Hans Harter: Die Herzöge von Urslingen in Schiltach (Beiträge zur Geschichte der Stadt Schiltach Bd. 5), Schiltach 2008: Stadt Schiltach. 106 S. Erhältlich für 11,90 Euro im Online-Shop der Stadt Schiltach
Nachdem dem Freiburger Historiker mit seinem "Teufel von Schiltach" (online bei historicum.net) eine ausgezeichnete Fallstudie zur frühneuzeitlichen Traditionsbildung auf dem Feld dämonologischer Überlieferungen gelungen war, wundert es nicht, dass auch in seinem neuen Buch das "Nachleben" der Herzöge von Schiltach eine beachtliche Rolle spielt.
Von der Mitte des 14. Jahrhunderts (urkundlich bezeugt seit 1357) bis zum Verkauf an Württemberg 1381 und nochmals 1398 bis etwa 1415 (als Pfandherren) waren die Herzöge von Urslingen Stadtherren der von den Herzögen von Teck gegründeten kleinen Schwarzwaldstadt. Zwar erfährt man einiges über die Stadtgeschichte, der Schwerpunkt liegt jedoch auf der Darstellung der Familiengeschichte im 14. Jahrhundert.
Die Geschichte Reinolds (V.) bot Gelegenheit, die bemerkenswerten Aktivitäten Reinolds und seines Bruders Werner als "Condottieri" in italienischen Diensten darzustellen. Aber auch in der Heimat war der Kampf, die Fehde ihr Metier. Sie waren "Fehdeherren", spätmittelalterliche Warlords. Herzog Reinold (VI.) war nicht nur in die aufsehenerregende Gruber-Fehde, benannt nach einem Berner Bürger, involviert. Deutlich wird, wie wenig der moralisierende Raubritter-Begriff geeignet ist, eine solche Lebensform adäquat zu beschreiben.
Aus dem Bereich der Traditionsbildung sei auf die auf eine spätmittelalterliche Vorlage zurückgehende Wappentafel der Herzogin von Schiltberg in der Empfinger Pfarrkirche aufmerksam gemacht (S. 38-41).
Harter hat ein anschauliches und allgemeinverständlich geschriebenes Büchlein vorgelegt, das nicht nur in Schiltach wahrgenommen werden sollte. Es ist liebevoll und reichhaltig illustriert (auch wenn ich die Abbildungen mir eher schwarz-weiss als braun-weiss gewünscht hätte).
Einige Ergänzungen:
Zum Nachleben hätte man noch ausführen können, dass Württemberg die durch den Herzogstitel der Urslinger gegebene ständische Qualität des Territoriums als Legitimations-Baustein eingesetzt hat. In seiner Landesbeschreibung Oberdeutschlands schrieb Ladislaus Sunthaim um 1500, das Land Württemberg sei zusammengebracht "aus vil graffschafften und herschafften, als: Tegk, Schilltach, Urslingen, das sind drew furstentumb gewesen" (1495: Württemberg wird Herzogtum, 1995, S. 42). Und ist es ein Zufall, dass in der Darstellung des württembergischen Wappens umgeben von den Wappen der Einzelherrschaften im Wappenbuch Konrad Grünenbergs ganz oben der Urslinger Schilt steht?
http://commons.wikimedia.org/wiki/Image:Gruenenberg_wuerttemberg.jpg
Zum Kontext:
http://www.histsem.uni-freiburg.de/mertens/graf/wue.htm
http://mdz1.bib-bvb.de/cocoon/bdlg/Blatt_bsb00000333,00191.html
[Parallele Darstellung im St. Galler Wappenbuch:
http://www.e-codices.unifr.ch/de/csg/1084/209/medium ]
S. 95-102 versucht Harter eine Neudatierung des "Schwyzertags", eines Schlachtengedenktags in Tiengen. Nicht 1415, wie die Tradition will, sondern 1441 habe die traditionsbildende Attacke auf die Stadt stattgefunden. Dass der ursprüngliche Anlass eines Schlachtengedenktags vergessen werden konnte, habe ich ja bereits 1989 (auch anhand des Tiengener Gedenktags) angesprochen (Schlachtengedenken in der Stadt, in: Stadt und Krieg, S. 90). Es ist durchaus denkbar, dass es überhaupt kein auslösendes Ereignis gegeben hat (beispielsweise in Crailsheim). Von daher mutet Harters Suche nach dem "wirklichen" Anlass zu positivistisch an, zumal der 1. August auch für das Datum 1441 nicht nachweisbar ist. Es ist durchaus plausibel, dass der laut einer Urkunde von 1415 geplante Überfall auf die Stadt die Traditionsbildung ausgelöst hat. Auch die Schweizer "Mordnächte" gehen mitunter gar nicht auf reale Überfälle zurück. Siehe
http://www.histsem.uni-freiburg.de/mertens/graf/riten.htm
und die dort angegebenen Links.
In der Google-Buchsuche
mit US-Proxy hätte der Autor den einen oder anderen interessanten Hinweis finden können, mit dem er seine Darstellung zwar nicht wesentlich ergänzen, aber doch "würzen" hätte können. Harter stützt sich auf die ausgezeichnete neue Monographie Selzers und das nach wie vor maßgebliche Buch Bronners 1828 hinsichtlich der beiden Söldnerführer in Italien, also nicht auf Primärquellen. Das Zitat aus der Übersetzung der lateinischen Chronik Johanns von Viktring wäre aber durchaus geeignet gewesen, die Bedeutung Werners von Urslingen zu konturieren. Übrigens wäre S. 19 ein Hinweis auf die Herkunft der Abbildung mit der Devise des Urslingers willkommen gewesen.
Ob man S. 64 umstandslos der Zimmerischen Chronik einen Bericht über einen Zweikampf glauben darf? Was man von ihr nicht überprüfen kann, ist wohl nicht selten erfunden.
Diese kleinen Einwände ändern natürlich nichts an dem positiven Gesamteindruck.
Nachdem dem Freiburger Historiker mit seinem "Teufel von Schiltach" (online bei historicum.net) eine ausgezeichnete Fallstudie zur frühneuzeitlichen Traditionsbildung auf dem Feld dämonologischer Überlieferungen gelungen war, wundert es nicht, dass auch in seinem neuen Buch das "Nachleben" der Herzöge von Schiltach eine beachtliche Rolle spielt.
Von der Mitte des 14. Jahrhunderts (urkundlich bezeugt seit 1357) bis zum Verkauf an Württemberg 1381 und nochmals 1398 bis etwa 1415 (als Pfandherren) waren die Herzöge von Urslingen Stadtherren der von den Herzögen von Teck gegründeten kleinen Schwarzwaldstadt. Zwar erfährt man einiges über die Stadtgeschichte, der Schwerpunkt liegt jedoch auf der Darstellung der Familiengeschichte im 14. Jahrhundert.
Die Geschichte Reinolds (V.) bot Gelegenheit, die bemerkenswerten Aktivitäten Reinolds und seines Bruders Werner als "Condottieri" in italienischen Diensten darzustellen. Aber auch in der Heimat war der Kampf, die Fehde ihr Metier. Sie waren "Fehdeherren", spätmittelalterliche Warlords. Herzog Reinold (VI.) war nicht nur in die aufsehenerregende Gruber-Fehde, benannt nach einem Berner Bürger, involviert. Deutlich wird, wie wenig der moralisierende Raubritter-Begriff geeignet ist, eine solche Lebensform adäquat zu beschreiben.
Aus dem Bereich der Traditionsbildung sei auf die auf eine spätmittelalterliche Vorlage zurückgehende Wappentafel der Herzogin von Schiltberg in der Empfinger Pfarrkirche aufmerksam gemacht (S. 38-41).
Harter hat ein anschauliches und allgemeinverständlich geschriebenes Büchlein vorgelegt, das nicht nur in Schiltach wahrgenommen werden sollte. Es ist liebevoll und reichhaltig illustriert (auch wenn ich die Abbildungen mir eher schwarz-weiss als braun-weiss gewünscht hätte).
Einige Ergänzungen:
Zum Nachleben hätte man noch ausführen können, dass Württemberg die durch den Herzogstitel der Urslinger gegebene ständische Qualität des Territoriums als Legitimations-Baustein eingesetzt hat. In seiner Landesbeschreibung Oberdeutschlands schrieb Ladislaus Sunthaim um 1500, das Land Württemberg sei zusammengebracht "aus vil graffschafften und herschafften, als: Tegk, Schilltach, Urslingen, das sind drew furstentumb gewesen" (1495: Württemberg wird Herzogtum, 1995, S. 42). Und ist es ein Zufall, dass in der Darstellung des württembergischen Wappens umgeben von den Wappen der Einzelherrschaften im Wappenbuch Konrad Grünenbergs ganz oben der Urslinger Schilt steht?
http://commons.wikimedia.org/wiki/Image:Gruenenberg_wuerttemberg.jpg
Zum Kontext:
http://www.histsem.uni-freiburg.de/mertens/graf/wue.htm
http://mdz1.bib-bvb.de/cocoon/bdlg/Blatt_bsb00000333,00191.html
[Parallele Darstellung im St. Galler Wappenbuch:
http://www.e-codices.unifr.ch/de/csg/1084/209/medium ]
S. 95-102 versucht Harter eine Neudatierung des "Schwyzertags", eines Schlachtengedenktags in Tiengen. Nicht 1415, wie die Tradition will, sondern 1441 habe die traditionsbildende Attacke auf die Stadt stattgefunden. Dass der ursprüngliche Anlass eines Schlachtengedenktags vergessen werden konnte, habe ich ja bereits 1989 (auch anhand des Tiengener Gedenktags) angesprochen (Schlachtengedenken in der Stadt, in: Stadt und Krieg, S. 90). Es ist durchaus denkbar, dass es überhaupt kein auslösendes Ereignis gegeben hat (beispielsweise in Crailsheim). Von daher mutet Harters Suche nach dem "wirklichen" Anlass zu positivistisch an, zumal der 1. August auch für das Datum 1441 nicht nachweisbar ist. Es ist durchaus plausibel, dass der laut einer Urkunde von 1415 geplante Überfall auf die Stadt die Traditionsbildung ausgelöst hat. Auch die Schweizer "Mordnächte" gehen mitunter gar nicht auf reale Überfälle zurück. Siehe
http://www.histsem.uni-freiburg.de/mertens/graf/riten.htm
und die dort angegebenen Links.
In der Google-Buchsuche
mit US-Proxy hätte der Autor den einen oder anderen interessanten Hinweis finden können, mit dem er seine Darstellung zwar nicht wesentlich ergänzen, aber doch "würzen" hätte können. Harter stützt sich auf die ausgezeichnete neue Monographie Selzers und das nach wie vor maßgebliche Buch Bronners 1828 hinsichtlich der beiden Söldnerführer in Italien, also nicht auf Primärquellen. Das Zitat aus der Übersetzung der lateinischen Chronik Johanns von Viktring wäre aber durchaus geeignet gewesen, die Bedeutung Werners von Urslingen zu konturieren. Übrigens wäre S. 19 ein Hinweis auf die Herkunft der Abbildung mit der Devise des Urslingers willkommen gewesen.
Ob man S. 64 umstandslos der Zimmerischen Chronik einen Bericht über einen Zweikampf glauben darf? Was man von ihr nicht überprüfen kann, ist wohl nicht selten erfunden.
Diese kleinen Einwände ändern natürlich nichts an dem positiven Gesamteindruck.
KlausGraf - am Montag, 30. Juni 2008, 22:19 - Rubrik: Landesgeschichte