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http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20100218_1bvr247708.html

1 BvR 2477/08

Auszug:

Die Verurteilung zur Unterlassung wörtlicher Zitate aus anwaltlichen Schreiben des Klägers verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit. In dessen Schutzbereich fallen außer Werturteilen auch Tatsachenbehauptungen, sofern sie zur Bildung von Meinungen beitragen können (vgl. BVerfGE 61, 1 <8>; 71, 162 <179>; 99, 185 <197>, stRspr.). Dies ist bei einem Zitat wie dem hier streitgegenständlichen ersichtlich der Fall, denn die Wiedergabe der ablehnenden Antwort war - wovon auch die Gerichte ausgegangen sind - geeignet, zu einer Bewertung des Klägers beizutragen.

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Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist zwar nicht vorbehaltlos gewährt, sondern steht gem. Art. 5 Abs. 2 GG insbesondere unter der Schranke der allgemeinen Gesetze, zu denen auch die hier angewendeten Vorschriften der §§ 823, 1004 BGB gehören. Jedoch haben die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Normen des einfachen Rechts die wertsetzende Bedeutung des beeinträchtigten Grundrechts zu berücksichtigen.

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Diesem Erfordernis werden die angegriffenen Entscheidungen nicht hinreichend gerecht. Die Gerichte haben zwar nicht verkannt, dass die streitgegenständliche Äußerung dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfällt. Ihre Auffassung, dass sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletze und diesem Grundrecht der Vorrang vor der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers zukomme, ist aber verfassungsrechtlich nicht tragfähig begründet.

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(1) Vor dem Hintergrund, dass das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seinem Träger keinen Anspruch darauf vermittelt, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es ihm selbst genehm ist (vgl. BVerfGE 82, 236 <269>; 97, 125 <149>), begegnet bereits die Annahme der Gerichte, dass die Veröffentlichung des Zitats das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtige, erheblichen Bedenken.

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Soweit das Landgericht darauf abhebt, dass der Kläger „öffentlich vorgeführt“ werde, mag dies als Bezugnahme auf die Rechtsfigur der Prangerwirkung zu verstehen sein. Diese wird von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung dann erwogen, wenn ein - nach Auffassung des Äußernden - beanstandungswürdiges Verhalten aus der Sozialsphäre einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wird und sich dies schwerwiegend auf Ansehen und Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2006 - VI ZR 259/05 -, NJW-RR 2007, S. 619 <620 f.>; Urteil vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08 -, NJW 2009, S. 2888 <2892>), was insbesondere dort in Betracht kommt, wo eine Einzelperson aus der Vielzahl derjenigen, die das vom Äußernden kritisierte Verhalten gezeigt haben, herausgehoben wird, um die Kritik des als negativ bewerteten Geschehens durch Personalisierung zu verdeutlichen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1994 - VI ZR 1/94 -, VersR 1994, S. 1116 <1118>). Dabei kann die Anprangerung dazu führen, dass die regelmäßig zulässige Äußerung einer wahren Tatsache aus der Sozialsphäre im Einzelfall mit Rücksicht auf die überwiegenden Persönlichkeitsbelange des Betroffenen zu untersagen ist. Diese Rechtsprechung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfGE 35, 202 <233>; 97, 391 <406>; BVerfGK 8, 107 <115>).

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Ihre Anwendung auf den vorliegenden Fall ist jedoch nicht nachvollziehbar begründet. Die Urteilsgründe lassen insbesondere nicht erkennen, dass das mit dem Zitat berichtete Verhalten des Klägers ein schwerwiegendes Unwerturteil des Durchschnittspublikums oder wesentlicher Teile desselben nach sich ziehen könnte, wie es der Annahme einer Anprangerung vorausgesetzt ist. Es erscheint vielmehr schon zweifelhaft, ob die Mitteilung, dass jemand sich in scharfer Form gegen die Veröffentlichung des eigenen Bildes verwahrt, überhaupt geeignet ist, sich abträglich auf dessen Ehre oder dessen Ansehen auszuwirken.

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Auch die ergänzende Erwägung des Kammergerichts, die Äußerung rufe insgesamt einen falschen Eindruck hervor, indem sie den Kläger als jemanden darstelle, der auf eine schlichte Anfrage sogleich mit einer scharfen Drohung reagiere, erweist sich als nicht tragfähig. Zwar verdeutlicht sie, worin das Gericht die den Ruf des Klägers beeinträchtigende Wirkung des Textes sieht, nämlich darin, dass er dessen Reaktion als unangemessen erscheinen lasse. Indes kann dem Text der Aussagegehalt, dass der zitierten E-Mail eine „schlichte Anfrage“ vorausgegangen sei, nicht beigemessen werden. Er verhält sich ausdrücklich in keiner Weise zu dem Wortlaut oder Charakter der Anfrage, sondern teilt lediglich mit, der Kläger habe „auf Anfrage“ das Foto nicht freigeben mögen. Soweit das Kammergericht gerade dem Schweigen des Textes hierzu die Aussage entnehmen will, dass die Anfrage keine erwähnenswerten Besonderheiten aufgewiesen habe, ist dies zwar im rechtlichen Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Werden dem Leser Tatsachen mitgeteilt, aus denen er erkennbar eigene wertende Schlussfolgerungen ziehen soll, so dürfen dabei keine wesentlichen Umstände verschwiegen werden, die geeignet sind, den Vorgang in einem anderen Licht erscheinen zu lassen (vgl. BVerfGE 12, 113 <130 f.>; 114, 339 <353 f.>; BGH, Urteil vom 22. November 2005 - VI ZR 204/04 -, NJW 2006, S. 601 <603>). Allerdings hat das Gericht einen solchen Fall nicht in einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Weise begründet. Insbesondere hat es den Textzusammenhang nicht hinreichend gewürdigt und hierdurch die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Deutung in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fallender Äußerungen verfehlt. So hat es zum einen nicht erwogen, ob nicht gerade die nach seiner Auffassung bemerkenswerte Schärfe der E-Mail die Annahme, dass lediglich eine „schlichte Anfrage“ vorausgegangen sei, für den maßgeblichen Durchschnittsleser fernliegend erscheinen lassen musste. Ebenso wenig hat es gewürdigt, dass der von dem Beschwerdeführer verbreitete Artikel eine Vielzahl kritischer und herabsetzender Äußerungen über den Sozius des Klägers enthält, was vom Leser ebenfalls als Hinweis auf eine entsprechend formulierte Anfrage verstanden werden dürfte. Schließlich ist das Kammergericht auch nicht darauf eingegangen, dass in dem Text ausdrücklich mitgeteilt wird, die Anfrage habe sich auf eine Verwendung des Bildes für eine „Glosse“ bezogen, die von dem Prozessgegner des von der Kanzlei des Klägers vertretenen Bankhauses verfasst war und somit keine positive Darstellung des Klägers erwarten ließ.

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(2) Ebenfalls verfassungsrechtlich zu beanstanden sind die Erwägungen, auf die die Gerichte ihre Abwägung zwischen dem ihrer Auffassung nach betroffenen allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers gestützt haben. Insoweit heben die angegriffenen Entscheidungen wesentlich darauf ab, dass das öffentliche Informationsinteresse an der streitgegenständlichen Äußerung gering sei. Diese Erwägung lässt befürchten, dass die Gerichte den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG grundlegend verkannt haben. Zwar handelt es sich bei dem - hier als gering erachteten - öffentlichen Informationsinteresse um einen wesentlichen Abwägungsfaktor in Fällen einer Kollision der grundrechtlich geschützten Äußerungsinteressen einerseits und der Persönlichkeitsbelange des von der Äußerung Betroffenen andererseits. Dies bedeutet aber nicht, dass die Meinungsfreiheit nur unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt wäre und von dem Grundrechtsträger nur gleichsam treuhänderisch für das demokratisch verfasste Gemeinwesen ausgeübt würde. Vielmehr gewährleistet das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen. Bereits hieraus bezieht das Grundrecht sein in eine Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einzustellendes Gewicht, das durch ein mögliches öffentliches Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden kann. Angesichts dessen stellt es eine verfassungsrechtlich bedenkliche Verkürzung dar, wenn die Gerichte dem Kläger vorliegend allein deshalb einen Unterlassungsanspruch zuerkannt haben, weil dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege.


Zum Fall siehe

http://www.nrhz.de/flyer/suche.php?ressort_id_menu=-1&ressort_menu=News (Beschwerdeführer)

http://sewoma.de/berlinblawg/urteile/medien-presserecht/lg-berlin-27-o-433-09/
 

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