http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/forum/type=diskussionen&id=1146
In den letzten Tagen dürften viele Autoren als sogenannte "Bezugsberechtigte" Post von der Verwertungsgesellschaft (VG) Wort in München erhalten haben. Sie wurden aufgefordert, Rechte an die VG Wort auf einem Internetportal oder durch Rücksendung der beigefügten Rechteübertragung zu übertragen, damit die VG Wort mit Google in Sachen Google Buchsuche/Book Search verhandeln kann. Nicht wenige der Adressaten dürften die juristische Sprache der auch online verfügbaren Erläuterungen [1] kaum verstehen.
Worum geht es? Seit 2004 bietet Google im Rahmen seines Angebots Google Book Search [2] gescannte und mit Volltext versehene Bücher an, die es aus zwei Quellen bezieht.
Die erste Quelle sind Verlage, die durch freiwillige Vereinbarungen mit Google Bücher liefern ("Verlagsprogramm"). Diese sind zu einem kleinen Teil online durchblätterbar und werden in der deutschen Version mit dem Hinweis "Eigeschränkte Vorschau" versehen.
Es gibt zwar eine sehr kleine Anzahl von Verlagen, die es Google erlauben, die Bücher komplett anzuzeigen, aber diese Bücher fallen bei der Gesamtanzahl von etwa 10 Mio. Büchern kaum ins Gewicht.[3]
Die Bücher des Verlagsprogramms werfen im allgemeinen keine urheberrechtlichen Probleme auf, denn die Ganzseitenanzeige von Buchteilen ist mit den Verlagen abgesprochen. Es kann freilich sein, dass ein Autor erstaunt feststellt, dass Google sein Buch teilweise anzeigt, obwohl er der Ansicht ist, keine solche Rechte an den Verlag vergeben zu haben. Üblicherweise haben bei neueren Buchveröffentlichungen die Verlage aber die Online-Rechte und können - zumindest nach ihrer eigenen Rechtsansicht - diese Google weiterübertragen. Es ist Google nicht anzulasten, wenn es in Einzelfällen dazu kommt, dass Verlage im Verlagsprogramm Google Bücher zur Verfügung stellen, ohne die nötigen Rechte vom Autor erworben zu haben. Auch das mit dem Börsenverein und der VG Wort abgestimmte kostenpflichtige Bibliotheks-Digitalisierungsangebot setzt sich im Zeitschriftenbereich über die Rechte der Autoren hinweg. [4]
Die zweite Quelle ist problematischer: Es sind Bibliotheksbücher aus den USA, Europa und Japan ("Bibliotheksprogramm"), wobei Googles europäische Partner (insbesondere die Bayerische Staatsbibliothek) und ein Teil der amerikanischen bewusst nur gemeinfreie Bestände für das Scannen freigegeben haben.
Google scannt, was seit 2004 bekannt ist und bereits Gegenstand einer 2006 zurückgezogenen Klage der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft [5] war, vor allem in US-Bibliotheken moderne urheberrechtlich geschützte Fachliteratur einschließlich solcher deutschsprachiger Autoren ein.
Daneben scannt Google aber auch in großem Umfang gemeinfreie alte deutschsprachige Bücher ein, etwa in Kooperation mit München. Anhand der IP-Adresse unterscheidet Google zwei Nutzergruppen: US-Bürger und alle anderen. Deutschsprachige Bücher, die zwischen 1869 und etwa 1910/1922 erschienen sind, aber auch unverständlicherweise sehr viele ältere Bände, sind nur über den Umweg eines sogenannten US-Proxy für deutsche Nutzer zugänglich. [6] Dies betrifft in großem Umfang auch gemeinfreie, in Deutschland bekanntlich 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers nicht mehr geschützte Literatur.
Im Rahmen des Bibliotheksprogramms gescannte Bücher werden von Google nur dann in Vollansicht gezeigt, wenn Google diese als Public Domain ansieht. Es kann aber in seltenen Einzelfällen dazu kommen, dass eine moderne geschützte Klassikerausgabe automatisiert aufgrund eines Erkennungsfehlers von Google fälschlich als gemeinfrei behandelt wird.
Geschützte Literatur wird von Google nur in Form von kurzen Auszügen in der Trefferliste oder in Form von Schnipseln (snippets) angezeigt. Auch wenn man mit einem Trick [7], allerdings eher mühsam, Google etwas mehr Kontext entlocken kann, ist es nicht möglich, längere Abschnitt auf diese Weise zu lesen. Gleichwohl bieten sowohl die Trefferlistenexzerpte als auch die Schnipsel gelegentlich wichtige Informationen, die zu Neuentdeckungen führen. [8]
In den USA war unter Juristen umstritten, ob das Einscannen geschützer Bücher und die Präsentation von snippets unter "fair use" des US-Copyrights fällt. Verleger- und Autorenverbände haben gegen Google geklagt, das sich 2008 im sogenannten "Settlement" mit ihnen geeinigt hat. Die endgültige gerichtliche Zustimmung zu diesem Vergleich steht noch aus. [9]
Das Settlement hat viele problematische Aspekte [10], zu denen unter anderem gehört, dass deutsche Autoren stillschweigend zustimmen, wenn sie nicht selbst oder über die VG Wort der Einigung in den USA widersprechen. Google darf dann in den USA ihre Bücher, soweit sie vergriffen sind, vermarkten, indem Kunden Ansichtrechte einzelner Bücher oder Bibliotheken Zugänge zur ganzen Datenbank (oder Teilen davon) mit den Volltexten kaufen können. Dafür sichert Google den Autoren, die sich melden, einen Vergütungsanspruch zu.
Jeder Autor kann sich auf der Internetseite des Google Book Settlements auch auf Deutsch über die sehr komplizierte und hier nicht in wenigen Zeilen angemessen zu würdigende Einigung informieren. [11] Außerdem existiert eine kostenlose (auch deutschsprachige) Hotline.
Die VG Wort wurde von ihrer Mitgliederversammlung im Mai autorisiert, die Rechte deutscher Autoren gegenüber Google wahrzunehmen. Vorgesehen ist, dass bei allen lieferbaren und vergriffenen Büchern, für die die VG Wort die entsprechenden Rechte von Verlagen und Autoren erhält, das sogenannte "Removal" erklärt wird. Diese werden aus dem Suchindex von Google genommen, sind also nicht mehr mit dem Volltext präsent. Hinsichtlich vergriffener Bücher will die VG Wort mit Google über Anzeigemöglichkeiten verhandeln, bei noch lieferbaren Titeln darf es künftig keine Schnipsel oder Textauszüge mehr geben. Google darf lediglich die bibliographischen Daten anzeigen - es liegt auf der Hand, dass auf diese Weise die wissenschaftliche Forschung entscheidend behindert wird, da in vielen Fällen die Schnipsel/Auszüge die Entscheidung ermöglichen, ob das Buch den Kauf oder die Einsichtnahme in einer Bibliothek lohnt.
Daher hat das Urheberrechtsbündnis bereits nach der Mitgliederversammlung der VG Wort dazu aufgerufen, die von ihr vorgeschlagenen Rechte NICHT zu übertragen, da die Interessen wissenschaftlicher Urheber nicht von der VG Wort angemessen vertreten werden. Das Bündnis hat diese Empfehlung jetzt nochmals wiederholt.[12] Wer als Bezugsberechtigter angeschrieben wird, soll nach dieser Empfehlung das Schreiben der VG Wort ignorieren. Wahrnehmungsberechtigte müssen fristgerecht der entsprechenden Ergänzung ihres Wahrnehmungsvertrags widersprechen.
Das Urheberrechtsbündnis hofft, in Verhandlungen mit Google selber zu einer Einigung bezüglich des Umgangs mit wissenschaftlichen (und verwaisten) Werken zu kommen. Vor kurzem gab es in diesem Zusammenhang ein außerordentlich erfreuliches Signal von Google [13]: Es gibt nun auch Bücher in Google Book Search, die unter einer Creative Commons Lizenz stehen und bei denen wie bei gemeinfreien Büchern ein PDF-Download möglich ist. In Zukunft wird es möglich sein, dass Rechteinhaber, soweit das Settlement genehmigt wird, im Bereich der Settlement-Website, in denen sie ihre Bücher und Buchbeiträge ("Inserts") verwalten können, den Preis des Buchs auf Null setzen können (und damit seine weltweite komplette kostenfreie Zugänglichkeit ermöglichen). Ebenso soll es möglich sein, dort eine Creative Commons-Lizenz einzutragen.
Die Währung der Wissenschaft ist Sichtbarkeit. Üblicherweise dienen wissenschaftliche Werke nicht der Einnahmenerzielung, Aufsätze werden in der Regel ohne Honorar geschrieben. Daher muss es im Interesse der Wissenschaftler sein, dass ihre Werke "Open Access" komplett bei Google Book Search einsehbar sind. Und im übrigen müsste eine solche Einsehbarkeit den Buchverkauf nicht ausschließen, eher im Gegenteil: Es gibt sehr viele empirische Hinweise, dass eine freie Online-Zugänglichkeit den Verkauf des gedruckten Buchs nicht behindert, sondern sogar im Gegenteil befördert. [14]
Was die VG Wort vorhat, kann nicht im Interesse der Wissenschaftsautoren sein. Während eine Lösung hinsichtlich der wichtigen Kategorie der Buchbeiträge (Beiträge in Sammelbänden), bei denen in der Regel die Autoren und nicht die Verlage nach deutschem Recht die Rechteinhaber sind, wohl nur über die Verhandlungen des Urheberrechtsbündnisses zustande kommen kann, empfiehlt sich bei Monographien das folgende Vorgehen:
1. Bei noch lieferbaren Büchern, bei denen die Rechte in der Regel beim Verlag liegen, sollten Autoren den Verlag bitten, das Buch komplett durch Google kostenfrei anzeigen zu lassen. In den meisten Fällen ist mit einer Ablehnung des Verlags zu rechnen. Lehnt der Verlag ab, kann man ihn bitten, dass - sofern nicht bereits geschehen - das Buch wenigstens teilweise bei Google Book Search im Rahmen des Partnerprogramms zur Verfügung steht. Ein "Removal" - komplette Herausnahme des Buchs aus der Buchsuche - kann nicht einseitig vom Verlag gegenüber der VG Wort erklärt werden, Autor und Verlag müssen ihm zustimmen.
2. Bei vergriffenen Büchern sollten Autoren ebenfalls den Verlag bitten, das Buch komplett anzeigen zu lassen. Weigert er sich, so können die Autoren das im Urheberrecht geregelte Rückrufsrecht wegen Nichtausübung in Anspruch nehmen. [15] Die Rechte würden danach wieder bei ihnen liegen und könnten im Rahmen der Settlement-Verwaltung dazu genutzt werden, das Buch frei zugänglich zu machen.
Wichtig ist auf jeden Fall, dass die VG Wort keine Rechte erhält, die sie zur Einschränkung der Google Buchsuche und zum Schaden von Open Access nutzen kann!
Anmerkungen:
[1] http://www.vgwort.de/files/google_bezugsberechtigte_0809.pdf
[2] http://books.google.de
[3] Beliebiges Beispiel: Bücher der American Philosophical Society, etwa
http://books.google.de/books?id=Kj8LAAAAIAAJ
[4] http://archiv.twoday.net/stories/4477889/
[5] http://www.heise.de/newsticker/meldung/74832
[6] http://de.wikisource.org/wiki/Wikisource:Google_Book_Search
[7] http://archiv.twoday.net/stories/5818683/
[8] http://archiv.twoday.net/stories/5690177/
[9] Allgemeinverständliche Darstellung zum Settlement:
http://www.irights.info/index.php?id=764
[10] Auf die im Zusammenhang mit dem sogenannten "Heidelberger Appell"
erfolgte Desinformations-Kampagne hinsichtlich Google Book Search kann
ich hier nicht näher eingehen.
[11] http://books.google.com/booksrightsholders/
[12] http://iuwis.de/blog/erinnerung-aktionsb%C3%BCndnis-empfiehlt-nicht-zustimmung-zur-%C3%A4nderung-des-vg-wort-vertrags
Siehe auch http://archiv.twoday.net/stories/5900888/
[13] http://archiv.twoday.net/stories/5878756/
[14] http://delicious.com/Klausgraf/monograph_open_access
[15] http://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__41.html
In den letzten Tagen dürften viele Autoren als sogenannte "Bezugsberechtigte" Post von der Verwertungsgesellschaft (VG) Wort in München erhalten haben. Sie wurden aufgefordert, Rechte an die VG Wort auf einem Internetportal oder durch Rücksendung der beigefügten Rechteübertragung zu übertragen, damit die VG Wort mit Google in Sachen Google Buchsuche/Book Search verhandeln kann. Nicht wenige der Adressaten dürften die juristische Sprache der auch online verfügbaren Erläuterungen [1] kaum verstehen.
Worum geht es? Seit 2004 bietet Google im Rahmen seines Angebots Google Book Search [2] gescannte und mit Volltext versehene Bücher an, die es aus zwei Quellen bezieht.
Die erste Quelle sind Verlage, die durch freiwillige Vereinbarungen mit Google Bücher liefern ("Verlagsprogramm"). Diese sind zu einem kleinen Teil online durchblätterbar und werden in der deutschen Version mit dem Hinweis "Eigeschränkte Vorschau" versehen.
Es gibt zwar eine sehr kleine Anzahl von Verlagen, die es Google erlauben, die Bücher komplett anzuzeigen, aber diese Bücher fallen bei der Gesamtanzahl von etwa 10 Mio. Büchern kaum ins Gewicht.[3]
Die Bücher des Verlagsprogramms werfen im allgemeinen keine urheberrechtlichen Probleme auf, denn die Ganzseitenanzeige von Buchteilen ist mit den Verlagen abgesprochen. Es kann freilich sein, dass ein Autor erstaunt feststellt, dass Google sein Buch teilweise anzeigt, obwohl er der Ansicht ist, keine solche Rechte an den Verlag vergeben zu haben. Üblicherweise haben bei neueren Buchveröffentlichungen die Verlage aber die Online-Rechte und können - zumindest nach ihrer eigenen Rechtsansicht - diese Google weiterübertragen. Es ist Google nicht anzulasten, wenn es in Einzelfällen dazu kommt, dass Verlage im Verlagsprogramm Google Bücher zur Verfügung stellen, ohne die nötigen Rechte vom Autor erworben zu haben. Auch das mit dem Börsenverein und der VG Wort abgestimmte kostenpflichtige Bibliotheks-Digitalisierungsangebot setzt sich im Zeitschriftenbereich über die Rechte der Autoren hinweg. [4]
Die zweite Quelle ist problematischer: Es sind Bibliotheksbücher aus den USA, Europa und Japan ("Bibliotheksprogramm"), wobei Googles europäische Partner (insbesondere die Bayerische Staatsbibliothek) und ein Teil der amerikanischen bewusst nur gemeinfreie Bestände für das Scannen freigegeben haben.
Google scannt, was seit 2004 bekannt ist und bereits Gegenstand einer 2006 zurückgezogenen Klage der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft [5] war, vor allem in US-Bibliotheken moderne urheberrechtlich geschützte Fachliteratur einschließlich solcher deutschsprachiger Autoren ein.
Daneben scannt Google aber auch in großem Umfang gemeinfreie alte deutschsprachige Bücher ein, etwa in Kooperation mit München. Anhand der IP-Adresse unterscheidet Google zwei Nutzergruppen: US-Bürger und alle anderen. Deutschsprachige Bücher, die zwischen 1869 und etwa 1910/1922 erschienen sind, aber auch unverständlicherweise sehr viele ältere Bände, sind nur über den Umweg eines sogenannten US-Proxy für deutsche Nutzer zugänglich. [6] Dies betrifft in großem Umfang auch gemeinfreie, in Deutschland bekanntlich 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers nicht mehr geschützte Literatur.
Im Rahmen des Bibliotheksprogramms gescannte Bücher werden von Google nur dann in Vollansicht gezeigt, wenn Google diese als Public Domain ansieht. Es kann aber in seltenen Einzelfällen dazu kommen, dass eine moderne geschützte Klassikerausgabe automatisiert aufgrund eines Erkennungsfehlers von Google fälschlich als gemeinfrei behandelt wird.
Geschützte Literatur wird von Google nur in Form von kurzen Auszügen in der Trefferliste oder in Form von Schnipseln (snippets) angezeigt. Auch wenn man mit einem Trick [7], allerdings eher mühsam, Google etwas mehr Kontext entlocken kann, ist es nicht möglich, längere Abschnitt auf diese Weise zu lesen. Gleichwohl bieten sowohl die Trefferlistenexzerpte als auch die Schnipsel gelegentlich wichtige Informationen, die zu Neuentdeckungen führen. [8]
In den USA war unter Juristen umstritten, ob das Einscannen geschützer Bücher und die Präsentation von snippets unter "fair use" des US-Copyrights fällt. Verleger- und Autorenverbände haben gegen Google geklagt, das sich 2008 im sogenannten "Settlement" mit ihnen geeinigt hat. Die endgültige gerichtliche Zustimmung zu diesem Vergleich steht noch aus. [9]
Das Settlement hat viele problematische Aspekte [10], zu denen unter anderem gehört, dass deutsche Autoren stillschweigend zustimmen, wenn sie nicht selbst oder über die VG Wort der Einigung in den USA widersprechen. Google darf dann in den USA ihre Bücher, soweit sie vergriffen sind, vermarkten, indem Kunden Ansichtrechte einzelner Bücher oder Bibliotheken Zugänge zur ganzen Datenbank (oder Teilen davon) mit den Volltexten kaufen können. Dafür sichert Google den Autoren, die sich melden, einen Vergütungsanspruch zu.
Jeder Autor kann sich auf der Internetseite des Google Book Settlements auch auf Deutsch über die sehr komplizierte und hier nicht in wenigen Zeilen angemessen zu würdigende Einigung informieren. [11] Außerdem existiert eine kostenlose (auch deutschsprachige) Hotline.
Die VG Wort wurde von ihrer Mitgliederversammlung im Mai autorisiert, die Rechte deutscher Autoren gegenüber Google wahrzunehmen. Vorgesehen ist, dass bei allen lieferbaren und vergriffenen Büchern, für die die VG Wort die entsprechenden Rechte von Verlagen und Autoren erhält, das sogenannte "Removal" erklärt wird. Diese werden aus dem Suchindex von Google genommen, sind also nicht mehr mit dem Volltext präsent. Hinsichtlich vergriffener Bücher will die VG Wort mit Google über Anzeigemöglichkeiten verhandeln, bei noch lieferbaren Titeln darf es künftig keine Schnipsel oder Textauszüge mehr geben. Google darf lediglich die bibliographischen Daten anzeigen - es liegt auf der Hand, dass auf diese Weise die wissenschaftliche Forschung entscheidend behindert wird, da in vielen Fällen die Schnipsel/Auszüge die Entscheidung ermöglichen, ob das Buch den Kauf oder die Einsichtnahme in einer Bibliothek lohnt.
Daher hat das Urheberrechtsbündnis bereits nach der Mitgliederversammlung der VG Wort dazu aufgerufen, die von ihr vorgeschlagenen Rechte NICHT zu übertragen, da die Interessen wissenschaftlicher Urheber nicht von der VG Wort angemessen vertreten werden. Das Bündnis hat diese Empfehlung jetzt nochmals wiederholt.[12] Wer als Bezugsberechtigter angeschrieben wird, soll nach dieser Empfehlung das Schreiben der VG Wort ignorieren. Wahrnehmungsberechtigte müssen fristgerecht der entsprechenden Ergänzung ihres Wahrnehmungsvertrags widersprechen.
Das Urheberrechtsbündnis hofft, in Verhandlungen mit Google selber zu einer Einigung bezüglich des Umgangs mit wissenschaftlichen (und verwaisten) Werken zu kommen. Vor kurzem gab es in diesem Zusammenhang ein außerordentlich erfreuliches Signal von Google [13]: Es gibt nun auch Bücher in Google Book Search, die unter einer Creative Commons Lizenz stehen und bei denen wie bei gemeinfreien Büchern ein PDF-Download möglich ist. In Zukunft wird es möglich sein, dass Rechteinhaber, soweit das Settlement genehmigt wird, im Bereich der Settlement-Website, in denen sie ihre Bücher und Buchbeiträge ("Inserts") verwalten können, den Preis des Buchs auf Null setzen können (und damit seine weltweite komplette kostenfreie Zugänglichkeit ermöglichen). Ebenso soll es möglich sein, dort eine Creative Commons-Lizenz einzutragen.
Die Währung der Wissenschaft ist Sichtbarkeit. Üblicherweise dienen wissenschaftliche Werke nicht der Einnahmenerzielung, Aufsätze werden in der Regel ohne Honorar geschrieben. Daher muss es im Interesse der Wissenschaftler sein, dass ihre Werke "Open Access" komplett bei Google Book Search einsehbar sind. Und im übrigen müsste eine solche Einsehbarkeit den Buchverkauf nicht ausschließen, eher im Gegenteil: Es gibt sehr viele empirische Hinweise, dass eine freie Online-Zugänglichkeit den Verkauf des gedruckten Buchs nicht behindert, sondern sogar im Gegenteil befördert. [14]
Was die VG Wort vorhat, kann nicht im Interesse der Wissenschaftsautoren sein. Während eine Lösung hinsichtlich der wichtigen Kategorie der Buchbeiträge (Beiträge in Sammelbänden), bei denen in der Regel die Autoren und nicht die Verlage nach deutschem Recht die Rechteinhaber sind, wohl nur über die Verhandlungen des Urheberrechtsbündnisses zustande kommen kann, empfiehlt sich bei Monographien das folgende Vorgehen:
1. Bei noch lieferbaren Büchern, bei denen die Rechte in der Regel beim Verlag liegen, sollten Autoren den Verlag bitten, das Buch komplett durch Google kostenfrei anzeigen zu lassen. In den meisten Fällen ist mit einer Ablehnung des Verlags zu rechnen. Lehnt der Verlag ab, kann man ihn bitten, dass - sofern nicht bereits geschehen - das Buch wenigstens teilweise bei Google Book Search im Rahmen des Partnerprogramms zur Verfügung steht. Ein "Removal" - komplette Herausnahme des Buchs aus der Buchsuche - kann nicht einseitig vom Verlag gegenüber der VG Wort erklärt werden, Autor und Verlag müssen ihm zustimmen.
2. Bei vergriffenen Büchern sollten Autoren ebenfalls den Verlag bitten, das Buch komplett anzeigen zu lassen. Weigert er sich, so können die Autoren das im Urheberrecht geregelte Rückrufsrecht wegen Nichtausübung in Anspruch nehmen. [15] Die Rechte würden danach wieder bei ihnen liegen und könnten im Rahmen der Settlement-Verwaltung dazu genutzt werden, das Buch frei zugänglich zu machen.
Wichtig ist auf jeden Fall, dass die VG Wort keine Rechte erhält, die sie zur Einschränkung der Google Buchsuche und zum Schaden von Open Access nutzen kann!
Anmerkungen:
[1] http://www.vgwort.de/files/google_bezugsberechtigte_0809.pdf
[2] http://books.google.de
[3] Beliebiges Beispiel: Bücher der American Philosophical Society, etwa
http://books.google.de/books?id=Kj8LAAAAIAAJ
[4] http://archiv.twoday.net/stories/4477889/
[5] http://www.heise.de/newsticker/meldung/74832
[6] http://de.wikisource.org/wiki/Wikisource:Google_Book_Search
[7] http://archiv.twoday.net/stories/5818683/
[8] http://archiv.twoday.net/stories/5690177/
[9] Allgemeinverständliche Darstellung zum Settlement:
http://www.irights.info/index.php?id=764
[10] Auf die im Zusammenhang mit dem sogenannten "Heidelberger Appell"
erfolgte Desinformations-Kampagne hinsichtlich Google Book Search kann
ich hier nicht näher eingehen.
[11] http://books.google.com/booksrightsholders/
[12] http://iuwis.de/blog/erinnerung-aktionsb%C3%BCndnis-empfiehlt-nicht-zustimmung-zur-%C3%A4nderung-des-vg-wort-vertrags
Siehe auch http://archiv.twoday.net/stories/5900888/
[13] http://archiv.twoday.net/stories/5878756/
[14] http://delicious.com/Klausgraf/monograph_open_access
[15] http://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__41.html
KlausGraf - am Freitag, 28. August 2009, 20:03 - Rubrik: Open Access
Dietmar Bartz meinte am 2009/08/29 09:14:
Modernes Bielefeld
Der Verlag meines letzten Buchs hat sich gemeldet und will meine Zustimmung, es in elektronischen Suchprogrammen einschl. Google Books für unentgeltliche Downloads zugänglich zu machen. (Der Verlagsvertrag von 2005 enthielt noch keine entsprechende Passage.) Ich war positiv überrascht, weil der Verlag, Delius-Klasing in Bielefeld, bislang nicht sehr internet-affin war.