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Sagen der Schwäbischen Alb und in Hohenzollern
Vortrag von Dr. Klaus Graf, Aachen
Montag, 22.03.2010, 20 Uhr
Staatsarchiv Sigmaringen

sowie

Über "Sagen der Alb und in Hohenzollern" referiert am Dienstag, 23. März, im Hohenzollerischen Landesmuseum der Historiker und Archivar Klaus Graf.

Der Veranstalter des Vortragsabend ist der Hohenzollerische Geschichtsverein. Los geht es um 20 Uhr im Alten Schloss in Hechingen. Was hat es mit jenen alten Geschichten auf sich, die man gemeinhin Sagen nennt? Dr. Klaus Graf, Autor des Buches
"Sagen der Schwäbischen Alb", will die Zuhörer zu einem Streifzug durch die hohenzollerische Sagenwelt entführen. Zur Sprache kommen bekannte Sagen wie die vom "Höllischen Schuss", aber auch unbekanntere. Es soll vor allem um die Geschichte des Sagensammelns und der Sagenforschung gehen, denn es gilt: Die Sammler machen die Sagen. Sagen sind also - entgegen dem geläufigen Klischee - keine Botschaften aus uralter Zeit, die von Generation zu Generation mündlich weitergetragen wurden. Sagen sind zuallererst Kinder ihrer eigenen Zeit, und das heißt des 19. und 20. Jahrhunderts, als sie aufgezeichnet (und manchmal auch erfunden) wurden.

Hier noch einige Links zum Thema:

Blätter für literarische Unterhaltung 1862: Rezension des Sagenbuchs von Ludwig Egler
http://books.google.com/books?id=b1EFAAAAQAAJ&pg=PA241

25 Sagen aus Hohenzollern aus Grässe 1871

Sagen in der Alemannia 12, 1884, 7ff.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:De_Alemannia_XII_015.jpg

Stefan Schmidt-Lawrenz: Hechingen - die Sage vom höllischen Schuss
http://web.archive.org/web/20080518045650/http://www.schwaebischer-heimatbund.de/natur_schuetzen/index.php?cid=448

Graf, Schwabensagen
http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/3459/pdf/Graf_schwabensagen.pdf

Materialien
http://www.listserv.dfn.de/cgi-bin/wa?A2=ind0509&L=HEXENFORSCHUNG&P=R1334&I=-3

Aus dem Buch "Sagen der Schwäbischen Alb" 2008 S. 97-101 Nr. 69

Hechingen
Der höllische Schuss
Nach der Burg [Hohenzollern] führt zunächst die Balinger Landstrasse, von welcher über die Wiesen ein Fussweg, und ausserhalb des Brühlhofes die eigentliche Burgstrasse abzweigt. Bei guter Witterung wählt sich indessen der rüstige Bergsteiger den kürzeren und schattigen Waldweg, vorbei an der Gottesackerkapelle zum hl. Kreuz. Der Freund der Sage wird diese Kapelle nicht unbesucht lassen. Im Innern derselben findet er zwei Votivbilder mit erklärendem Text, von welchem die Sage etwas abweicht. Diese erzählt: Einst war ein Graf auf Zollern, der glänzenden Hof hielt, und grosse Festlichkeiten liebte. Einmal lud er viele Gäste, ritterliche Herren, zu einem Schützenfeste ein, welches auf der Zollerburg gehalten werden, und wobei der Siegesdank des Burgherrn wegen ihrer Schönheit weithin bekannte jungfräuliche Tochter ertheilen sollte. Der Graf hatte aber einen Junker, der zu dem minniglichen Burgfräulein glühende Liebe im Herzen trug, und aus ihrer Hand den Siegespreis zu erhalten war sein einziges Sinnen und Trachten. Aber wie sollte ihm dies möglich werden, da er kein sehr guter Schütze war? Zur Uebung war die Zeit zu kurz, und ein anderes Mittel mochte es nicht leicht geben. Am Vorabende des Festes, da schon viele Gäste auf der Burg eingezogen waren, liess es ihm aber keine Ruhe, und er stieg herab in’s Thal, ging in Gedanken vertieft dem Wald entlang, da, plötzlich fühlte er sich angehalten, er sah sich um und – ein seltsam gestalteter und wunderlich gekleideter Mann redete ihn an: „Was fehlt Euch? Ihr seht gar so traurig aus. Weiss schon, Ihr möchtet Morgen beim Schützenfeste glücklicher Sieger sein!“ „Ja, das wünschte ich“ entgegnete der Jüngling, „aber wie dieses angehen, dass es mir auch wirklich gelingt?“ „O! da kann ich schon rathen, wenn der Herr Junker nur Muth hat, und das Mittel, das ich ihm sage, nicht scheut.“ „Heraus damit,“ rief hastig der Jüngling, „um jeden Preis, wenn es mir nur Glück bringt, ich will es wissen!“ Da sprach der geheimnissvolle Mann: „Seht Ihr dort unten am Kreuzwege die grosse Linde“ – „mit dem Christusbilde“ fiel der Jüngling ein, „Ja!“ versetzte schaudernd der Fremde, „schiesset Ihr auf das Bild mit einem Pfeile dreimal, so werdet Ihr mit diesem Pfeile Morgen unfehlbar jedes Ziel treffen und Sieger sein.“ „Das ist ein schreckliches Opfer,“ klagte bestürzt der Jüngling, „wer sollte so Gottloses vollbringen können?“ „Thut, was Ihr wollt, erwiederte kalt der höllische Mann, „so, und nicht anders, werdet Ihr das Gewünschte erlangen;“ und er verschwand mit diesen Worten im Gebüsche. Der Junker, kaum noch voller Hoffnung, versank wieder in grosse Traurigkeit, und schlug den Rückweg zur Burg ein. Unterwegs überlegte er noch einmal was ihm der Fremde gesagt. Es kämpfte der böse und der gute Geist in ihm. Endlich wurde der böse Geist Sieger und der unglückliche Junker nahm sich vor, dem Rathe des Fremden zu folgen. In kurzer Zeit stieg er wieder zu Thal, mit Pfeil und Bogen gerüstet. Er stand vor der Linde, und wollte schon mit dem Geschosse auf das hl. Bild anlegen, als ihm ein altes Männlein erschien, das ihn ermahnte, so frevelhaftes nicht zu vollbringen. Der Junker hörte nicht darauf, und spannte den Bogen. Da warnte das Männlein zum zweitenmal. Umsonst! der Junker liess sich nicht abhalten und der gute Geist, nachdem er zum drittenmal gewarnt, entfernte sich weheklagend. Nun schoss der Junker dreimal auf das Crucifix, das letztemal traf er die Seitenwunde, und – es floss Blut daraus. Der Frevler zitterte, und wollte den Pfeil der Brust des Bildes entnehmen, allein, er konnte nicht von der Stelle, die Erde fesselte ihn. So verblieb er in Todesangst bis zum andern Morgen, wo er von der Burg aus bemerkt wurde. man sah nach, und erkannte seine Frevelthat. Da liess ihm der Graf sofort das Haupt abschlagen. Noch steht die Linde, vom Alter gehöhlt, und erinnert an die schauerliche Sage. Die Kapelle wurde vom Grafen Friedrich, genannt Ostertag, von Zollern erbaut, und von seinem Sohn, dem bekannten Oettinger, vielfach mit Stiftungen bedacht.

Die Geschichte vom höllischen Schuss, die dem Freischütz-Stoff angehört, ist diejenige Sage Hohenzollerns, die am meisten Bearbeitungen erfahren hat. Als man beim Wiederaufbau der Burg Hohenzollern für die Motive der Gemälde in der 1864 fertig gestellten Bibliothek Sagen aus Hohenzollern auswählte, hat man selbstverständlich „Die Strafe des Frevlers am heiligen Kreuze bei Stetten“ berücksichtigt. Eine erste Version begegnet schon im berüchtigten „Hexenhammer“ aus dem Ende des 15. Jahrhunderts. Später erzählte Froben Christoph von Zimmern (gestorben 1566) die Geschichte in seiner Zimmerischen Chronik.

Im 19. Jahrhundert wurde dem Stoff eine romantische Liebesgeschichte aufgepfropft. Kurz vor Ludwig Eglers Hechinger Führer (1863), aus dem der hier wiedergegebene Text stammt, hatte der Thiergartener Volksschullehrer Jakob Barth (1825-1895) in seiner „Hohenzollernsche Chronik oder Geschichte und Sage der hohenzollernschen Lande“ eine erzählerische Bearbeitung vorgelegt. Die Liebesromanze erzählt, wie ein Edelknappe Wilhelm von Hohenberg von einem unheimlichen Mann in einem roten Mantel dazu verleitet wird, auf ein Kruzifix in der Nähe von Stetten drei Schüsse abzugeben. Er weigert sich zunächst. Dann könne er aber zusehen, gibt ihm der Rotmantel zu verstehen, wie sein Nebenbuhler um die Liebe der lieblich blühenden Berta von Zollern im für den folgenden Tag angesetzten Wettkampf siegen werde, „wie der glückliche Bräutigam eure angebetete Bertha zum Altare führt, könnt dabei sehen, wie er vor Aller Augen den feurigen Kuß auf ihre Rosenlippen drückt, ungescheut seine Arme um ihren reizenden Leib schlingt und die Gewonnene triumphirend sein treueigenes Weib nennt“. Kurz: Wilhelm schießt, ohne sich von den eindringlichen Warnungen eines Zwerg abhalten zu lassen und wird vom Tode ergriffen, doch ein Beichtvater des nahe gelegenen Klosters Gnadental kann gerade noch seine ewige Seligkeit retten. Egler hat offenkundig diese Fassung auf den „Sagenton“ zurechtgestutzt. Erfunden hat Barth diese Liebesgeschichte nicht. Dieses Verdienst dürfte Wilhelm Binder zukommen, der eine Erzählung „Der höllische Schuß“ mit der gleichen Personenkonstellation in seinen „Alemannischen Volkssagen“ 1843 veröffentlicht hatte.

Wer der Sage vor Ort nachspüren möchte, sollte nicht nur die Friedhofskapelle zum Heiligen Kreuz aufsuchen, sondern auch das Hohenzollerische Landesmuseum in Hechingen, wo nicht nur der (inzwischen leere) Bildstock aus Holz zu sehen ist, in dem sich das beschossene Kruzifix befunden haben soll, sondern auch zwei Gemälde des 18. Jahrhunderts, auf denen die Überlieferung bildlich dargestellt ist.


Quelle: Ludwig Egler, Führer durch Hechingen und die Burg Hohenzollern, 1863, S. 29-31. Vgl. Graf, Schwabensagen, mit weiteren Nachweisen. Ergänzend: Wilhelm Binder, Alemannische Volkssagen, Geschichten und Märchen, Bd. 2, 1843, S. 1-24

Heiligkreuzkapelle Hechingen, eigenes Foto http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Heiligkreuzkapelle_Hechingen

Bildstock im Hechinger Landesmuseum

Gemälde ebenda http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:H%C3%B6llischer_Schuss
KlausGraf meinte am 2010/03/25 22:28:
Resonanz
http://www.schwaebische.de/lokales/sigmaringen/sigmaringen_artikel,-Sage-ist-eine-Mischung-aus-Ueberlieferung-und-Gespenstergeschichte-_arid,4072655.html

(SIGMARINGEN/gl) Der Historiker und Archivar Klaus Graf hat im Staatsarchiv auf Einladung des Hohenzollerischen Geschichtsvereins die zahlreich erschienenen Zuhörer in die vergangene Welt der Sagen geführt. Seine wissenschaftlichen Untersuchungen zur Entstehung und dem Erfolg der Sagenliteratur eröffnete manchem eine neue Sichtweise auf die „schönen Geschichten von damals“.

„Der Raum im Staatsarchiv“, so der Referent, „ist mit seinen Historienmalereien an der Wand geradezu perfekt zum Thema Sage.“ Der Historiker und auf Bildrecht spezialisierte Archivar hat in alle, auch in die dunklen Ecken der Nazizeit geleuchtet, um die Sagenliteratur zu erklären: „Sagen sind keine Botschaften aus uralter Zeit, die mündlich von Generation zu Generation getreu weitergegeben wurden, sondern zuallererst literarische und volkskundliche Dokumente ihrer Zeit.“ Die Zeit der Sage, das ist vor allem das 19. und 20. Jahrhundert. Als Wechselwirkung zwischen dem Erzähler und einem Menschen, der diese Erzählung schriftlich festhält, wird sie mit Glück und Geschick festgehalten. Der Sagensammler musste dabei umsichtig und klug vorgehen, denn „gerne verschwieg man Geister- und Hexengeschichten, um nicht als abergläubisch und rückständig zu gelten.“ Ernst Meier veröffentlichte 1852 die erste Sammlung schwäbischer Sagen, er hielt eine typische Antwort auf die Frage nach mündlich tradierten Sagen von einer Bäckersfrau fest: „noi, Sagen hent mer koine, aber Wecken!“


[...]

Wer nach dem Vortrag die Sagen selbst vermisst hat, kann diese in dem von Klaus Graf im DRW-Verlag herausgegebenen und kommentierten Sammelband „Sagen der Schwäbischen Alb“, einer wahren Fundgrube für „Schönes und Gespensterhaftes“, nachlesen.

***

http://www.swp.de/hechingen/lokales/hechingen/art5612,418233,A

Sagen sind kein Überbleibsel aus grauer Vorzeit. Mit diesem Klischee räumte Dr. Klaus Graf, Geschäftsführer des Aachener Universitätsarchivs, bei seinem Vortrag im Hohenzollerischen Landesmuseum auf.
Auch der letzte Vortrag, den der Hohenzollerische Geschichtsverein in diesem Quartal in Hechingen veranstaltet hat, war gut besucht. Kein Wunder, möchte man meinen, bei dem populären Thema "Sagen". Doch Klaus Graf war weit davon entfernt, es beim Erzählen schöner Geschichten zu belassen. Er näherte sich seinem Stoff grundsätzlich, und das bedeutete, ihn erst einmal in ein von Mythen befreites Licht zu setzen. Als Beispiel dafür boten sich die Historienmalereien in der Bibliothek der Burg Hohenzollern an. Grundlage der dort dargestellten Szenen ist eine lokale Sagensammlung des Hechinger Heimatforschers Ludwig Egler und damit ein volkskundliches Dokument des 19. Jahrhunderts, das zwar in Teilen ältere Traditionen aufgriff - aber "gemahlen durch die Denkmühlen bürgerlichen Bewusstseins".


[...] hre Faszination haben Sagen bis heute nicht verloren. Das Internet ist zu einem Forum des esoterischen Sagenverständnisses geworden. Doch selbst Klaus Graf, der mit vielen Klischees aufgeräumt hatte, bekannte am Ende: "Die alten Geschichten sind noch ganz schön lebendig". Wer sich ihnen nähert, sollte dabei aber nicht vergessen, dass es mit den uralten Zeiten meist nicht so weit her ist.
Info
Klaus Graf ist Herausgeber der "Sagen der Schwäbischen Alb", erschienen im DRW-Verlag Weinbrenner, Leinfelden-Echterdingen 2008.
 
 

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