als Notar des Speyerer Domkapitels erscheint er vom 24. Mai 1427 bis 1460.

Wenig kompetent gab das Stadtarchiv Speyer der Bearbeiterin eines 1972 erschienenen Stuttgarter Handschriftenkatalogs Auskunft: Selbach, der als Notar in Speyer in der Pergamentmakulatur zu 1432 belegt ist, sei in 4 (!) Urkunden 1439-1447 nachweisbar.

http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/katalogseiten/HSK0071_b007_jpg.htm

Auch in HB X 18 finden sich Reste eines Notariatsinstruments von Selbach (Speyer 1431):

http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/katalogseiten/HSK0071_b079_jpg.htm

1430 war er im Kontext des Trierer Schismas tätig:
http://books.google.de/books?id=G9fWAAAAMAAJ&q=%22johannes+selbach%22+gie%C3%9Fen

1432 Dezember 7 ist Johannes Selbach von Gießen als Notar in Bretten tätig (Neipperger Archiv):
http://books.google.de/books?id=SzlmAAAAMAAJ&q=%22johannes+selbach%22+gie%C3%9Fen
[Dagmar Kraus: Archiv der Grafen von Neipperg. Urkundenregesten 1280-1881. Stuttgart 1997, S. 27f. Nr. 27 zusammen mit dem kaiserlichen Schreiber = Notar Jacob Hartberg von Alzey, den Schuler, Notare 1987 Nr. 495a als öffentlichen Notar in Speyer zu 1429 hat - Findbuch WR ohne ihn zu nennen: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-32708 - und seine Notarsdatenbank - siehe unten - zu 1436.]

1438 Januar 23 urkundet Selbach in Speyer für das Kloster Maulbronn. Die Urkunde mit seinem Signet liegt digitalisiert einsehbar beim LA BW vor:

http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-1291351

Beim Bischofseinritt 1439 las Selbach als Stadtschreiber zwei Urkunden vor (Remling, Bischöfe II, S. 66):

http://books.google.de/books?id=sUNBAAAAcAAJr&pg=PA66

Beim Bischofseinritt 1461 sollte der Stadtschreiber Mommenson die Urkunden verlesen, Selbach war 1461 Notar auf der Seite des Domkapitels:

http://books.google.de/books?id=Pes-AAAAcAAJ&pg=PA522

1446: Stadtschreiber Johannes Selbach als Bevollmächtigter der Stadt
http://books.google.de/books?id=iLFBAAAAcAAJ&pg=PA443

Der Speyerer Bürger Johann Selbach der 1447 in den Regesta Imperii belegt ist, ist wohl ebenfalls der Notar:

http://regesten.regesta-imperii.de/index.php?uri=1447-07-08_1_0_13_17_0_69_69

Im Repertorium Germanicum notariorum publicorum (RGN)
von Peter Johannes Schuler
http://www.hgw-online.net/menschzeichen/dbnotare/
findet sich zu Selbach der Eintrag:

Ref.-Nr. SE1085556997
Name Selbach, Johannes von
Herkunft Gießen
PS 1) öff. Not. 4) 1454-1455 Gerichtsnot. des Propstes des St. Germanstiftes in Speyer
NI 1455 .... (Arch. Municip. Wissembourg/Els U 7 – RI Ludwig d. B. H. 4 Nr. 19); 1455 Jan. 2, Speyer (2 NIe; GLA 38/3406; Rückert Gottesaue Nr. 77, 78); 1480 Aug. 4, Marburg (GLA 46/1228 – Rückert Gottesaue Nr. 105)


Wieso Johannes VON Selbach?

Die letzte Urkunde wird auch für den Notar Eberhard Selbach angeführt. Die Schnipsel der Rückert'schen Regesten unter

http://books.google.de/books?ei=0WqfTtGGBcT24QSxlKTDB

sprechen eher dafür, dass Eberhard 1480 tätig war, Johannes aber 1454. Dass er 1480 noch gelebt hat, wenn er bereits 1427 als Notar tätig war, erscheint kaum denkbar. Er dürfte in den ersten Jahren des 15. Jahrhunderts geboren sein. Letzter Beleg derzeit: 1461.

[Nachtrag: Ein Blick in Peter Rückert: Gottesaue. Die Urkunden der benediktinerabtei 1110-1550, Stuttgart 2000 bestätigt, dass Schuler fehlerhaft gearbeitet hat. S. 133 Nr. 105 vom 5. August 1480 (ausgestellt in Marburg) bezieht sich nur auf den Notar Eberhard Selbach. S. 113f. Nr. 77 bezeugt Johannes Selbach von Gießen, Gerichtsnotar des Propstes von St. German zu Speyer (und Archidiakons), der am 2. Januar 1455 ein Notariatsinstrument fertigte und am 18. Dezember 1454, am 19. Dezember 1454 und am 2. Januar 1455 Zeugenbefragungen durchführte. Ein weiteres Notariatsinstrument vom gleichen Datum ebd. S. 114f. Nr. 78 erwähnt weitere Zeugenbefragungen an den angegebenen Daten.]

Nichts spricht im Augenblick dagegen, im Stadtschreiber und Notar Eberhard Selbach, der 1453 in Heidelberg sich immatrikulierte

http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/matrikel1386/0353

den Sohn Johanns zu sehen.

1479 bezog ein Lucas Selbach de Spira die Universität Heidelberg:

http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/matrikel1386/0440

War es der Sohn von Eberhard? Und ist er womöglich mit dem von Krämer, Scriptores genannten Lukas Selbach identisch, der zwischen 1497 und 1502 in Basel (Schweiz) als Stadtschreiber nachweisbar ist? [Schuler, Notare 1987 Nr. 1236 wies bereits auf ihn hin.]

Deutlich wird jedenfalls einmal mehr die Bedeutung der clerici conjugati und die Rolle der akademischen Bildung für das städtische Kanzleipersonal.

Soweit eine hastige Skizze, die natürlich der Ergänzung durch vertiefte Recherchen bedürfte. Aber als kleines "Angebinde" für das Stadtarchiv Speyer anlässlich der Veröffentlichung der Urkundendigitalisate mag der Beitrag vielleicht willkommen sein.

Nachtrag: In meinen Aufzeichnungen aus dem Stadtarchiv Speyer fand sich zu Johannes Selbach nichts; einige Belege habe ich zu Eberhard Selbach. In 1 B 5 Bl. 181r ist Lucas Selbach als notarius 1488 bezeugt. Der Syndicus Erhard Christoph Baur, der 1747 Verzeichnisse der Kanzleiverwandten bis 1689 zusammenstellte (1 A 72) hat nur Eberhard Selbach zu 1470, 1480.

[Baur 1756, S. 150
http://books.google.de/books?id=tBk6AAAAcAAJ&pg=PA150 Johann fehlt ebenfalls. Bei Pfeiffer 1912, S. 13 ist handschriftlich zu 1447 Johann nachgetragen
http://www.slideshare.net/StadtASpeyer/albert-pfeiffer-das-archiv-der-stadt-speier-1912-10088242 ]

Weiterer Nachtrag März 2012: 1447 Nov. 16
http://www.mom-ca.uni-koeln.de/mom/DE-StaASpeyer/1Uchron/127/charter
Der Notar Marcus Momenson fertigt die Abschrift eines Ratsurteils
Anwesend: der Speyerer Stadtschreiber Johann Selbach (nicht im Regest)

Nachtrag: Am 30. Oktober 2012 erhielt ich folgende Mitteilung per Mail:

"An einer Stelle erwähnen Sie, dass Selbach z.T. auch "v. Selbach" genannt wird, und in der Tat belegt sein Notariatssignet seine Zugehörigkeit zur nassauischen Ganerbenfamilie der Selbach, die auch in einigen Zweigen einen offenen oder auch geschlossenen Flug als Helmschmuck verwendete:

http://www.picfront.org/d/8MPq

Über Gießener Zweige der von Selbach liegen mir derzeit allerdings leider keine Informationen vor.

Viele Grüße aus Gießen,

Martin Spies
--
Dr. Martin Spies
Institut für Anglistik
Justus-Liebig-Universität Gießen"

#forschung

Andergast (Gast) meinte am 2012/12/05 05:59:
Nachtrag zu Eberhard Selbach: Marburg, 4 August 1480

Landgrafen-Regesten online Nr. 10033: http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/lgr/id/10033 (Stand: 12.9.2011) 
 

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