In der Stutttgarter Zeitung vom 26.05.2009 sind drei Leserbriefe abgedruckt, die ich kurz referieren möchte. Sie betreffen die kürzlich eingeführte Jahresgebühr von 30 Euro pro Jahr für die Benutzer der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart.
Ein Senior moniert, dass es eine Zwangs-Jahresgebühr ist, wie man sie im Öffentlichen Personennahverkehr nie erheben würde. Dort gäbe es auch Einzelfahrscheine, warum nicht in einer Bibliothek, wenn man sie nur gelegentlich in Anspruch nähme. Ausserdem habe man nicht einmal eine Ermäßigung für Senioren vorgesehen. Sein Schluss: “Dann eben nicht!”
Ein promovierter Leserbriefschreiber hebt auf die symbolische Bedeutung von Gebühren in einer Gesellschaft ab, die Lippenbekenntnisse zum “lebenslangen Lernen” ablegt. Man könne mit denselben fiskalischen Argumenten, mit denen man jetzt eine Gebühr von Bibliotheksbenutzern erhebe, auch von Wählern und Wählerinnen eine Gebühr zur Kostendeckung der Wahl erheben.
Der dritte, ein Tübinger Honorarprofessor, hebt darauf ab, dass das Land hier mit seiner Wissenschaftsförderung bricht, die in einer mehr als zweihundertjährigen kostenlosen Benutzung einer großen öffentlichen Bibliothek bestünde. Dank milliardenschwerer “Rettungsschirme” für die Wirtschaft müßten wohl noch die letzten Reserven mobilisiert werden. Er weist darauf hin, dass viele Bibliotheksbenutzer mehrere Bibliotheken benutzen müßten und es daher nicht nur bei einer Gebühr bleibe. Für wissenschaftlich Arbeitende würde sich daher der Aufwand summieren. Wer, wie er selbst, unentgeltlich Lehraufträge wahrnehme, werde für sein Engagement noch mit zusätzlichen Gebühren belegt. Und dieselbe Bibliothek, an die die Gebühren zu entrichten seien, müsse man noch unentgeltlich Pflichtexemplare der wissenschaftlichen Veröffentlichungen abliefern…
Man sieht, die Akzeptanz der den beiden baden-württembergischen Landesbibliotheken ist ungeheuer. Genau darum geht es: Wissenschaft - zumal Geisteswissenschaft - hat keine Lobby und die Landesregierung preßt hier einfach noch eine Zusatzeinnahme heraus. Es wird kolportiert, dass der betreffende Mitarbeiter des Landesrechnungshofes eine Gebühr von seiner Öffentlichen Bibliothek kannte und sich fragte, warum die Benutzer der Landesbibliotheken keine bezahlen müßten. - Das mag aber sein, wie es will, bemerkenswert bleibt, dass das eingeführt und nicht gestoppt wurde. Die beiden Landesbibliotheken werden jetzt den Benutzerschwund und unzufriedene Benutzer - diejenigen, die bleiben müssen, weil sie ihre wissenschaftliche Arbeit weiterführen möchten und zähneknirschens zahlen müssen - verkraften müssen. Die Politiker braucht es nicht zu kümmern. Einer der Leserbriefschreiber bemerkt denn auch zutreffend, dass es symptomatisch ist, dass man sich eine solche Maßnahme selbst im Wahljahr geleistet hat.
Jürgen Plieninger
http://log.netbib.de/archives/2009/05/29/die-letzten-reserven-mobilisiert/
Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/de/
Ein Senior moniert, dass es eine Zwangs-Jahresgebühr ist, wie man sie im Öffentlichen Personennahverkehr nie erheben würde. Dort gäbe es auch Einzelfahrscheine, warum nicht in einer Bibliothek, wenn man sie nur gelegentlich in Anspruch nähme. Ausserdem habe man nicht einmal eine Ermäßigung für Senioren vorgesehen. Sein Schluss: “Dann eben nicht!”
Ein promovierter Leserbriefschreiber hebt auf die symbolische Bedeutung von Gebühren in einer Gesellschaft ab, die Lippenbekenntnisse zum “lebenslangen Lernen” ablegt. Man könne mit denselben fiskalischen Argumenten, mit denen man jetzt eine Gebühr von Bibliotheksbenutzern erhebe, auch von Wählern und Wählerinnen eine Gebühr zur Kostendeckung der Wahl erheben.
Der dritte, ein Tübinger Honorarprofessor, hebt darauf ab, dass das Land hier mit seiner Wissenschaftsförderung bricht, die in einer mehr als zweihundertjährigen kostenlosen Benutzung einer großen öffentlichen Bibliothek bestünde. Dank milliardenschwerer “Rettungsschirme” für die Wirtschaft müßten wohl noch die letzten Reserven mobilisiert werden. Er weist darauf hin, dass viele Bibliotheksbenutzer mehrere Bibliotheken benutzen müßten und es daher nicht nur bei einer Gebühr bleibe. Für wissenschaftlich Arbeitende würde sich daher der Aufwand summieren. Wer, wie er selbst, unentgeltlich Lehraufträge wahrnehme, werde für sein Engagement noch mit zusätzlichen Gebühren belegt. Und dieselbe Bibliothek, an die die Gebühren zu entrichten seien, müsse man noch unentgeltlich Pflichtexemplare der wissenschaftlichen Veröffentlichungen abliefern…
Man sieht, die Akzeptanz der den beiden baden-württembergischen Landesbibliotheken ist ungeheuer. Genau darum geht es: Wissenschaft - zumal Geisteswissenschaft - hat keine Lobby und die Landesregierung preßt hier einfach noch eine Zusatzeinnahme heraus. Es wird kolportiert, dass der betreffende Mitarbeiter des Landesrechnungshofes eine Gebühr von seiner Öffentlichen Bibliothek kannte und sich fragte, warum die Benutzer der Landesbibliotheken keine bezahlen müßten. - Das mag aber sein, wie es will, bemerkenswert bleibt, dass das eingeführt und nicht gestoppt wurde. Die beiden Landesbibliotheken werden jetzt den Benutzerschwund und unzufriedene Benutzer - diejenigen, die bleiben müssen, weil sie ihre wissenschaftliche Arbeit weiterführen möchten und zähneknirschens zahlen müssen - verkraften müssen. Die Politiker braucht es nicht zu kümmern. Einer der Leserbriefschreiber bemerkt denn auch zutreffend, dass es symptomatisch ist, dass man sich eine solche Maßnahme selbst im Wahljahr geleistet hat.
Jürgen Plieninger
http://log.netbib.de/archives/2009/05/29/die-letzten-reserven-mobilisiert/
Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/de/
KlausGraf - am Freitag, 29. Mai 2009, 13:02 - Rubrik: Bibliothekswesen