Auf zwei von Peter Blum organisierten Fortbildungsveranstaltungen für Wirtschaftsarchivare durfte ich zur GEMA referieren. Ich habe im folgenden meine Stichworte etwas ausformuliert.
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Die Musik-Verwertungsgesellschaft GEMA hat im vergangenen Jahr rund 736 Millionen Euro an Rechteinhaber ausgeschüttet. Dies war gegenüber 2009 ein Plus von 22 Millionen Euro oder 3,3 Prozent
Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) ist eine Verwertungsgesellschaft, die in Deutschland (Generaldirektionen Berlin und München) die Nutzungsrechte aus dem Urheberrecht von denjenigen Komponisten, Textdichtern und Verlegern von Musikwerken vertritt, die als Mitglied in ihr organisiert sind.
Die GEMA vertritt in Deutschland die Urheberrechte von mehr als 64.000 Mitgliedern wie Komponisten, Textautoren und Musikverlegern sowie von über zwei Million Rechteinhabern aus aller Welt.
O-Ton von der GEMA-Website: “Warum muss ich der GEMA Geld bezahlen, um öffentlich Musik abspielen oder aufführen zu können?
In aller Kürze: Damit auch Musikschaffende von ihrer Arbeit leben können. Kreative Leistung kommt schließlich nicht aus dem Nichts, sondern ist das Resultat harter Arbeit. Aus demselben Grund gibt es beispielsweise Patente, damit Erfinder von ihren Ideen profitieren können. Wie Erfinder, so haben auch Komponisten, Textdichter und Musikverleger ein gesetzlich verbrieftes Recht auf angemessene Vergütung.
Dieses Recht für ihre Mitglieder einzufordern ist in Deutschland die Aufgabe der GEMA: [...] Für Sie als Musiknutzer heißt das: Die öffentliche Musikwiedergabe ist grundsätzlich nur mit Erlaubnis und Honorierung der Musikurheber zulässig. Das ist fair: Sie arbeiten ja auch nicht ohne Bezahlung.”
https://www.gema.de/musiknutzer/10-fragen-10-antworten.html
Andere Verwertungsgesellschaften:
VG Wort (für Autoren einschließlich Wissenschaftsautoren)
GVL – Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH
ausübende Künstler (Sänger, Musiker)
VG Musikedition - Stichwort: Kindergartenkopien
Die GEMA ist für Urheber und Musikverlage zuständig.
Zur Geschichte: Am 1. Juli 1903 gründeten die Mitglieder der
erst kurz zuvor ins Leben gerufenen „Genossenschaft Deutscher
Tonsetzer“ (GDT) die erste Verwertungsgesellschaft Deutschlands,
die „Deutsche Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht“ (AFMA).
Die Initiative ging maßgeblich auf den Komponisten Richard Strauss
zurück.
Voraussetzung für den Gründungsakt war das ein Jahr zuvor in Kraft
getretene „Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der
Literatur und der Tonkunst“. Demnach durfte ein musikalisches Werk nur dann öffentlich aufgeführt werden, wenn der Urheber seine Genehmigung erteilt hatte.
Unrühmliche NS-Vergangenheit: Damals wurden alle Rechte von der Ende 1933 gegründeten Stagma wahrgenommen, der "Staatlich genehmigten Gesellschaft zur Verwertung musikalischer Urheberrechte". Diese war Nachfolgerin der damals 30 Jahre alten Gema, deren mehrheitlich nationalsozialistisch gesinnten Mitglieder zunächst eine "Selbstreinigung" gefordert und die sich im Herbst '33 dann aufgelöst hatte. Geschäftsführer der Stagma wurde Leo Ritter, der dieses Amt schon seit 1928 bei der Gema innehatte und Hitlers "Mein Kampf" als Prämie für verdiente Mitarbeiter zu verschenken pflegte. Bezugsberechtigt waren laut Satzung nur "Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, Angehörige der Berufsstände der deutschen Komponisten, der deutschen Textdichter und der deutschen Musikverleger". Da aber die Reichsmusikkammer unter ihrem Präsidenten Richard Strauss 1934 in ihren Richtlinien festgelegt hatte "Nichtarier sind grundsätzlich nicht als geeignete Träger und Verwalter deutschen Kulturguts anzusehen", bedeutete dies das Berufsverbot für die damals etwa 8000 in der Reichsmusikkammer organisierten Juden.
http://www.abendblatt.de/kultur-live/article432707/Urheberrechte-Tantiemen-und-die-Vorgaengerin-der-Gema.html (wörtliche Übernahme)
http://de.wikipedia.org/wiki/GEMA#Jahre_1902_bis_1945
Die GEMA ist eine außerordentlich gut vernetzte Lobby-Organisation. So war der Generaldirektor von 1990 bis 2005, Reinhold Kreile, zuvor MdB der CSU. Er ist Herausgeber der Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM).
http://de.wikipedia.org/wiki/Reinhold_Kreile
Für den Berechtigungsvertrag gilt das Alles oder Nichts-Prinzip. Der Urheber ist zu einer ausschließlichen Rechteeinräumung gezwungen.
Das bedeutet unter anderem: Singer-Songwriter müssen für eigene Werke zahlen bzw. GEMA-Zustimmung einholen. Sie erhalten das dann zurück, aber abzüglich der Verwaltungspauschale von ca. 14 % und mit Zinsverlust durch Auszahlung zum nächstfolgenden Stichtag.
Es besteht ein Kontrahierungszwang gegenüber Urheber und Nutzer. Die GEMA muss jeden vertreten und jedem die Rechte zu gleichen Bedingungen einräumen.
Die sogenannte GEMA-Vermutung bedeutet eine Umkehr der Beweislast. “Diese besage, dass aufgrund des umfassenden Weltrepertoires, das die GEMA verwalte, eine tatsächliche Vermutung dafür spräche, dass bei Aufführungen von in- und ausländischer Tanz- und Unterhaltungsmusik eine Vergütungspflicht bestehe. Jeder, der behaupte, dass bei einer Veranstaltung kein Werk des GEMA-Repertoires wiedergegeben wurde, habe hierfür den Beweis zu führen. Das kann z.B. durch Vorlage eines vollständigen Musikprogramms für die betreffende Veranstaltung geschehen.”
http://medien-internet-und-recht.de/volltext.php?mir_dok_id=1233
GEMA-Zuschlag: Bei Nichtanmeldung erfolgt Verdopplung des Tarifs
(auch bei Aufführung eigener Werke).
§ 13b Wahrnehmungsgesetz lautet:
“Pflichten des Veranstalters
(1) Veranstalter von öffentlichen Wiedergaben urheberrechtlich geschützter Werke haben vor der Veranstaltung die Einwilligung der Verwertungsgesellschaft einzuholen, welche die Nutzungsrechte an diesen Werken wahrnimmt.
(2) Nach der Veranstaltung hat der Veranstalter der Verwertungsgesellschaft eine Aufstellung über die bei der Veranstaltung benutzten Werke zu übersenden. “
Die Titelliste muss der GEMA drei Tage vor der Veranstaltung vorliegen.
Bei einer Archiv-Veranstaltung muss man zunächst fragen:
Ist die Musik geschützt?
Erst 70 Jahre nach dem Tod des Komponisten bzw. Textdichters ist das nicht mehr der Fall.
Für das Leistungsschutzrecht des ausübenden Künstlers ist die Frist: 50 Jahre nach Veröffentlichung.
Ist die Veranstaltung öffentlich?
Archivführung (öffentlich, für beliebige Teilnehmer) vs. Archivbenutzung
Die Archivführung ist öffentlich und bei der GEMA anzumelden, die Einzelbenutzung von Archivgut (auch durch mehrere Personen) nicht.
[siehe dazu
http://archiv.twoday.net/stories/49617724/ ]
Zentral ist die "persönliche Verbundenheit". Gern gewähltes Beispiel ist das Sommerfest im Altenheim. Wenn daran auch Nachbarn, Freunde usw. teilnehmen können, ist es öffentlich.
Vertiefend zum Öffentlichkeitsbegriff bzw. zur öffentlichen Wiedergabe:
- meine Urheberrechtsfibel
http://www.irights.info/?q=content/klicksafe-cds-digitale-musik-mp3-nutzungsrechte
Die Höhe der an die GEMA zu zahlenden Vergütung richtet sich grundsätzlich nach der Größe des Veranstaltungsraumes und der Höhe des Eintrittsgeldes.
Man kann durchaus von einem Tarifdschungel sprechen - es gibt über 100 Tarife (alle kann man auf der GEMA-Website einsehen). Beispiel: 3 Seiten Vergütungssätze U-WK bei Wortkabarett.
1. Berechnungsbeispiel: Das Archiv veranstaltet einen kabarettartigen Abend mit Texten und Musik aus den 1920er Jahren
Eintritt kostet 5 Euro, der Saal ist knapp 200 qm groß
GEMA-Gebühren je angefangene 5 Musikminuten 15,58. Bei etwa einer halben Stunde Musik sind das 93,48 Euro.
Es gibt eine Härtefallnachlassregelung (wenn z.B .nur 5 zahlende Gäste kommen). Eine unbürokratische Abwicklung darf man aber nicht erwarten. Es spielt auch keine Rolle, ob es sich um eine Benefizveranstaltung handelt, bei der niemand etwas verdient. Die Ausnahmen des § 52 UrhG werden bei Archivveranstaltungen nie gegeben sein (es sei denn, das Archiv veranstaltet einen "Archivabend" in einem Altenheim nur für deren Bewohner). Siehe dazu
http://www.urheberrecht.th.schule.de/86210899320b03605/033a7a99650877905/index.html
2. Berechnungsbeispiel: Konzert der ernsten Musik
Beispielsweise "Verzeichnis der Hexenleut, so zu Würzburg mit dem Schwert gerichtet und nachher verbrannt worden" von Friedrich Cerha
Es gibt bis zu 9 ausübende Künstler (Musiker). Der Veranstaltungsraum fasst bis zu 100 Personen, 5 Euro Eintritt, an die GEMA müssen 71,85 Euro gezahlt werden.
Natürlich muss auch bei Einstellung von Musik im Internet z.B. als Hintergrundmusik eines Archivvideos an die GEMA gezahlt werden.
[Hier müssen aber auch sog. Synch-Rechte vom Urheber/Verlag eingeholt werden, was sehr teuer werden kann:
http://www.haerting.de/webEdition/we_cmd.php?we_cmd%5B0%5D=preview_objectFile&we_objectID=1380&we_cmd%5B2%5D=125 ]
Nochmals: Risiko bei Nichtanmeldung: doppelter Tarif!
Bei allgemein zugänglichen öffentlichen Veranstaltungen sind die Spitzel der GEMA überall! Das Risiko, ertappt zu werden, ist also sehr hoch.
Tipp: Sich im Vorfeld der geplanten Veranstaltung ausführlich von der GEMA beraten lassen.
Schlupfloch Zitatrecht nach § 51 UrhG?
Das Schlupfloch ist in der Tat winzig. In Betracht kommt bei einem Vortrag das Anspielen von Musik, wenn diese Belegcharakter für die Ausführungen hat und nicht nur ein nettes Feature ist. So darf natürlich in einem Vortrag über Soldatenmusik in der NS-Zeit Lily-Marlen angespielt werden. Geht der Vortrag zentral über ein Musikstück, darf dieses auch ganz wiedergegeben werden.
Kritik an der GEMA
Materialsammlung kritischer Stimmen:
http://www.diigo.com/user/klausgraf/gema
- Sie ist die meistgehasste Verwertungsgesellschaft
- Die Nutzer von YouTube ärgern sich über die Meldung, dass Musik in unserem Land nicht verfügbar ist
http://archiv.twoday.net/stories/26106556/
- Unbeliebt gemacht hat sie sich durch Abzocke in den Kindergärten (Inkasso der VG Musik-Edition)
http://archiv.twoday.net/stories/16564730/
http://archiv.twoday.net/stories/11532623/
http://archiv.twoday.net/stories/11436391/
http://archiv.twoday.net/stories/8442381/
http://archiv.twoday.net/stories/8400222/
- Auch bei Martinsumzügen muss gezahlt werden
http://archiv.twoday.net/stories/11422607/ (hier geht es um die Abmahnung einer Autorin, nicht der GEMA, aber Martinsumzüge gelten als öffentlich und sind daher der GEMA anzumelden, wenn Werke aus dem GEMA-Repertoire gesungen werden)
- Weihnachtsmärkte stöhnen über zu hohe Kosten
http://archiv.twoday.net/stories/11422607/
- Vereine sind unzufrieden
- Volksmusiker fühlen sich von der GEMA schikaniert
http://volxmusik.de/urhr.html
- In einer Petition fordern Künstler und Veranstalter eine Korrektur der GEMA-Vorschriften hinsichtlich einer besseren Transparenz, angepassten Zahlungsmodalitäten und anderen Kritikpunkten. Die Petition wurde von 106575 Bürgen gezeichnet und befindet sich seit dem 17. Juli 2009 in der parlamentarischen Prüfung.
https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=4517
http://archiv.twoday.net/stories/5793150
- GEMA ist eine Schein-Demokratie, denn nur 3000 ordentliche Mitglieder entscheiden
- GEMA zahlt ihrem Vorstand ein überhöhtes Gehalt, das letztlich von Urhebern und Nutzern aufgebracht wird: der dreiköpfige Vorstand erhält ein Jahresgehalt von 1,41 Mio. Euro - das würde 380.000 Euro pro Nase bedeuten
http://www.heise.de/tp/artikel/34/34218/1.html
- Die GEMA ist intransparent: Die Presse ist nicht zur gesamten Mitgliederversammlung zugelassen
- Die GEMA ist ein schlechter Arbeitgeber: 2011 wurden die 1200 Beschäftigten von Verdi zu Warnstreiks aufgerufen
- Es gibt keine freien Lizenzen mit der GEMA. Musiker, die Creative Commons unterstützen, können nicht bei der GEMA sein.
- Der Monopolcharakter der GEMA führt zu Missständen. Robin Christian Steden: Das Monopol der GEMA, 2003, S. 198 resümiert seine Ergebnisse:
- unangemessene Tarifstaffelung bei einem Tarif,
- bei anderen Verletzung des Gleichbehandlungsgebots,
- Tarifwerk zu wenig übersichtlich und verständlich
- Die staatliche Aufsichtsbehörde, das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) kontrolliert GEMA-Tarife nur hinsichtlich der offensichtlichen Unangemessenheit
Warum ändert sich trotz aller Kritik nichts? Weil die GEMA Urheberrechtler und Politiker auf ihrer Seite hat.
2009 bezeichnete Friedrich Pohl in der WELT die GEMA als Totengräber der Musik. Zitat:
“Die Gema ist in ihrer heutigen Form weder zeitgemäß noch hilfreich. Transparente Strukturen und Ausschüttungen, die Auflösung der unsäglichen Unterteilung von E- und U-Musik und das Nichtgängeln von Nicht-Gema-Mitgliedern sind die mindesten Forderungen, die man an sie stellen kann. Solange sich die Gema dem verstellt, wirken ihre Gebaren gegen YouTube & Co einfach nur lächerlich.”
http://www.welt.de/kultur/article3483406/Diese-Gema-ist-der-Totengraeber-der-Musik.html
#gema
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Die Musik-Verwertungsgesellschaft GEMA hat im vergangenen Jahr rund 736 Millionen Euro an Rechteinhaber ausgeschüttet. Dies war gegenüber 2009 ein Plus von 22 Millionen Euro oder 3,3 Prozent
Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) ist eine Verwertungsgesellschaft, die in Deutschland (Generaldirektionen Berlin und München) die Nutzungsrechte aus dem Urheberrecht von denjenigen Komponisten, Textdichtern und Verlegern von Musikwerken vertritt, die als Mitglied in ihr organisiert sind.
Die GEMA vertritt in Deutschland die Urheberrechte von mehr als 64.000 Mitgliedern wie Komponisten, Textautoren und Musikverlegern sowie von über zwei Million Rechteinhabern aus aller Welt.
O-Ton von der GEMA-Website: “Warum muss ich der GEMA Geld bezahlen, um öffentlich Musik abspielen oder aufführen zu können?
In aller Kürze: Damit auch Musikschaffende von ihrer Arbeit leben können. Kreative Leistung kommt schließlich nicht aus dem Nichts, sondern ist das Resultat harter Arbeit. Aus demselben Grund gibt es beispielsweise Patente, damit Erfinder von ihren Ideen profitieren können. Wie Erfinder, so haben auch Komponisten, Textdichter und Musikverleger ein gesetzlich verbrieftes Recht auf angemessene Vergütung.
Dieses Recht für ihre Mitglieder einzufordern ist in Deutschland die Aufgabe der GEMA: [...] Für Sie als Musiknutzer heißt das: Die öffentliche Musikwiedergabe ist grundsätzlich nur mit Erlaubnis und Honorierung der Musikurheber zulässig. Das ist fair: Sie arbeiten ja auch nicht ohne Bezahlung.”
https://www.gema.de/musiknutzer/10-fragen-10-antworten.html
Andere Verwertungsgesellschaften:
VG Wort (für Autoren einschließlich Wissenschaftsautoren)
GVL – Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH
ausübende Künstler (Sänger, Musiker)
VG Musikedition - Stichwort: Kindergartenkopien
Die GEMA ist für Urheber und Musikverlage zuständig.
Zur Geschichte: Am 1. Juli 1903 gründeten die Mitglieder der
erst kurz zuvor ins Leben gerufenen „Genossenschaft Deutscher
Tonsetzer“ (GDT) die erste Verwertungsgesellschaft Deutschlands,
die „Deutsche Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht“ (AFMA).
Die Initiative ging maßgeblich auf den Komponisten Richard Strauss
zurück.
Voraussetzung für den Gründungsakt war das ein Jahr zuvor in Kraft
getretene „Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der
Literatur und der Tonkunst“. Demnach durfte ein musikalisches Werk nur dann öffentlich aufgeführt werden, wenn der Urheber seine Genehmigung erteilt hatte.
Unrühmliche NS-Vergangenheit: Damals wurden alle Rechte von der Ende 1933 gegründeten Stagma wahrgenommen, der "Staatlich genehmigten Gesellschaft zur Verwertung musikalischer Urheberrechte". Diese war Nachfolgerin der damals 30 Jahre alten Gema, deren mehrheitlich nationalsozialistisch gesinnten Mitglieder zunächst eine "Selbstreinigung" gefordert und die sich im Herbst '33 dann aufgelöst hatte. Geschäftsführer der Stagma wurde Leo Ritter, der dieses Amt schon seit 1928 bei der Gema innehatte und Hitlers "Mein Kampf" als Prämie für verdiente Mitarbeiter zu verschenken pflegte. Bezugsberechtigt waren laut Satzung nur "Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, Angehörige der Berufsstände der deutschen Komponisten, der deutschen Textdichter und der deutschen Musikverleger". Da aber die Reichsmusikkammer unter ihrem Präsidenten Richard Strauss 1934 in ihren Richtlinien festgelegt hatte "Nichtarier sind grundsätzlich nicht als geeignete Träger und Verwalter deutschen Kulturguts anzusehen", bedeutete dies das Berufsverbot für die damals etwa 8000 in der Reichsmusikkammer organisierten Juden.
http://www.abendblatt.de/kultur-live/article432707/Urheberrechte-Tantiemen-und-die-Vorgaengerin-der-Gema.html (wörtliche Übernahme)
http://de.wikipedia.org/wiki/GEMA#Jahre_1902_bis_1945
Die GEMA ist eine außerordentlich gut vernetzte Lobby-Organisation. So war der Generaldirektor von 1990 bis 2005, Reinhold Kreile, zuvor MdB der CSU. Er ist Herausgeber der Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM).
http://de.wikipedia.org/wiki/Reinhold_Kreile
Für den Berechtigungsvertrag gilt das Alles oder Nichts-Prinzip. Der Urheber ist zu einer ausschließlichen Rechteeinräumung gezwungen.
Das bedeutet unter anderem: Singer-Songwriter müssen für eigene Werke zahlen bzw. GEMA-Zustimmung einholen. Sie erhalten das dann zurück, aber abzüglich der Verwaltungspauschale von ca. 14 % und mit Zinsverlust durch Auszahlung zum nächstfolgenden Stichtag.
Es besteht ein Kontrahierungszwang gegenüber Urheber und Nutzer. Die GEMA muss jeden vertreten und jedem die Rechte zu gleichen Bedingungen einräumen.
Die sogenannte GEMA-Vermutung bedeutet eine Umkehr der Beweislast. “Diese besage, dass aufgrund des umfassenden Weltrepertoires, das die GEMA verwalte, eine tatsächliche Vermutung dafür spräche, dass bei Aufführungen von in- und ausländischer Tanz- und Unterhaltungsmusik eine Vergütungspflicht bestehe. Jeder, der behaupte, dass bei einer Veranstaltung kein Werk des GEMA-Repertoires wiedergegeben wurde, habe hierfür den Beweis zu führen. Das kann z.B. durch Vorlage eines vollständigen Musikprogramms für die betreffende Veranstaltung geschehen.”
http://medien-internet-und-recht.de/volltext.php?mir_dok_id=1233
GEMA-Zuschlag: Bei Nichtanmeldung erfolgt Verdopplung des Tarifs
(auch bei Aufführung eigener Werke).
§ 13b Wahrnehmungsgesetz lautet:
“Pflichten des Veranstalters
(1) Veranstalter von öffentlichen Wiedergaben urheberrechtlich geschützter Werke haben vor der Veranstaltung die Einwilligung der Verwertungsgesellschaft einzuholen, welche die Nutzungsrechte an diesen Werken wahrnimmt.
(2) Nach der Veranstaltung hat der Veranstalter der Verwertungsgesellschaft eine Aufstellung über die bei der Veranstaltung benutzten Werke zu übersenden. “
Die Titelliste muss der GEMA drei Tage vor der Veranstaltung vorliegen.
Bei einer Archiv-Veranstaltung muss man zunächst fragen:
Ist die Musik geschützt?
Erst 70 Jahre nach dem Tod des Komponisten bzw. Textdichters ist das nicht mehr der Fall.
Für das Leistungsschutzrecht des ausübenden Künstlers ist die Frist: 50 Jahre nach Veröffentlichung.
Ist die Veranstaltung öffentlich?
Archivführung (öffentlich, für beliebige Teilnehmer) vs. Archivbenutzung
Die Archivführung ist öffentlich und bei der GEMA anzumelden, die Einzelbenutzung von Archivgut (auch durch mehrere Personen) nicht.
[siehe dazu
http://archiv.twoday.net/stories/49617724/ ]
Zentral ist die "persönliche Verbundenheit". Gern gewähltes Beispiel ist das Sommerfest im Altenheim. Wenn daran auch Nachbarn, Freunde usw. teilnehmen können, ist es öffentlich.
Vertiefend zum Öffentlichkeitsbegriff bzw. zur öffentlichen Wiedergabe:
- meine Urheberrechtsfibel
http://www.irights.info/?q=content/klicksafe-cds-digitale-musik-mp3-nutzungsrechte
Die Höhe der an die GEMA zu zahlenden Vergütung richtet sich grundsätzlich nach der Größe des Veranstaltungsraumes und der Höhe des Eintrittsgeldes.
Man kann durchaus von einem Tarifdschungel sprechen - es gibt über 100 Tarife (alle kann man auf der GEMA-Website einsehen). Beispiel: 3 Seiten Vergütungssätze U-WK bei Wortkabarett.
1. Berechnungsbeispiel: Das Archiv veranstaltet einen kabarettartigen Abend mit Texten und Musik aus den 1920er Jahren
Eintritt kostet 5 Euro, der Saal ist knapp 200 qm groß
GEMA-Gebühren je angefangene 5 Musikminuten 15,58. Bei etwa einer halben Stunde Musik sind das 93,48 Euro.
Es gibt eine Härtefallnachlassregelung (wenn z.B .nur 5 zahlende Gäste kommen). Eine unbürokratische Abwicklung darf man aber nicht erwarten. Es spielt auch keine Rolle, ob es sich um eine Benefizveranstaltung handelt, bei der niemand etwas verdient. Die Ausnahmen des § 52 UrhG werden bei Archivveranstaltungen nie gegeben sein (es sei denn, das Archiv veranstaltet einen "Archivabend" in einem Altenheim nur für deren Bewohner). Siehe dazu
http://www.urheberrecht.th.schule.de/86210899320b03605/033a7a99650877905/index.html
2. Berechnungsbeispiel: Konzert der ernsten Musik
Beispielsweise "Verzeichnis der Hexenleut, so zu Würzburg mit dem Schwert gerichtet und nachher verbrannt worden" von Friedrich Cerha
Es gibt bis zu 9 ausübende Künstler (Musiker). Der Veranstaltungsraum fasst bis zu 100 Personen, 5 Euro Eintritt, an die GEMA müssen 71,85 Euro gezahlt werden.
Natürlich muss auch bei Einstellung von Musik im Internet z.B. als Hintergrundmusik eines Archivvideos an die GEMA gezahlt werden.
[Hier müssen aber auch sog. Synch-Rechte vom Urheber/Verlag eingeholt werden, was sehr teuer werden kann:
http://www.haerting.de/webEdition/we_cmd.php?we_cmd%5B0%5D=preview_objectFile&we_objectID=1380&we_cmd%5B2%5D=125 ]
Nochmals: Risiko bei Nichtanmeldung: doppelter Tarif!
Bei allgemein zugänglichen öffentlichen Veranstaltungen sind die Spitzel der GEMA überall! Das Risiko, ertappt zu werden, ist also sehr hoch.
Tipp: Sich im Vorfeld der geplanten Veranstaltung ausführlich von der GEMA beraten lassen.
Schlupfloch Zitatrecht nach § 51 UrhG?
Das Schlupfloch ist in der Tat winzig. In Betracht kommt bei einem Vortrag das Anspielen von Musik, wenn diese Belegcharakter für die Ausführungen hat und nicht nur ein nettes Feature ist. So darf natürlich in einem Vortrag über Soldatenmusik in der NS-Zeit Lily-Marlen angespielt werden. Geht der Vortrag zentral über ein Musikstück, darf dieses auch ganz wiedergegeben werden.
Kritik an der GEMA
Materialsammlung kritischer Stimmen:
http://www.diigo.com/user/klausgraf/gema
- Sie ist die meistgehasste Verwertungsgesellschaft
- Die Nutzer von YouTube ärgern sich über die Meldung, dass Musik in unserem Land nicht verfügbar ist
http://archiv.twoday.net/stories/26106556/
- Unbeliebt gemacht hat sie sich durch Abzocke in den Kindergärten (Inkasso der VG Musik-Edition)
http://archiv.twoday.net/stories/16564730/
http://archiv.twoday.net/stories/11532623/
http://archiv.twoday.net/stories/11436391/
http://archiv.twoday.net/stories/8442381/
http://archiv.twoday.net/stories/8400222/
- Auch bei Martinsumzügen muss gezahlt werden
http://archiv.twoday.net/stories/11422607/ (hier geht es um die Abmahnung einer Autorin, nicht der GEMA, aber Martinsumzüge gelten als öffentlich und sind daher der GEMA anzumelden, wenn Werke aus dem GEMA-Repertoire gesungen werden)
- Weihnachtsmärkte stöhnen über zu hohe Kosten
http://archiv.twoday.net/stories/11422607/
- Vereine sind unzufrieden
- Volksmusiker fühlen sich von der GEMA schikaniert
http://volxmusik.de/urhr.html
- In einer Petition fordern Künstler und Veranstalter eine Korrektur der GEMA-Vorschriften hinsichtlich einer besseren Transparenz, angepassten Zahlungsmodalitäten und anderen Kritikpunkten. Die Petition wurde von 106575 Bürgen gezeichnet und befindet sich seit dem 17. Juli 2009 in der parlamentarischen Prüfung.
https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=4517
http://archiv.twoday.net/stories/5793150
- GEMA ist eine Schein-Demokratie, denn nur 3000 ordentliche Mitglieder entscheiden
- GEMA zahlt ihrem Vorstand ein überhöhtes Gehalt, das letztlich von Urhebern und Nutzern aufgebracht wird: der dreiköpfige Vorstand erhält ein Jahresgehalt von 1,41 Mio. Euro - das würde 380.000 Euro pro Nase bedeuten
http://www.heise.de/tp/artikel/34/34218/1.html
- Die GEMA ist intransparent: Die Presse ist nicht zur gesamten Mitgliederversammlung zugelassen
- Die GEMA ist ein schlechter Arbeitgeber: 2011 wurden die 1200 Beschäftigten von Verdi zu Warnstreiks aufgerufen
- Es gibt keine freien Lizenzen mit der GEMA. Musiker, die Creative Commons unterstützen, können nicht bei der GEMA sein.
- Der Monopolcharakter der GEMA führt zu Missständen. Robin Christian Steden: Das Monopol der GEMA, 2003, S. 198 resümiert seine Ergebnisse:
- unangemessene Tarifstaffelung bei einem Tarif,
- bei anderen Verletzung des Gleichbehandlungsgebots,
- Tarifwerk zu wenig übersichtlich und verständlich
- Die staatliche Aufsichtsbehörde, das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) kontrolliert GEMA-Tarife nur hinsichtlich der offensichtlichen Unangemessenheit
Warum ändert sich trotz aller Kritik nichts? Weil die GEMA Urheberrechtler und Politiker auf ihrer Seite hat.
2009 bezeichnete Friedrich Pohl in der WELT die GEMA als Totengräber der Musik. Zitat:
“Die Gema ist in ihrer heutigen Form weder zeitgemäß noch hilfreich. Transparente Strukturen und Ausschüttungen, die Auflösung der unsäglichen Unterteilung von E- und U-Musik und das Nichtgängeln von Nicht-Gema-Mitgliedern sind die mindesten Forderungen, die man an sie stellen kann. Solange sich die Gema dem verstellt, wirken ihre Gebaren gegen YouTube & Co einfach nur lächerlich.”
http://www.welt.de/kultur/article3483406/Diese-Gema-ist-der-Totengraeber-der-Musik.html
#gema
KlausGraf - am Samstag, 12. November 2011, 22:14 - Rubrik: Archivrecht