Die FAZ über eine Pressekonferenz mit Archivleiterin Bettina Schmidt-Czaia:
Unter dem Bündel von Mikrofonen, die sich vor ihr auf dem Tisch drängen, hält die zierliche Frau die Hände fast während der ganzen Zeit, in der sie Auskunft gibt, wie zum Gebet gefaltet. Rund neunzig Prozent der Bestände seien betroffen, hatte der Kulturdezernent Georg Quander eingangs erklärt und einen „Super-GAU für die historische Forschung“ ausgemacht: „Für die Kulturgeschichte der Bundesrepublik“, so ergänzt Frau Schmidt-Czaia, „ist das eine Katastrophe.“ Man brauche nun die „kontinuierliche Unterstützung der Kollegen“, sagt die Archivleiterin, die vor dreieinhalb Jahren von Braunschweig nach Köln gekommen war, und zeigt sich beeindruckt von den Hilfsangeboten, die sie – inzwischen auch von Kulturstaatsminister Bernd Neumann – aus ganz Deutschland, aber auch der Schweiz, Belgien und Österreich erreichen.
Von ihr als Erster zu Rate gezogen wurde Robert Fuchs, der nun neben ihr sitzt. Doch kaum hat der Leiter des Instituts für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaften der Fachhochschule Köln damit begonnen, seine Überlegungen für die Rettungsmaßnahmen zu skizzieren, versagt ihm die Stimme: Fünfzig Container mit Schutt, so berichtet er, seien bereits abtransportiert worden, um gesichtet und sortiert zu werden, doch mache dies nur 0,8 Prozent des ganzen Trümmerberges aus, und je weiter es in die Tiefe gehen, desto höher werde der Druck auf die Materialien, und um so schwieriger werde es: „Die Dokumente sind in Boxen gesichert, doch immensen Kräften ausgesetzt“, erklärt Robert Fuchs, manche Bücher seien verformt, wie er das nur nach Bombenanschlägen kenne, ein Band habe sich so fest in einem Regal verkeilt, dass beides, Papier und Stahl, nicht mehr zu trennen seien. Und von unten drücke das Grundwasser, vierundzwanzig Stunden lang hat es fast ununterbrochen geregnet. Mit Restaurierungsmaßnahmen, so Fuchs, könne frühestens im kommenden Jahr begonnen werden. Aber das ist nicht alles.
Auf zwanzig bis dreißig Jahre veranschlagt Bettina Schmidt-Czaia die Dauer der Restaurierungsarbeiten insgesamt, das Institut bleibe wohl über mehrere Jahre geschlossen.
[...]
Schon auf die Frage, ob sich die verschiedenen bautechnischen Gutachten nur auf die Statik des Gebäudes oder auch auf dessen Umfeld beziehen, erhält man keine vernünftige Antwort. „Die nächste Pressekonferenz beginnt in einer knappen halben Stunde, da können Sie das fragen.“ Niemand fühlt sich für mehr als seinen Bereich zuständig, jeder verweist auf einen anderen: ein System der kollektiven Verantwortung, bei der keiner wirklich verantwortlich ist?
Weiteres
http://www.rodenkirchen.de/html/shownews.php?id=202
Die Helfer konnten bisher rund 40 Prozent der historischen Urkunden, die so genannte Dienstbibliothek – zum Teil aus dem 15. Jahrhundert – sowie die Film- und Foto-Sammlung bergen. Aus ihren Diensträumen retteten die Mitarbeiter des Historischen Archivs das analoge Bestandsverzeichnis, in dem rund 150 Jahre Arbeit stecken. Die weitere Bergung der Archivalien geschieht im Zwei-Schichten-, voraussichtlich bald im Drei-Schichten-Betrieb. In der Nacht zum heutigen Freitag, 6. März 2009, haben die Helfer 50 Container mit Dokumenten aus dem 6. Stock des Archivs aus dem Schutt gerettet, das sind jedoch lediglich 0,8 Prozent des verschütteten Materials.
Bei der Bergung bringen Feuerwehrleute die Kartons mit dem Archivgut aus dem Trümmerberg, dann sichten Archivare die Funde und ersetzen nasse Verpackungen durch trockene. In Containern geht das Material dann zu einer Außenstelle, wo weitere Archivmitarbeiter die Dokumente vom Schutt trennen und anschließend in ein Lager schicken. Vollkommen durchnässte Funde werden tiefgefroren, damit das Wasser keine Schäden anrichtet.
Bisher schützen Planen den Trümmerberg so gut es geht vor dem seit Donnerstag anhaltendem Regen. So bald wie möglich soll eine stabile Dachkonstruktion diese Funktion übernehmen. Diese muss jedoch an den benachbarten Häusern befestigt werden, was zurzeit nicht möglich ist, weil die Gebäude auf instabilem Untergrund stehen.
Die Archivalien sind beim Einsturz unvorstellbaren Kräften ausgesetzt gewesen, Bücher weisen Splitterschäden wie nach einem Bombenkrieg auf. An den bisher geborgenen Beständen aus dem 6. Stock halten sich Wasserschäden in Grenzen. Die anderen Etagen liegen jedoch zum Teil im U-Bahn-Schacht, den das Grundwasser überflutet hat.
Schmidt-Czaia rechnet damit, dass lange Zeit vergehen wird, bevor das Historische Archiv seine Pforten wieder öffnen kann. Bei der Restaurierung der Bestände rechnet sie mit einem Zeitraum von zwei bis drei Jahrzehnten.
Es ist ausgesprochen ärgerlich, dass man als Fachberichterstatter, wenn man nicht an den Pressekonferenzen teilnehmen kann, nur Zugriff auf fragmentarische und dilettantische Presse-Informationen hat.
[Nachtrag: Um so schlimmer, dass diese Angaben aus der Pressestelle der Stadt Köln stammen:
http://www.stadt-koeln.de/1/presseservice/mitteilungen/2009/02997/ ]
Zur Dienstbibliothek:
http://www.b2i.de/fabian?Historisches_Archiv_Der_Stadt_Koeln
Sie enthält demnach keine Inkunabeln (Drucke des 15. Jh.)
Aus
http://www.ngz-online.de/public/article/panorama/deutschland/681402/Archiv-Schaeden-wie-nach-Bombenangriff.html
ergibt sich zusätzlich:
- Die Findmittel konnten geborgen werden
- Stiftsurkunden konnten gerettet werden (ja? davon war bisher nicht die Rede)
AP: http://www.pr-inside.com/de/retter-arbeiten-in-koelner-haustruemmern-mit-r1099554.htm
Archive aus der gesamten Bundesrepublik haben laut Schmidt-Czaia inzwischen Hilfe zur Rettung des Kölner Archivguts bereitgestellt oder angekündigt. «Ich bin dafür sehr dankbar», sagte sie. «Nun hoffe ich, dass die Unterstützung anhält - auch, wenn sie die Aufregung der ersten Tage gelegt hat.
Unter dem Bündel von Mikrofonen, die sich vor ihr auf dem Tisch drängen, hält die zierliche Frau die Hände fast während der ganzen Zeit, in der sie Auskunft gibt, wie zum Gebet gefaltet. Rund neunzig Prozent der Bestände seien betroffen, hatte der Kulturdezernent Georg Quander eingangs erklärt und einen „Super-GAU für die historische Forschung“ ausgemacht: „Für die Kulturgeschichte der Bundesrepublik“, so ergänzt Frau Schmidt-Czaia, „ist das eine Katastrophe.“ Man brauche nun die „kontinuierliche Unterstützung der Kollegen“, sagt die Archivleiterin, die vor dreieinhalb Jahren von Braunschweig nach Köln gekommen war, und zeigt sich beeindruckt von den Hilfsangeboten, die sie – inzwischen auch von Kulturstaatsminister Bernd Neumann – aus ganz Deutschland, aber auch der Schweiz, Belgien und Österreich erreichen.
Von ihr als Erster zu Rate gezogen wurde Robert Fuchs, der nun neben ihr sitzt. Doch kaum hat der Leiter des Instituts für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaften der Fachhochschule Köln damit begonnen, seine Überlegungen für die Rettungsmaßnahmen zu skizzieren, versagt ihm die Stimme: Fünfzig Container mit Schutt, so berichtet er, seien bereits abtransportiert worden, um gesichtet und sortiert zu werden, doch mache dies nur 0,8 Prozent des ganzen Trümmerberges aus, und je weiter es in die Tiefe gehen, desto höher werde der Druck auf die Materialien, und um so schwieriger werde es: „Die Dokumente sind in Boxen gesichert, doch immensen Kräften ausgesetzt“, erklärt Robert Fuchs, manche Bücher seien verformt, wie er das nur nach Bombenanschlägen kenne, ein Band habe sich so fest in einem Regal verkeilt, dass beides, Papier und Stahl, nicht mehr zu trennen seien. Und von unten drücke das Grundwasser, vierundzwanzig Stunden lang hat es fast ununterbrochen geregnet. Mit Restaurierungsmaßnahmen, so Fuchs, könne frühestens im kommenden Jahr begonnen werden. Aber das ist nicht alles.
Auf zwanzig bis dreißig Jahre veranschlagt Bettina Schmidt-Czaia die Dauer der Restaurierungsarbeiten insgesamt, das Institut bleibe wohl über mehrere Jahre geschlossen.
[...]
Schon auf die Frage, ob sich die verschiedenen bautechnischen Gutachten nur auf die Statik des Gebäudes oder auch auf dessen Umfeld beziehen, erhält man keine vernünftige Antwort. „Die nächste Pressekonferenz beginnt in einer knappen halben Stunde, da können Sie das fragen.“ Niemand fühlt sich für mehr als seinen Bereich zuständig, jeder verweist auf einen anderen: ein System der kollektiven Verantwortung, bei der keiner wirklich verantwortlich ist?
Weiteres
http://www.rodenkirchen.de/html/shownews.php?id=202
Die Helfer konnten bisher rund 40 Prozent der historischen Urkunden, die so genannte Dienstbibliothek – zum Teil aus dem 15. Jahrhundert – sowie die Film- und Foto-Sammlung bergen. Aus ihren Diensträumen retteten die Mitarbeiter des Historischen Archivs das analoge Bestandsverzeichnis, in dem rund 150 Jahre Arbeit stecken. Die weitere Bergung der Archivalien geschieht im Zwei-Schichten-, voraussichtlich bald im Drei-Schichten-Betrieb. In der Nacht zum heutigen Freitag, 6. März 2009, haben die Helfer 50 Container mit Dokumenten aus dem 6. Stock des Archivs aus dem Schutt gerettet, das sind jedoch lediglich 0,8 Prozent des verschütteten Materials.
Bei der Bergung bringen Feuerwehrleute die Kartons mit dem Archivgut aus dem Trümmerberg, dann sichten Archivare die Funde und ersetzen nasse Verpackungen durch trockene. In Containern geht das Material dann zu einer Außenstelle, wo weitere Archivmitarbeiter die Dokumente vom Schutt trennen und anschließend in ein Lager schicken. Vollkommen durchnässte Funde werden tiefgefroren, damit das Wasser keine Schäden anrichtet.
Bisher schützen Planen den Trümmerberg so gut es geht vor dem seit Donnerstag anhaltendem Regen. So bald wie möglich soll eine stabile Dachkonstruktion diese Funktion übernehmen. Diese muss jedoch an den benachbarten Häusern befestigt werden, was zurzeit nicht möglich ist, weil die Gebäude auf instabilem Untergrund stehen.
Die Archivalien sind beim Einsturz unvorstellbaren Kräften ausgesetzt gewesen, Bücher weisen Splitterschäden wie nach einem Bombenkrieg auf. An den bisher geborgenen Beständen aus dem 6. Stock halten sich Wasserschäden in Grenzen. Die anderen Etagen liegen jedoch zum Teil im U-Bahn-Schacht, den das Grundwasser überflutet hat.
Schmidt-Czaia rechnet damit, dass lange Zeit vergehen wird, bevor das Historische Archiv seine Pforten wieder öffnen kann. Bei der Restaurierung der Bestände rechnet sie mit einem Zeitraum von zwei bis drei Jahrzehnten.
Es ist ausgesprochen ärgerlich, dass man als Fachberichterstatter, wenn man nicht an den Pressekonferenzen teilnehmen kann, nur Zugriff auf fragmentarische und dilettantische Presse-Informationen hat.
[Nachtrag: Um so schlimmer, dass diese Angaben aus der Pressestelle der Stadt Köln stammen:
http://www.stadt-koeln.de/1/presseservice/mitteilungen/2009/02997/ ]
Zur Dienstbibliothek:
http://www.b2i.de/fabian?Historisches_Archiv_Der_Stadt_Koeln
Sie enthält demnach keine Inkunabeln (Drucke des 15. Jh.)
Aus
http://www.ngz-online.de/public/article/panorama/deutschland/681402/Archiv-Schaeden-wie-nach-Bombenangriff.html
ergibt sich zusätzlich:
- Die Findmittel konnten geborgen werden
- Stiftsurkunden konnten gerettet werden (ja? davon war bisher nicht die Rede)
AP: http://www.pr-inside.com/de/retter-arbeiten-in-koelner-haustruemmern-mit-r1099554.htm
Archive aus der gesamten Bundesrepublik haben laut Schmidt-Czaia inzwischen Hilfe zur Rettung des Kölner Archivguts bereitgestellt oder angekündigt. «Ich bin dafür sehr dankbar», sagte sie. «Nun hoffe ich, dass die Unterstützung anhält - auch, wenn sie die Aufregung der ersten Tage gelegt hat.
KlausGraf - am Samstag, 7. März 2009, 00:43 - Rubrik: Kommunalarchive