Kommentar zu
http://www.business20.ch/2009/12/22/toll-ein-anderer-zahlt-open-access-gibt-es-nicht-ohne-finanzierungsmodell
Vgl. http://archiv.twoday.net/stories/6110383/
Schauen wir uns doch mal die Zeitschrift für E-Learning genauer an.
Der Jahrgang 2007 ist als kostenloser Download verfügbar, was erfreulich ist. Hier müsste es Downloadzahlen geben.
Ein Heft kostet 15 Euro 80 bzw. bei den neueren 16,40, was bei 60 Seiten zwar nicht unhappig ist, aber nicht vergleichbar mit naturwiss. E-Journals, die im Jahr soviel wie ein Mittelklassewagen kosten.
Viele vergleichbare Zeitschriften zum E-Learning gibt es nicht, niemand stößt da an seine finanziellen Grenzen, wenn E-Learning sein Hauptinteressensgebiet ist.
Wir halten fest: Im konkreten Fall von einer “Zeitschriftenkrise” zu sprechen wäre absurd (für die Schweizer Rechtswissenschaft wurde auf den Konstanzer OA-Tagen 2009 ebenfalls dargestellt, dass es da keine Krise gibt und alle zufrieden sind.)
Was ist aber mit denen, die sich für E-Learning interessieren, aber kein Abo und auch keinen Einzelerwerb wollen (z.B. weil sie ein Zitat für einen Aufsatz benötigen und da kauft niemand alle 50 oder 100 Aufsätze, die er dafür mindestens lesen muss)?
ZDB weist auf den ersten Blick eine stattliche Zahl von Bibliotheken nach, die die Zeitschrift führen. Aber wie sieht es bei näherem Hinsehen aus? In Aachen gibt es keinen Nachweis, die UB Freiburg hat sie nicht, ich müsste (wohne in Neuss, arbeite in Aachen) nach Düsseldorf fahren. Köln hat sie nicht, Tübingen hat sie nicht.
Wegen einem Aufsatz wird man sich vernünftigerweise als Benutzer der UB Freiburg nicht auf den Weg zur PH Freiburg machen, wo sie vorhanden ist. Das kostet Benzin/Straßenbahnkosten, vor allem aber Zeit. Wer ein bisschen betriebswirtschaftlich denkt, nimmt die Fernleihe [*] oder SUBITO in Anspruch.
Wenn ichs recht verstehe, kostet ein Aufsatz aus der Zeitschrift bei SUBITO 4 Euro, da der Verlag kein Lizenzentgelt erhält.
Fernleihgebühr ist in NRW üblicherweise 1,50 Euro. In der Schweiz liegen diese höher, wie ich einem aktuellen Blogeintrag entnehme: “Durch den Einsatz der Studierendenschaften von Bern (SUB), Basel (SKUBA) und Luzern (SOL) kommt der Bibliotheksverbund IDS den Studierenden entgegen und senkt auf Dezember die Gebuehren fuer den Buecherkurierdienst zwischen Bern, Basel, Luzern, Zuerich und St. Gallen von 7.- auf 5.- Franken pro Medium.”
Inwieweit SUBITO tatsächlich subventionsfrei arbeitet, was Bibliotheksdienstleistungen angeht, weiß ich nicht – die Fernleihe tut es nicht. Die öffentliche Hand kauft die Zeitschrift (hier vernachlässigbar), bezahlt Mitarbeiter, die den Band transportieren (im Haus und im Bücherauto), ihn kopieren/scannen, die Bestellung bearbeiten. Zu DM-Zeiten war eine Fernleihtransaktion mit realen Kosten von 40 DM zu haben, erinnere ich mich.
Billiger kommt es den Staat, wenn der Nutzer den Autor um eine Kopie bittet. Aber erstens antworten längst nicht alle Autoren auf eine solche Bitte (ich sehe mal davon ab, dass mir neulich eine Anwältin keine Kopie ihres jur. Beitrags aus urheberrechtlichen Gründen zur Verfügung stellen wollte!) und zweitens ist die übersandte EDV-Version oft nicht zitierfähig, da der Autor kein Verlags-PDF hat. Wie oft Autoren solche Anfragen erhalten, wäre von den Herausgebern zu klären.
Halten wir aber mal fest: Die deutsche Fernleihe ist hochsubventioniert. Private und universitäre Nutzer können dank erheblicher finanzieller Aufwendungen der öffentlichen Hand ein inzwischen doch sehr effizientes Literaturversorgungssystem nutzen, das bei gedruckter Literatur gut funktioniert.
Dem Verlag kann es egal sein, wenn ein Bedarf über den Einzelverkauf/Abo hinaus besteht, der zum kleinen Teil durch Einzelinitiative (ich fahr mal nach Düsseldorf, mail den Autor an), zum größeren Teil aber von der öffentlichen Hand finanziert wird.
Sollte das aber auch den Herausgebern egal sein?
Immaterielle Schäden und damit in Verbindung stehende volkswirtschaftliche Kosten (wenn Wissenschaft/Praxis nicht so gut ist, wie sie sein könnte) sind sehr viel schwerer oder kaum messbar:
Niemand liest in der dritten Welt eine deutschsprachige E-Learning-Zeitschrift, das können wir vernachlässigen. Wenn aber im Jahr tausende Menschen sterben, weil die Ärzte nicht an die teuren medizinischen Fachinformationen herankommen, dann zeigt das auch eine ethische Relevanz von Open Access auf.
Schaden: Wissenschaftler/E-Learning-Praktiker werden auf relevante Artikel nicht aufmerksam, weil das kostenlose Abstract oder der Eintrag der Titeldaten nicht genügt. (Mir selber passiert es nicht selten, dass ich via Google Books auf Treffer stoße, die in meiner eigenen Bibliothek stehen, an die ich aber nicht gedacht hätte.) Wieviele Wissenschaftler tragen einen neuen Artikel mit passenden Schlagworten brav in ihre Literaturverwaltung an, wenn sie ein neues gekauftes Zeitschriftenheft bekommen? Zitiert wird dann oft nur, was andere schon zitiert haben. OA-Artikel werden aber nachweislich deutlich mehr zitiert.
Schaden: Randnutzer aus anderen Disziplinen/Interessensgebieten nehmen Artikel nicht zur Kenntnis, weil sie von einer Beschaffung (Kauf, Einsichtnahme, Fernleihe) absehen. Interdisziplinarität bleibt so auf der Strecke, denn jede Kenntnisnahme von Literatur außerhalb des eigenen Fachgebiets, soweit sie nicht bequem via Internet realisiert werden kann, kann, wenn nicht (meist vom Staat bezahlte) Hilfskräfte einem alles abnehmen, sehr lästig sein (Aufsatz oder Buch aus dem Magazin bestellen, in einer Institutsbibliothek einsehen, Anstehen am Kopierer, der manchmal kaputt ist, usw. usf.).
Diese Faktoren gehören zur Ökonomie des wissenschaftlichen Arbeitens dazu!
[Nachtrag: * Fernleihe geht natürlich in Freiburg nicht, da die Zeitschrift lokal vorhanden ist.]
http://www.business20.ch/2009/12/22/toll-ein-anderer-zahlt-open-access-gibt-es-nicht-ohne-finanzierungsmodell
Vgl. http://archiv.twoday.net/stories/6110383/
Schauen wir uns doch mal die Zeitschrift für E-Learning genauer an.
Der Jahrgang 2007 ist als kostenloser Download verfügbar, was erfreulich ist. Hier müsste es Downloadzahlen geben.
Ein Heft kostet 15 Euro 80 bzw. bei den neueren 16,40, was bei 60 Seiten zwar nicht unhappig ist, aber nicht vergleichbar mit naturwiss. E-Journals, die im Jahr soviel wie ein Mittelklassewagen kosten.
Viele vergleichbare Zeitschriften zum E-Learning gibt es nicht, niemand stößt da an seine finanziellen Grenzen, wenn E-Learning sein Hauptinteressensgebiet ist.
Wir halten fest: Im konkreten Fall von einer “Zeitschriftenkrise” zu sprechen wäre absurd (für die Schweizer Rechtswissenschaft wurde auf den Konstanzer OA-Tagen 2009 ebenfalls dargestellt, dass es da keine Krise gibt und alle zufrieden sind.)
Was ist aber mit denen, die sich für E-Learning interessieren, aber kein Abo und auch keinen Einzelerwerb wollen (z.B. weil sie ein Zitat für einen Aufsatz benötigen und da kauft niemand alle 50 oder 100 Aufsätze, die er dafür mindestens lesen muss)?
ZDB weist auf den ersten Blick eine stattliche Zahl von Bibliotheken nach, die die Zeitschrift führen. Aber wie sieht es bei näherem Hinsehen aus? In Aachen gibt es keinen Nachweis, die UB Freiburg hat sie nicht, ich müsste (wohne in Neuss, arbeite in Aachen) nach Düsseldorf fahren. Köln hat sie nicht, Tübingen hat sie nicht.
Wegen einem Aufsatz wird man sich vernünftigerweise als Benutzer der UB Freiburg nicht auf den Weg zur PH Freiburg machen, wo sie vorhanden ist. Das kostet Benzin/Straßenbahnkosten, vor allem aber Zeit. Wer ein bisschen betriebswirtschaftlich denkt, nimmt die Fernleihe [*] oder SUBITO in Anspruch.
Wenn ichs recht verstehe, kostet ein Aufsatz aus der Zeitschrift bei SUBITO 4 Euro, da der Verlag kein Lizenzentgelt erhält.
Fernleihgebühr ist in NRW üblicherweise 1,50 Euro. In der Schweiz liegen diese höher, wie ich einem aktuellen Blogeintrag entnehme: “Durch den Einsatz der Studierendenschaften von Bern (SUB), Basel (SKUBA) und Luzern (SOL) kommt der Bibliotheksverbund IDS den Studierenden entgegen und senkt auf Dezember die Gebuehren fuer den Buecherkurierdienst zwischen Bern, Basel, Luzern, Zuerich und St. Gallen von 7.- auf 5.- Franken pro Medium.”
Inwieweit SUBITO tatsächlich subventionsfrei arbeitet, was Bibliotheksdienstleistungen angeht, weiß ich nicht – die Fernleihe tut es nicht. Die öffentliche Hand kauft die Zeitschrift (hier vernachlässigbar), bezahlt Mitarbeiter, die den Band transportieren (im Haus und im Bücherauto), ihn kopieren/scannen, die Bestellung bearbeiten. Zu DM-Zeiten war eine Fernleihtransaktion mit realen Kosten von 40 DM zu haben, erinnere ich mich.
Billiger kommt es den Staat, wenn der Nutzer den Autor um eine Kopie bittet. Aber erstens antworten längst nicht alle Autoren auf eine solche Bitte (ich sehe mal davon ab, dass mir neulich eine Anwältin keine Kopie ihres jur. Beitrags aus urheberrechtlichen Gründen zur Verfügung stellen wollte!) und zweitens ist die übersandte EDV-Version oft nicht zitierfähig, da der Autor kein Verlags-PDF hat. Wie oft Autoren solche Anfragen erhalten, wäre von den Herausgebern zu klären.
Halten wir aber mal fest: Die deutsche Fernleihe ist hochsubventioniert. Private und universitäre Nutzer können dank erheblicher finanzieller Aufwendungen der öffentlichen Hand ein inzwischen doch sehr effizientes Literaturversorgungssystem nutzen, das bei gedruckter Literatur gut funktioniert.
Dem Verlag kann es egal sein, wenn ein Bedarf über den Einzelverkauf/Abo hinaus besteht, der zum kleinen Teil durch Einzelinitiative (ich fahr mal nach Düsseldorf, mail den Autor an), zum größeren Teil aber von der öffentlichen Hand finanziert wird.
Sollte das aber auch den Herausgebern egal sein?
Immaterielle Schäden und damit in Verbindung stehende volkswirtschaftliche Kosten (wenn Wissenschaft/Praxis nicht so gut ist, wie sie sein könnte) sind sehr viel schwerer oder kaum messbar:
Niemand liest in der dritten Welt eine deutschsprachige E-Learning-Zeitschrift, das können wir vernachlässigen. Wenn aber im Jahr tausende Menschen sterben, weil die Ärzte nicht an die teuren medizinischen Fachinformationen herankommen, dann zeigt das auch eine ethische Relevanz von Open Access auf.
Schaden: Wissenschaftler/E-Learning-Praktiker werden auf relevante Artikel nicht aufmerksam, weil das kostenlose Abstract oder der Eintrag der Titeldaten nicht genügt. (Mir selber passiert es nicht selten, dass ich via Google Books auf Treffer stoße, die in meiner eigenen Bibliothek stehen, an die ich aber nicht gedacht hätte.) Wieviele Wissenschaftler tragen einen neuen Artikel mit passenden Schlagworten brav in ihre Literaturverwaltung an, wenn sie ein neues gekauftes Zeitschriftenheft bekommen? Zitiert wird dann oft nur, was andere schon zitiert haben. OA-Artikel werden aber nachweislich deutlich mehr zitiert.
Schaden: Randnutzer aus anderen Disziplinen/Interessensgebieten nehmen Artikel nicht zur Kenntnis, weil sie von einer Beschaffung (Kauf, Einsichtnahme, Fernleihe) absehen. Interdisziplinarität bleibt so auf der Strecke, denn jede Kenntnisnahme von Literatur außerhalb des eigenen Fachgebiets, soweit sie nicht bequem via Internet realisiert werden kann, kann, wenn nicht (meist vom Staat bezahlte) Hilfskräfte einem alles abnehmen, sehr lästig sein (Aufsatz oder Buch aus dem Magazin bestellen, in einer Institutsbibliothek einsehen, Anstehen am Kopierer, der manchmal kaputt ist, usw. usf.).
Diese Faktoren gehören zur Ökonomie des wissenschaftlichen Arbeitens dazu!
[Nachtrag: * Fernleihe geht natürlich in Freiburg nicht, da die Zeitschrift lokal vorhanden ist.]
KlausGraf - am Dienstag, 29. Dezember 2009, 18:42 - Rubrik: Open Access