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Kommentar zu: http://archiv.twoday.net/stories/6357658/

Thomas Wolf ist dafür zu danken, dass er auf ein vom Gesetzgeber offenbar nicht bedachtes Problem aufmerksam macht. Wenn vom Landesarchiv zur Vernichtung vorgesehenes Schriftgut einem Kommunalarchiv übergeben wird, wird es dessen Eigentum und kann von der Kommune veräußert werden.

Der Eigentumsübergang wurde in der amtlichen Begründung zu § 4 Abs. 5 ArchivG NRW festgeschrieben:

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 14. Wahlperiode Drucksache 14/10028
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD14-10028.pdf

"Zu Absatz 5:

Die anbietungspflichtigen Stellen sind von der Aufbewahrungspflicht zu entbinden, sofern
das Landesarchiv nicht binnen angemessener Frist (sechs Monate) über die Archivwürdigkeit
und damit über die Übernahme der angebotenen Unterlagen entscheidet. Die Unterlagen
sind nach Ablauf dieser Frist zu vernichten, wenn für die anbietende Stelle kein Grund
zu der Annahme besteht, dass durch die Vernichtung Rechtsvorschriften oder schutzwürdige
Belange Betroffener verletzt werden. Als Ausnahmefall wird hier die Möglichkeit eingeräumt, Unterlagen, die vom Landesarchiv als nicht archivwürdig bewertet wurden, an andere öffentliche
Archive zu übergeben. Diese Regelung trägt dem Wunsch nicht-staatlicher Archive
Rechnung, ihre Bestände durch Unterlagen staatlicher Provenienz zu ergänzen, die möglicherweise
einen besonderen lokalen Bezug haben. Eine Anbietungspflicht an andere öffentliche
Archive besteht nicht. Die Ablieferung von Unterlagen an ein anderes öffentliches Archiv
ist an die Zustimmung der für die anbietende Stelle zuständigen obersten Landesbehörde
gebunden, um für die abliefernde Verwaltung eine Kontrollmöglichkeit und einen Überblick
über den Verbleib ihrer ausgesonderten Unterlagen sicherzustellen. Die vorherige Unterrichtung
des Landesarchivs dient dazu, den Verfahrensablauf und den Vorrang der Bewertung
durch das Landesarchiv zu garantieren. Die von einem anderen öffentlichen Archiv
übernommenen Unterlagen gehen in dessen Eigentum über. Die Kosten für die Übergabe
und die Verwahrung der Unterlagen trägt allein das übernehmende Archiv."

I. Datenschutzrechtliche Prüfung

Sind in den Unterlagen personenbezogene Daten lebender Personen enthalten, dürften die Vorschriften des NRW-Datenschutzgesetzes zur Übermittlung personenbezogener Daten (§ 16 i.V. mit § 13

http://www.tu-dortmund.de/datenschutz/gesetz.html#16 )

einer Veräußerung (insbesondere im Handel) in aller Regel entgegenstehen.

Konstruiertes Beispiel: Der Kreisarchivar W. entdeckt unter den ihm übergebenen NS-Prozessakten eine Akte zu einem ausgeführten Todesurteil. Der Richter ist ebenfalls bereits lange verstorben. Der Archivar entnimmt auf Weisung des Oberbürgermeisters das Todesurteil, verkauft es an einen Militaria-Händler und wirft den Rest der Akte, die Zeugenaussagen enthält, bei denen nicht klar ist, ob die Zeugen noch leben, weg.

Legal?

Datenschutzrechtlich allemal!

§ 90 Gemeindeordnung stellt ebenfalls keinen Hinderungsgrund dar. Die frühere Genehmigungspflicht bei der Veräußerung von Kulturgut ist ersatzlos gestrichen worden.

Das Denkmalschutzgesetz nimmt Archivgut ausdrücklich von seinem Anwendungsbereich aus. Einen Verkauf im Inland würde selbst das Gesetz über den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung nicht verhindern können.

Selbstverständlich widerspricht ein solches Vorgehen allen archivfachlichen Grundsätzen. Gerichtlich dagegen vorgehen kann man aber nicht, und öffentlicher Druck setzt voraus, dass die Transaktion bekannt wird.

II. Prozessuales

Nach Vorliegen der negativen Bewertungsentscheidung des Landesarchivs hat die abliefernde Stelle zu entscheiden, ob einem Antrag des anderen öffentlichen Archivs stattzugeben ist. Das "kann" wird man wie üblich auf eine Ermessensentscheidung beziehen dürfen. Anders als bei sonstigen Übernahmen im Archivbereich steht meines Erachtens bei ablehnender Entscheidung der Behörde dem anderen öffentlichen Archiv der Verwaltungsrechtsweg offen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Behörde nicht sofort vollendete Tatsachen durch Vernichtung des Schriftguts schafft, woran sie das Gesetz nicht hindert. Es könnte allerdings durch eine Feststellungsklage geklärt werden, dass eine solche Vernichtung aus verwaltungsrechtlichen Grundsätzen vor Rechtskraft des Ablehnungsbescheids unzulässig ist.

III. Eigentumsübergang

Üblicherweise ändert sich bei der Übernahme von öffentlichem Archivgut nur der Besitzer, nicht der Eigentümer. Unterlagen des Bundes in einem Landesarchiv stehen nach wie vor im Eigentum des Bundes. Wie die Entscheidung des Gesetzgebers, dass bei NRW-Staatsarchiv-Kassanda das Eigentum an den Träger des übernehmenden Archivs übergeht, juristisch-dogmatisch zu bewerten ist, vermag ich nicht zu sagen.

IV. Vertragsrechtliches

Bei einem öffentlichrechtlichen Vertrag müsste vereinbart werden, was der Gesetzgeber zu regeln unterließ, nämlich die Unveräußerlichkeit der Unterlagen staatlicher Provenienz. Eine dauerhafte Verpflichtung, über das Eigentum nicht in einer vom Gesetz vorgesehenen Weise zu verfügen, muss verwaltungsrechtlichen und eigentumsrechtlichen Rahmenbedingungen genügen. Eine solche Verpflichtung macht aber entsprechende Rechtsgeschäfte nicht unwirksam. Was aber sollte für den Fall der Nichteinhaltung des Vertrags vorgesehen werden? Die Rücknahme von Landesarchiv-Kassanda scheidet wohl aus (abgesehen von der Tatsache, dass das Eigentum ja übertragen wurde). Eine riesige Vertragsstrafe? Keine weiteren Abgaben in der Zukunft (mit dem für die historische Überlieferung unerwünschten Effekt, dass alles vernichtet wird)?

Zu beachten ist, dass die Stelle, bei der die Unterlagen entstehen, den Vertrag abschließen müsste und nicht die Fachbehörde, das Landesarchiv. Es ist nicht ersichtlich, wie man die Behörden dazu bringen könnte, bei der Abgabe solcher Unterlagen etwa an Kommunalarchive einen Musterverwahrungsvertrag zur Pflicht zu machen.

FAZIT:

Wie mans dreht und wendet, die Vorschrift ist in Verbindung mit der Veräußerungserlaubnis Murks.
 

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