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Auf Altverträge, die vor Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes abgeschlossen wurden, ist der inzwischen gestrichene § 31 Abs. 4 UrhG über unbekannte Nutzungsarten und damit auch die Übergangsregelung § 137 l UrhG nicht anwendbar.

Wandtke/Bullinger, Urheberrecht 3. Aufl. 2009 (bereits online) verweisen zu § 137 l in Rn. 5 darauf, dass auf die Altverträge die Zweckübertragungsregel anwendbar ist, derzufolge die Rechteeinräumung von vor dem 1.1.1966 unbekannten Nutzungsarten im Zweifel nicht umfasst war. Belegt wird dies mit BGH GRUR 1988, 296, 299 GEMA-Vermutung IV, wo es heißt:

"Schließlich wird das BerG in diesem Fall zu beachten haben, daß die Bestimmung des § 31 Abs. 4 UrhG auf Berechtigungsverträge, die vor dem Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes am 1.1.1966 abgeschlossen worden sind, keine Anwendung findet (vgl. § 132 UrhG; BGH in GRUR 1986, 62 , 66 GEMA-Vermutung I 1, insoweit nicht in BGHZ 95, 274); bei solchen Altverträgen ist gegebenenfalls zu prüfen, ob der Verwertungsgesellschaft die Rechte der - damals noch nicht bekannten - Videozweitauswertung wirksam eingeräumt worden sind; dabei wäre zu berücksichtigen, daß auch nach früherem Recht der Zweckübertragungsgedanke (jetzt § 31 Abs. 5 UrhG) der Einräumung von Rechten an einer noch nicht bekannten Nutzungsart an sich regelmäßig entgegenstand (vgl. RGZ 118, 282, 285 ff. - Musikantenmädel; 123, 312, 317 - Wilhelm Busch 3; BGHZ 11, 135, 143 f. - Schallplatten-Lautsprecherübertragung 4; von Gamm, UrhG, § 31 Rdn. 15), daß aber in diesem Zusammenhang den Besonderheiten des Verhältnisses zwischen Urheber und Verwertungsgesellschaft - anders als bei der an sich zwingenden Regelung des § 31 Abs. 4 UrhG - Rechnung getragen werden kann (vgl. auch BGH in GRUR 1986, 62 , 66 GEMA-Vermutung I, insoweit nicht in BGHZ 95, 274). "

BGHZ 11, 135 = GRUR 1954, 216. Auszug:

"Das RG ist in ständiger Rechtsprechung von dem Ausnahmecharakter des § 22a LUG ausgegangen und hat hieraus gefolgert, daß diese Gesetzesvorschrift wie alle Ausnahmebestimmungen grundsätzlich eng auszulegen sei (RGZ 153, 1 ff. [23]; 140, 239; 128, 102 ff.). Dem schließt sich der Senat an. Eine enge Auslegung der durch § 22a geschaffenen Befugnislücke in der umfassenden Urheberbefugnis des § 11 LUG ist schon nach dem das ganze Urheberrecht beherrschenden Leitgedanken geboten, den Urheber tunlichst an dem wirtschaftlichen Nutzen zu beteiligen, der aus seinem Werk gezogen wird (RGZ 118, 285; 122, 68; 123, 312; 128, 113; 130, 206; 134, 201; 153, 22).

Auf diesem Grundsatz beruht auch die Rechtsprechung des RG, wonach selbst bei einer uneingeschränkten Übertragung des Urheberrechts die Ausnutzung neuer Verwertungsmöglichkeiten, die die Parteien nach dem Stand der Technik im Zeitpunkt der Übertragung nicht in Rechnung gestellt haben, dem Werkschöpfer vorbehalten bleiben (RGZ 118, 285 [Verfilmung]; RGZ 123, 312 [Rundfunksendung] ). Aus dem gleichen Rechtsgedanken hat das RG in seiner für die Schallplattenwiedergabe durch den Rundfunk grundlegenden Entscheidung vom 14. November 1936 (RGZ 153, 1 ff.) den Umfang der durch § 22a LUG gewährten Aufführungsfreiheit nach den Verwertungsmöglichkeiten von Schallvorrichtungen beurteilt, wie sie bei Erlaß der Novelle von 1910 gegeben oder doch nach dem damaligen Stand der Technik voraussehbar waren. Das RG führt hierzu u. a. aus: "In welchem Umfang die Ausnahme bezweckt wurde, läßt sich bloß nach den technischen Möglichkeiten beurteilen, welche bei Erlaß des Gesetzes von 1910 vorlagen. Diese bestanden damals nur in der regelmäßigen, einfachen, erstmaligen, auf dem Grammophon zum unmittelbaren Hören bestimmten Wiedergabe (Elster, Archiv für Urheberrecht 1932, 116 ff., GRUR 1935, 210). Eine beträchtlich weitergehende Wiedergabeart und eine Erstreckung des Ausnahmebereichs auf sie lagen nicht in Zweck und Absicht des Gesetzes." Von dieser grundsätzlichen Auffassung aus hat sich das RG die Frage gestellt, ob die Rundfunksendung "in ihren tatsächlichen Wirkungen den Verhältnissen gleichzusetzen sei, die das Gesetz bei Schaffung des § 22a vor Augen hatte und die daher nach dem Zweck der Vorschrift eine Beschränkung der urheberrechtlichen Befugnis rechtfertigen können". Das RG hat diese Frage für die rundfunkmäßige Sendung von Schallplatten verneint und die Zustimmung sowohl des Komponisten sowie des Inhabers des Schutzrechtes an der Schallplatte (§ 2 Abs. 2) für diese neue Verwertungsart des Urheberrechtsgutes als erforderlich erachtet.

Soweit das RG dieses Ergebnis unter Anknüpfung an seinen in früheren Entscheidungen für die Rundfunksendung entwickelten erweiterten Verbreitungsbegriff (RGZ 113, 413; 123, 312; 136, 381) auch darauf stützt, daß die Wiedergabe eines Werkes durch den Rundfunk in den außerhalb des Kreises der "öffentlichen Aufführung" liegenden Teilbereich der "Verbreitung" falle, der durch § 22a nicht freigegeben sei, vermag der Senat dieser Begründung nicht zu folgen. Der Senat geht vielmehr davon aus, daß der Verbreitungsbegriff sich nur auf die Verbreitung körperlicher Werkexemplare beschränkt und auf die unkörperliche Wiedergabe des Werkes nicht zu erstrecken ist. Der Senat folgt dagegen der weiteren, die Entscheidung tragenden Begründung des RG, wonach dem Begriff der "öffentlichen Aufführung" in der Ausnahmevorschrift des § 22a nur die enge Bedeutung zukommt, die der Gesetzgeber im Jahre 1910 nach dem damaligen Entwicklungsstand der Technik im Auge haben konnte. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt hiernach davon ab, ob die Lautsprecherwiedergabe von Schallplatten mittels moderner Plattenspielapparate in ihren Wirkungen den bei Schaffung des § 22a bekannten Wiedergabemöglichkeiten mechanischer Musik gleichzusetzen ist...

Im Jahre 1910 geschah die Tonaufnahme der Schallplatte in der Weise, daß durch eine mit einer Membran festverbundene Nadel die mechanischen Bewegungen fortlaufend aufgezeichnet wurden, die die Nadel unter dem Impuls der Schallschwingungen ausführte. Die Wiedergabe stellte eine Umkehr dieses mechanischen Aufnahmevorganges dar. Durch die Drehung der Platte wurde eine in ihrer Tonspur entlanggeführte Nadel zu der Wiederholung der mechanischen Schwingungen gezwungen, die zur Bildung der Tonspur geführt hatten. Diese Schwingungen wurden - durch Hebelwirkung vergrößert - auf eine Membran übertragen, die den mechanisch-akustischen Wandler darstellte. Die akustischen Schwingungen wurden durch einen Schalltrichter verstärkt und damit für das menschliche Ohr hörbar gemacht. Die Umformung der auf der Schallplatte festgelegten Töne erfolgte somit durch ein ausschließlich mechanisch-akustisches Verfahren, wobei die Wirksamkeit der in sich geschlossenen Apparatur von den beschränkten mechanischen Möglichkeiten abhängig war. Die auf diese Weise erzeugten Schallwellen waren nur sehr begrenzt weiterleitungsf.ähig und nur einer beschränkten Verstärkung zugänglich. Der Tonqualität waren dadurch, daß größere Massen in Schwingungen versetzt werden mußten, enge Grenzen gesetzt. Um die notwendige Lautstärke zu erreichen, mußte der Nadeldruck verhältnismäßig stark sein, was die Lebensdauer der Platte sowie die Klangreinheit der Wiedergabe herabsetzte.

Die Wiedergabe einer Schallplatte durch einen modernen Plattenspieler mit elektro-akustischem Lautsprecher beruht auf einem völlig anderen Prinzip. Bei diesem Verfahren wird als Wandler ein sog. Tonabnehmer benutzt, der die mechanischen Schwingungen nicht in akustische, sondern in elektrische Schwingungen umwandelt. Diese elektrischen Schwingungen werden sodann durch den Lautsprecher in Schallwellen umgeformt. Der Hörer vernimmt somit Schallwellen, die erst durch eine Verwandlung elektrischer Wellen entstehen, die wiederum auf eine Umformung der zunächst erzeugten mechanischen Schwingungen der Nadel zurückgehen. Diese der Rundfunktechnik entnommene Wiedergabeart mit der ihr eigentümlichen beliebig steigerungsfähigen Verstärkung kleinster elektrischer Impulse ermöglicht es, die mechanischen Bewegung der Nadel auf ein Minimum zu beschränken, was eine erhebliche Klangverbesserung gegenüber dem mechanisch-akustischen Verfahren zur Folge hat. Bei diesem Verfahren können weiterhin die mechanisch schwingenden Massen sehr gering gehalten werden, was sich gleichfalls auf die Tonqualität günstig auswirkt und zugleich die Haltbarkeit der Schallplatte wesentlich erhöht. Gewonnen aber wurde vor allem durch das elektro-akustische Verfahren eine beliebig steigerungsfähige Klangstärke und Reichweite der Schallplattenaufführung. Die in dem Tonabnehmer in elektrische Wellen kleinster Energie verwandelten Schallschwingungen können über beliebig große Verstärker oder ganze Verstärkeranlagen einer unbegrenzten Zahl von Lautsprechern zugeführt werden. Da die elektrischen Wellen auch bei längeren Zuleitungswegen keine Abschwächung erfahren, können diese auch in größerer Entfernung von der übrigen Wiedergabeapparatur aufgestellt werden, ohne daß die Klangstärke beeinträchtigt würde.

Aus dem elektro-akustischen Übertragungsweg kann nun zwar nicht gefolgert werden, das Abspielen von Schallplatten mittels moderner Plattenspieler erfülle nicht den Tatbestand einer "mechanischen Wiedergabe für das Gehör" im Sinn von § 12 Abs. 2 Ziff. 5 LUG. Denn unter diesen Begriff fallen alle nur für das Gehör bestimmten Werkwiedergaben, die nicht unmittelbar durch die Leistung eines ausübenden Künstlers bewirkt werden, sondern mit Hilfe von Vorrichtungen erfolgen, auf die das Werk festgelegt ist, mag auch deren Hörbarmachung nicht ausschließlich auf rein mechanischen Gesetzen beruhen (RGZ 153, 1 [10] ).

Entscheidend ist vielmehr allein, ob die öffentliche Wiedergabe von Schallplatten auf dem elektro-akustischen Ü bertragungsweg den urheberrechtlichen Tatbestand der öffentlichen Aufführung im Sinn der Ausnahmebestimmung des § 22a LUG erfüllt. Dies ist zu verneinen. Diese Wiedergabeart, deren Prinzip heute auch weitgehend bei der Ton aufnahme verwendet wird, war dem Gesetzgeber im Jahre 1910 völlig unbekannt und in seiner umwälzenden Bedeutung für [S. 220] die mechanische Musik nicht voraussehbar. Diese neuartige Wiedergabetechnik ermöglicht ihrer Natur nach eine ganz andersartige und weitergehende wirtschaftliche Ausbeutung von Schallvorrichtungen, als sie der Gesetzgeber bei Festlegung der Aufführungsfreiheit im § 22a in Betracht ziehen konnte. Theoretisch könnte die Reichweite der Lautsprecherwiedergabe die gleiche sein wie die einer Rundfunksendung. Der Unterschied besteht nur darin, daß die Hörbarmachung der Funksendung von einem Empfangsgerät abhängig ist, das keine Verbindung durch einen festen Leitungskörper mit dem Sendeapparat voraussetzt, während bei der Lautsprecherwiedergabe durch Plattenspieler auf diese Verbindung nicht verzichtet werden kann. Aber auch diese Wiedergabeart ist ihrem Wesen nach geeignet, in einer beliebigen Vielheit voneinander getrennter Räume eine nahezu unbegrenzte Hörerschaft zu erf.assen. Weiterhin fällt ins Gewicht, daß die Tonqualität bei dieser Wiedergabetechnik der einer unm1ttelbaren Aufführung durch ausübende Künstler fast gleichwertig ist. Die Lautsprecherwiedergabe ist deshalb, jedenfalls urheberrechtlich gesehen, nicht nur eine technische Verbesserung, sondern ähnlich wie die Rundfunksendung als ein völlig neues technisches Mittel, mechanische Musik darzubieten, zu werten, wobei vom urheberrechtlichen Blickpunkt weniger die Höhe der erfinderischen Leistung als die durch diese Wiedergabeart erschlossene neue gewerbliche Nutzungsmöglichkeit mechanischer Musik bedeutsam ist (im Ergebnis ebenso Möhring, GEMA-Festschrift 1953, S. 54; Kurtze, JR 1952, 343). Die Erwägung, die es dem Gesetzgeber um die Jahrhundertwende tragbar erscheinen ließ, den Urheberrechtsschutz nicht auf mechanische Musikinstrumente zu erstrecken, weil "das Spielen mechanischer Musikinstrumente immer nur ein notdürftiger Ersatz für wirkliche Musik bleiben werde und vornehmlich in Kreisen sich verbreiten werde, in welchen musikalische Reproduktionen schon bislang keinen Eingang gefunden haben", trifft auf die elektroakustische Wiedergabe mechanischer Musik jedenfalls nicht mehr zu. Die Qualität und Reichweite dieser Wiedergabeart hat dazu geführt, daß sie bei öffentlichen Veranstaltungen bereits weitgehend die Originalmusik verdrängt hat. Nicht nur bei öffentlichen Tanzvergnügungen und Sportdarbietungen, auch auf Ausstellungen, in Kurorten, Theatern und Lichtspielhäusern ist die Schallplattenübertragung mittels Lautsprecher vielfach an die Stelle unmittelbarer Musikdarbietungen getreten.

Es kann nicht in der Absicht der Novelle von 1910 gelegen haben, den Ausnahmebereich des § 22a auf diese gegenüber dem damaligen Stand der Technik völlig neuartige Wiedergabeart zu erstrecken, die den Musikveranstaltern weitergehende gewerbliche Auswertungsmöglichkeiten eröffnet als die damals bekannten mechanischen Musikdarbietungen. Weder erfordert es der Zweck des § 22a, durch eine den Abnehmern mechanischer Musikinstrumente eingeräumte urheberrechtliche Vorzugsstellung den Gewerbezweig der Hersteller dieser Instrumente zu begünstigen, noch erlaubt es der das gesamte Urheberrecht durchziehende Leitgedanke, den Urheber an den wirtschaftlichen Früchten seines Werkes angemessen zu beteiligen, öffentliche mechanische Musikveranstaltungen durch Lautsprecherwiedergabe der Ausnahmevorschrift des § 22a zu unterstellen und solche Veranstaltungen damit dem Schutzbereich des Urhebers zu entziehen. Bei der weittragenden Bedeutung, die der gewerblichen Auswertung mechanischer Musik infolge dieser neuen Wiedergabetechnik zukommt, würde es auf eine Aushöhlung und wirtschaftliche Entwertung des dem Urheber durch § 11 Abs. 2 LUG vorbehaltenen Aufführungrechts hinauslaufen, wenn diese Wiedergabeart in die durch § 22a gewährte Erlaubnisfreiheit einbezogen würde. Der Urheber verlöre ersatzlos die Aufführungsgebühren, die ihm bei einer öffentlichen Darbietung seines Werkes durch ausübende Künstler zufiießen würden. Wenn er auch für die Vergabe der mechanischen Vervielfältigungserlaubnis an den Erlösen aus der Schallplattenherstellung beteiligt wird. so kann hierin schon deshalb keine angemessene Entschädigung für die öffentliche Auswertung seines Werkes in der durch die Lautsprecherwiedergabe ermöglichten Art und Reichweite erblickt werden, weil der Absatz der Schallplatten sich durch diese neuen gewerblichen Verwertungsmöglichkeiten nicht in entsprechendem Maße steigert. Denn die Schallplatten werden durch diese Wiedergabetechnik, die die mechanische Musik zu einer ernsthaften Konkurrenz der lebenden Musik gemacht hat, ungleich weniger abgenutzt, was ihre Lebensdauer entsprechend verlängert.

Die Gesichtspunkte, aus denen das RG in seiner Entscheidung vom 11. Juni 1932 (RGZ 136, 377) eine Verletzung des Urheberrechts durch die Lautsprecherübertragung von geschützter, im Rundfunk gesendeter Musik zu gewerblichen Zwecken verneint hat, treffen im Streitfall nicht zu. Abgesehen davon, daß dieses Urteil sich nicht auf die Sendung von Schallplatten bezieht, hat das RG diese Entscheidung im wesentlichen darauf abgestellt, daß die Gestattung der Wiedergabe des Werkes durch Rundfunk ihrer Natur nach eine Erlaubnis zur Überm1ttlung in unbegrenzter Weite und an eine unbestimmt große Menge von Menschen bedeute. Eine dergestalt einmal freigegebene Öffentlichkeit könne durch gewerbsmäßige Lautsprecherdarbietung nicht mehr gesteigert, nicht "noch öffentlicher" gemacht werden. Dort handelte es sich somit um die Abgrenzung des Aufführungsrechts aus § 11 LUG, wenn die öffentliche Darbietung des Werkes durch den Rundfunk ausdrücklich gestattet war, während es hier um die Grenzen der gesetzlichen Zwangserlaubnis der öffentlichen Aufführung mechanischer Vorrichtungen geht. Es bedarf bei dieser Sachlage keiner Stellungnahme, ob dieser Entscheidung des RG, die im Schrifttum lebhafte Kritik gefunden hat, zu folgen ist.

Abzulehnen ist die Ansicht des Bekl., bei Herausnahme der Lautsprecherwiedergabe von Schallplatten aus dem Ausnahmebereich des § 22a müsse zwangsläufig die durch § 27 LUG freigegebene Aufführung erschienener Werke der Tonkunst der Erlaubnispflicht unterstellt werden, wenn sie mittels Lautsprecherübertragung erfolgten. Diese Ansicht verkennt, daß die Erlaubnisfreiheit gewisser nicht gewerbsmäßiger oder unentgeltlicher Aufführungen vom Gesetzgeber im Interesseder Allgemeinheit für geboten erachtet wurde. Bei § 27 handelt es sich somit um eine Anerkennung der sozialen Gebundenheit des Urheberrechts, während § 22a die Abnehmer und Hersteller mechanischer Musikinstrumente begünstigen will. Die Gründe, die eine Einschränkung des Begriffs der öffentlichen Aufführung in § 22a rechtfertigen, können deshalb nicht auf § 27 übertragen werden, der von dem umfassenden Aufführungsbegriff des § 11 Abs. 2 LUG ausgeht.

Es ist somit im Ergebnis festzustellen, daß die öffentliche Aufführung von Schallplatten mit urheberrechtlich geschützter Musik durch Plattenspieler mit Lautsprecherwiedergabe mit den sich aus § 27 LUG ergebenden Einschränkungen gemäß §§ 11, 12 Abs. 2 Ziff. 5 LUG nur mit Erlaubnis des Urhebers zulässig ist.

Dies gilt auch dann, wenn im konkreten Einzelfall die öffentliche Aufführung durch Lautsprecher nur mit einer Reichweite stattfindet, die sich von der Reichweite der 1910 bekannten mechanischen Musikinstrumente nicht unterscheidet. Maßgebend für die Frage, ob eine öffentliche Darbietung aus dem eng auszulegenden Aufführungsbegriff des § 22a herausfällt, ist nicht die Reichweite im einzelnen Anwendungsfall, sondern die Art der gewählten Wiedergabetechnik. Ermöglicht diese ihrer Natur nach die Hörbarmachung für einen fast unbegrenzten Personenkreis und die Weiterleitung der von dem Tonträger abgenommenen Töne in größere Entfernung, so liegt sie außerhalb des Ausnahmebereichs des § 22a. So wenig es für die Bindung des Senderechts an die Erlaubnis des Urhebers von Bedeutung sein kann, ob die Sendung auf ganz schwacher Welle nur im kleinen Umkreis und mit geringer Lautstärke empfangen werden kann, darf bei der öffentlichen Lautsprecherwiedergabe mechanischer Musik auf den tatsächlichen räumlichen Effekt im einzelnen Gebrauchsfall abgestellt werden (vgl. Bühnen-Oberschiedsgericht in Ufita IV, 558). Auch die elektro-akustische Schallplattenübertragung, die tatsächlich keinem größeren Hörerkreis zugänglich wird, als er durch mechanische Musikdarbietungen der 1910 bekannten Art
[S. 221] erfaßt werden konnte, stellt eine neuartige Aufführungsform dar, die durch § 22a nicht gedeckt ist. Denn die neuen gewerblichen Verwertungsmöglichkeiten mechanischer Musik, die durch das elektro-akustische Verfahren erschlossen wurden, beruhen nicht allein auf der größeren Reichweite, sondern auch auf der Vervollkommnung der Klangqualität. Diese hat es im wesentlichen erst ermöglicht, daß mechanische Musik weitgehend als gleichwertiger Ersatz lebender Musik gewertet und entsprechend verwendet wird. Da aber den Komponisten bei der unmittelbar durch lebende Musiker durchgeführten öffentlichen Aufführung seines Werkes auch dann Aufführungsgebühren zustehen, wenn diese Darbietung sich auf kleinsten Raum beschränkt, ist es ein Gebot der Gerechtigkeit den Werkschöpfern gegenüber. sie auch an dem gewerblichen Nutzen teilnehmen zu lassen, der sich bei einem Ersatz derartiger Musikdarbietungen durch eine elektro-akustische Übertragung mechanischer Musik ergibt."

Ebenso argumentieren Dreier/Schulze, Urheberrecht, 2. Aufl. 2006, § 31 Rz. 86-88: Nach früherem Recht stand der Zweckübertragungsgedanke der Einräumung von Rechten einer unbekannten Nutzungsart regelmäßig auch dann entgegen, wenn die Rechte seinerzeit unbeschränkt übertragen wurden (BGHZ 11, 135, siehe oben; RGZ 118, 282 - Musikantenmädel; zur Verfilmung BGH GRUR 1960, 197 - Keine Ferien für den lieben Gott). Hinsichtlich der Verfilmung verneinte das LG München I (GRUR 1991, 377), dass es einen generellen Erfahrungssatz gegeben habe, wonach die Urheber dem Filmproduzenten die Nutzungsrechte für unbekannte Nutzungsarten eingeräumt hätten.

Eine stillschweigende Übereinkunft zu einer solchen Einräumung wurde bei Wochenschauen aufgrund ihres Charakters ausnahmsweise bejaht (LG München I ZUM-RD 1998, 89).

Waren aber ausdrücklich auch Rechte hinsichtlich künftiger Nutzungsarten übertragen worden, ist das wirksam (LG Hamburg, ZUM-RD 1999, 134; OLG München, ZUM 2000, 61).

Was folgt daraus für die Retrodigitalisierung? Für die vor 1966 erschienenen Bücher und Zeitschriften ist nichts durch die Streichung von § 31 IV UrhG gewonnen worden. Die Rechte liegen ganz überwiegend bei den Autoren, soweit diese noch leben, oder bei ihren Rechtsnachfolgern (meist: Erben), die alle ausnahmslos einer Nutzung zustimmen müssen. Während man bei Verlagsverträgen eventuell daran denken kann, dass künftige Rechte gelegentlich angesprochen wurden, wird man bei Zeitschriftenverträgen in aller Regel annehmen müssen, dass eine Vereinbarung über künftige Nutzungsarten nicht zustandekam und daher die Rechte bei den Urhebern/Erben liegen. Solche Verträge wurden meines Wissens überwiegend konkludent nicht-schriftlich abgeschlossen: Der Autor sandte dem Herausgeber sein Manuskript und erhielt von diesem eine Zusage und dann die Korrekturfahnen und nach Erscheinen Sonderdrucke. (Bis heute schließen etwa Tageszeitungen wie die FAZ mit ihren Autoren im Vorfeld keine Verträge ab.)

Aus Open-Access-Sicht ist eine Retrodigitalisierung älterer Zeitschriftenjahrgänge, die kostenfrei eingesehen werden können, ohne jeden Zweifel wünschenswert. Die Kontaktaufnahme mit den Urhebern bzw. meistens mehreren Erben ist schlicht und einfach nicht machbar. Der (hier nicht anwendbare) § 137 l Abs. 4 UrhG sagt: "Sind mehrere Werke oder Werkbeiträge zu einer Gesamtheit zusammengefasst, die sich in der neuen Nutzungsart in angemessener Weise nur unter Verwendung sämtlicher Werke oder Werkbeiträge verwerten lässt, so kann der Urheber das Widerspruchsrecht nicht wider Treu und Glauben ausüben." Das wird von den Verlegern auf die Zeitschriftendigitalisierung bezogen, hilft ihnen bei den "Altfällen" aber auch nicht weiter.

Fazit: Um die Retrodigitalisierung rechtssicher vornehmen zu können, ist eine Nachbesserung im "dritten Korb" zwingend notwendig. Es sollte dabei auch für Dritte die Möglichkeit geschaffen werden, verwaiste Werke, deren Rechtsinhaber nicht greifbar sind, zu nutzen. Wenn sich die Rechteinhaber melden, ist ihnen unter Umständen ein Vergütungsanspruch zuzugestehen, z.B. wenn das Werk kommerziell pay-per-View von einem Verlag genutzt wird. Es wäre zu überlegen, die Verwertungsgesellschaft VG Wort im Bereich Wissenschaft zu verpflichten, falls Vergütungen bei kommerzieller Nutzung an sie entrichtet werden, Open-Access-Veröffentlichungen finanziell zu fördern. Dies würde bedeuten, dass die klandestine Praxis der VG-Wort-Druckkostenzuschüsse auf den Prüfstand müsste.
Heinrich C. Kuhn (Gast) meinte am 2008/12/17 09:37:
Sorry. Ich bin vermutlich zu schwer von Begriff, oder zu ignorant, oder beides.
Was meinen Sie mit "Dies würde bedeuten, dass die klandestine Praxis der VG-Wort-Druckkostenzuschüsse auf den Prüfstand müsste."? 
KlausGraf antwortete am 2008/12/17 13:26:
Gegenfrage
Wo ist denn bitteschön Transparenz bei den Druckkostenzuschüssen der VG Wort? Wer erhält etwas und wer erhält nichts? Und wie ist diese Subventionspraxis zu bewerten? Gern nehme ich Details entgegen und streiche dann das klandestin. 
Heinrich C. Kuhn (Gast) antwortete am 2008/12/17 13:41:
Meine Frage bezog sich auf dem Zusammenhang zwischen einer etwaigen künftigen Verpflichtung der VG Wort aus bestimmten Einnahmen OA-Veröffentlichungen zu fördern einerseits und der Überprüfung bestehender Praxis der Vergabe von Druckkostenzuschüssen andererseits. Und den Zusammenhang sah und sehe ich nicht. 
KlausGraf antwortete am 2008/12/17 13:58:
M.W. fördert die VG Wort keine Open Access-Veröffentlichungen
Jeder potentielle Subventionsnehmer hat das Recht auf ein faires Verfahren, das nicht bestimmte Verlagsprodukte bevorzugt. Die Richtlinien sehen eine Begründung der Vergabe nicht vor:

http://www.vgwort.de/files/fofo_richtlinien.pdf

Bereits die Zusammensetzung des Ausschusses aus Wissenschaftlern und Verlegern lässt hier den üblichen Interessenfilz vermuten. 
KlausGraf meinte am 2009/05/22 21:55:
Update
http://archiv.twoday.net/stories/5715274/ 
 

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