Der Schriftsteller Burkhard Spinnen (Jg. 1956) macht sich in der FR aus Anlass des Kölner Unglücks Gedanken über die Vergänglichkeit von Papier und die Notwendigkeit der Digitalisierung.
Das schwächste Glied in der Ereigniskette ist der Mensch, das zweitschwächste: das Papier.
Und was heißt das für unsere Vergangenheit in Akten, Druck- und Handschriften? Es heißt, dass wir sie noch besser pflegen und schützen müssen und - dass wir alle Möglichkeiten wahrnehmen sollten, den Bestand unseres papierenen Kulturerbes auf einen Haftgrund zu übertragen, der besser zu sichern ist als das empfindliche Papier. Ich meine die Digitalisierung. Natürlich geht es bei der Sicherung unseres kulturellen Erbes auch um den Erhalt der Originale. Eine Handschrift aus dem Mittelalter ist eine sicht- und greifbare Brücke in die Vergangenheit.Ein Manuskript von Heinrich Böll bewahrt die Aura des Werkes und die Gegenwart seines Autors. So etwas zu verlieren ist eine Katastrophe. Aber im Wesentlichen konservieren wir nicht Papier, sondern Texte, Daten und Pläne. Und da wir heute die technische Möglichkeit haben, all das auf andere, raffinierter zu sichernde Datenträger zu transferieren, sollten wir von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen.
Ich weiß, eine Böll-Handschrift, eingescannt und vom Computer auf einen Monitor ausgegeben, hat wenig Auratisches. Dennoch wünschte ich mir mehr noch als die Pflege aller Akten- und Papierbestände die Sicherung der Geistesbestände. Letztens habe ich ein Foto verloren, einen beiläufigen Schnappschuss. Allerdings eines der wenigen Bilder, die mich als Junge mit sehr langem Haar zeigen. Dreißig Jahre klebte es in einem Album, und schließlich verklebte es mit der gegenüberliegenden Seite. Ich war verzweifelt. Bis mir einfiel, dass ich es für ein digitales Album hochauflösend gescannt hatte. Meine Jugend war gerettet.
Sichere digitale Archive werden etwas Überlebenswichtiges für unsere Kultur sein. Ich weiß, sie sind nicht für den Preis von ein paar CDs zu haben. Aber sie versprechen Erfolg und sind eine kraftvolle Maßnahme gegen die Bedrohung des Papiers durch Wasser, Feuer, Milben, Säure und Baufehler im Untergrund. Digital umgesetzt, passen Tausende Bücher und Akten in eine Schuhschachtel. Für alle Fälle.
Kommentare?
Das schwächste Glied in der Ereigniskette ist der Mensch, das zweitschwächste: das Papier.
Und was heißt das für unsere Vergangenheit in Akten, Druck- und Handschriften? Es heißt, dass wir sie noch besser pflegen und schützen müssen und - dass wir alle Möglichkeiten wahrnehmen sollten, den Bestand unseres papierenen Kulturerbes auf einen Haftgrund zu übertragen, der besser zu sichern ist als das empfindliche Papier. Ich meine die Digitalisierung. Natürlich geht es bei der Sicherung unseres kulturellen Erbes auch um den Erhalt der Originale. Eine Handschrift aus dem Mittelalter ist eine sicht- und greifbare Brücke in die Vergangenheit.Ein Manuskript von Heinrich Böll bewahrt die Aura des Werkes und die Gegenwart seines Autors. So etwas zu verlieren ist eine Katastrophe. Aber im Wesentlichen konservieren wir nicht Papier, sondern Texte, Daten und Pläne. Und da wir heute die technische Möglichkeit haben, all das auf andere, raffinierter zu sichernde Datenträger zu transferieren, sollten wir von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen.
Ich weiß, eine Böll-Handschrift, eingescannt und vom Computer auf einen Monitor ausgegeben, hat wenig Auratisches. Dennoch wünschte ich mir mehr noch als die Pflege aller Akten- und Papierbestände die Sicherung der Geistesbestände. Letztens habe ich ein Foto verloren, einen beiläufigen Schnappschuss. Allerdings eines der wenigen Bilder, die mich als Junge mit sehr langem Haar zeigen. Dreißig Jahre klebte es in einem Album, und schließlich verklebte es mit der gegenüberliegenden Seite. Ich war verzweifelt. Bis mir einfiel, dass ich es für ein digitales Album hochauflösend gescannt hatte. Meine Jugend war gerettet.
Sichere digitale Archive werden etwas Überlebenswichtiges für unsere Kultur sein. Ich weiß, sie sind nicht für den Preis von ein paar CDs zu haben. Aber sie versprechen Erfolg und sind eine kraftvolle Maßnahme gegen die Bedrohung des Papiers durch Wasser, Feuer, Milben, Säure und Baufehler im Untergrund. Digital umgesetzt, passen Tausende Bücher und Akten in eine Schuhschachtel. Für alle Fälle.
Kommentare?
KlausGraf - am Mittwoch, 11. März 2009, 19:44 - Rubrik: Digitale Unterlagen
Christian Soeder (Gast) meinte am 2009/03/11 20:55:
Stimmt
Digitale Archivierung muss wichtiger werden. Sie wird viel Geld kosten, denn nur Redundanz schafft dauerhafte Sicherheit, aber das sollte nicht kümmern.
Wolf Thomas meinte am 2009/03/11 20:57:
"Die Digitalisierung des Historischen Stadtarchivs befand sich seit letztem Jahr in der Vorbereitungsphase. Viele wichtige Fragen des Projekts waren schon gelöst. Doch erst 0,7 Prozent des Bestands sind bisher digitalisiert worden. Digitale Aufnahmen von Texten und Bildern sind bereits seit den neunziger Jahren ein übliches Verfahren von Bibliotheken und Archiven, ihren Bestand der Öffentlichkeit per Internet zugänglich zu machen.Auch die Archivare in Köln wollten mit dem Digitalisierungsprojekt auf die Nutzer zugehen sowie den Bestand des Archivs schonen, erklärt Ulrich Fischer, stellvertretender Archivleiter. „Digitalisierung ist eine Schutzfunktion für die Dokumente, etwa unsere Sammlung von Plänen, die über die Jahre durch den Gebrauch beschädigt werden.“ Doch der Aufwand sei enorm und ließe sich nur schrittweise bewältigen.
Fatal ist der Zeitpunkt der Katastrophe, denn seit 2007 arbeitet das Kölner Stadtarchiv an der Lösung vieler offener Fragen, erklärt Fischer: „Für die Digitalisierung wurde Geld aus dem Budget der Stadt bereitgestellt.“ Auch Probleme der Authentizität waren gelöst: „Eine Masterkopie wird in hoher Qualität gesichert. Sie garantiert die Fälschungssicherheit.“ Die Bits und Bytes sind allerdings nur bedingt tauglich, den Inhalt der Dokumente über einen längeren Zeitraum zu archivieren. Ursache ist der rapide technologische Fortschritt, durch den schon heute Datenformate der frühen 90er Jahre nicht mehr lesbar sind und Hardwarekonfigurationen aus dieser Zeit nicht mehr rekonstruiert werden können. .....
Dank seiner wissenschaftlichen Unterstützung sind zum Beispiel alle Manuskripte der Kölner Dom- und Diözesanbibliothek online verfügbar. Dem Wissenschaftler kommt es wie vielen seiner Kollegen vor allem auf den leichteren Zugang zu den Dokumenten an. „Die originalen Urkunden kann man natürlich nicht durch digitale Kopien ersetzen“, erklärt der Historiker und Informatiker. „Andererseits findet historische Forschung sowieso ganz überwiegend auf der Basis von Reproduktionen statt.“
Auch die Kosten der Technologie seien seit den ersten Schritten auf diesem Feld um das Hundertfache gesunken. Einen ersten Schritt in Richtung zur langfristigen Sicherung der Daten sieht Thaller im Projekt PLANETS der Europäischen Union, das sich mit der Langzeitarchivierung von Daten beschäftigt.
Außerdem liegt ein Vorteil der elektronischen Archive auf der Hand: Daten können als Kopien an verschiedenen Orten gespeichert werden und entziehen sich so der Zerstörung durch lokale Unglücke. ...."
Quelle:
http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1233594812078.shtml
Wolf Thomas (Gast) meinte am 2009/03/12 09:14:
"Das Köllner Archiv, Herr Spinnen und Perlenketten"
The DigitalBlog bemrkt zum Thema: "Im Feuillton der Frankfurter Rundschau beschreibt Burkhard Spinnens ....., dass der Fall das “Falles” des historischen Stadtarchivs Köln zeigt: Nix Digitalisiert? Nix übrig!Recht hat er.
Warum wird nicht digitalisiert?
Wenn ich eine unersetzbare Perlenkette besitze, dann lege ich diese in den Safe und trage eine Replik. Ok, nicht ich, meine Frau.
Stillos werden die einen sagen. Klug, so sage ich. Und da man in Köln gerade nach der Stadtgeschichte graben muß, wie Schliemann nach Troja - die Angehörigen der Opfer des Unglücks in Köln mögen diesen Sarkasmus verzeihen - richtig klug.
Die digitale Replik eines Archivs hat zudem unendlich viel mehr Wert, als nur im Falle des Falles die Möglichkeit zu bieten auf die physisch nicht mehr vorhandenen Inhalte zugreifen zu können. Man hat neben der Sicherungskopie auch eine Arbeitskopie. Abnutzungsfrei, duplizierbar und potentiell (Strom, Computer und Internetzugang vorausgesetzt) verfügbar für jeden, jederzeit und überall.
Vielleicht könnte man auch durch die digitale Flexibilität eines Archives dessen Standort besser wählen, vielleicht sogar Kosten einsparen für Miete und Bestandspflege. Vielleicht werden neue Arbeitsplätze geschaffen. Vielleicht wird die Attraktivität des Archives um ein Vielfaches gesteigert. Vielleicht …
Wenn das nur nicht so teuer wäre! Jammer, oh Jammer. Finanzkrise. Weltwirtschaft. Kreditklemme.
Nun ja, auch auf die Gefahr hin moralinsauer daher zu schwafeln: eine der hunderte Milliarden Unterstützungseuros reicht wahrscheinlich aus alle Archive Europas digital langzeit zu sichern und nebenbei für jeden Bürger verfügbar zu machen. Was übrigens nebenbei die Aufgabe eines Archivs ist."
Quelle:
http://www.godigitalblog.com/2009/03/11/das-kollner-archiv-herr-spinnen-und-perlenketten/
WernerLengger meinte am 2009/03/12 10:39:
Ist es wirklich so einfach?
Natürlich macht die Digitalisierung von Archivgut grundsätzlich Sinn, vor allem, wenn es um Bestände von mehr als lokaler Bedeutung geht, da die Digitalisate per Internet verfügbar gemacht und so Forschern von jedem Fleck der Erde genutzt werden können. Aber wenn ich an die Massen von Akten denke, die in vielen Archiven schlummern, und die - im glücklichsten Fall - vielleicht einmal in 100 Jahren einen interessierten Benützer finden. Macht es wirklich Sinn, dies alles mit einem enormen finanziellen und personellen Aufwand zu digitalisieren? Und dann können diese Digitalisate ja nicht - wie der Mikrofilm - einfach irgendwo an einem sicheren Ort für die nächsten 100 Jahre eingelagert werden, sondern bedürfen der ständigen Kontrolle und gegebenfalls der Migration auf neue Sicherungsmedien sowie der Konvertierung in neue Formate. Das ist für mich kein Königsweg! Und noch etwas: Wenn wirklich der enorme finanzielle und personelle Aufwand geschultert werden könnte, dann wollen die Geldgeber natürlich einen Gegenwert sehen. Und dann wird es heißen: So, jetzt haben wir ja das ganze Archiv digital zur Verfügung, jetzt können wir ja die Originale (gut, vielleicht nicht gerade die Urkunden) in den Orkus kippen und uns so die Kosten für die Aufbewahrung sparen.Da sind doch an viel zu vielen Stellen bei den Archivträgern Kulturbanausen und Krämerseelen am Werk. Drum: Principiis obsta!
Digitalisierung ja, wo sie Sinn macht. Der Königsweg zur Behebung aller Probleme, vor denen die Archive heute stehen, ist das beileibe nicht!
Mitleser (Gast) meinte am 2009/03/12 14:04:
FAZ zu Hessen: Nur das Staatsarchiv macht Sicherheitskopien
„Verfilmt wurde und wird freilich nur der Akten- und Urkundenbestand in den Staatsarchiven der Länder, nicht der in den Archiven der Kommunen. [....] Auch die Städte im Rhein-Main-Gebiet bekommen aus dem Verfilmungsprogramm des Bundes kein Geld – und haben daher nie mit der Sicherungsverfilmung angefangen.“http://www.faz.net/s/Rub5785324EF29440359B02AF69CB1BB8CC/Doc~E57B6BB665DD940DA82F208E2AA6E4097~ATpl~Ecommon~Scontent.html