In der Dokumentation zur Verbringung der "Straßenszene" von Ernst Ludwig Kirchner ins Ausland
http://www.artnet.de/magazine/sonder/pdf/flecknerbrief08-25-06.pdf
ist auch das Rücktrittsschreiben von Prof. Dr. Uwe Fleckner (Hamburg) enthalten, das schön demonstriert, dass der nationale Kulturgüterschutz im Zweifel nichts wert ist, weil bereits das Zusammentreten des Sachverständigen-Ausschusses politisch verhindert werden kann.
"Sehr geehrter Herr Senator,
im Jahr 2004 haben Sie mich in den Berliner Sachverständigen-Ausschuß für Kulturgut berufen, der über das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung (BGBI. I S. 1754) wacht.
Mit großer Besorgnis habe ich in den letzten Wochen die Entscheidung verfolgt, Ernst Ludwig Kirchners Gemälde »Berliner Straßenszene« von 1913 aus dem Eigentum des Berliner Brücke-Museums zu restituieren. Zwar ist es nicht die Aufgabe des Sachverständigen-Ausschusses, über die Eigentumsverhältnisse eines Kunstwerks zu entscheiden (obwohl bislang keine Belege dafür veröffentlicht werden konnten, die eine Restitution im Sinne der »Washingtoner Erklärung« rechtfertigen), jedoch ist mir vollkommen unverständlich, warum die Ausfuhr eines zu Privateigentum erklärten Kunstwerkes erfolgen konnte, ohne daß die Experten unserer Kommission um eine Stellungnahme gebeten wurden.
Das Gemälde war – als Kunstwerk im öffentlichen Eigentum – selbstverständlich nicht in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts eingetragen worden, da ja keine Veranlassung bestand, eine Ausfuhr des Gemäldes zu befürchten. Im Augenblick seiner Reprivatisierung stellt sich meiner Auffassung nach der rechtliche Sachverhalt jedoch vollständig anders dar: Als zuständige Landesbehörde hätte die Senatsverwaltung zu
diesem Zeitpunkt ein Eintragungsverfahren einleiten können, ja, müssen. Die Kommission hätte dann ihrerseits eine Stellungnahme formuliert, und ich zweifele nicht daran, daß sie einmütig zu der Auffassung gelangt wäre, bei Kirchners Gemälde handele sich es um ein unbedingt schützenswertes Kulturgut, dessen nationale Bedeutung eine dauerhafte Ausfuhr unter keinen Umständen erlaubt. Der Respekt vor Künstler und Werk, der Respekt vor den engagierten Sammlern Alfred Hess und Carl Hagemann hätte ein solches Vorgehen meines Erachtens dringend geboten.
Dies ist leider nicht erfolgt, und damit ist die Möglichkeit, das Gemälde innerhalb Deutschlands – womöglich als Dauerleihgabe aus Privatbesitz sogar im Brücke-Museum – zu bewahren, leichtfertig und fahrlässig vertan worden.
Ich habe daraufhin am 16.8.2006 Frau Liane Rybczyk, die zuständige Mitarbeiterin in der Senatsverwaltung, schriftlich gebeten, eine Sondersitzung der Kommission einzuberufen, um die offenen Fragen zu diskutieren und eine – vielleicht nur noch symbolische – Stellungnahme herbeizuführen. Die Einberufung der Sitzung ist mir unter dem Datum des 18.8.2006 verweigert worden.
Aus diesen Vorgängen muß ich leider den Schluß ziehen, daß die Arbeit der Kommission unter den jetzigen Bedingungen nicht nach Maßgabe ihres gesetzlichen Auftrags erfolgen kann und offenbar politisch weder gewollt noch unterstützt wird. Mein ethisches Selbstverständnis als Wissenschaftler und Hochschullehrer sowie als Leiter der »Forschungsstelle ›Entartete Kunst‹« an der Freien Universität sowie an der Universität Hamburg erlaubt es mir daher nicht, Mitglied eines Sachverständigen-Ausschusses zu sein, der in Fragen von solcher Tragweite nicht gehört wird, ja, der nicht einmal dann einberufen wird, wenn ein Mitglied dies aus dringendem Anlaß wünscht. Ich darf Sie also in aller Form bitten, meinen Rücktritt aus der Kommission entgegenzunehmen."

http://www.artnet.de/magazine/sonder/pdf/flecknerbrief08-25-06.pdf
ist auch das Rücktrittsschreiben von Prof. Dr. Uwe Fleckner (Hamburg) enthalten, das schön demonstriert, dass der nationale Kulturgüterschutz im Zweifel nichts wert ist, weil bereits das Zusammentreten des Sachverständigen-Ausschusses politisch verhindert werden kann.
"Sehr geehrter Herr Senator,
im Jahr 2004 haben Sie mich in den Berliner Sachverständigen-Ausschuß für Kulturgut berufen, der über das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung (BGBI. I S. 1754) wacht.
Mit großer Besorgnis habe ich in den letzten Wochen die Entscheidung verfolgt, Ernst Ludwig Kirchners Gemälde »Berliner Straßenszene« von 1913 aus dem Eigentum des Berliner Brücke-Museums zu restituieren. Zwar ist es nicht die Aufgabe des Sachverständigen-Ausschusses, über die Eigentumsverhältnisse eines Kunstwerks zu entscheiden (obwohl bislang keine Belege dafür veröffentlicht werden konnten, die eine Restitution im Sinne der »Washingtoner Erklärung« rechtfertigen), jedoch ist mir vollkommen unverständlich, warum die Ausfuhr eines zu Privateigentum erklärten Kunstwerkes erfolgen konnte, ohne daß die Experten unserer Kommission um eine Stellungnahme gebeten wurden.
Das Gemälde war – als Kunstwerk im öffentlichen Eigentum – selbstverständlich nicht in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts eingetragen worden, da ja keine Veranlassung bestand, eine Ausfuhr des Gemäldes zu befürchten. Im Augenblick seiner Reprivatisierung stellt sich meiner Auffassung nach der rechtliche Sachverhalt jedoch vollständig anders dar: Als zuständige Landesbehörde hätte die Senatsverwaltung zu
diesem Zeitpunkt ein Eintragungsverfahren einleiten können, ja, müssen. Die Kommission hätte dann ihrerseits eine Stellungnahme formuliert, und ich zweifele nicht daran, daß sie einmütig zu der Auffassung gelangt wäre, bei Kirchners Gemälde handele sich es um ein unbedingt schützenswertes Kulturgut, dessen nationale Bedeutung eine dauerhafte Ausfuhr unter keinen Umständen erlaubt. Der Respekt vor Künstler und Werk, der Respekt vor den engagierten Sammlern Alfred Hess und Carl Hagemann hätte ein solches Vorgehen meines Erachtens dringend geboten.
Dies ist leider nicht erfolgt, und damit ist die Möglichkeit, das Gemälde innerhalb Deutschlands – womöglich als Dauerleihgabe aus Privatbesitz sogar im Brücke-Museum – zu bewahren, leichtfertig und fahrlässig vertan worden.
Ich habe daraufhin am 16.8.2006 Frau Liane Rybczyk, die zuständige Mitarbeiterin in der Senatsverwaltung, schriftlich gebeten, eine Sondersitzung der Kommission einzuberufen, um die offenen Fragen zu diskutieren und eine – vielleicht nur noch symbolische – Stellungnahme herbeizuführen. Die Einberufung der Sitzung ist mir unter dem Datum des 18.8.2006 verweigert worden.
Aus diesen Vorgängen muß ich leider den Schluß ziehen, daß die Arbeit der Kommission unter den jetzigen Bedingungen nicht nach Maßgabe ihres gesetzlichen Auftrags erfolgen kann und offenbar politisch weder gewollt noch unterstützt wird. Mein ethisches Selbstverständnis als Wissenschaftler und Hochschullehrer sowie als Leiter der »Forschungsstelle ›Entartete Kunst‹« an der Freien Universität sowie an der Universität Hamburg erlaubt es mir daher nicht, Mitglied eines Sachverständigen-Ausschusses zu sein, der in Fragen von solcher Tragweite nicht gehört wird, ja, der nicht einmal dann einberufen wird, wenn ein Mitglied dies aus dringendem Anlaß wünscht. Ich darf Sie also in aller Form bitten, meinen Rücktritt aus der Kommission entgegenzunehmen."
