In Kürze: Der Versuch Tiroler Institutionen, den bei Zisska aufgetauchten wertvollen Restbestand der denkmalgeschützten Haller Waldauf-Bibliothek en bloc zu erwerben, ist an der Gier von Auktionshaus und Einlieferer gescheitert. Einzelerwerbungen wurden nicht vorgenommen. Damit gingen die kostbaren Bücher an sogenannte Bibliophile, die sich nicht schämten, Dinge anzukaufen, die aus moralischer Sicht niemand anderem gehören als der frommen Stiftung des Florian Waldauf aus der Zeit Maximilians I. (Es ist nicht damit zu rechnen, dass öffentliche Institutionen in nennenswertem Umfang mitsteigern konnten.)
Die Presseaussendung der Diözese Innsbruck spricht Klartext:
Die von Florian Waldauf, einem Berater Maximilians I., Anfang des 16. Jahrhunderts gestiftete
und über 3000 Bände umfassende Predigerbibliothek gehört zu den ältesten Büchersammlungen
Tirols und enthielt eine Vielzahl an sehr beachtenswerten Handschriften, Inkunabeln und Drucken
des 16.–18. Jahrhunderts. Die Stiftungsbibliothek wird heute von der Stadtpfarre St. Nikolaus in
Hall verwaltet und wurde 2003 von der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol in Innsbruck als
Dauerleihgabe übernommen.
Bedauerlicherweise sind der Bibliothek in ihrer wechselvollen jüngeren Geschichte gerade an
wertvollstem Buchgut erhebliche Verluste erwachsen:
Nachdem bereits im Zuge des Ersten Weltkrieges das gesamte Stiftungsvermögen untergegangen
war, kam der Bibliothek in weiterer Folge eine Vielzahl ihrer wertvollsten Objekte, darunter vor allem
Handschriften und Inkunabeln auf eine bis heute nie geklärte, wohl nicht legale Weise abhanden.
Diese Verluste gehen auf eine um bzw. nach 1938 vorsorglich durchgeführte Sicherstellung vor
den Nationalsozialisten sowie möglicherweise auch auf Bergungsmaßnahmen während des 2.
Weltkrieges zurück.
Die noch verbliebenen Buchbestände dieser Bibliothek wurden in den 1950er Jahren wieder
in das Kaplaneihaus rückgeführt und auf Veranlassung des Landesdenkmalamtes durch das
Pastoraltheologische Institut in Innsbruck neu geordnet. Im Zuge dessen soll 1964 angeblich ein
Verkauf von weniger wertvollen Druckwerken des 18. Jahrhunderts sowie von Dubletten an ein nicht
näher definiertes „Antiquariat in Ostösterreich“ erfolgt sein. Über die Rechtmäßigkeit eines solchen
Verkaufs kann bislang kein schriftlicher Nachweis erbracht werden. Dass es sich dabei um die von
Zisska & Schauer nunmehr angebotenen wertvollen Objekte handelt, kann nahezu ausgeschlossen
werden.
Aufgrund des Bücherkataloges von 1859 sowie aufgrund intensiver Recherchen in den letzten
Jahrzehnten kann heute von einem Gesamtverlust von ca. 700 Bänden ausgegangen werden.
Im Zuge der zwischen 9. und 11. November 2011 bei Zisska & Schauer in München stattfindenden
Bücherauktion wurden insgesamt 2 Handschriften, 19 Inkunabeln, also Druckerzeugnisse vor
1500, sowie über 200 Drucke des 16.-18. Jahrhunderts aus der Waldauf-Sammlung angeboten.
Aus verkaufstaktischen Gründen wurden nicht alle Bücher als der Waldauf-Bibliothek zugehörig
ausgewiesen, viele konnten im Zuge einer Einsichtnahme aufgrund eindeutiger Besitzhinweise
identifiziert werden.
Die herausragende kulturelle Bedeutung der denkmalgeschützten Waldauf-Bibliothek hat
weitreichende nationale und internationale Reaktionen auf kulturpolitischer, wissenschaftlicher,
kirchlicher und medialer Ebene ausgelöst. Dabei steht neben dem beträchtlichen Wert zahlreicher
Einzelobjekte vor allem die Option, diese für die Kulturgeschichte des Landes Tirol einzigartige
Sammlung in ihrer Geschlossenheit nach Möglichkeit zu bewahren, im Mittelpunkt.
Hierfür wurde zum einen die Rechtslage durch das Bundesdenkmalamt geprüft. Zum anderen
bemühten sich die Stadtpfarre St. Nikolaus in Hall, das Diözesanarchiv Innsbruck, die Kulturabteilung
des Landes Tirol sowie die Universitäts- und Landesbibliothek Tirol in Innsbruck, sämtliche vom
besagten Auktionshaus angebotenen Objekte der Waldauf-Bibliothek für Tirol zu sichern. Die dafür erforderlichen Mittel wurden durch finanzielle Zusicherungen seitens des Landes Tirol, der Pfarre Hall
und weiterer Sponsoren garantiert.
Seitens der Geldgeber kam grundsätzlich nur der Erwerb des Gesamtensembles in Betracht, wobei die Bücher im Gesamtpaket aus der Auktion herausgekauft werden sollten. Dagegen bestand
das Auktionshaus unter Berufung auf den Einbringer aus geschäftspolitischen Gründen letztlich darauf, die wertvollsten Objekte, nämlich die Handschriften und Inkunabeln, einzeln zu versteigern. Für die restlichen, weniger wertvollen Werke wurden unmittelbar vor Auktionsbeginn über den Schätzpreis hinausgehende sowie dem Wert und konservatorischen Zustand der Objekte keineswegs angemessene Forderungen gestellt.
Der angestrebte geschlossene Erwerb wäre im Hinblick auf die Einzelversteigerung nicht mehr gewährleistet gewesen. Insgesamt schien die Verwendung öffentlicher Gelder aufgrund des äußerst
risikoreichen Ausgangs der Auktion nicht mehr vertretbar.
Trotz intensivster Bemühungen bis unmittelbar vor Auktionsbeginn am Mittwoch war es nicht möglich, dieses einmalige kulturelle Erbe für das Land Tirol zu retten.
Für die Übermittlung dieses Textes und weitere Auskünfte danke ich Kollegen Diözesanarchivar Dr. Kapferer, Innsbruck.
Frühere Beiträge in Archivalia zur Waldauf-Bibliothek:
http://archiv.twoday.net/search?q=waldauf
KOMMENTAR:
Positiv zu vermerken ist, dass alle Beteiligten an einem Strang gezogen haben, um den Restbestand für Tirol zu retten. Dabei wurden erhebliche Geldsummen von Sponsoren eingeworben. Die Entscheidung, den Gesamtbestand aufzukaufen, also das archivische Provenienzprinzip gegen das verhängnisvolle bibliothekarische "Dublettendenken" zu setzen, verdient ebenfalls Respekt.
Die Juristen des Denkmalamts sahen keine Möglichkeit, gegen das Auktionshaus vorzugehen, da sowohl die Verbringung ins Ausland vor 1993 erfolgte (Voraussetzung der Rückforderung) als auch Straftatbestände verjährt waren.
Ein Team der Sondersammlungen der UB innsbruck hat den gesamten Bestand der Auktion gesichtet und erfasst (ob Fotos gemacht wurden oder gemacht werden durften, weiss ich nicht), insbesondere Vorprovenienzen notiert. Dabei hat sich herausgestellt, dass in erheblichem Umfang Waldauf-Bibliotheksgut im Katalog nicht als solches gekennzeichnet war. Aus meiner Sicht spricht einiges dafür, diese für mich durchaus "betrügerische" Fehlinformation potentieller Käufer als wettbewerbswidrige Irreführung nach dem UWG zu werten.
Es wäre schön gewesen, wenn Bibliotheken in der Causa Donaueschingen oder bei späteren Kulturgutverlusten, die ich seit 1994 dokumentiere, eine solche Bestandsdokumentation, die ja leider nur rudimentär sein konnte, durchgeführt hätten. Denn an den Katalogen der Händler hat man, wie hier schlagend erwiesen, wenig Freude. Diese verschweigen und verschleiern Provenienzen oder geben sie in irreführender Weise an.
Die verfügbaren Quellen insbesondere im Kirchenarchiv Hall wurden intensiv gesichtet, was aber hinsichtlich der entscheidenden Fragen ergebnislos blieb. Die FAZ schrieb vor der Auktion:
Schon vor der Auktion bei Zisska & Schauer sorgen Bücher der „Waldauf Bibliothek“ für Aufsehen: Florian Waldauf Ritter von Waldenstein und seine Frau Barbara stifteten 1501 der Pfarrkirche in Hall in Tirol eine Kapelle samt Predigtamt und Bibliothek. Während des Zweiten Weltkriegs wurde eine unbekannte Zahl wertvoller Schriften zum Schutz an Privatpersonen gegeben, jedoch nie rückerstattet. Bereits in der Vergangenheit tauchten immer wieder Waldauf-Bände im Handel auf. Ein 1983 angelegter Katalog zählt noch etwas mehr als 2000 Titel; heute bewahrt die Universitätsbibliothek Innsbruck diese unter Denkmalschutz stehende gotische Bibliothek als Leihgabe.
Nach Auskunft des Auktionshauses stammt die Einlieferung aus deutschem Privatbesitz, in den sie über ein „ostösterreichisches Antiquariat“ gelangt sei. Sie umfasst eine Handschrift - Briefe des Hieronymus, 1435 zu Papier gebracht (6000) - und elf Inkunabeln, darunter eine Prediktlehre mit Exlibris von Wolfgang Crener, dem ersten Prediger der Haller Stiftung (6000), und eine lateinische Koberger-Bibel von 1493 (10.000). Dazu kommen rund 170 Losnummern an Drucken aus den Jahren 1501 bis 1785, darunter zwei große Konvolute. Pfarrer Jakob Patsch von der zuständigen Gemeinde in Hall sagt, man wolle alles tun, um die Bücher zurückzubekommen, und sei auf der dringenden Suche nach Sponsoren; denn die Stiftung sei längst vollkommen mittellos.
Dieses ostösterreichische Antiquariat ist allem nach eine "Legende". Irgendwelche belastbaren Fakten zu diesem angeblichen Verkauf durch Jesuiten konnten nicht aufgefunden werden. Insbesondere gab es keine Einnahmen für die Pfarre Hall in Tirol, was ja wohl Voraussetzung einer legalen Veräußerung gewesen wäre.
Auch hinsichtlich der Entfremdung der Bestände konnte nur mündliche Überlieferung ermittelt werden, die dann auch zu der Aussage Brunners geführt hat, dass die Bücher aus Furcht vor der Beschlagnahmung durch die Nazis an Privatleute gegeben wurden. Die in einem Kommentar in diesem Weblog geäußerte Ansicht, die Entfremdung habe womöglich schon vor 1938 stattgefunden, ist abwegig:
http://archiv.twoday.net/stories/42999544/#49594897
1. Ganz offenkundig war die Bibliothek zum Zeitpunkt, als sie Prof. Mayrhofer in den Tiroler Heimatblättern 1938 beschrieb, noch intakt. Von früheren Verlusten weiß er nichts, er nennt ca. 80 Inkunabeln. Heutiger Bestand: 16 (Brunner VÖB-Mitt. 2003) bzw. 14 (UB Innsbruck, Website) bzw. 13 Titel laut GW. 1914 erfasste der GW laut Brunner 2003 61 Titel (Goldschmidt ZfB 1916: 70 Titel), Brunner in den Tiroler Heimatblätter nennt im Titel 64 verschollene Inkunabeln. Mayrhofer nennt die Titel einiger inzwischen verschwundener Inkunabeln, die sich nicht im GW-Verzeichnis finden.
2. Die Festschrift der von Florian Waldauf gegründeten Haller Stubengesellschaft 1958 aus der Feder von Ernst Verdroß-Droßberg, gewidmet Florian Waldauf, bestätigt eindeutig die Angabe Brunners, dass die Verluste in der NS-Zeit eingetreten seien: "Leider gingen während des letzten Krieges wertvolle Handschriften und Drucke verloren" (S. 41).
Es kann so gut wie ausgeschlossen werden, dass so wertvolle Bestände wie Handschriften und Inkunabeln 1964 an ein "ostösterreichisches Antiquariat" veräußert worden. Die diesbezügliche Angabe sehe ich persönlich als dicke fette Lüge, um einen illegalen Bestand mit einer "Legende" zu versehen, die im Einklang mit den Ausführungen Brunners im Handbuch der historischen Buchbestände steht. Über den Einlieferer war natürlich nichts zu erfahren, es soll sich um einen deutschen Staatsbürger handeln, der den Bestand schon seit längerer Zeit besitzt.
Da man auf Verhandlungen gesetzt hat, die sich zunächst auch gut anließen, ist es verständlich, dass man eine einstweilige Verfügung durch ein deutsches Gericht, die den Verkauf hätte stoppen können, nicht in Betracht gezogen hat.
Wenn es einen Preis für Skrupellosigkeit im Umgang mit Kulturgut in Deutschland 2011 gäbe, so hätten ihn der Einlieferer und das Auktionshaus sich verdient. Hätte es sich um jüdische Alteigentümer gehandelt, wäre die ganze Sache völlig anders abgelaufen. Tatsache ist, dass die unbefriedigende Rechtslage schamlos von einem gewissenlosen Auktionshaus und einem Besitzer ausgenutzt wurden, um eine fromme Stiftung um einen Teil ihres Stiftungsvermögens und das Land Tirol um einen Teil seines historischen Kulturguts zu prellen.
Dass Antiquariate in dieser Weise agieren können, ohne dass ihnen jemand einen Strich durch die Rechnung macht, und dass sie Kumpane als Käufer haben, die solche Ware schamlos erwerben, ist der eigentliche Skandal.
Der ILAB-Code sagt: Die "affiliates" sind dafür verantwortlich, dem Käufer den Rechtsanspruch auf die verkauften Artikel zu übergeben und werden nicht wissentlich gestohlenes Material kaufen, besitzen oder verkaufen. Die "affiliates" unternehmen alle zumutbaren Bemühungen, um sich davon zu versichern, dass alle von ihnen angebotenen Artikel Eigentum des Verkäufers waren. Weiterhin unternehmen sie alle zumutbaren Bemühungen, den Diebstahl von antiquarischen Büchern und damit zusammenhängendem Material zu verhindern. Sie arbeiten mit den Behörden zusammen, um zur Ergreifung der Täter beizutragen.
Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wahr, dass die von Zisska verkauften Stücke gestohlen waren. Dann ist mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Zisska als Hehler zu betrachten, denn hier wurde bewusst in Kauf genommen, das die Stücke gestohlen waren. Irgendwelche konkreten Gegenbeweise zur Herkunft - z.B. Angaben, was das für ein ostösterreichisches Antiquariat war - hat Zisska nicht vorgelegt. Der Hinweis auf dieses mysteriöse Antiquariat hat den gleichen Status wie der ominöse "Dachbodenfund". Die Stücke können im übrigen Österreich unter keinen Umständen legal verlassen haben, denn Ausfuhrbeschränkungen gab es schon in den 1920er Jahren.
Zisska ist auch nicht an den aus meiner Sicht einzig rechtmäßigen Eigentümer, die Waldauf-Stiftung, vertreten durch die Pfarrei Hall, herangetreten, als im Mai 2011 bereits Inkunabeln aus der Stiftung versteigert wurden. Und da ich Pfarrer Patsch die Nachricht von der jetzigen Auktion telefonisch überbracht habe, erfolgte auch jetzt keine Information.
Man kann sich wirklich nur für den Antiquariatshandel schämen und hoffen, dass irgendwann der Handel mit Kulturgut in ähnlicher Weise reglementiert wird wie der Handel mit Antiken oder mit Elfenbein. Es muss also der Gesetzgeber tätig werden. Und die Öffentlichkeit bzw. die Fachleute sollten Antiquariate wie Zisska konsequent ächten und deren Kunden, die solche Stücke kaufen, ebenso.
Zum Thema halbseidene Antiquare:
http://archiv.twoday.net/search?q=halbseiden
Nachtrag:
Josef Pauser geht ebenfalls auf das traurige Ergebnis ein:
http://www.univie.ac.at/voeb/blog/?p=18580
Enttäuscht über die gescheiterten Verhandlungen zeigte sich am Mittwoch auch Kulturlandesrätin Beate Palfrader, auf deren Initiative hin das Land sich in der Sache engagiert hatte, denn: „Leider war der angestrebte Ankauf der Waldauf-Bibliothek letztlich trotz intensiver Bemühungen des Landes nicht durchführbar, weil die Forderungen des Auktionshauses in München und des Einbringers der Buchbestände immer unvertretbarer wurden. Seitens des Landes stellt es sich so dar, dass das Auktionshaus in München nie wirklich ernsthaft an einem Verkauf interessiert war“, so Palfrader.
Das sei, erklärte die Landesrätin, „sehr bedauerlich“, weil sich das Land, die Pfarre Hall und die Universitäts- und Landesbibliothek sehr engagiert hätten und auch bereit waren, „einen hohen finanziellen Einsatz zu leisten“. Zudem habe man eine private Stiftung dafür gewinnen können, „sich ebenfalls mit einem namhaften Betrag am Ankauf zu beteiligen“. Die konkreten Beträge, die zur Rettung der Waldauf-Bestände hätten bereitgestellt werden sollen, blieben am Mittwoch freilich ebenso ungenannt wie die Höhe der Forderungen, die in München gestellt wurden.
So die Tiroler Tageszeitung
http://www.tt.com/csp/cms/sites/tt/Nachrichten/3745962-6/tiroler-kulturschatz-wird-zerschlagen.csp
In einem weiteren Artikel heißt es: Das Bundesdenkmalamt hatte zuvor rechtliche Schritte geprüft, allerdings sei man auf diesem Wege nicht weitergekommen, erklärt Reinhard Rampold vom Landeskonservatoriat Tirol: Der Münchner Auktionator habe den Einbringer bestätigen lassen, dass er die Waldauf-Bestände schon vor Inkrafttreten jenes Gesetzes besessen habe, das die Ausfuhr von Antiquitäten aus Österreich verbietet.
Das ist nach meiner Einschätzung eine Fehldarstellung, denn es gab meines Wissens schon vor dem Zweiten Weltkrieg ein Ausfuhrverbot. Zu den heutigen Rechtsgrundlagen:
http://www.bda.at/organisation/801/Ausfuhr
Zahlreiche Kunstwerke und Handschriften tragen Stempel des Bundesdenkmalamts vor 1993:
http://www.google.de/search?hl=de&q=%22stempel%20bundesdenkmalamt%22
Pauser kommentiert:
Für mich stellt sich weiterhin die zivilrechtliche Frage, ob denn der unbekannte Einbringer tatsächlich Eigentümer der Bücher war und damit überhaupt befugt war, einen Verkauf via dem Antiquariatshandel tätigen zu lassen? Ich kann aus den mir vorliegenden Medungen nicht erkennen, dass das Auktionshaus einen lückenlosen Nachweis der Eigentümerkette (von der Waldauf-Stiftung weg bis hin zum Einbringer) erbracht hätte …
Weiteres Update:
Die öst. Rechtslage stellt dar Josef Pauser:
http://www.univie.ac.at/voeb/blog/?p=18580&cpage=1#comment-3438
Florian Waldauf
Die Presseaussendung der Diözese Innsbruck spricht Klartext:
Die von Florian Waldauf, einem Berater Maximilians I., Anfang des 16. Jahrhunderts gestiftete
und über 3000 Bände umfassende Predigerbibliothek gehört zu den ältesten Büchersammlungen
Tirols und enthielt eine Vielzahl an sehr beachtenswerten Handschriften, Inkunabeln und Drucken
des 16.–18. Jahrhunderts. Die Stiftungsbibliothek wird heute von der Stadtpfarre St. Nikolaus in
Hall verwaltet und wurde 2003 von der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol in Innsbruck als
Dauerleihgabe übernommen.
Bedauerlicherweise sind der Bibliothek in ihrer wechselvollen jüngeren Geschichte gerade an
wertvollstem Buchgut erhebliche Verluste erwachsen:
Nachdem bereits im Zuge des Ersten Weltkrieges das gesamte Stiftungsvermögen untergegangen
war, kam der Bibliothek in weiterer Folge eine Vielzahl ihrer wertvollsten Objekte, darunter vor allem
Handschriften und Inkunabeln auf eine bis heute nie geklärte, wohl nicht legale Weise abhanden.
Diese Verluste gehen auf eine um bzw. nach 1938 vorsorglich durchgeführte Sicherstellung vor
den Nationalsozialisten sowie möglicherweise auch auf Bergungsmaßnahmen während des 2.
Weltkrieges zurück.
Die noch verbliebenen Buchbestände dieser Bibliothek wurden in den 1950er Jahren wieder
in das Kaplaneihaus rückgeführt und auf Veranlassung des Landesdenkmalamtes durch das
Pastoraltheologische Institut in Innsbruck neu geordnet. Im Zuge dessen soll 1964 angeblich ein
Verkauf von weniger wertvollen Druckwerken des 18. Jahrhunderts sowie von Dubletten an ein nicht
näher definiertes „Antiquariat in Ostösterreich“ erfolgt sein. Über die Rechtmäßigkeit eines solchen
Verkaufs kann bislang kein schriftlicher Nachweis erbracht werden. Dass es sich dabei um die von
Zisska & Schauer nunmehr angebotenen wertvollen Objekte handelt, kann nahezu ausgeschlossen
werden.
Aufgrund des Bücherkataloges von 1859 sowie aufgrund intensiver Recherchen in den letzten
Jahrzehnten kann heute von einem Gesamtverlust von ca. 700 Bänden ausgegangen werden.
Im Zuge der zwischen 9. und 11. November 2011 bei Zisska & Schauer in München stattfindenden
Bücherauktion wurden insgesamt 2 Handschriften, 19 Inkunabeln, also Druckerzeugnisse vor
1500, sowie über 200 Drucke des 16.-18. Jahrhunderts aus der Waldauf-Sammlung angeboten.
Aus verkaufstaktischen Gründen wurden nicht alle Bücher als der Waldauf-Bibliothek zugehörig
ausgewiesen, viele konnten im Zuge einer Einsichtnahme aufgrund eindeutiger Besitzhinweise
identifiziert werden.
Die herausragende kulturelle Bedeutung der denkmalgeschützten Waldauf-Bibliothek hat
weitreichende nationale und internationale Reaktionen auf kulturpolitischer, wissenschaftlicher,
kirchlicher und medialer Ebene ausgelöst. Dabei steht neben dem beträchtlichen Wert zahlreicher
Einzelobjekte vor allem die Option, diese für die Kulturgeschichte des Landes Tirol einzigartige
Sammlung in ihrer Geschlossenheit nach Möglichkeit zu bewahren, im Mittelpunkt.
Hierfür wurde zum einen die Rechtslage durch das Bundesdenkmalamt geprüft. Zum anderen
bemühten sich die Stadtpfarre St. Nikolaus in Hall, das Diözesanarchiv Innsbruck, die Kulturabteilung
des Landes Tirol sowie die Universitäts- und Landesbibliothek Tirol in Innsbruck, sämtliche vom
besagten Auktionshaus angebotenen Objekte der Waldauf-Bibliothek für Tirol zu sichern. Die dafür erforderlichen Mittel wurden durch finanzielle Zusicherungen seitens des Landes Tirol, der Pfarre Hall
und weiterer Sponsoren garantiert.
Seitens der Geldgeber kam grundsätzlich nur der Erwerb des Gesamtensembles in Betracht, wobei die Bücher im Gesamtpaket aus der Auktion herausgekauft werden sollten. Dagegen bestand
das Auktionshaus unter Berufung auf den Einbringer aus geschäftspolitischen Gründen letztlich darauf, die wertvollsten Objekte, nämlich die Handschriften und Inkunabeln, einzeln zu versteigern. Für die restlichen, weniger wertvollen Werke wurden unmittelbar vor Auktionsbeginn über den Schätzpreis hinausgehende sowie dem Wert und konservatorischen Zustand der Objekte keineswegs angemessene Forderungen gestellt.
Der angestrebte geschlossene Erwerb wäre im Hinblick auf die Einzelversteigerung nicht mehr gewährleistet gewesen. Insgesamt schien die Verwendung öffentlicher Gelder aufgrund des äußerst
risikoreichen Ausgangs der Auktion nicht mehr vertretbar.
Trotz intensivster Bemühungen bis unmittelbar vor Auktionsbeginn am Mittwoch war es nicht möglich, dieses einmalige kulturelle Erbe für das Land Tirol zu retten.
Für die Übermittlung dieses Textes und weitere Auskünfte danke ich Kollegen Diözesanarchivar Dr. Kapferer, Innsbruck.
Frühere Beiträge in Archivalia zur Waldauf-Bibliothek:
http://archiv.twoday.net/search?q=waldauf
KOMMENTAR:
Positiv zu vermerken ist, dass alle Beteiligten an einem Strang gezogen haben, um den Restbestand für Tirol zu retten. Dabei wurden erhebliche Geldsummen von Sponsoren eingeworben. Die Entscheidung, den Gesamtbestand aufzukaufen, also das archivische Provenienzprinzip gegen das verhängnisvolle bibliothekarische "Dublettendenken" zu setzen, verdient ebenfalls Respekt.
Die Juristen des Denkmalamts sahen keine Möglichkeit, gegen das Auktionshaus vorzugehen, da sowohl die Verbringung ins Ausland vor 1993 erfolgte (Voraussetzung der Rückforderung) als auch Straftatbestände verjährt waren.
Ein Team der Sondersammlungen der UB innsbruck hat den gesamten Bestand der Auktion gesichtet und erfasst (ob Fotos gemacht wurden oder gemacht werden durften, weiss ich nicht), insbesondere Vorprovenienzen notiert. Dabei hat sich herausgestellt, dass in erheblichem Umfang Waldauf-Bibliotheksgut im Katalog nicht als solches gekennzeichnet war. Aus meiner Sicht spricht einiges dafür, diese für mich durchaus "betrügerische" Fehlinformation potentieller Käufer als wettbewerbswidrige Irreführung nach dem UWG zu werten.
Es wäre schön gewesen, wenn Bibliotheken in der Causa Donaueschingen oder bei späteren Kulturgutverlusten, die ich seit 1994 dokumentiere, eine solche Bestandsdokumentation, die ja leider nur rudimentär sein konnte, durchgeführt hätten. Denn an den Katalogen der Händler hat man, wie hier schlagend erwiesen, wenig Freude. Diese verschweigen und verschleiern Provenienzen oder geben sie in irreführender Weise an.
Die verfügbaren Quellen insbesondere im Kirchenarchiv Hall wurden intensiv gesichtet, was aber hinsichtlich der entscheidenden Fragen ergebnislos blieb. Die FAZ schrieb vor der Auktion:
Schon vor der Auktion bei Zisska & Schauer sorgen Bücher der „Waldauf Bibliothek“ für Aufsehen: Florian Waldauf Ritter von Waldenstein und seine Frau Barbara stifteten 1501 der Pfarrkirche in Hall in Tirol eine Kapelle samt Predigtamt und Bibliothek. Während des Zweiten Weltkriegs wurde eine unbekannte Zahl wertvoller Schriften zum Schutz an Privatpersonen gegeben, jedoch nie rückerstattet. Bereits in der Vergangenheit tauchten immer wieder Waldauf-Bände im Handel auf. Ein 1983 angelegter Katalog zählt noch etwas mehr als 2000 Titel; heute bewahrt die Universitätsbibliothek Innsbruck diese unter Denkmalschutz stehende gotische Bibliothek als Leihgabe.
Nach Auskunft des Auktionshauses stammt die Einlieferung aus deutschem Privatbesitz, in den sie über ein „ostösterreichisches Antiquariat“ gelangt sei. Sie umfasst eine Handschrift - Briefe des Hieronymus, 1435 zu Papier gebracht (6000) - und elf Inkunabeln, darunter eine Prediktlehre mit Exlibris von Wolfgang Crener, dem ersten Prediger der Haller Stiftung (6000), und eine lateinische Koberger-Bibel von 1493 (10.000). Dazu kommen rund 170 Losnummern an Drucken aus den Jahren 1501 bis 1785, darunter zwei große Konvolute. Pfarrer Jakob Patsch von der zuständigen Gemeinde in Hall sagt, man wolle alles tun, um die Bücher zurückzubekommen, und sei auf der dringenden Suche nach Sponsoren; denn die Stiftung sei längst vollkommen mittellos.
Dieses ostösterreichische Antiquariat ist allem nach eine "Legende". Irgendwelche belastbaren Fakten zu diesem angeblichen Verkauf durch Jesuiten konnten nicht aufgefunden werden. Insbesondere gab es keine Einnahmen für die Pfarre Hall in Tirol, was ja wohl Voraussetzung einer legalen Veräußerung gewesen wäre.
Auch hinsichtlich der Entfremdung der Bestände konnte nur mündliche Überlieferung ermittelt werden, die dann auch zu der Aussage Brunners geführt hat, dass die Bücher aus Furcht vor der Beschlagnahmung durch die Nazis an Privatleute gegeben wurden. Die in einem Kommentar in diesem Weblog geäußerte Ansicht, die Entfremdung habe womöglich schon vor 1938 stattgefunden, ist abwegig:
http://archiv.twoday.net/stories/42999544/#49594897
1. Ganz offenkundig war die Bibliothek zum Zeitpunkt, als sie Prof. Mayrhofer in den Tiroler Heimatblättern 1938 beschrieb, noch intakt. Von früheren Verlusten weiß er nichts, er nennt ca. 80 Inkunabeln. Heutiger Bestand: 16 (Brunner VÖB-Mitt. 2003) bzw. 14 (UB Innsbruck, Website) bzw. 13 Titel laut GW. 1914 erfasste der GW laut Brunner 2003 61 Titel (Goldschmidt ZfB 1916: 70 Titel), Brunner in den Tiroler Heimatblätter nennt im Titel 64 verschollene Inkunabeln. Mayrhofer nennt die Titel einiger inzwischen verschwundener Inkunabeln, die sich nicht im GW-Verzeichnis finden.
2. Die Festschrift der von Florian Waldauf gegründeten Haller Stubengesellschaft 1958 aus der Feder von Ernst Verdroß-Droßberg, gewidmet Florian Waldauf, bestätigt eindeutig die Angabe Brunners, dass die Verluste in der NS-Zeit eingetreten seien: "Leider gingen während des letzten Krieges wertvolle Handschriften und Drucke verloren" (S. 41).
Es kann so gut wie ausgeschlossen werden, dass so wertvolle Bestände wie Handschriften und Inkunabeln 1964 an ein "ostösterreichisches Antiquariat" veräußert worden. Die diesbezügliche Angabe sehe ich persönlich als dicke fette Lüge, um einen illegalen Bestand mit einer "Legende" zu versehen, die im Einklang mit den Ausführungen Brunners im Handbuch der historischen Buchbestände steht. Über den Einlieferer war natürlich nichts zu erfahren, es soll sich um einen deutschen Staatsbürger handeln, der den Bestand schon seit längerer Zeit besitzt.
Da man auf Verhandlungen gesetzt hat, die sich zunächst auch gut anließen, ist es verständlich, dass man eine einstweilige Verfügung durch ein deutsches Gericht, die den Verkauf hätte stoppen können, nicht in Betracht gezogen hat.
Wenn es einen Preis für Skrupellosigkeit im Umgang mit Kulturgut in Deutschland 2011 gäbe, so hätten ihn der Einlieferer und das Auktionshaus sich verdient. Hätte es sich um jüdische Alteigentümer gehandelt, wäre die ganze Sache völlig anders abgelaufen. Tatsache ist, dass die unbefriedigende Rechtslage schamlos von einem gewissenlosen Auktionshaus und einem Besitzer ausgenutzt wurden, um eine fromme Stiftung um einen Teil ihres Stiftungsvermögens und das Land Tirol um einen Teil seines historischen Kulturguts zu prellen.
Dass Antiquariate in dieser Weise agieren können, ohne dass ihnen jemand einen Strich durch die Rechnung macht, und dass sie Kumpane als Käufer haben, die solche Ware schamlos erwerben, ist der eigentliche Skandal.
Der ILAB-Code sagt: Die "affiliates" sind dafür verantwortlich, dem Käufer den Rechtsanspruch auf die verkauften Artikel zu übergeben und werden nicht wissentlich gestohlenes Material kaufen, besitzen oder verkaufen. Die "affiliates" unternehmen alle zumutbaren Bemühungen, um sich davon zu versichern, dass alle von ihnen angebotenen Artikel Eigentum des Verkäufers waren. Weiterhin unternehmen sie alle zumutbaren Bemühungen, den Diebstahl von antiquarischen Büchern und damit zusammenhängendem Material zu verhindern. Sie arbeiten mit den Behörden zusammen, um zur Ergreifung der Täter beizutragen.
Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wahr, dass die von Zisska verkauften Stücke gestohlen waren. Dann ist mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Zisska als Hehler zu betrachten, denn hier wurde bewusst in Kauf genommen, das die Stücke gestohlen waren. Irgendwelche konkreten Gegenbeweise zur Herkunft - z.B. Angaben, was das für ein ostösterreichisches Antiquariat war - hat Zisska nicht vorgelegt. Der Hinweis auf dieses mysteriöse Antiquariat hat den gleichen Status wie der ominöse "Dachbodenfund". Die Stücke können im übrigen Österreich unter keinen Umständen legal verlassen haben, denn Ausfuhrbeschränkungen gab es schon in den 1920er Jahren.
Zisska ist auch nicht an den aus meiner Sicht einzig rechtmäßigen Eigentümer, die Waldauf-Stiftung, vertreten durch die Pfarrei Hall, herangetreten, als im Mai 2011 bereits Inkunabeln aus der Stiftung versteigert wurden. Und da ich Pfarrer Patsch die Nachricht von der jetzigen Auktion telefonisch überbracht habe, erfolgte auch jetzt keine Information.
Man kann sich wirklich nur für den Antiquariatshandel schämen und hoffen, dass irgendwann der Handel mit Kulturgut in ähnlicher Weise reglementiert wird wie der Handel mit Antiken oder mit Elfenbein. Es muss also der Gesetzgeber tätig werden. Und die Öffentlichkeit bzw. die Fachleute sollten Antiquariate wie Zisska konsequent ächten und deren Kunden, die solche Stücke kaufen, ebenso.
Zum Thema halbseidene Antiquare:
http://archiv.twoday.net/search?q=halbseiden
Nachtrag:
Josef Pauser geht ebenfalls auf das traurige Ergebnis ein:
http://www.univie.ac.at/voeb/blog/?p=18580
Enttäuscht über die gescheiterten Verhandlungen zeigte sich am Mittwoch auch Kulturlandesrätin Beate Palfrader, auf deren Initiative hin das Land sich in der Sache engagiert hatte, denn: „Leider war der angestrebte Ankauf der Waldauf-Bibliothek letztlich trotz intensiver Bemühungen des Landes nicht durchführbar, weil die Forderungen des Auktionshauses in München und des Einbringers der Buchbestände immer unvertretbarer wurden. Seitens des Landes stellt es sich so dar, dass das Auktionshaus in München nie wirklich ernsthaft an einem Verkauf interessiert war“, so Palfrader.
Das sei, erklärte die Landesrätin, „sehr bedauerlich“, weil sich das Land, die Pfarre Hall und die Universitäts- und Landesbibliothek sehr engagiert hätten und auch bereit waren, „einen hohen finanziellen Einsatz zu leisten“. Zudem habe man eine private Stiftung dafür gewinnen können, „sich ebenfalls mit einem namhaften Betrag am Ankauf zu beteiligen“. Die konkreten Beträge, die zur Rettung der Waldauf-Bestände hätten bereitgestellt werden sollen, blieben am Mittwoch freilich ebenso ungenannt wie die Höhe der Forderungen, die in München gestellt wurden.
So die Tiroler Tageszeitung
http://www.tt.com/csp/cms/sites/tt/Nachrichten/3745962-6/tiroler-kulturschatz-wird-zerschlagen.csp
In einem weiteren Artikel heißt es: Das Bundesdenkmalamt hatte zuvor rechtliche Schritte geprüft, allerdings sei man auf diesem Wege nicht weitergekommen, erklärt Reinhard Rampold vom Landeskonservatoriat Tirol: Der Münchner Auktionator habe den Einbringer bestätigen lassen, dass er die Waldauf-Bestände schon vor Inkrafttreten jenes Gesetzes besessen habe, das die Ausfuhr von Antiquitäten aus Österreich verbietet.
Das ist nach meiner Einschätzung eine Fehldarstellung, denn es gab meines Wissens schon vor dem Zweiten Weltkrieg ein Ausfuhrverbot. Zu den heutigen Rechtsgrundlagen:
http://www.bda.at/organisation/801/Ausfuhr
Zahlreiche Kunstwerke und Handschriften tragen Stempel des Bundesdenkmalamts vor 1993:
http://www.google.de/search?hl=de&q=%22stempel%20bundesdenkmalamt%22
Pauser kommentiert:
Für mich stellt sich weiterhin die zivilrechtliche Frage, ob denn der unbekannte Einbringer tatsächlich Eigentümer der Bücher war und damit überhaupt befugt war, einen Verkauf via dem Antiquariatshandel tätigen zu lassen? Ich kann aus den mir vorliegenden Medungen nicht erkennen, dass das Auktionshaus einen lückenlosen Nachweis der Eigentümerkette (von der Waldauf-Stiftung weg bis hin zum Einbringer) erbracht hätte …
Weiteres Update:
Die öst. Rechtslage stellt dar Josef Pauser:
http://www.univie.ac.at/voeb/blog/?p=18580&cpage=1#comment-3438
Florian Waldauf
ho meinte am 2011/11/12 10:19:
Lieber Herr Graf, dieser Protest ist mehr als berechtigt, und es stimmt traurig, dass die konzertierte Rückerwerbungsaktion im Wesentlichen gescheitert ist. Immerhin gut, dass Sie es hier dokumentieren. Doch wie ist der (mich zumindest) irritierende Satz "Hätte es sich um jüdische Alteigentümer gehandelt, wäre die ganze Sache völlig anders abgelaufen" zu verstehen?Beste Grüße, Hannes Obermair
Ladislaus antwortete am 2011/11/12 13:57:
Ich verstehe das so: dann hätte die Presse und Öffentlichkeit erheblich entrüsteter reagiert. "Einfach nur Diebstahl" vor Jahren interessiert leider überhaupt niemanden, beim Diebstahl jüdischen Eigentums in der Nazizeit gibt es immerhin in Teilen der Öffentlichkeit inzwischen ein Bewusstsein, dass man nicht achselzuckend zur Tagesordnung übergehen kann.
KlausGraf antwortete am 2011/11/12 15:34:
So meinte ich das
ho antwortete am 2011/11/13 10:50:
Danke für den Versuch dieser Klärung, denn die Formulierung ist gelinde gesagt unglücklich und missverständlich. Nichts für ungut und beste Grüße, ho
ThomasJust meinte am 2011/11/13 08:54:
Danke für die umfassende Zusammenstellung dieser traurigen Angelegenheit.
Andreas Faistenberger (Gast) meinte am 2011/11/14 15:24:
"abwegige" Ansichten
Lieber Herr Graf,auch wenn Ihre Entrüstung in Anbetracht der höchst unerfreulichen Geschehnisse durchaus nachvollziehbar ist, so sollten wir doch verbal nicht allzusehr über die Stränge schlagen - Ihre apodiktische Qualifizierung meines vormaligen Einwurfs als "abwegig", daß Bestände bereits vor 1938 entfremdet worden sein könnten, ist ebensowenig der Sache dienlich wie Ihre Klassifizierung des Hinweises auf das ostösterreichische Antiquariat als "dicke fette Lüge".
Sie können offensichtlich - trotz mancherlei Ausführungen zu den verschwundenen Inkunabeln - auch keine Erklärung dafür liefern, daß die Waldauf-Bibliothek vor dem "Anschluß" Österreichs (lt. Dr. B. Mayrhofer) noch "fast 3000 Bände" umfaßt habe, wohingegen 2003 (vgl. den Link d. UB Ibk.) "3048 Bände" gezählt wurden. Zudem übersehen Sie offenbar den Umstand, daß Mayrhofer 1938 seine Erkenntnisse primär aus einem vorhandenen alten Katalog (der später in Verlust geriet) schöpfte und die dort zu findenden Angaben nicht anhand sämtlicher damals tatsächlich noch in der Sammlung vorhandenen Bücher verifizierte - es kann daher mitnichten davon ausgegangen werden, daß die Bibliothek Anfang 1938, wie Sie sagen, "noch intakt" gewesen wäre...
Die aus meiner Sicht derzeit einzig mögliche Interpretation der bereits aufgezeigten, vorhandenen Widersprüche in der Fachliteratur wäre, daß Mayrhofer 1938 "Titel" mit "Bänden" verwechselte, was angesichts der für heute dokumentierten Zahl (UB 2003: "2056 Titel") und der unkritischen Vorgehensweise unseres Gewährsmannes plausibel erschiene. Unter dieser Prämisse könnten seit Anlegung des alten Kataloges bis heute ca. 1000 "Titel" der Sammlung "entfremdet" worden sein, was wohl einer Gesamtzahl von bis zu "1500 Bänden" entspräche.
Der Hinweis des Antiquariats Z. & S., daß ein "deutscher Eigentümer das Konvolut von einem ostösterreichischen Antiquariat" erworben habe, paßt tatsächlich recht gut zur Überlieferung von K. Brunner (1983), enthält aber offenbar noch einen wichtigen zusätzlichen Hinweis, nämlich auf die Region des Voreigentümers der nun verschleuderten ca. 200 Bände, und klingt damit m. E. nicht a priori unplausibel.
Im übrigen obliegt nach meinem juristischen Wissensstand die Beweislast für die Behauptung, daß ein Einsteller von Artikeln in einem Auktionshaus nicht der Eigentümer sei, dem dies geltend Machenden - und nicht dem Auktionshaus für die Eigenschaft des Vorliegens von Eigentum des Einstellers an den Sachen, auch wenn dies zweifelhaft erschiene. Solange hierzu keine eindeutigen Erkenntnisse vorliegen, sollte man sich hüten, von "Hehlerei" o. ä. zu sprechen.
Auch Ihr Rekurrieren auf E. Verdroß-Droßberg, der (1958) vom Verlust von Bänden aus dem Waldauf-Bestand "während des letzten Krieges" berichtet, trägt zur Verifizierung dieser (von mir hinterfragten) Überlieferung nichts Substantielles bei, da diese pauschale Aussage theoretisch auf die gleiche Quelle zurückgehen könnte, die auch Brunner erwähnt. Anzumerken wäre hier, daß es ganz allgemein sehr viele Geschichten gibt, welche den Verlust von Kulturgütern zur "Zeit des Zweiten Weltkrieges" betreffen und sich bei genauerer Prüfung als bloße Legenden erweisen - zudem frägt man sich als logisch denkender Mensch, welches konkrete Interesse das NS-Regime an der Beschlagnahmung von alten, zumeist lateinischen Büchern (mit geistlichem Schwerpunkt) gehabt haben könnte, zumal mir persönlich kein Fall bekannt ist, wo dies tatsächlich geschehen wäre.
Insgesamt wären in der aktuellen Causa also wohl ein wenig Mäßigung in den Aussagen, zielführendere Recherchen sowie ein ergebnisorientierteres Vorgehen aller Beteiligten angebracht gewesen - Ihr nonchalanter Hinweis, daß von einer richterlichen einstweiligen Verfügung abgesehen wurde, da sich die Verhandlungen mit Z. & S. in München zunächst gut anließen, spricht dabei Bände...
KlausGraf antwortete am 2011/11/14 15:38:
Ihr Beitrag liefert keinerlei neue Einsichten
Ich bleibe bei "abwegig" und verweise auf Josef Pauser hinsichtlich der Frage, wer die Provenienz darzulegen hat: der Bestohlene oder derjenige, der das Diebesgut anbietet.
Andreas Faistenberger (Gast) antwortete am 2011/11/14 20:17:
Sie haben Josef Pauser offenbar mißverstanden
Der von mir sehr geschätzte Josef Pauser spricht in seinem Beitrag davon, daß das Auktionshaus die Provenienz dokumentieren "sollte" bzw. "(zur eigenen Absicherung) müßte" - es wird also pro futuro die sinnvolle Forderung erhoben, entsprechende Instrumentarien zu schaffen, die Fälle wie den jetzigen verhindern können. Die tatsächliche Rechtslage, auf die ich mich bezog, sieht jedoch - leider - anders aus. Im übrigen stimme ich J. Pauser vollkommen zu, daß es müßig ist, über die mit dieser Causa verbundenen, z. T. sehr komplizierten Rechtsfragen zu spekulieren, wenn wir nichts Konkretes über den tatsächlichen Hergang der "Entfremdung" von Teilbeständen aus der Sammlung wissen. Auf jeden Fall ist zu konstatieren, daß der Ausgang des Falles nicht schlimmer hätte sein können; anstatt das Konvolut von über 200 Bänden tatsächlich zu sichern, dienten sämtliche gutgemeinten "Rettungsversuche" lediglich der "Publicity" des Münchner Auktionshauses und bescherten diesem auch noch fette Gewinne...
mhuiskes meinte am 2012/02/01 16:42:
Waldauf-Band aus der Zisska-Schauer-Auktion bei Ebay
http://cgi.ebay.de/ws/eBayISAPI.dll?ViewItem&item=150744183054Aus der Waldauf-Bibliothek taucht gerade bei Ebay Haimo (v.Auxerre), Homiliarum ... pars hyemalis = Bd. 1 von 2, Köln 1540 = Nr. 399 der Zisska-Schauer-Auktion (Zuschlag 150 Euro) auf, ohne Provenienz-Hinweis. Startpreis war 1 Euro ....
Andreas Faistenberger (Gast) antwortete am 2012/11/19 21:18:
Waldauf-Inkunabeln bei ebay
Bei ebay hat derzeit (also ein Jahr nach der Versteigerung bei Z&S in München) der Verkäufer "schnellkauf69" (=sedulitas kunstmarketing/Katrin Hofmann in Weidenhain/Sachsen) vier Inkunabeln mit Waldauf-Nachweis im Angebot. Es handelt sich dabei offenbar um die Nummern 115, 131, 135 u. 153 aus dem Z&S-Katalog (58. Auktion) von Nov. 2011. Über die exakte ebay-Art.-Beschreibung des Anbieters können damit zwei weitere Inkunabeln, deren Provenienz sich offenbar nicht aus der Beschreibung im Katalog von Z&S ergab (vgl. die entsprechende Auflistung v. Klaus Graf in diesem Blog), dem ehemaligen Bestand zugeordnet werden (=Nr. 115 u. 131). Interessant dabei auch der zusätzliche handschriftl. Besitzvermerk in Inkunabel "Angelus de Clavasio: Summa angelica..., Straßburg 1495" (Z&S-Kat.-Nr. 115): "Mag. Jo(h)an(nes) Stadler SS Theol. Baccal. (...)" aus "Greding" (wohl jenes in Mittelfranken, zw. Nürnberg u. Ingolstadt gelegen). Dies deshalb, da es sich um denselben "Geistlichen Johann Stadler" handeln dürfte, der auch in dem (immer noch) bei Inlibris/Wien angebotenen Hrabanus Maurus: De laudibus... v. 1503 mit seinem Besitzvermerk (v. 1588 bzw. 1612) neben dem Waldauf-Nachweis genannt wird, allerdings mit der Verortung nach "Hall bei Innsbruck" (s. dazu auch hier im Blog v. Kl. Graf). Laut Th. Specht (Matrikel der Univ. Dillingen) ist für 1596 tatsächlich ein "Mag. SS Theol. Baccal. Formatus, parochus in Greding", mit diesem Namen nachweisbar:
http://www.inka.uni-tuebingen.de/cgi-bin/prov?sregister=Stadler+Johannes&status=suchen
Allem Anschein nach war der Geistliche jedoch Eigner der Bände, bevor diese der Waldauf-Bibliothek (im 17. Jh.?) zugeführt wurden, sodaß uns diese Überlegungen zur Frage des (m. E. immer noch ungeklärten) Zeitpunkts u. der Art der "Entfremdung" von Teilen des ehemaligen Bestandes leider nicht weiterbringen...
Nur nebenbei: Die Sofort-Kaufen-Preise der drei Bände bei ebay betragen etwa das zwei- bis dreifache des Schätzpreises von Z&S, die Auktion des einzigen Bandes, der "normal" (d. h. durch Zeitablauf) versteigert wurde (Z&S-Nr. 135, Joh. Vercellensis: Sermones..., vor 1492), ist soeben mit einem Meistbot v. 2.200,- € beendet worden (SP Z&S 2011: 1.500,-; die Ergebnisliste ist leider nicht mehr im Netz verfügbar).
Auch sonst sind in letzter Zeit immer wieder mal Bände mit Waldauf-Stempel (bzw. handschriftlichem Besitzvermerk) bei ebay aufgetaucht, jedoch bislang - zumindest nach meiner Beobachtung - noch keine Inkunabeln...