Frank G. Hirschmann: Die Stadt im Mittelalter (Enzyklopädie deutscher Geschichte 84). München: R. Oldenbourg Verlag 2009. XII, 146 S. 19,80 Euro.
In der bestens eingeführten, leider inzwischen nicht mehr sonderlich wohlfeilen Reihe versucht sich der Trierer Historiker Frank G. Hirschmann an einem knappen Gesamtüberblick über die mittelalterliche Stadtgeschichte. Korrekterweise hätte man den Titel "Die deutsche Stadt im Mittelalter" nennen müssen.
Die Darstellung ist, dem Reihenschema folgend, zweigeteilt. Einem "enzyklopädischen Überblick" folgt eine Art Forschungsbericht.
Eine ausgewogene Behandlung des Themas ist dem Autor nicht gelungen. Der Band ist stark "Trier-lastig". Gern zitiert der Autor Irsigler und Haverkamp, aber auch sich, am liebsten aber - nach Ausweis des Personenregisters - eine stadtgeschichtliche Koryphäe namens M. Escher-Apsner. Wer nicht weiß, dass der Begriff "Einverständnisgemeinschaft" auf Max Weber zurückgeht, könnte nach S. 51 vermuten, Escher-Apsner habe ihn geprägt. Außerdem bevorzugt Hirschmann sichtlich das Hochmittelalter.
Eine besondere Herausforderung stellt ein komprimierter und verständlicher Überblick über die kommunale Bewegung des Hochmittelalters dar. Für Studierende, bei denen die Reihe nicht ohne Grund beliebt ist, sind aber die Seiten 5-11 nicht sonderlich erhellend. Eher additiv werden Beispiele aneinandergereiht, das Resümee bleibt einem Riesensatz überlassen: "Aus verschiedenen Ansätzen - Privilegierung der Führungsspitzen (Magdeburg, Halberstadt), Schwurgemeinschaften (Cambrai, Worms, Metz, Mainz), Bruderschaften (Tiel, Valenciennes), Beteiligung an bischöflichen Entscheidungsprozessen (Mainz, Trier, Verdun), eigenständiges Handeln in Konfliktsituationen (Cambrai, Trier, Metz, Verdun), vom Stadtherrn unabhängiges militärisches Vorgehen (Cambrai, Konstanz, Augsburg, Worms, Metz), Anerkennung als Rechtskörperschaft durch den bischöflichen Stadtherrn (Huy, Mainz, Speyer, Cambrai, Utrecht) oder den König (Worms, Speyer, Köln, Utrecht, Muiden, Stavoren, Deventer, Duisburg), eigens vom Umland abgegrenztes Recht (Regensburg, Konstanz, Cambrai, Speyer, Utrecht), eigenständige Gründung eines Klosters (Regensburg) bzw. Hospitals (Metz) - hatten sich somit bis zum Ende des Investiturstreits und der Salierzeit in einer Reihe von Kathedralstädten westlich des Rheins bzw. südlich der Donau und auch in einigen Handels- und Gewerbeplätzen im Nordwesten städtische Gemeinwesen herausgebildet, die als eigenständige Rechtspersonen mit einem je nach Situation unter Umständen beträchtlichen Handlungsspielraum erkennbar werden" (S. 11).
Im Forschungsbericht findet man nur ein paar Bemerkungen zur Gemeindebildung im Abschnitt über die Stadtrechte (S. 73-75). Das im entsprechenden bibliographischen Teil S. 106f. aufgeführte Buch von Knut Schulz über die kommunalen Aufstände (1992) wird nicht eigens erwähnt.
Wer wie ich der Ansicht ist, dass die Resultate neuerer Studien über städtische Rituale, über das Verhältnis von Stadt und Adel oder die städtische Geschichtsschreibung bzw. städtische Literatur in einem solchen Überblick nicht fehlen dürfen, wird in Hirschmanns "enzyklopädischem Überblick" nicht fündig.
Von den 478 bibliographischen Angaben "Quellen und Literatur" sind nur die ersten 7 Quellen. Berücksichtigt wird ganz überwiegend die neuere und neueste Literatur. Im Abschnitt "Bruderschaften/Gilden/Zünfte" (Nr. 196-210) begegnet man gleich zwei Aufsätzen von Escher-Apsner, die wichtige Monographie von Ludwig Remling zu Franken und die monumentale Kölner Quellenedition von Klaus Militzer sucht man vergebens. S. 98-103 werden neuere Stadtgeschichten aufgelistet, selbstverständlich ist Münstermaifeld (Bearbeiterin: Escher-Apsner) vertreten, nicht jedoch Schwäbisch Gmünd (1984) oder Schwäbisch Hall (Wunder, Lubich, Maisch/Stihler). Dass bei den Titeln zu den Städtebünden Konrad Rusers große Quellenausgabe fehlt, ist schlichtweg inakzeptabel.
Selbstverständlich enthält das Bändchen eine Fülle wertvoller Aspekte und Hinweise (nützlich ist beispielsweise der Forschungsüberblick zu Stadtdefinitionen S. 61-70). Aber als Gesamtdarstellung ist es zu einseitig.
Inhaltsverzeichnis: http://tinyurl.com/yjgg2sm
In der bestens eingeführten, leider inzwischen nicht mehr sonderlich wohlfeilen Reihe versucht sich der Trierer Historiker Frank G. Hirschmann an einem knappen Gesamtüberblick über die mittelalterliche Stadtgeschichte. Korrekterweise hätte man den Titel "Die deutsche Stadt im Mittelalter" nennen müssen.
Die Darstellung ist, dem Reihenschema folgend, zweigeteilt. Einem "enzyklopädischen Überblick" folgt eine Art Forschungsbericht.
Eine ausgewogene Behandlung des Themas ist dem Autor nicht gelungen. Der Band ist stark "Trier-lastig". Gern zitiert der Autor Irsigler und Haverkamp, aber auch sich, am liebsten aber - nach Ausweis des Personenregisters - eine stadtgeschichtliche Koryphäe namens M. Escher-Apsner. Wer nicht weiß, dass der Begriff "Einverständnisgemeinschaft" auf Max Weber zurückgeht, könnte nach S. 51 vermuten, Escher-Apsner habe ihn geprägt. Außerdem bevorzugt Hirschmann sichtlich das Hochmittelalter.
Eine besondere Herausforderung stellt ein komprimierter und verständlicher Überblick über die kommunale Bewegung des Hochmittelalters dar. Für Studierende, bei denen die Reihe nicht ohne Grund beliebt ist, sind aber die Seiten 5-11 nicht sonderlich erhellend. Eher additiv werden Beispiele aneinandergereiht, das Resümee bleibt einem Riesensatz überlassen: "Aus verschiedenen Ansätzen - Privilegierung der Führungsspitzen (Magdeburg, Halberstadt), Schwurgemeinschaften (Cambrai, Worms, Metz, Mainz), Bruderschaften (Tiel, Valenciennes), Beteiligung an bischöflichen Entscheidungsprozessen (Mainz, Trier, Verdun), eigenständiges Handeln in Konfliktsituationen (Cambrai, Trier, Metz, Verdun), vom Stadtherrn unabhängiges militärisches Vorgehen (Cambrai, Konstanz, Augsburg, Worms, Metz), Anerkennung als Rechtskörperschaft durch den bischöflichen Stadtherrn (Huy, Mainz, Speyer, Cambrai, Utrecht) oder den König (Worms, Speyer, Köln, Utrecht, Muiden, Stavoren, Deventer, Duisburg), eigens vom Umland abgegrenztes Recht (Regensburg, Konstanz, Cambrai, Speyer, Utrecht), eigenständige Gründung eines Klosters (Regensburg) bzw. Hospitals (Metz) - hatten sich somit bis zum Ende des Investiturstreits und der Salierzeit in einer Reihe von Kathedralstädten westlich des Rheins bzw. südlich der Donau und auch in einigen Handels- und Gewerbeplätzen im Nordwesten städtische Gemeinwesen herausgebildet, die als eigenständige Rechtspersonen mit einem je nach Situation unter Umständen beträchtlichen Handlungsspielraum erkennbar werden" (S. 11).
Im Forschungsbericht findet man nur ein paar Bemerkungen zur Gemeindebildung im Abschnitt über die Stadtrechte (S. 73-75). Das im entsprechenden bibliographischen Teil S. 106f. aufgeführte Buch von Knut Schulz über die kommunalen Aufstände (1992) wird nicht eigens erwähnt.
Wer wie ich der Ansicht ist, dass die Resultate neuerer Studien über städtische Rituale, über das Verhältnis von Stadt und Adel oder die städtische Geschichtsschreibung bzw. städtische Literatur in einem solchen Überblick nicht fehlen dürfen, wird in Hirschmanns "enzyklopädischem Überblick" nicht fündig.
Von den 478 bibliographischen Angaben "Quellen und Literatur" sind nur die ersten 7 Quellen. Berücksichtigt wird ganz überwiegend die neuere und neueste Literatur. Im Abschnitt "Bruderschaften/Gilden/Zünfte" (Nr. 196-210) begegnet man gleich zwei Aufsätzen von Escher-Apsner, die wichtige Monographie von Ludwig Remling zu Franken und die monumentale Kölner Quellenedition von Klaus Militzer sucht man vergebens. S. 98-103 werden neuere Stadtgeschichten aufgelistet, selbstverständlich ist Münstermaifeld (Bearbeiterin: Escher-Apsner) vertreten, nicht jedoch Schwäbisch Gmünd (1984) oder Schwäbisch Hall (Wunder, Lubich, Maisch/Stihler). Dass bei den Titeln zu den Städtebünden Konrad Rusers große Quellenausgabe fehlt, ist schlichtweg inakzeptabel.
Selbstverständlich enthält das Bändchen eine Fülle wertvoller Aspekte und Hinweise (nützlich ist beispielsweise der Forschungsüberblick zu Stadtdefinitionen S. 61-70). Aber als Gesamtdarstellung ist es zu einseitig.
Inhaltsverzeichnis: http://tinyurl.com/yjgg2sm
KlausGraf - am Montag, 12. Oktober 2009, 02:09 - Rubrik: Landesgeschichte