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Erst jetzt sehe ich den niederträchtigen Artikel von Willi Winkler, der sich in der SZ im September 2013 darüber empörte, dass das US-Project Gutenberg (das er fälschlich ein Partner-Projekt des kommerziellen deutschen Projekts Gutenberg nennt) Thomas Mann und andere noch in Europa urheberrechtlich geschützte Literatur einfach so zugänglich macht.

http://www.sueddeutsche.de/digital/project-gutenberg-und-die-buddenbrooks-verfall-des-urheberrechts-1.1771939

Beim Fischer-Verlag reagiert man ausweichend und dann empfindlich. "Downloads von Deutschland aus sind in solchen Fällen illegal", erklärt man dort, aber was hilft das schon? Illegal heißt noch lange nicht, dass es niemand tut. Niemand kann einen Franzosen, Kanadier oder Isländer daran hindern, im Internet zu fischen, bis er den Thomas Mann hat, den er nach deutschem Recht nicht bekommt.

Die juristische Aussage halte ich für falsch. Wie üblich vernebeln die Rechteinhaber die wahre Rechtslage (Stichwort "Raubkopie"), und mit Willi Winkler finden sie einen eilfertigen Speichellecker.

Zu § 44a, der das bloße Lesen am Bildschirm ohne bleibenden Download erlaubt, war hinreichend viel anlässlich der Streaming-Abmahnungen zu lesen. Nach meiner Ansicht ist auch das passive Nutzen von eindeutig illegalen Streaming-Portalen wie den Nachfolgern von kino.to weder strafbar noch illegal. Zu wenig beachtet wird, dass unbedarfte Nutzer keineswegs auf Anhieb erkennen können, dass die Inhalte illegal sind ("offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage", § 53 UrhG). Nachdem etwa Sendungen der Krimi-Reihe Tatort auf YouTube ohne weiteres über Monate oder länger geduldet werden und solche Tatorte auch in den illegalen Streaming-Portalen vorhanden sind, erscheint es bedenklich, von Gelegenheitsnutzern, die sich etwa nur Tatorte ansehen, zu erwarten, dass sie den Gesamtinhalt des Portals sichten. Ganze Spielfilme sind auch bei legalen Portalen kostenlos erhältlich.

Bei einer Vorlage, die im Ausland aufgrund abweichender Urheberrechtsfristen legal ins Netz gestellt wurde, kann die offensichtliche Rechtswidrigkeit definitiv nicht bejaht werden.

Eine Privatkopie von Thomas Manns Buddenbrocks (Erstausgabe 1901) ist also nach § 53 UrhG erlaubt. In den USA ist alles vor 1923 erschienene Public Domain (die Ausnahme für ausländische Bücher ab 1909 und den 9th Circuit Court of Appeals, also Alaska usw., hat eher theoretischen Charakter

http://copyright.cornell.edu/resources/publicdomain.cfm#Footnote_12 ). Die Erstausgabe von 1901 darf rechtmäßig in den USA ins Internet gestellt werden und kann daher auch in Deutschland nicht offensichtlich rechtswidrig sein. Die Erstausgabe ist natürlich vergriffen und daher zieht auch das Verbot ganze Bücher zu kopieren in § 53 Abs. 4 UrhG selbst dann nicht, wenn man sie auf Ebooks anwenden wollte.

Für den "eigenen Gebrauch" (§ 53 Abs. 2 UrhG) gilt die Einschränkung der offensichtlich rechtswidrig hergestellten oder öffentlich zugänglich gemachten Vorlage aus Absatz 1 nicht!

Da es sich bei der Erstausgabe um ein mindestens zwei Jahre vergriffenes Werk handelt (§ 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchstabe b) darf also auch ein kommerzielles Unternehmen sich die Buddenbrocks legal herunterladen, sofern es nur einen Ausdruck erstellt oder die Kopie ausschließlich analog nutzt (aaO Satz 2).

Selbst wenn man die Argumentation mit der Erstausgabe abweisen würde unter Bezugnahme auf die Tatsache, dass es natürlich aktuelle Ausgaben der Buddenbrocks gibt, wäre aus der in Abs. 2 von § 53 UrhG gewährten Möglichkeit, kleine Teile zu kopieren (auszudrucken oder analog zu nutzen), die Erlaubnis des Werkgenusses zum Zweck der Auswahl der zu vervielfältigenden Seiten anhand einer nicht-dauerhaften Kopie abzuleiten. Stünde also nur ein Gesamt-PDF zur Lektüre zur Verfügung, so dürfte dieses zeitweilig heruntergeladen werden, da es sonst gar nicht möglich wäre, die Schranke zu nutzen.

Für wissenschaftliche Zwecke darf aber nach § 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, sofern der Zweck die Kopie gebietet, ohne die genannten Einschränkungen kopiert und auch digital genutzt werden. Ein Wissenschaftler, der die Erstausgabe der Buddenbrocks benötigt, darf also nach deutschem Recht ganz legal - entgegen dem Geschreibsel von Winkler in der SZ und der Stellungnahme des Verlags - die Ausgabe von einem US-Server herunterladen und dauerhaft abspeichern.

MS (Gast) meinte am 2014/01/19 16:44:
An dieser Stelle darf man auch einfach mal auf den ursprünglichen Sinn des Urheberrechtes hinweisen: Autoren sollen von ihren Werken leben können, damit sie weitere Werke schaffen können. Die Finanzierung der Rente der Sekretärin ist definitiv nicht Sinn und Zweck des Urheberrechtes. 
 

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