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http://www.taz.de/1/leben/buch/artikel/1/%5Cwir-lesen-nicht%5C/

Streng abgeschirmt in einer Halle werden die Urkunden und Akten aus dem eingestürzten Kölner Stadtarchiv erstversorgt. Unser Autor arbeitete vier Tage mit. Heute: Tag eins seines Protokolls. VON DIETMAR BARTZ

[...] 18 Uhr. Die Johanniter servieren Abendessen. Es gibt Wurst, Käse, Graubrot und Vollkornbrot, das nach Aromastoffen riecht. Kein Obst, kein Salat. Kalte Bockwürstchen ohne Senf. Plastikgeschirr und -besteck. Ein Behälter mit kaltem Kaffee. Kein Tee.

Am Tisch: ein Restaurator aus Uppsala, eine Uni-Archivarin aus Basel, eine Stadtarchivarin aus Arnheim, drei Tschechen aus einem sudetenländischen Regionalarchiv, drei Konservatorinnen aus Antwerpen, einige Deutsche. Vor den Ausländern schäme ich mich für dieses Essen. Eine Antwerpenerin höflich: "Its kind of basic." Der Stadtarchivar von B.: "Die Tendenz zur Kälte ist offensichtlich." Eine Professorin aus S.: "Sonst heißt es noch, wir wären wegen des guten Essens gekommen." Wir befinden uns in Woche fünf nach dem Einsturz.


[Kommentar KG: Das Essen war bei uns OK, es gab auch immer genug mehrere Getränke zur Auswahl. Einmal gabs Gulaschsuppe ohne Brötchen - so what? Der Kaffee, den ich trank, war immer heiß.]

Spekulationen über das, was auf das EVZ noch zukommt. Haben sie nicht 60 Mischerladungen Beton im Boden versenkt, um ihn zu stabilisieren? Lag da Archivgut? Und wo steht eigentlich das Grundwasser? Niemand am Tisch weiß Bescheid, alle sind schlecht informiert. Wozu hat die Stadt Köln eine Pressestelle? Warum keine brauchbare städtische Webseite, keine Onlineauskunft?

Über unsere Einsatzplanung wird am Tisch nur geseufzt. Einige Schichten waren offenbar deutlich unterbesetzt. Und auf die Mails mit Hilfsangeboten reagierte die Stadt wochenlang nicht. Dann kam die Anforderung ganz kurzfristig. Warum gibt es keinen wöchentlichen Newsletter an alle Freiwilligen? Zweitausend Fachleute haben sich gemeldet. Mit einem Computer wäre die Verwaltung unserer Adressen und unser planvoller Einsatz kein Problem gewesen.

[...] 21 Uhr. Rückfahrt. Viele auswärtige Deutsche wohnen bei Freunden. Der Rest und fast alle Ausländerinnen und Ausländer sind in einer städtischen Notunterkunft einquartiert, "Jugendherberge, aber nicht von heute, sondern wie früher", erzählt eine Schwäbin. Eng, spartanisch, am Wochenende gab es Probleme mit der Verpflegung, ich mag keine Einzelheiten mehr hören. Drei junge Archivarinnen aus W. haben ihre Chefin angerufen und das Übernachten in einer Pension durchgesetzt. Gut, dass ich das gleich so gemacht habe. [...]

Beim Sicherheitsdienst haben wir am Mittag eine Schweigeerklärung unterschrieben, nicht nur wegen des Datenschutzes: Die Stadt verbietet auch das "Verfassen eigener Presseartikel", das Fotografieren. Und alle Informationen an die Medien müssen ausdrücklich genehmigt werden.

An der Einsturzstelle führt die Feuerwehr jeden Mittag Medienvertreter herum. Das EVZ hingegen ist tabu. Die Rettung darf gezeigt werden, der Zustand des Geretteten nicht. Aus den Augen, aus dem Sinn - anders könnte die Stadtspitze wohl ihre Exkulpation nicht durchhalten,

Auch städtische Öffentlichkeitsarbeit findet praktisch nicht mehr statt. Die Archivare selbst sind blockiert: Bettina Schmitt-Czaia, die bedauernswerte Direktorin des Stadtarchivs, muss der Stadt ein neues Haus abverhandeln und ist auf ihr Wohlwollen angewiesen.

Nur: Die Strafe ist auf Jahre nicht vorbei. Sie steckt in Kartons, Plastikwannen, Gitterboxen. Und es werden immer mehr.
tz (Gast) meinte am 2009/04/15 14:00:
so schlimm wars nicht...
Ich habe auch eine Woche lang dort geschafft.
Die Schweigeerklärung mußte ich auch unterschreiben.

Ich fand die Verpflegung exzelent, kalte Getränke so viel man wollte, Frühstück und Mittagessen in reichlicher Menge. Über die warmen Getränke läßt sich von der Konsistenz her streiten, aber sie waren vorhanden.

Und während meines Aufenthalts waren einige Presseleute da und haben Photos machen dürfen, teilweise zusammen mit Frau Schmidt-Czaja. 
 

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