Mit Erstaunen sah ich in Felix Heinzers Besprechung des Bandes "Ochsenkopf und Meerjungfrau" (2006) in der ZWLG 68 (2009), S. 493-495, hier S. 494, Klaus Grafs "wichtige ... Wortmeldung" sei für die Bibliographie nachzutragen:
Klaus Graf, Vorschläge zur Wasserzeichendatierung von Handschriften, in: Gazette du livre médiéval Nr. 16, Printemps 1990, S. 8-11
Ich wähnte dieses kurze Elaborat für gänzlich vergessen.
Ich dokumentiere im folgenden den Text und füge ein Nachwort 2009 an.
VORSCHLÄGE ZUR WASSERZEICHENDATIERUNG VON HANDSCHRIFTEN
Nach:
http://www.aedph.uni-bayreuth.de/1999/0197.html
Ausgangspunkt des folgenden Diskussionspapiers sind eigene Erfahrungen
mit Wasserzeichendatierungen, zuletzt mit einer deutschsprachigen
Sammelhandschrift des 15./16. Jahrhunderts. Zwei Aussagen über die
Wasserzeichen der Handschrift aus den Jahren 1935 (Beschreibung durch
die Berliner Akademie) und 1984 stimmen darin überein, dass lediglich
zwei Typen, ein Ochsenkopf- und ein Turmwasserzeichen, vertreten seien.
Bei der Durchsicht der Handschrift wählte ich gut erhaltene
Wasserzeichen auf vier zusammengehörigen Blättern aus und bat um
Abzeichnungen auf Transparentpapier, die von Seiten der Bibliothek
freundlicherweise angefertigt wurden. Der Befund: Statt von einem, muss
von drei verschiedenen Ochsenkopf-Wasserzeichen ausgegangen werden. Die
Konsequenz: Für den ersten der drei Teile der Handschrift liegt keine
Wasserzeichendatierung vor, da die Abzeichnungen aus diesem Teil
aufgrund des Verlusts durch den Falz und der Unmöglichkeit, den Zusatz
auf der Stange des Ochsenkopfes zu identifizieren, für eine nähere
Bestimmung nicht deutlich genug waren (Details in meiner Beschreibung:
"Die Weimarer Handschrift Q 127 ...", in: Zeitschrift für deutsches
Altertum ... 1989 H. 4 oder 1990 H. 1, Anm. 9). Es handelt sich dabei um
ein Beispiel für die von Van der Horst [im gleichen Heft der Gazette, KG 2009] erwähnten praktischen
Schwierigkeiten, zu korrekten Wiedergaben zu kommen.
Das eigentliche Problem besteht jedoch in der von Van der Horst
angesprochenen Frage nach den Identitätskriterien für Wasserzeichen bzw.
Wasserzeichen-Typen. Um sicher zu gehen, dass alle Wasserzeichen-Typen
der Handschrift erfasst sind, hätte ich jedes einzelne
Wasserzeichen-Vorkommen abzeichnen bzw. mit bereits gefertigten
Abzeichnungen vergleichen müssen - ein Aufwand, den der einzelne
Forscher mit gutem Grund scheut. Verlässt man sich - wie die beiden
früheren Beschreibungen - auf Stichproben, so sollte man dies explizit
erwähnen und die gewählte Stichprobe kurz charakterisieren, damit es
nicht zu Fehlschlüssen kommt.
Je länger ich gelegentlich (d.h. ohne die Routine eines
professionellen Handschriftenbeschreibers) Wasserzeichen abpauste und zu
bestimmen versuchte (nach den Findbüchern oder anhand der
Wasserzeichenkartei Piccard im Hauptstaatsarchiv Stuttgart), um so mehr
wuchs mein Unbehagen. In Bibliotheken und Archiven begegnete ich
Hilfsbereitschaft, freilich wiederholt gepaart mit Unkenntnis oder
Desinteresse. Wer immer die Piccardschen Bände benutzt, tut dies ohne
veröffentlichte Anleitung - mit welchen Kriterien er eine
Wasserzeichen-Abbildung für die Datierung der ihm vorliegenden
Wiedergabe heranziehen darf, bleibt offen. Mit anderen Worten: Die
Wasserzeichenkunde erscheint von aussen als "Geheimwissenschaft", deren
Jünger mit trügerischer Sicherheit handeln. Da man ungern erkennen
lassen will, dass man nicht dazugehört, gaukelt man eine Gewissheit vor,
die in Wirklichkeit nicht besteht.
Zugegeben, "Wursteln" ist oft ein effizientes Verfahren und in den
meisten Fällen dürfte man auch mit dilettantischen Methoden das
gewünschte Ziel einer ungefähren Datierung erreichen. Trotzdem ist es,
wie ich meine, an der Zeit, darüber zu diskutieren, ob nicht
Alternativen wünschenswert bzw. realisierbar sind. Dem sollen die
folgenden Vorschläge dienen, die natürlich nicht nur für die
Handschriftenabteilungen von Bibliotheken, sondern auch für Archive
gelten können.
Zunächst ist festzustellen: Wasserzeichendatierungen von solchen
undatierten Papierhandschriften, die nicht hinreichend genau inhaltlich
datiert werden können, sind für die Forschung unverzichtbar. Das
Vorliegen solcher Datierungen liegt im Interesse von Forschern und
Bibliotheken.
Das optimistisch stimmende Ergebnis des von Van der Horst
durchgeführten Vergleiches lässt ja erkennen, dass
Wasserzeichendatierungen ein zuverlässiges Hilfsmittel sein können.
Voraussetzung der Wasserzeichendatierung ist das Vorliegen einer
Wasserzeichen-Wiedergabe. Diese ist nach demjenigen Verfahren
herzustellen, das der Bibliothek unter Berücksichtung der Interessen des
Forschers aus Kosten-, Zeit- und konservatorischen Gründen vertretbar
erscheint.
Zu unterscheiden sind als Verfahren 1. die Handpause und andere
durchlichtabhängige Wiedergaben, gegen die aus konservatorischen Gründen
Bedenken anzumelden sind, 2. die Abreibung, die auch bei beschriebenen
Blättern gute Ergebnisse liefert (Wolfgang Haupt,
"Wasserzeichenwiedergabe in schwierigen Fällen", in: Maltechnik
1/Restauro 87, 1981, Januar, 38-43) sowie 3. die Beta-Radiographie als
das Verfahren mit optimalen Ergebnissen, das jedoch auch am
aufwendigsten und kostenintensivsten ist (vgl. mit weiteren Nachweisen:
Eva Ziesche/Dirk Schnitger, "Datierung des Heldenbuchs aus der
Untersuchung seiner Papiere", in: Heldenbuch, hrsg. von Joachim Heinzle,
Bd. 2, Göppingen 1987, 173-204).
Zwar könnte eine Bibliothek jegliche Wasserzeichenwiedergabe durch
den Benutzer untersagen, doch sollte stattdessen im Interesse der
Forschung ein Kompromiss gefunden werden (Beschränkung der Anzahl der
Wiedergaben, Herstellung durch die Bibliothek o.ä.).
Vorschlag: Wasserzeichen-Wiedergaben von Handschriften einer
Bibliothek sind von dieser zu verwahren, nach Typen zu erschliessen und
Benutzern zugänglich zu machen.
Gründe dieses von Johannes Janota geäusserten Vorschlags sind vor
allem die Vermeidung wissenschaftlicher Doppelarbeit und
konservatorische Rücksichten; erfreulicher Nebeneffekt wäre die
Erstellung einer wasserzeichenkundlichen Sammlung, die unaufwendig durch
eine Kartei (Datei) nach Briquet- bzw. Piccard-Typen erschlossen werden
könnte. Weshalb müssen von bestimmten oft beschriebenen Handschriften
jedesmal neu Handpausen angefertigt werden? Müssen diese oder andere
Wiedergaben - nötigenfalls mit Benutzungssperre bis zur Publikation - in
Kopie bei der Bibliothek hinterlegt werden, so können nachträglich noch
nicht bei Piccard veröffentlichte Typen datiert werden.
Dies betrifft natürlich insbesondere die aufgrund der DFG-Richtlinien
Handschriftenkatalogisierung erstellten Wasserzeichen-Wiedergaben (3.
Aufl. 1983, 9: "WASSERZEICHEN, sofern so genau bestimmbar, dass ein
Anhaltspunkt für die Datierung gewonnen werden kann"), die derzeit in
der Regel im Privateigentum des Handschriftenbeschreibers verschwinden.
Vorschlag: Die Wasserzeichen-Analyse einer Handschrift durch Forscher
oder Bibliothek ist möglichst umfassend zu dokumentieren. (Von wem
wurden wann mit welchem Verfahren welche Wasserzeichen auf welchen
Blättern der Handschrift wiedergegeben und mit welchen Quellen
bestimmt?)
Diese Dokumentation kann in einer eigenen Akte zur Handschrift
erfolgen, die Wiedergaben und ggf. Expertisen enthält. Diese Akte kann
als Beiakte zu sonstigen Unterlagen zur jeweiligen Handschrift geführt
werden (z.B. Vorarbeiten für eine Handschriftenbeschreibung, die nur
z.T. veröffentlicht werden können). Es versteht sich von selbst, dass
Wiedergaben und Bestimmungen wissenschaftliche Leistungen sind, die
redlicherweise mit Quellenangabe zu zitieren sind.
Ob zwei in einer Handschrift auftretende Wasserzeichen "identisch"
bzw. "sehr ähnlich" sind, lässt sich in vielen Fällen, wie oben bereits
festgestellt, nur entscheiden, wenn Wiedergaben vorgenommen wurden. Es
entspricht wissenschaftlicher Redlichkeit, den aufgrund von flüchtiger
Analyse (die in der Regel pragmatisch gerechtfertigt werden kann)
auftretenden Unsicherheitsfaktor zu benennen.
Als Bestimmungshilfsmittel ist die von Piccard angelegte
Wasserzeichenkartei des Hauptstaatsarchivs Stuttgart zu nennen. So kam
Jörn Reichel durch ihre Benutzung zu genaueren Ergebnissen bei der
Datierung von Rosenplüt-Handschriften (Der Spruchdichter Hans Rosenplüt,
Stuttgart 1985, 226 u.ö.). Nur in kleinerem Umfang beantwortet das
genannte Archiv auch schriftliche Anfragen. Zur Problematik der
Piccardschen Kartei und Findbücher vgl. ausser den von Van der Horst
genannten Titeln Christoph Petzsch, "Wasserzeichen und Provenienz der
'Kolmarer Liederhandschrift' (Cgm 4997)", in: Zeitschrift für deutsches
Altertum ... 99 (1988), 201-210; Otto Kresten, in: Mitteilungen des
Instituts für österr. Geschichtsforschung 96 (1988), 439-443.
NACHWORT 2009
Durch die Zugänglichkeit der Wasserzeichenkartei Piccard online ist ein Problem entschärft, das ich damals ansprach.
http://www.piccard-online.de/start.php
Die Kooperation des Bernstein-Konsortiums
http://www.bernstein.oeaw.ac.at/
zeigt, dass die Zukunft der Wasserzeichenforschung digital ist, dass also Wasserzeichenreproduktionen tunlichst im Internet veröffentlicht werden.
Dass man skrupulöser mit Wasserzeichendatierungen umgehen sollte, denke ich heute noch. Neben Großprojekten wie BERNSTEIN sollte es vernetzte Wasserzeichen-Dokumentationen geben.
Jede Abzeichnung oder andere Reproduktion, die von einem Benutzer oder einer Bibliothek erstellt wurde oder ihr vorliegt, sollte digitalisiert und im Internet zugänglich gemacht werden. Selbstverständlich ist darauf zu achten, dass Metadaten diesen Wasserzeichenbildern beigegeben werden, die eine Verknüpfung mit den zentralen Referenz-Werken (Briquet, Piccard etc.) erlauben.
Und es sollte ein Wiki geben, das - gemäß Web 2.0 - es ermöglicht, dass Forscher eigene Wasserzeichenabzeichnungen hochladen und über Datierungen diskutieren können.
Klaus Graf, Vorschläge zur Wasserzeichendatierung von Handschriften, in: Gazette du livre médiéval Nr. 16, Printemps 1990, S. 8-11
Ich wähnte dieses kurze Elaborat für gänzlich vergessen.
Ich dokumentiere im folgenden den Text und füge ein Nachwort 2009 an.
VORSCHLÄGE ZUR WASSERZEICHENDATIERUNG VON HANDSCHRIFTEN
Nach:
http://www.aedph.uni-bayreuth.de/1999/0197.html
Ausgangspunkt des folgenden Diskussionspapiers sind eigene Erfahrungen
mit Wasserzeichendatierungen, zuletzt mit einer deutschsprachigen
Sammelhandschrift des 15./16. Jahrhunderts. Zwei Aussagen über die
Wasserzeichen der Handschrift aus den Jahren 1935 (Beschreibung durch
die Berliner Akademie) und 1984 stimmen darin überein, dass lediglich
zwei Typen, ein Ochsenkopf- und ein Turmwasserzeichen, vertreten seien.
Bei der Durchsicht der Handschrift wählte ich gut erhaltene
Wasserzeichen auf vier zusammengehörigen Blättern aus und bat um
Abzeichnungen auf Transparentpapier, die von Seiten der Bibliothek
freundlicherweise angefertigt wurden. Der Befund: Statt von einem, muss
von drei verschiedenen Ochsenkopf-Wasserzeichen ausgegangen werden. Die
Konsequenz: Für den ersten der drei Teile der Handschrift liegt keine
Wasserzeichendatierung vor, da die Abzeichnungen aus diesem Teil
aufgrund des Verlusts durch den Falz und der Unmöglichkeit, den Zusatz
auf der Stange des Ochsenkopfes zu identifizieren, für eine nähere
Bestimmung nicht deutlich genug waren (Details in meiner Beschreibung:
"Die Weimarer Handschrift Q 127 ...", in: Zeitschrift für deutsches
Altertum ... 1989 H. 4 oder 1990 H. 1, Anm. 9). Es handelt sich dabei um
ein Beispiel für die von Van der Horst [im gleichen Heft der Gazette, KG 2009] erwähnten praktischen
Schwierigkeiten, zu korrekten Wiedergaben zu kommen.
Das eigentliche Problem besteht jedoch in der von Van der Horst
angesprochenen Frage nach den Identitätskriterien für Wasserzeichen bzw.
Wasserzeichen-Typen. Um sicher zu gehen, dass alle Wasserzeichen-Typen
der Handschrift erfasst sind, hätte ich jedes einzelne
Wasserzeichen-Vorkommen abzeichnen bzw. mit bereits gefertigten
Abzeichnungen vergleichen müssen - ein Aufwand, den der einzelne
Forscher mit gutem Grund scheut. Verlässt man sich - wie die beiden
früheren Beschreibungen - auf Stichproben, so sollte man dies explizit
erwähnen und die gewählte Stichprobe kurz charakterisieren, damit es
nicht zu Fehlschlüssen kommt.
Je länger ich gelegentlich (d.h. ohne die Routine eines
professionellen Handschriftenbeschreibers) Wasserzeichen abpauste und zu
bestimmen versuchte (nach den Findbüchern oder anhand der
Wasserzeichenkartei Piccard im Hauptstaatsarchiv Stuttgart), um so mehr
wuchs mein Unbehagen. In Bibliotheken und Archiven begegnete ich
Hilfsbereitschaft, freilich wiederholt gepaart mit Unkenntnis oder
Desinteresse. Wer immer die Piccardschen Bände benutzt, tut dies ohne
veröffentlichte Anleitung - mit welchen Kriterien er eine
Wasserzeichen-Abbildung für die Datierung der ihm vorliegenden
Wiedergabe heranziehen darf, bleibt offen. Mit anderen Worten: Die
Wasserzeichenkunde erscheint von aussen als "Geheimwissenschaft", deren
Jünger mit trügerischer Sicherheit handeln. Da man ungern erkennen
lassen will, dass man nicht dazugehört, gaukelt man eine Gewissheit vor,
die in Wirklichkeit nicht besteht.
Zugegeben, "Wursteln" ist oft ein effizientes Verfahren und in den
meisten Fällen dürfte man auch mit dilettantischen Methoden das
gewünschte Ziel einer ungefähren Datierung erreichen. Trotzdem ist es,
wie ich meine, an der Zeit, darüber zu diskutieren, ob nicht
Alternativen wünschenswert bzw. realisierbar sind. Dem sollen die
folgenden Vorschläge dienen, die natürlich nicht nur für die
Handschriftenabteilungen von Bibliotheken, sondern auch für Archive
gelten können.
Zunächst ist festzustellen: Wasserzeichendatierungen von solchen
undatierten Papierhandschriften, die nicht hinreichend genau inhaltlich
datiert werden können, sind für die Forschung unverzichtbar. Das
Vorliegen solcher Datierungen liegt im Interesse von Forschern und
Bibliotheken.
Das optimistisch stimmende Ergebnis des von Van der Horst
durchgeführten Vergleiches lässt ja erkennen, dass
Wasserzeichendatierungen ein zuverlässiges Hilfsmittel sein können.
Voraussetzung der Wasserzeichendatierung ist das Vorliegen einer
Wasserzeichen-Wiedergabe. Diese ist nach demjenigen Verfahren
herzustellen, das der Bibliothek unter Berücksichtung der Interessen des
Forschers aus Kosten-, Zeit- und konservatorischen Gründen vertretbar
erscheint.
Zu unterscheiden sind als Verfahren 1. die Handpause und andere
durchlichtabhängige Wiedergaben, gegen die aus konservatorischen Gründen
Bedenken anzumelden sind, 2. die Abreibung, die auch bei beschriebenen
Blättern gute Ergebnisse liefert (Wolfgang Haupt,
"Wasserzeichenwiedergabe in schwierigen Fällen", in: Maltechnik
1/Restauro 87, 1981, Januar, 38-43) sowie 3. die Beta-Radiographie als
das Verfahren mit optimalen Ergebnissen, das jedoch auch am
aufwendigsten und kostenintensivsten ist (vgl. mit weiteren Nachweisen:
Eva Ziesche/Dirk Schnitger, "Datierung des Heldenbuchs aus der
Untersuchung seiner Papiere", in: Heldenbuch, hrsg. von Joachim Heinzle,
Bd. 2, Göppingen 1987, 173-204).
Zwar könnte eine Bibliothek jegliche Wasserzeichenwiedergabe durch
den Benutzer untersagen, doch sollte stattdessen im Interesse der
Forschung ein Kompromiss gefunden werden (Beschränkung der Anzahl der
Wiedergaben, Herstellung durch die Bibliothek o.ä.).
Vorschlag: Wasserzeichen-Wiedergaben von Handschriften einer
Bibliothek sind von dieser zu verwahren, nach Typen zu erschliessen und
Benutzern zugänglich zu machen.
Gründe dieses von Johannes Janota geäusserten Vorschlags sind vor
allem die Vermeidung wissenschaftlicher Doppelarbeit und
konservatorische Rücksichten; erfreulicher Nebeneffekt wäre die
Erstellung einer wasserzeichenkundlichen Sammlung, die unaufwendig durch
eine Kartei (Datei) nach Briquet- bzw. Piccard-Typen erschlossen werden
könnte. Weshalb müssen von bestimmten oft beschriebenen Handschriften
jedesmal neu Handpausen angefertigt werden? Müssen diese oder andere
Wiedergaben - nötigenfalls mit Benutzungssperre bis zur Publikation - in
Kopie bei der Bibliothek hinterlegt werden, so können nachträglich noch
nicht bei Piccard veröffentlichte Typen datiert werden.
Dies betrifft natürlich insbesondere die aufgrund der DFG-Richtlinien
Handschriftenkatalogisierung erstellten Wasserzeichen-Wiedergaben (3.
Aufl. 1983, 9: "WASSERZEICHEN, sofern so genau bestimmbar, dass ein
Anhaltspunkt für die Datierung gewonnen werden kann"), die derzeit in
der Regel im Privateigentum des Handschriftenbeschreibers verschwinden.
Vorschlag: Die Wasserzeichen-Analyse einer Handschrift durch Forscher
oder Bibliothek ist möglichst umfassend zu dokumentieren. (Von wem
wurden wann mit welchem Verfahren welche Wasserzeichen auf welchen
Blättern der Handschrift wiedergegeben und mit welchen Quellen
bestimmt?)
Diese Dokumentation kann in einer eigenen Akte zur Handschrift
erfolgen, die Wiedergaben und ggf. Expertisen enthält. Diese Akte kann
als Beiakte zu sonstigen Unterlagen zur jeweiligen Handschrift geführt
werden (z.B. Vorarbeiten für eine Handschriftenbeschreibung, die nur
z.T. veröffentlicht werden können). Es versteht sich von selbst, dass
Wiedergaben und Bestimmungen wissenschaftliche Leistungen sind, die
redlicherweise mit Quellenangabe zu zitieren sind.
Ob zwei in einer Handschrift auftretende Wasserzeichen "identisch"
bzw. "sehr ähnlich" sind, lässt sich in vielen Fällen, wie oben bereits
festgestellt, nur entscheiden, wenn Wiedergaben vorgenommen wurden. Es
entspricht wissenschaftlicher Redlichkeit, den aufgrund von flüchtiger
Analyse (die in der Regel pragmatisch gerechtfertigt werden kann)
auftretenden Unsicherheitsfaktor zu benennen.
Als Bestimmungshilfsmittel ist die von Piccard angelegte
Wasserzeichenkartei des Hauptstaatsarchivs Stuttgart zu nennen. So kam
Jörn Reichel durch ihre Benutzung zu genaueren Ergebnissen bei der
Datierung von Rosenplüt-Handschriften (Der Spruchdichter Hans Rosenplüt,
Stuttgart 1985, 226 u.ö.). Nur in kleinerem Umfang beantwortet das
genannte Archiv auch schriftliche Anfragen. Zur Problematik der
Piccardschen Kartei und Findbücher vgl. ausser den von Van der Horst
genannten Titeln Christoph Petzsch, "Wasserzeichen und Provenienz der
'Kolmarer Liederhandschrift' (Cgm 4997)", in: Zeitschrift für deutsches
Altertum ... 99 (1988), 201-210; Otto Kresten, in: Mitteilungen des
Instituts für österr. Geschichtsforschung 96 (1988), 439-443.
NACHWORT 2009
Durch die Zugänglichkeit der Wasserzeichenkartei Piccard online ist ein Problem entschärft, das ich damals ansprach.
http://www.piccard-online.de/start.php
Die Kooperation des Bernstein-Konsortiums
http://www.bernstein.oeaw.ac.at/
zeigt, dass die Zukunft der Wasserzeichenforschung digital ist, dass also Wasserzeichenreproduktionen tunlichst im Internet veröffentlicht werden.
Dass man skrupulöser mit Wasserzeichendatierungen umgehen sollte, denke ich heute noch. Neben Großprojekten wie BERNSTEIN sollte es vernetzte Wasserzeichen-Dokumentationen geben.
Jede Abzeichnung oder andere Reproduktion, die von einem Benutzer oder einer Bibliothek erstellt wurde oder ihr vorliegt, sollte digitalisiert und im Internet zugänglich gemacht werden. Selbstverständlich ist darauf zu achten, dass Metadaten diesen Wasserzeichenbildern beigegeben werden, die eine Verknüpfung mit den zentralen Referenz-Werken (Briquet, Piccard etc.) erlauben.
Und es sollte ein Wiki geben, das - gemäß Web 2.0 - es ermöglicht, dass Forscher eigene Wasserzeichenabzeichnungen hochladen und über Datierungen diskutieren können.
KlausGraf - am Sonntag, 9. August 2009, 04:19 - Rubrik: Kodikologie