http://www.donaukurier.de/lokales/eichstaett/wochennl392009-Freispruch-fuer-Angelika-Reich;art575,2177787
"Ich sag‘ nix, ich muss ja hier noch arbeiten." Die Stimmung unter den Mitarbeitern der Eichstätter Universitäts-Bibliothek war nach dem Freispruch für ihre Chefin Dr. Angelika Reich drei geteilt.
[...] An der Altmühl sollte es [...] darum gehen, die restliche Büchermasse zu sortieren und zu katalogisieren, also entweder dem Eichstätter Bestand einzuverleiben, Doubletten zu verkaufen oder der Staatsbibliothek anzubieten. "Ein an sich lobenswertes Unterfangen", so die Sachverständige Dr. Karin Knabl von der Bayerischen Staatsbibliothek, jedoch mit bis zu 400 000 Bänden auch ein sehr ehrgeiziges Projekt. Bis 2014 sollte der Bestand sortiert sein, hatte der ehemalige Bibliotheksleiter Dr. Hermann Holzbauer als Zeuge vor Gericht erklärt. Und auch wenn es vor dem Schöffengericht in Ingolstadt konkret um den Vorwurf der Untreue nur einer Bücherkiste ging, so wurden doch die Differenzen zwischen ihm und Reich bei der Bewertung der Kapuzinerbestände und des Umgangs mit ihnen deutlich.
Holzbauer hatte verschiedene Lagerstätten angemietet, darunter die so genannten Stibolitzki-Hallen, die er als gut geeignet bezeichnete. Dem hatte seine Nachfolgerin vehement widersprochen, und sie bekam hier Unterstützung durch die Sachverständige Karin Knabl: "Diese Hallen waren ungeeignet, höchstens zur vorübergehenden Lagerung von bis zu fünf Jahren grenzwertig möglich", meinte sie.
Reich hatte vor Gericht erklärt, als sie das Amt im Februar 2005 angetreten habe, habe sie nichts von den unsortierten Kapuzinerbeständen in den verschiedenen Lagerhallen gewusst. "Hätte ich gewusst, was da auf mich zukommt, so hätte ich die Stelle nicht angetreten."
Die ihrer Ansicht nach oft unsachgemäße Aufbewahrung der Bände habe ihr Sorge bereitet. Es sei ihr klar gewesen, dass man zügig handeln müsse, um weitere Schäden zu vermeiden. Auch hier bekam Reich Unterstützung durch die Sachverständige der Bayerischen Staatsbibliothek, die dem vorsitzenden Richter Roland Walentin bestätigte: "Frau Reich hat den Handlungsdruck fachlich richtig erkannt und die Arbeiten forciert, was aus unserer Sicht auf alle Fälle richtig war."
Auch der Vorwurf, dass die Bibliothekschefin wohl zu viel aus dem Kapuziner-Beständen aussortiert habe, konnte Knabl nicht nachvollziehen. Die Aussagen der Sachverständigen wurde im Auditorium der öffentlichen Verhandlung mit einigem Widerwillen, aber auch halblautem "Bravo"-Murmeln quittiert. Der Angeklagten kam es auch zugute, dass sich die als Zeugen geladenen Bibliotheksmitarbeiter in einigen relevanten Detailfragen widersprachen oder sich nicht mehr erinnern konnten.
Oberstaatsanwalt Christian Veh gestand in seinem Plädoyer dann angesichts der teilweise verworrenen Schilderungen der Zeugen auch ein: "Es wäre der Eindruck möglich, dass an der Bibliothek alles drunter und drüber geht."
Kommentar von Eva Chloupek:
http://www.donaukurier.de/lokales/eichstaett/Kommentar-zum-Freispruch-fuer-Angelika-Reich;art575,2178009
Ganz offensichtlich geht es hier auch um unterschiedliche Anschauungen, wie mit historischen Beständen umzugehen ist. Der
ehemalige Bibliotheksleiter Dr. Hermann Holzbauer sieht im neuen Stil seiner Nachfolgerin sein Lebenswerk gefährdet. Ein Teil (Großteil) der Mitarbeiter traut ihrer Chefin alles zu - und sich untereinander nicht über den Weg.
Wo soll das enden? Der Freispruch kann auch ein deutliches Startsignal für einen Neustart sein. Im Sinne der – einmal mehr bundes-
weit im zu grellen Rampenlicht stehenden – Universität und ihrer Bibliothek wäre das nötig. Wobei freilich immer klar sein muss: Die Bibliothek birgt wichtiges Kulturgut, mit dem sorgsam umgegangen werden muss.
Mein Kommentar:
Wir haben in Archivalia äußerst umfangreich über den Eichstätter Skandal berichtet:
http://archiv.twoday.net/search?q=eichst%C3%A4tt
Für mich ist nach den hier zusammengetragenen Informationen klar, dass die Eichstätter Direktorin auch strafrechtlich schwerste Schuld auf sich geladen hat. Aber die "Sachverständige" von der BSB hat sie wohl herausgepaukt, nachdem die BSB bereits bei der fachlichen Beurteilung ein unsägliches Gefälligkeitsgutachten abgeliefert hatte, das schützenswerte historische Buchbestände gewissenlos der Vernichtung und Zerstreuung ausliefert.
Bild: Chloupek, donaukurier.de
Update 14.11.2009: Die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt,
http://archiv.twoday.net/stories/6043142/
"Ich sag‘ nix, ich muss ja hier noch arbeiten." Die Stimmung unter den Mitarbeitern der Eichstätter Universitäts-Bibliothek war nach dem Freispruch für ihre Chefin Dr. Angelika Reich drei geteilt.
[...] An der Altmühl sollte es [...] darum gehen, die restliche Büchermasse zu sortieren und zu katalogisieren, also entweder dem Eichstätter Bestand einzuverleiben, Doubletten zu verkaufen oder der Staatsbibliothek anzubieten. "Ein an sich lobenswertes Unterfangen", so die Sachverständige Dr. Karin Knabl von der Bayerischen Staatsbibliothek, jedoch mit bis zu 400 000 Bänden auch ein sehr ehrgeiziges Projekt. Bis 2014 sollte der Bestand sortiert sein, hatte der ehemalige Bibliotheksleiter Dr. Hermann Holzbauer als Zeuge vor Gericht erklärt. Und auch wenn es vor dem Schöffengericht in Ingolstadt konkret um den Vorwurf der Untreue nur einer Bücherkiste ging, so wurden doch die Differenzen zwischen ihm und Reich bei der Bewertung der Kapuzinerbestände und des Umgangs mit ihnen deutlich.
Holzbauer hatte verschiedene Lagerstätten angemietet, darunter die so genannten Stibolitzki-Hallen, die er als gut geeignet bezeichnete. Dem hatte seine Nachfolgerin vehement widersprochen, und sie bekam hier Unterstützung durch die Sachverständige Karin Knabl: "Diese Hallen waren ungeeignet, höchstens zur vorübergehenden Lagerung von bis zu fünf Jahren grenzwertig möglich", meinte sie.
Reich hatte vor Gericht erklärt, als sie das Amt im Februar 2005 angetreten habe, habe sie nichts von den unsortierten Kapuzinerbeständen in den verschiedenen Lagerhallen gewusst. "Hätte ich gewusst, was da auf mich zukommt, so hätte ich die Stelle nicht angetreten."
Die ihrer Ansicht nach oft unsachgemäße Aufbewahrung der Bände habe ihr Sorge bereitet. Es sei ihr klar gewesen, dass man zügig handeln müsse, um weitere Schäden zu vermeiden. Auch hier bekam Reich Unterstützung durch die Sachverständige der Bayerischen Staatsbibliothek, die dem vorsitzenden Richter Roland Walentin bestätigte: "Frau Reich hat den Handlungsdruck fachlich richtig erkannt und die Arbeiten forciert, was aus unserer Sicht auf alle Fälle richtig war."
Auch der Vorwurf, dass die Bibliothekschefin wohl zu viel aus dem Kapuziner-Beständen aussortiert habe, konnte Knabl nicht nachvollziehen. Die Aussagen der Sachverständigen wurde im Auditorium der öffentlichen Verhandlung mit einigem Widerwillen, aber auch halblautem "Bravo"-Murmeln quittiert. Der Angeklagten kam es auch zugute, dass sich die als Zeugen geladenen Bibliotheksmitarbeiter in einigen relevanten Detailfragen widersprachen oder sich nicht mehr erinnern konnten.
Oberstaatsanwalt Christian Veh gestand in seinem Plädoyer dann angesichts der teilweise verworrenen Schilderungen der Zeugen auch ein: "Es wäre der Eindruck möglich, dass an der Bibliothek alles drunter und drüber geht."
Kommentar von Eva Chloupek:
http://www.donaukurier.de/lokales/eichstaett/Kommentar-zum-Freispruch-fuer-Angelika-Reich;art575,2178009
Ganz offensichtlich geht es hier auch um unterschiedliche Anschauungen, wie mit historischen Beständen umzugehen ist. Der
ehemalige Bibliotheksleiter Dr. Hermann Holzbauer sieht im neuen Stil seiner Nachfolgerin sein Lebenswerk gefährdet. Ein Teil (Großteil) der Mitarbeiter traut ihrer Chefin alles zu - und sich untereinander nicht über den Weg.
Wo soll das enden? Der Freispruch kann auch ein deutliches Startsignal für einen Neustart sein. Im Sinne der – einmal mehr bundes-
weit im zu grellen Rampenlicht stehenden – Universität und ihrer Bibliothek wäre das nötig. Wobei freilich immer klar sein muss: Die Bibliothek birgt wichtiges Kulturgut, mit dem sorgsam umgegangen werden muss.
Mein Kommentar:
Wir haben in Archivalia äußerst umfangreich über den Eichstätter Skandal berichtet:
http://archiv.twoday.net/search?q=eichst%C3%A4tt
Für mich ist nach den hier zusammengetragenen Informationen klar, dass die Eichstätter Direktorin auch strafrechtlich schwerste Schuld auf sich geladen hat. Aber die "Sachverständige" von der BSB hat sie wohl herausgepaukt, nachdem die BSB bereits bei der fachlichen Beurteilung ein unsägliches Gefälligkeitsgutachten abgeliefert hatte, das schützenswerte historische Buchbestände gewissenlos der Vernichtung und Zerstreuung ausliefert.
Bild: Chloupek, donaukurier.de
Update 14.11.2009: Die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt,
http://archiv.twoday.net/stories/6043142/