Die FAZ berichtet von einem Casus, den ich selbst als veritablen Skandal einschätze:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/kurioser-nachlassfund-die-iffland-raeuberpistole-12739603.html
Im Katalog der Ludwigsburger Buchmesse „Antiquaria“ hat das Wiener Antiquariat Inlibris einen der bedeutendsten theatergeschichtlichen Nachlässe angeboten: den von August Iffland, ein Konvolut aus sechstausend Briefen in 34 Bänden – zum Preis von 450.000 Euro. Hugo Fetting, ehemaliger Mitarbeiter der DDR-Akademie der Künste, muss ihn sich angeeignet haben.
Dass die Akademie der Künste das Eigentumsrecht anerkannt hat, befremdet insofern, mag ihr aber im Zuge der Rückgabeverhandlungen opportun erschienen sein. Der Wiener Antiquar wiederum sieht sich „hinterrücks“ behandelt, weil die Akademie, kaum hatte sie ihren Teil an der Sammlung wieder, das Landesarchiv Berlin informierte. Das führte, über die Berliner Senatskanzlei und ausgelöst durch den Ludwigsburger Katalog, zu einer Strafanzeige gegen Hugo Fetting und einem Hinterlegungsantrag, um den Verkauf einstweilen zu verhindern.
Zusätzliche Informationen gibts andernorts:
http://www.tagesspiegel.de/kultur/der-iffland-nachlass-auferstanden-aus-ruinen/9294768.html
Klar erscheint dabei nur eines: Die 34 Bände und über 6000 Blätter, vermutlich auch mit amtlichen Stempeln versehen, waren erkennbar in öffentlichem Besitz, womöglich käme auch der Bund als Rechtsnachfolger des Landes Preußen mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Eigentümer in Betracht. Ein gutgläubiger Erwerb durch „Ersitzen“ ist in einem solchen Fall eigentlich nicht möglich. Der 90-jährige Hugo Fetting aber sagt uns am Telefon, bei klarem Bewusstsein und druckreif formuliert: „Ich habe die Sachen per Zufall im Sommer 1953 in der Oberwallstraße in den Trümmern der ehemaligen Generalintendanz der Preußischen Staatstheater gefunden und nach Hause genommen. Das wäre kurz danach verloren gegangen, denn dort wurde dann das Gästehaus der DDR-Regierung gebaut. Ich fühle mich völlig im Recht als Finder und Eigentümer, nachdem sich über 50 Jahre niemand gemeldet hat. Ich habe die Papiere für meine Dissertation über Iffland und das Königliche Nationaltheater benutzt.“
Allerdings: Fetting hat 1978 bei seiner Doktorarbeit in Greifswald als Quelle seines Wissens das Archiv der Staatsoper Unter den Linden angegeben. Dort hatte er gearbeitet, „und denen gehörte vorher das Trümmergrundstück, wo ich alles gefunden habe“. Bernd Schultz, Chef des Auktionshauses Grisebach sagt dazu: „Alles, was nicht zur Rückführung dieses einmaligen Konvolutes an seinen angestammten Ort in Berlin führen würde, wäre ein Skandal. Man kann sich mit dem derzeitigen Besitzer über einen ,Finderlohn’ unterhalten. Aber über sonst auch gar nichts.“
http://www.sueddeutsche.de/kultur/nachlass-von-august-wilhelm-iffland-kaufleute-im-theater-1.1857231-2
Fetting hat für seine Sammlung, darunter die Iffland-Korrespondenz, Ende 2012 50.000 Euro erhalten.
Mit Schreiben vom 29. November 2013 teilte die Berliner Senatsverwaltung dem Wiener Antiquariat mit, sie habe "heute Strafanzeige gegen unbekannt sowie insbesondere gegen Herrn Dr. Hugo Fetting wegen aller in Betracht kommender Delikte gestellt". Zugleich ersuchte sie das Wiener Antiquariat, das Verkaufsangebot des Konvoluts für die Antiquaria in Ludwigsburg zurückzuziehen. Dem kam Inlibris umgehend nach. Gegenüber der SZ kündigte der Geschäftsführer Hugo Wetscherek an , man werde "bis zur vollständigen Provenienzklärung den Bestand nicht anbieten". Zugleich übergab er die Korrespondenzbände seiner Anwaltskanzlei. Der SZ gegenüber äußerte er sein Unverständnis, dass die Berliner Verwaltung nun, nach der mit der Akademie getroffenen Vereinbarung, plötzlich so massiv tätig geworden sei. Die Senatskanzlei wiederum zeigt sich "zuversichtlich", einen Anspruch auf Herausgabe durchsetzen zu können.
Es ist offenkundig, dass die Berliner Stellen hier nicht an einem Strang gezogen haben. So pocht der Wiener Antiquar jetzt gegenüber der Senatsverwaltung auf die mit der Akademie getroffene Vereinbarung. Zugleich fällt auf, dass die Vereinbarung selbst in dem ihr beigefügten Provenienzvermerk den Verkäufer sehr deutlich ins Zwielicht stellt. Wenn das aber so ist, warum hat dann die Akademie das Eigentumsrecht von Inlibris ausdrücklich anerkannt?
Katalog der Ludwigsburger Messe (albern als "zensiert" gekennzeichnet):
http://www.antiquaria-ludwigsburg.de/katalog/Antiquaria_2014-2.pdf
Kommentar: Einmal mehr erweist sich der Antiquariatshandel als halbseidenes Gewerbe, bei dem der Schutz von und der Respekt vor Provenienzen kleingeschrieben wird.
Thema Inlibris hier:
http://archiv.twoday.net/search?q=inlibris
Update:
http://www.deutschlandradiokultur.de/buehne-eine-der-interessantesten-wiederaufgetauchten.954.de.html?dram:article_id=273918#
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/kurioser-nachlassfund-die-iffland-raeuberpistole-12739603.html
Im Katalog der Ludwigsburger Buchmesse „Antiquaria“ hat das Wiener Antiquariat Inlibris einen der bedeutendsten theatergeschichtlichen Nachlässe angeboten: den von August Iffland, ein Konvolut aus sechstausend Briefen in 34 Bänden – zum Preis von 450.000 Euro. Hugo Fetting, ehemaliger Mitarbeiter der DDR-Akademie der Künste, muss ihn sich angeeignet haben.
Dass die Akademie der Künste das Eigentumsrecht anerkannt hat, befremdet insofern, mag ihr aber im Zuge der Rückgabeverhandlungen opportun erschienen sein. Der Wiener Antiquar wiederum sieht sich „hinterrücks“ behandelt, weil die Akademie, kaum hatte sie ihren Teil an der Sammlung wieder, das Landesarchiv Berlin informierte. Das führte, über die Berliner Senatskanzlei und ausgelöst durch den Ludwigsburger Katalog, zu einer Strafanzeige gegen Hugo Fetting und einem Hinterlegungsantrag, um den Verkauf einstweilen zu verhindern.
Zusätzliche Informationen gibts andernorts:
http://www.tagesspiegel.de/kultur/der-iffland-nachlass-auferstanden-aus-ruinen/9294768.html
Klar erscheint dabei nur eines: Die 34 Bände und über 6000 Blätter, vermutlich auch mit amtlichen Stempeln versehen, waren erkennbar in öffentlichem Besitz, womöglich käme auch der Bund als Rechtsnachfolger des Landes Preußen mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Eigentümer in Betracht. Ein gutgläubiger Erwerb durch „Ersitzen“ ist in einem solchen Fall eigentlich nicht möglich. Der 90-jährige Hugo Fetting aber sagt uns am Telefon, bei klarem Bewusstsein und druckreif formuliert: „Ich habe die Sachen per Zufall im Sommer 1953 in der Oberwallstraße in den Trümmern der ehemaligen Generalintendanz der Preußischen Staatstheater gefunden und nach Hause genommen. Das wäre kurz danach verloren gegangen, denn dort wurde dann das Gästehaus der DDR-Regierung gebaut. Ich fühle mich völlig im Recht als Finder und Eigentümer, nachdem sich über 50 Jahre niemand gemeldet hat. Ich habe die Papiere für meine Dissertation über Iffland und das Königliche Nationaltheater benutzt.“
Allerdings: Fetting hat 1978 bei seiner Doktorarbeit in Greifswald als Quelle seines Wissens das Archiv der Staatsoper Unter den Linden angegeben. Dort hatte er gearbeitet, „und denen gehörte vorher das Trümmergrundstück, wo ich alles gefunden habe“. Bernd Schultz, Chef des Auktionshauses Grisebach sagt dazu: „Alles, was nicht zur Rückführung dieses einmaligen Konvolutes an seinen angestammten Ort in Berlin führen würde, wäre ein Skandal. Man kann sich mit dem derzeitigen Besitzer über einen ,Finderlohn’ unterhalten. Aber über sonst auch gar nichts.“
http://www.sueddeutsche.de/kultur/nachlass-von-august-wilhelm-iffland-kaufleute-im-theater-1.1857231-2
Fetting hat für seine Sammlung, darunter die Iffland-Korrespondenz, Ende 2012 50.000 Euro erhalten.
Mit Schreiben vom 29. November 2013 teilte die Berliner Senatsverwaltung dem Wiener Antiquariat mit, sie habe "heute Strafanzeige gegen unbekannt sowie insbesondere gegen Herrn Dr. Hugo Fetting wegen aller in Betracht kommender Delikte gestellt". Zugleich ersuchte sie das Wiener Antiquariat, das Verkaufsangebot des Konvoluts für die Antiquaria in Ludwigsburg zurückzuziehen. Dem kam Inlibris umgehend nach. Gegenüber der SZ kündigte der Geschäftsführer Hugo Wetscherek an , man werde "bis zur vollständigen Provenienzklärung den Bestand nicht anbieten". Zugleich übergab er die Korrespondenzbände seiner Anwaltskanzlei. Der SZ gegenüber äußerte er sein Unverständnis, dass die Berliner Verwaltung nun, nach der mit der Akademie getroffenen Vereinbarung, plötzlich so massiv tätig geworden sei. Die Senatskanzlei wiederum zeigt sich "zuversichtlich", einen Anspruch auf Herausgabe durchsetzen zu können.
Es ist offenkundig, dass die Berliner Stellen hier nicht an einem Strang gezogen haben. So pocht der Wiener Antiquar jetzt gegenüber der Senatsverwaltung auf die mit der Akademie getroffene Vereinbarung. Zugleich fällt auf, dass die Vereinbarung selbst in dem ihr beigefügten Provenienzvermerk den Verkäufer sehr deutlich ins Zwielicht stellt. Wenn das aber so ist, warum hat dann die Akademie das Eigentumsrecht von Inlibris ausdrücklich anerkannt?
Katalog der Ludwigsburger Messe (albern als "zensiert" gekennzeichnet):
http://www.antiquaria-ludwigsburg.de/katalog/Antiquaria_2014-2.pdf
Kommentar: Einmal mehr erweist sich der Antiquariatshandel als halbseidenes Gewerbe, bei dem der Schutz von und der Respekt vor Provenienzen kleingeschrieben wird.
Thema Inlibris hier:
http://archiv.twoday.net/search?q=inlibris
Update:
http://www.deutschlandradiokultur.de/buehne-eine-der-interessantesten-wiederaufgetauchten.954.de.html?dram:article_id=273918#
FeliNo meinte am 2014/01/07 20:44:
Filet Telemann
Nachweislich zumindest beteiligt war Inlibris bei der "Filettierung" des Stammbuchs von Johann Friedrich Behrendt (gest. 1757), das intakt gewesen war, bis es 2008 in Wien in Einzelblättern auf den Markt kam, vorneweg ein Blatt mit dem Eintrag des Komponisten Georg Philipp Telemann, datiert in Hamburg 25. Mai 1736, angeboten für 28.000 Euro (Dieter Hakelberg: Telemann, filettiert. FAZ 10. Dezember 2008).Siehe hier: http://archiv.twoday.net/stories/5594687/