Allgemeines
Architekturarchive
Archivbau
Archivbibliotheken
Archive in der Zukunft
Archive von unten
Archivgeschichte
Archivpaedagogik
Archivrecht
Archivsoftware
Ausbildungsfragen
Bestandserhaltung
Bewertung
Bibliothekswesen
Bildquellen
Datenschutz
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
null

 
Hier möchte ich die aus meiner Sicht wichtigste Motivation für die Kollaboration zwischen Hochadel und dem NS Staat auf den Punkt bringen:

Die gemeinsame Interessenlage erklärt die Kollaboration des Hochadels mit den Nationalsozialisten. Ähnliche Zusammenhänge hat auch Frau Anke Schmeling herausgearbeitet für Josias Prinz zu Waldeck und Pyrmont (Josias Erbprinz zu Waldeck und Pyrmont, der politische Weg eines hohen SS-Führers, Schriftenreihe Nationalsozialismus in Nordhessen Heft 16, Gesamthochschul-Bibliothek, Kassel 1993 S. 70-73

online https://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/handle/urn:nbn:de:hebis:34-2008032620872 .

Dort heisst es: "Am 2.12.1938 wurde der fürstliche Besitz als Erbhof anerkannt. Dem Erbprinzen boten diese Regelungen eine Reihe wirtschaftlicher Vorteile, da die Umwandlung zum Erbhof die einzige Möglichkeit darstellte, den Besitz ungeteilt an eine Person zu binden. Gleichzeitig wurde er von allen Pflichtteilansprüchen von seiten seiner Geschwister, besonders seiner zwei Brüder entbunden, da ein Erbhof laut gesetzlicher Festlegung nur Alleineigentum sein konnte, das ungeschmälert an den Anerben überzugehen hatte. Darüberhinaus entfiel bei der Umschreibung des Besitzes und der darauf folgenden Umwandlung in einen Reichserbhof die sonst üblicherweise zu zahlende Erbschaftssteuer". Hierauf weist auch Jonathan Petropoulos in "Royals and the Reich" hin, Oxford University Press 2006, S. 264. Genau diese Zusammenhänge treffen auf "Fürst Wolrad" zu. Die rückwirkende Umwandlung von freiem Vermögen zu Fideikommiss (die einhergeht mit der Rückdatierung des Aufnahmeantrages in die NSDAP) ermöglichte den Übergang des Alleineigentums an denjenigen der sich als besonders "hilfswilliger Nationalsozialist" ausgezeichnet hatte.

Ausführlicher S. 299 - 302 in Vier Prinzen:

http://edocs.fuberlin.de/docs/receive/FUDOCS_document_000000000100

Es galt nachstehenden juristischen Konflikt mit Hilfe der nationalsozialistischen "Gewaltmenschen" zu lösen:

Einerseits die Sichtweise die 1948 Dr. Kirchhoff darstellte und andererseits die Sichtweise eines in der Vergangenheit verankerten Senats des OLG Celle:

In einem ausführlichen Gutachten von Herrn Dr. Hans Kirchhoff (kurioserweise ehemaliger Beamter des Reichsjustizministeriums der aber den Briten geeignet erschien, um als Dezernent das Special Legal Advice Bureau SLAB zu besetzen) heisst es am 22 März 1948 (Gutachten für den Präsidenten des Zentraljustizamtes in Hamburg):

S. 99: “schon bei der Kodifikation des BGB war...die Garantie für den Bestand der privatrechtlichen Sonderrechte des hohen Adels abgelehnt worden.”

S. 100: “Somit können die vormals regierenden Fürstenhäuser und die ihnen gleichgestellten Standesherrn weder auf die ihre Vorrechte begründenden innerstaatlichen Gesetze der Zeit bis 1918 noch auf internationale Abmachungen und Garantien aus der Zeit von 1914 zurückgreifen, um aus ihnen eine von den allgemeinen Gesetzen abweichende Behandlung ihrer Person oder ihrer Rechte, insbesondere ihres Eigentums herleiten.”

S. 101: Rechtsunerheblich ist was der Kaiser der Franzosen im Jahre 1810 getan gedacht und garantiert haben soll; darüber ist die Geschichte und die Rechtsentwicklung längst hinwegegangen. Kein Deutscher kann sich heute noch auf

S. 102 ein “Recht” von Gnaden Napoleons berufen. Rechtsunerheblich ist auch, ob der oder jener Standesherr auf dem Wiener Kongress vertreten war;

...Die willkürliche Verschiebung der staats- und privatrechtlichen Fragen auf das Gebiet eines falsch verstandenen Völkerrechts (status quo Garantie) ist der Kardinalfehler, der sich durch das ganze Gutachten hindurchzieht und zu dem unhaltbaren und widersinnigen Ergebnis führt. Wäre sein Standpunkt zutreffend, so hätte auch z. Bsp. Grundeigentum der Standesherrn nach dem Preussischen Enteignungsgesetz von 1874 nicht enteignet werden können, ein Gedanke, auf den bis heute niemand gekommen ist.

Dr. Kirchhoff.”


Das OLG Celle schreibt dagegen in einem Urteil des 21. Jahrhunderts auf S. 37:

“Eine etwaige Nichtigkeit des Hausgesetzes (von 1923) mit der Folge, dass die Aufhebung der hausrechtlichen und fideikommissarischen Bindungen sowie die angeordnete Vermögensübertragung auf das Adelshaus als eigene Rechtspersönlichkeit nicht wirksam waren, bewirkte indes nicht, dass die Besitzungen in Mecklenburg und Österreich, die Bestandteil des Hausguts waren, in den frei vererblichen Nachlass des Fürsten Adolf fielen.

Denn im Falle der Nichtigkeit des Hausgesetzes vom 8 Dezember 1923 musste es bei dem Rechtszustand auf der Grundlage der dann weiter geltenden Hausgesetze von 1911 und 1913 verbleiben (bis zum reichsgesetzlichen Erlöschen des Sondervermögens per 1939).

Danach war, wie oben ausgeführt, durch die Hausgesetze von 1911 und 1913, nach denen nur ein männlicher Abkömmling des Fürstenhauses nach den Regeln der Erstgeburt und der Linealfolge als Erbe in Betracht kam, eine Vererbung des Hausguts nach den Vorschriften des BGB ausgeschlossen”.

Das Weiterwirken der Hausgesetze sollte mit Hilfe der NS Justiz gesichert werden, das Oberhaupt inthronisiert und favorisiert werden.

Wer Zweifel hat sollte S. 58 der Vier Prinzen lesen: Zitat aus BARCH 3001 Aktenband 10191, 1 S. 4:

"nach Auflösung der Familiengüter sind die derzeitigen Besitzer freie Eigentümer der Güter geworden und erkennen, Dank der ihnen wohlwollenden Gesetzgebung, keine Unterstützungspflicht gegenüber ihren weiteren Familienangehörigen mehr an."

Nun könnte man die berechtigte Frage stellen: Wieso haben sich zwei weitere Brüder für den Nationalsozialismus engagiert, wenn sie doch schlecht wegkommen sollten ? Meine Antwort auf diese Frage lautet: weil sich diese "weichenden" Brüder anderweitig bedienen sollten. Als Beleg folgende Zitate:

Die Kanzlei des Führers der NSDAP schrieb am 20 März 1940 an den Reichsführer SS: ·...da jedoch grundsätzlich keine Zweifel darüber bestehen, dass der Anspruch des (Friedrich Christian Prinz zu Schaumburg Lippe, Adjutant von Goebbels) zu Recht besteht, so werden keine Bedenken dagegen erhoben, seinem Vorschlage, an Stelle baren Geldes Landbesitz in den neuerworbenen Ostgebieten zu erhalten"....(S. 92 der Vier Prinzen). In einem weiteren Schreiben, diesmal des Reichsführers SS vom 23. Juni 1941 kommt zum Ausdruck, dass Friedrich Christian Ländereien des ehemaligen katholischen Stifts Kremsmünster (Oberösterreich) beansprucht, "....(S. 93 der Vier Prinzen).

Im Mai 1944 setzte sich Josias Prinz von Waldeck dafür ein, dass sein Schwager, SS Obersturmbannführer und Inhaber des Totenkopfringes, Stephan Prinz zu Schaumburg Lippe Ländereien in den "neu erworbenen" Ostegbieten aufkaufen könnte (S. 80 ff. der Vier Prinzen).

Im Jahr 1943 empfahl Wolrad seinem Bruder Heinrich im Rahmen von Verhandlungen zur Abfindungsfrage, sich auf dem Häusermarkt einzudecken. Dieser antwortete am 10.4.1943:

“Wenn Du mir schreibst ich hätte mich genau so gut wie Didi (Friedrich Christian) dinglich sichern können so sage ich entschieden nein. Ob die Häuserblocks die Friedrich Christian kaufte arisch waren (gemeint sind Blocks nahe der Hackeschen Höfe in Berlin) ? Ich bezweifle es. Auf dieser Linie beabsichtige ich aber nicht Geld zu machen, als meines Vaters Sohn.”

Somit haben die nationalsozialistisch orientierten Brüder in perfekter Arbeitsteilung gehandelt. Der sich als "Oberhaupt" ausgebender Prinz Wolrad raffte das Vermögen seines verstorbenen Bruders Fürst Adolf zusammen und verwies die
Brüder auf "anderweitigen" Erwerb durch Arisierung oder Plünderung in den Ostgebieten. Ein verlockendes Angebot.

Mehr zur Thematik hier:

http://archiv.twoday.net/stories/3810499/

http://vierprinzen.blogspot.com/
ladislaus (Gast) meinte am 2010/05/11 14:51:
Kollaboration?
Ich empfinde "Kollaboration" als schiefes Bild. Kollaboration impliziert eine Zusammenarbeit mit einem Feind oder einer Besatzungsmacht. Wenn Deutsche mit Deutschen zusammengearbeitet haben (wie hier der Adel und die Nazis, wobei sich die beiden Gruppen ja keineswegs ausschließen), passt das nicht. Das ist so ähnlich wie mit dem häufigen "Deutschland (oder beliebiger Ortsname) unter dem Nationalsozialismus". Als ob der vom Mond gekommen wäre und Deutschland unterdrückt hätte... 
vom hofe antwortete am 2010/05/11 18:06:
Hochadel und Nationalsozialismus waren verfeindet
Das elitäre Anspruchsdenken des Hochadels sah im Nationalsozialismus einen Feind, weil es sich aus dessen Sicht um den "Pöbel" handelte. Der Hochadel verachtete dieses "niedere Pack". Ebenso verachtete die Naziführung die "verweichlichten" Prinzen. Später erliess Adolf Hitler eine Bestimmung wonach Hochadelige die international verwandt oder verschwägert waren aus bestimmten Positionen entfernt wurden (siehe Fürstenerlass). Was Himmler von Prinzen hielt kann in meinem Buch auf Seite 330 gelesen werden. Für den Fall des Endsieges war deren Erschiessung vorgesehen. Der Hochadel glaubte andererseits, mit Hilfe der Nationalsozialisten, das BGB ausschalten und ihre Privilegien sichern zu können. Aus meiner Sicht erkannte der Hochadel erst sehr spät, dass er nach dem Krieg oder kurz davor ausgeschaltet werden musste. Das ist meiner Meinung nach eine weitere Erklärung für das Attentat vom 20. Juli. Vor diesem Hintergrund empfinde ich die "Zusammenarbeit" zwischen Hochadel und Nationalsozialismus als opportunistische "Kollaboration mit dem Feind".


Vierprinzen 
BCK antwortete am 2010/07/20 12:03:
Passt durchaus in den Kontext der "Machtübernahme", vgl. dazu
Von deutschem Adel: die Grafen von Bernstorff im zwanzigsten Jahrhundert / Eckart Conze, Deutsche Verlags-Anstalt, 2000, S. 130

"So wie auf nationaler Ebene der »Erfolg« der nationalsozialistischen Machtübernahme sich zu einem guten Teil der Kollaboration traditioneller nationaler Eliten verdankte, andererseits jedoch diese Eliten potentiell herrschaftsbegrenzend wirken konnten, so wird man auch auf lokaler Ebene im Zusammenhang mit der Durchsetzung der NS-Herrschaft stets nach der Rolle der alten Eliten fragen müssen." 
vom hofe antwortete am 2010/07/21 11:26:
Das passt auch
In FAZ online vom 20 Juli 2010 wird ein Interview mit Herrn Prof. Dr. Malinowski widergegeben.

Es geht dabei um Adel und Widerstand. Wichtig erscheint mir folgender Passus:

“Noch wichtiger waren vielleicht die sogenannten Fideikommisse, eine sehr preußische Besitzform, die die Zersplitterung des Großgrundbesitzes auf dem Weg der bürgerlichen Erbteilung verhindern sollten. Die Weimarer Reichsverfassung hatte diese Besitzform angegriffen, mit den Nationalsozialisten verband sich im Adel die Hoffnung, dass alles beim Alten bleiben würde”.

Das ist das wichtigste Motiv für die Kollaboration zwischen der NS Führung und der nach 1918 selbsternannten “Oberhäupter » der ehemals regierenden Adelsfamilien. Besonders auffällig bei den Familien Waldeck, Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg Lippe. Hoffentlich wird diese Forschungslinie in den nächsten Jahren vertieft.

Alexander vom Hofe, Madrid
Vierprinzen 
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma