Diese Frage stellt sich nach Lektüre des mir heute per Mail zugegangenen Bescheids der Direktorin der Deutschen Nationalbibliothek:
Sehr geehrter Herr Dr. Graf,
ich komme zurück auf unseren Mailwechsel zuletzt vom 03./04.02.2010. Sie hatten seinerzeit Interesse an den Inhalten der Gespräche gezeigt, die die VG Wort, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Deutsche Nationalbibliothek zum Umgang mit sog. verwaisten Werken geführt haben. Ich hatte Sie um Geduld gebeten, da die Gespräche noch andauerten und eine Lösung noch nicht erarbeitet war.
Leider ist bis heute keine Lösung gefunden worden. Vielmehr hat sich bestätigt, dass eine verbindliche Rechtssicherheit geschaffen werden muss, die nur durch eine entsprechende gesetzliche Regelung erreicht werden kann. Insofern konzentrieren sich nunmehr alle Aktivitäten auf den gesetzgeberischen Prozess zum Urheberrecht Dritter Korb. Zu diesem Zweck hat das Bundesministerium der Justiz für den 13.10.2010 zu einer Expertenanhörung eingeladen, die sich ausschließlich dem Thema "Verwaiste Werke" widmet.
Unterlagen über mögliche Eckpunkte der damals geführten Gespräche sind in der Deutschen Nationalbibliothek nicht vorhanden. Wohl aber gibt es im Internet veröffentlichte Informationen zum rechtlichen Rahmen und in diesem Zusammenhang auch ein Schaubild zur möglichen Behandlung verwaister Werke aus dem Projektkontext Arrow, an dem auch die o. a. Gesprächspartner beteiligt sind.
Ich verweise hierzu auf folgende Links: http://ec.europa.eu/internal_market/copyright/docs/copyright-infso/orphanworks/Staats_en.pdf oder http://www.arrow-net.eu/sites/default/files/D3.1_Report_on_legal_framework.pdf
Diese Informationen sind frei zugänglich und können daher von Ihnen eingesehen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Elisabeth Niggemann
Was ist der Hintergrund dieser Mail?
In der WELT hatte ich 2009 folgendes gelesen:
Nun steht auch in Deutschland eine Regelung für das Problem der verwaisten Werke vor der Tür. Sie sieht aus, als hätte man sie sich beim Google Settlement abgeguckt. Wenn zukünftig Bibliotheken Werke aus ihren Beständen digitalisieren und über die Website www.europeana.eu zugänglich machen möchten, die Autoren jedoch nicht aufspüren können, zahlen sie eine Schutzgebühr an die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) - sozusagen die GEMA für Autoren.
Die stellt daraufhin die Bibliotheken von eventuellen Ansprüchen der Autoren frei. Wenn diese später doch noch auftauchen und sich beschweren, werden sie aus der Kriegskasse der VG Wort entschädigt. Wenn nicht, wird das Geld nach Ablauf einer gewissen Frist an die anderen bei der Verwertungsgesellschaft registrierten Autoren und Verleger ausgeschüttet. Auf dieses Verfahren haben sich kürzlich der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die Deutsche Nationalbibliothek, der Deutsche Bibliotheksverband und die VG Wort verständigt.
http://www.welt.de/kultur/article5004877/Literatur-kann-man-gut-ohne-Google-digitalisieren.html
Nicht bekannt war mir damals, dass Rainer Kuhlen schon am 13. August 2009 auf die entsprechende Vereinbarung Bezug genommen hatte:
In Deutschland gibt es offenbar zwischen Börsenverein, Deutscher Nationalbibliothek, Deutschem Bibliotheksverband, DFG und VG Wort eine (wohl noch nicht verbindliche) Vereinbarung über die Nutzung verwaister Werke. Der Wortlaut dieser Vereinbarung ist leider bislang nicht öffentlich bekannt (sollte aber). (ich arbeite jedoch daran, ihn zu bekommen).
http://www.iuwis.net/blog/verwaiste-werke-%E2%80%93-frei-zur-lizenzierung-f%C3%BCr-kommerzielle-zwecke
Ich bat daraufhin Frau Niggemann um den Text der Vereinbarung (Mail vom 1. November 2009), die am 4. November antwortete: Vielen Dank für Ihr Interesse. Sie fragen allerdings zu früh - noch ist die Vereinbarung nicht abgeschlossen.
Wenn es soweit ist werden die Gesprächspartner es gemeinsam der Öffentlichkeit vorstellen und Sie werden somit davon erfahren.
Vom 14. Januar 2010 datiert die Antwort der Bundesregierung (sie wurde "namens des Bundeskanzleramtes mit Schreiben des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und
Medien vom 13. Januar 2010 übermittelt") auf eine Kleine Anfrage der "Linken", in der unter Punkt 14 auf eine Vereinbarung eingegangen wird:
14. Welche Eckpunkte der von der Verwertungsgesellschaft WORT (VG WORT) mit dem Bibliothekenverband, dem Börsenverein des deutschen Buchhandels und weiteren Verbänden getroffenen Übereinkunft zur Zugänglichmachung von verwaisten Werken sind der Bundesregierung bekannt?
Die Übereinkunft sieht im Kern vor, dass zunächst anhand eines bestimmten Verfahrens nach dem Rechtsinhaber gesucht wird („sorgfältige Suche“). Ist die Suche erfolglos, gilt das Werk nach dem Modell als „verwaist“. Bei der VG Wort soll dann gegen eine Vergütung eine Nutzungslizenz erworben werden können. Wenn der Rechtsinhaber sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums meldet, wird die Vergütung an ihn ausgezahlt. Andernfalls wird diese Vergütung der Ausschüttung der VG Wort zugeführt.
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/004/1700436.pdf
Ich forderte Frau Niggemann daraufhin am 4. Februar 2010 auf, "gemäß dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes alle zur Einsicht in dieser Angelegenheit zur Verfügung stehenden Unterlagen aufzulisten." Frau Niggemann teilte am 5. Februar mit, sie könne ihrer Antwort vom 4. November nichts hinzufügen. "Sie haben die Pflicht einen Antrag nach dem Informationsgesetz des
Bundes zu bescheiden. Da Sie an den Verhandlungen beteiligt sind,
führen Sie darüber Akten, die ich nach dem Gesetz einsehen darf,
sofern keine Versagungsgründe vorliegen", erwiderte ich am gleichen Tag. Nachdem eine Frist ohne weitere Nachricht verstrichen war, beschwerte ich mich beim Bundesbeauftragten für die Informationsfreiheit durch Weiterleitung des gesamten Mailwechsels am 16. Februar.
Rechtstaatlich einwandfrei wäre es, wenn der Bundesbeauftragte für die Informationsfreiheit bei Eingang einer Mail mit Bitte um Eingangsbestätigung durch die Poststelle sofort eine Antwortmail abesenden würde, um den Fragesteller zu informieren, dass die Mail tatsächlich eingegangen ist. Das ist aber nicht üblich, wie eine heutige telefonische Erkundigung (in anderer Sache) ergab. Erst der per Briefpost sehr viel später verschickte Zwischenbescheid gibt dem Petenten Sicherheit, dass die Anfrage eingelangt ist - ein Unding im 21. Jahrhundert! In Sachen DNB datiert der Bescheid vom 8. März 2010. Irrtümlich wird auf eine Mail vom 5. März Bezug genommen, während meine Mail tatsächlich vom 16. Februar datiert.
Am 18. Juni 2010 meldete sich der Sachbearbeiter (natürlich per Brief) wieder, nachdem die Stellungnahme der Nationalbibliothek vorlag: "die von Ihnen angefragte Vereinbarung existiere nicht und könne Ihnen daher nicht zugänglich gemacht werden".
Dann verliert sich der Sachbearbeiter in Trivialitäten, indem er mir - am Gegenstand meines Informationsbegehrens vorbei - Dinge mitteilt, die mir durchaus bekannt sind:
Das Vorhandensein der gewünschten Information bei der Behörde oder öffentlichen Stelle ist als Tatbestandsmerkmal zwar nicht explizit aufgeführt, es ist allerdings eine denklogische Voraussetzung für den Informationszugangsanspruch nach dem IFG (§ 2 Nr. 1 IFG). Insofern handelt es sich um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal (vgl. Berger/Roth/Scheel, Kommentar zum IFG zu § 2 Rn. 24). Damit ist nur der Zugang zu konkret vorhandenen behördlichen Informationsbeständen möglich (vgl. Schoch, Kommentar zum IFG zu § 2 Rn. 31). Da die DNB über die entsprechende Vereinbarung (noch) nicht verfügt, habe ich angeregt, Ihren Antrag vom 02.11.2009 zunächst zu bescheiden.
In inakzeptabler Weise ignoriert wird die Tatsache, dass ich am 4. Februar 2010 aufgrund der Tatsache, dass es noch keine Vereinbarung gibt, eine Auflistung der zur Einsicht zur Verfügung stehenden Unterlagen angefordert hatte. Das Informationszugangsbegehren bezog sich also auf die Unterlagen zur derzeit nicht realisierbaren Vereinbarung und jedem, der seine fünf Sinne beisamen hat, sollte klar sein, was darunter zu verstehen ist: der in Form von Akten oder elektronisch geführte Schriftwechsel mit den anderen Beteiligten (Börsenverein, VG Wort), Aktenvermerke und Besprechungsprotokolle über die diesbezüglich geführten Gespräche oder Telefonate. Selbstverständlich muss es so etwas wie einen Entwurf der Vereinbarung geben, sonst hätte die Bundesregierung im Januar 2010 sich nicht auf "Eckpunkte" beziehen können.
Unterlagen über mögliche Eckpunkte der damals geführten Gespräche sind in der Deutschen Nationalbibliothek nicht vorhanden, schreibt Frau Niggemann. Das halte ich für ausgeschlossen. man will mich für dumm verkaufen.
Es ist ganz und gar undenkbar, dass bei den vermutlich komplizierten Verhandlungen keine schriftlichen Unterlagen entstehen. Einladungen müssen verschickt, Dienstbesprechungen zur Vorbereitung der Position und zum Bereicht über die Gespräche mit den anderen Beteiligten müssen protokolliert werden.
Was immer in Behörden geschieht, muss sich in den Akten lückenlos wiederfinden. Für die Führung von Akten gilt der Grundsatz der Wesentlichkeit und der Vollständigkeit. Im Prinzip muss sich jede Rücksprache, jedes Telefongespräch, jede Anordnung in den Akten widerspiegeln. So schreibt der große Lehrer des deutschen Verwaltungsrechts Hans J. Wolff in seinem Lehrbuch: "Kurzes mündliches, insbes. fernmündliches Vorbringen sowie amtliche Wahrnehmungen und Umstände, die für die Bearbeitung der Sache von Bedeutung sind, ferner mündlich erteilte Belehrungen, Anforderungen und Anordnungen sind, damit sie jedem anderen Sachbearbeiter bekannt werden, in einem Aktenvermerk mit Datum und Namenszeichen (Paraphe) kurz aufzunehmen." In der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien, Allgemeiner Teil dekretiert der Paragraph 32: "Über die aus den Akten nicht ohne weiteres ersichtlichen Besprechungen oder Ferngespräche und über andere Ereignisse und Gesichtspunkte, die die Bearbeitung beeinflussen können, sind Aktenvermerke aufzunehmen. Der Stand einer Sache muss jederzeit aus den Akten vollständig ersichtlich sein." (Hervorhebung von mir)
http://www.zeit.de/2000/27/200027.hirsch-text_.xml (Robert Leicht)
Gerichtsentscheidungen zur Aktenführung habe ich am 30. Juni 2003 in diesem Weblog zusammengestellt und ausführlich zitiert:
http://archiv.twoday.net/stories/40915/
Es darf also nicht sein, dass so wichtige Verhandlungen wie über die Behandlung verwaister Werke im Rahmen der geplanten Deutschen Digitalen Bibliothek in der Deutschen Nationalbibliothek ausschließlich mündlich geführt werden. Selbst wenn man sich mit den anderen Beteiligten etwa aus Gründen des IFG darauf geeinigt hätte, wäre das absolut idiotisch. Man müsste sich dann vorstellen, dass Frau Niggemann und ihre engsten Mitarbeiter die Eckpunkte der geplanten Vereinbarung gemeinsam auswendig lernen, damit sie gegenüber dem Börsenverein und der VG Wort (deren Akten selbstverständlich jedem Informationsbegehren der Öffentlichkeit entzogen sind) nicht ins Hintertreffen geraten.
Ich bin überzeugt, dass es Unterlagen über die Verhandlungen gibt. Man will sie mir nur nicht offenlegen z.B. weil man Vertraulichkeit vereinbart hat. Dann wäre zu prüfen, ob die Versagungsgründe des IFG ziehen oder nicht. Aber zu behaupten, es gäbe keine Unterlagen, ist lächerlich und unredlich.
Festzustehen scheint, dass die Bibliotheken Verwaltungstransparenz zu scheuen scheinen wie der Teufel das Weihwasser, vor allem, wenn es um Kontakte mit privaten Organisationen oder Firmen geht. Obwohl bei solchen mitunter mehr als fragwürdigen "Deals" Presse und die Öffentlichkeit einen eindeutigen Informationsanspruch haben, wird Geheimniskrämerei betrieben, wird versucht gesetzliche Auskunftsrechte (z.B. nach den Pressegesetzen oder dem Medienstaatsvertrag sowie nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder) auszuhebeln oder ihre Wahrnehmung so kostenträchtig zu gestalten, dass man dankend verzichtet.
2007: Meine Bitte um Überlassung des Vertrags zwischen Google und der Bayerischen Staatsbibliothek wird vom Ministerium zurückgewiesen. 2010 segnet der Petitionsausschuß des Bayerischen Landtags das ab.
http://archiv.twoday.net/stories/3484352/
2007: Die SUB Göttingen weigert sich mir gegenüber, Details der Vereinbarung zwischen der Universität Göttingen und dem Springer-Verlag über Open Access mitzuteilen.
http://archiv.twoday.net/stories/4341449/
2009: Die ThULB Jena verweigert Auskünfte zur Kooperation mit dem Klostermann-Verlag in Sachen ZfBB-Archiviereung. Meine Klage vor dem Verwaltungsgericht Jena läuft noch.
http://archiv.twoday.net/stories/5755033/
2010: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz verlangt von mir wegen Prüfung eines Informationszugangsbegehrens hinsichtlich des Vertrags mit de Gruyter über die Digitalisierung der Vossischen Zeitung einen Kostenvorschuss von 250 Euro. Meine Mail an den Beauftragten für die Informationsfreiheit des Bundes ist zwar eingetroffen, der Zwischenbescheid steht aber noch aus (siehe oben).
http://archiv.twoday.net/stories/6455470/
Sehr geehrter Herr Dr. Graf,
ich komme zurück auf unseren Mailwechsel zuletzt vom 03./04.02.2010. Sie hatten seinerzeit Interesse an den Inhalten der Gespräche gezeigt, die die VG Wort, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Deutsche Nationalbibliothek zum Umgang mit sog. verwaisten Werken geführt haben. Ich hatte Sie um Geduld gebeten, da die Gespräche noch andauerten und eine Lösung noch nicht erarbeitet war.
Leider ist bis heute keine Lösung gefunden worden. Vielmehr hat sich bestätigt, dass eine verbindliche Rechtssicherheit geschaffen werden muss, die nur durch eine entsprechende gesetzliche Regelung erreicht werden kann. Insofern konzentrieren sich nunmehr alle Aktivitäten auf den gesetzgeberischen Prozess zum Urheberrecht Dritter Korb. Zu diesem Zweck hat das Bundesministerium der Justiz für den 13.10.2010 zu einer Expertenanhörung eingeladen, die sich ausschließlich dem Thema "Verwaiste Werke" widmet.
Unterlagen über mögliche Eckpunkte der damals geführten Gespräche sind in der Deutschen Nationalbibliothek nicht vorhanden. Wohl aber gibt es im Internet veröffentlichte Informationen zum rechtlichen Rahmen und in diesem Zusammenhang auch ein Schaubild zur möglichen Behandlung verwaister Werke aus dem Projektkontext Arrow, an dem auch die o. a. Gesprächspartner beteiligt sind.
Ich verweise hierzu auf folgende Links: http://ec.europa.eu/internal_market/copyright/docs/copyright-infso/orphanworks/Staats_en.pdf oder http://www.arrow-net.eu/sites/default/files/D3.1_Report_on_legal_framework.pdf
Diese Informationen sind frei zugänglich und können daher von Ihnen eingesehen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Elisabeth Niggemann
Was ist der Hintergrund dieser Mail?
In der WELT hatte ich 2009 folgendes gelesen:
Nun steht auch in Deutschland eine Regelung für das Problem der verwaisten Werke vor der Tür. Sie sieht aus, als hätte man sie sich beim Google Settlement abgeguckt. Wenn zukünftig Bibliotheken Werke aus ihren Beständen digitalisieren und über die Website www.europeana.eu zugänglich machen möchten, die Autoren jedoch nicht aufspüren können, zahlen sie eine Schutzgebühr an die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) - sozusagen die GEMA für Autoren.
Die stellt daraufhin die Bibliotheken von eventuellen Ansprüchen der Autoren frei. Wenn diese später doch noch auftauchen und sich beschweren, werden sie aus der Kriegskasse der VG Wort entschädigt. Wenn nicht, wird das Geld nach Ablauf einer gewissen Frist an die anderen bei der Verwertungsgesellschaft registrierten Autoren und Verleger ausgeschüttet. Auf dieses Verfahren haben sich kürzlich der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die Deutsche Nationalbibliothek, der Deutsche Bibliotheksverband und die VG Wort verständigt.
http://www.welt.de/kultur/article5004877/Literatur-kann-man-gut-ohne-Google-digitalisieren.html
Nicht bekannt war mir damals, dass Rainer Kuhlen schon am 13. August 2009 auf die entsprechende Vereinbarung Bezug genommen hatte:
In Deutschland gibt es offenbar zwischen Börsenverein, Deutscher Nationalbibliothek, Deutschem Bibliotheksverband, DFG und VG Wort eine (wohl noch nicht verbindliche) Vereinbarung über die Nutzung verwaister Werke. Der Wortlaut dieser Vereinbarung ist leider bislang nicht öffentlich bekannt (sollte aber). (ich arbeite jedoch daran, ihn zu bekommen).
http://www.iuwis.net/blog/verwaiste-werke-%E2%80%93-frei-zur-lizenzierung-f%C3%BCr-kommerzielle-zwecke
Ich bat daraufhin Frau Niggemann um den Text der Vereinbarung (Mail vom 1. November 2009), die am 4. November antwortete: Vielen Dank für Ihr Interesse. Sie fragen allerdings zu früh - noch ist die Vereinbarung nicht abgeschlossen.
Wenn es soweit ist werden die Gesprächspartner es gemeinsam der Öffentlichkeit vorstellen und Sie werden somit davon erfahren.
Vom 14. Januar 2010 datiert die Antwort der Bundesregierung (sie wurde "namens des Bundeskanzleramtes mit Schreiben des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und
Medien vom 13. Januar 2010 übermittelt") auf eine Kleine Anfrage der "Linken", in der unter Punkt 14 auf eine Vereinbarung eingegangen wird:
14. Welche Eckpunkte der von der Verwertungsgesellschaft WORT (VG WORT) mit dem Bibliothekenverband, dem Börsenverein des deutschen Buchhandels und weiteren Verbänden getroffenen Übereinkunft zur Zugänglichmachung von verwaisten Werken sind der Bundesregierung bekannt?
Die Übereinkunft sieht im Kern vor, dass zunächst anhand eines bestimmten Verfahrens nach dem Rechtsinhaber gesucht wird („sorgfältige Suche“). Ist die Suche erfolglos, gilt das Werk nach dem Modell als „verwaist“. Bei der VG Wort soll dann gegen eine Vergütung eine Nutzungslizenz erworben werden können. Wenn der Rechtsinhaber sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums meldet, wird die Vergütung an ihn ausgezahlt. Andernfalls wird diese Vergütung der Ausschüttung der VG Wort zugeführt.
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/004/1700436.pdf
Ich forderte Frau Niggemann daraufhin am 4. Februar 2010 auf, "gemäß dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes alle zur Einsicht in dieser Angelegenheit zur Verfügung stehenden Unterlagen aufzulisten." Frau Niggemann teilte am 5. Februar mit, sie könne ihrer Antwort vom 4. November nichts hinzufügen. "Sie haben die Pflicht einen Antrag nach dem Informationsgesetz des
Bundes zu bescheiden. Da Sie an den Verhandlungen beteiligt sind,
führen Sie darüber Akten, die ich nach dem Gesetz einsehen darf,
sofern keine Versagungsgründe vorliegen", erwiderte ich am gleichen Tag. Nachdem eine Frist ohne weitere Nachricht verstrichen war, beschwerte ich mich beim Bundesbeauftragten für die Informationsfreiheit durch Weiterleitung des gesamten Mailwechsels am 16. Februar.
Rechtstaatlich einwandfrei wäre es, wenn der Bundesbeauftragte für die Informationsfreiheit bei Eingang einer Mail mit Bitte um Eingangsbestätigung durch die Poststelle sofort eine Antwortmail abesenden würde, um den Fragesteller zu informieren, dass die Mail tatsächlich eingegangen ist. Das ist aber nicht üblich, wie eine heutige telefonische Erkundigung (in anderer Sache) ergab. Erst der per Briefpost sehr viel später verschickte Zwischenbescheid gibt dem Petenten Sicherheit, dass die Anfrage eingelangt ist - ein Unding im 21. Jahrhundert! In Sachen DNB datiert der Bescheid vom 8. März 2010. Irrtümlich wird auf eine Mail vom 5. März Bezug genommen, während meine Mail tatsächlich vom 16. Februar datiert.
Am 18. Juni 2010 meldete sich der Sachbearbeiter (natürlich per Brief) wieder, nachdem die Stellungnahme der Nationalbibliothek vorlag: "die von Ihnen angefragte Vereinbarung existiere nicht und könne Ihnen daher nicht zugänglich gemacht werden".
Dann verliert sich der Sachbearbeiter in Trivialitäten, indem er mir - am Gegenstand meines Informationsbegehrens vorbei - Dinge mitteilt, die mir durchaus bekannt sind:
Das Vorhandensein der gewünschten Information bei der Behörde oder öffentlichen Stelle ist als Tatbestandsmerkmal zwar nicht explizit aufgeführt, es ist allerdings eine denklogische Voraussetzung für den Informationszugangsanspruch nach dem IFG (§ 2 Nr. 1 IFG). Insofern handelt es sich um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal (vgl. Berger/Roth/Scheel, Kommentar zum IFG zu § 2 Rn. 24). Damit ist nur der Zugang zu konkret vorhandenen behördlichen Informationsbeständen möglich (vgl. Schoch, Kommentar zum IFG zu § 2 Rn. 31). Da die DNB über die entsprechende Vereinbarung (noch) nicht verfügt, habe ich angeregt, Ihren Antrag vom 02.11.2009 zunächst zu bescheiden.
In inakzeptabler Weise ignoriert wird die Tatsache, dass ich am 4. Februar 2010 aufgrund der Tatsache, dass es noch keine Vereinbarung gibt, eine Auflistung der zur Einsicht zur Verfügung stehenden Unterlagen angefordert hatte. Das Informationszugangsbegehren bezog sich also auf die Unterlagen zur derzeit nicht realisierbaren Vereinbarung und jedem, der seine fünf Sinne beisamen hat, sollte klar sein, was darunter zu verstehen ist: der in Form von Akten oder elektronisch geführte Schriftwechsel mit den anderen Beteiligten (Börsenverein, VG Wort), Aktenvermerke und Besprechungsprotokolle über die diesbezüglich geführten Gespräche oder Telefonate. Selbstverständlich muss es so etwas wie einen Entwurf der Vereinbarung geben, sonst hätte die Bundesregierung im Januar 2010 sich nicht auf "Eckpunkte" beziehen können.
Unterlagen über mögliche Eckpunkte der damals geführten Gespräche sind in der Deutschen Nationalbibliothek nicht vorhanden, schreibt Frau Niggemann. Das halte ich für ausgeschlossen. man will mich für dumm verkaufen.
Es ist ganz und gar undenkbar, dass bei den vermutlich komplizierten Verhandlungen keine schriftlichen Unterlagen entstehen. Einladungen müssen verschickt, Dienstbesprechungen zur Vorbereitung der Position und zum Bereicht über die Gespräche mit den anderen Beteiligten müssen protokolliert werden.
Was immer in Behörden geschieht, muss sich in den Akten lückenlos wiederfinden. Für die Führung von Akten gilt der Grundsatz der Wesentlichkeit und der Vollständigkeit. Im Prinzip muss sich jede Rücksprache, jedes Telefongespräch, jede Anordnung in den Akten widerspiegeln. So schreibt der große Lehrer des deutschen Verwaltungsrechts Hans J. Wolff in seinem Lehrbuch: "Kurzes mündliches, insbes. fernmündliches Vorbringen sowie amtliche Wahrnehmungen und Umstände, die für die Bearbeitung der Sache von Bedeutung sind, ferner mündlich erteilte Belehrungen, Anforderungen und Anordnungen sind, damit sie jedem anderen Sachbearbeiter bekannt werden, in einem Aktenvermerk mit Datum und Namenszeichen (Paraphe) kurz aufzunehmen." In der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien, Allgemeiner Teil dekretiert der Paragraph 32: "Über die aus den Akten nicht ohne weiteres ersichtlichen Besprechungen oder Ferngespräche und über andere Ereignisse und Gesichtspunkte, die die Bearbeitung beeinflussen können, sind Aktenvermerke aufzunehmen. Der Stand einer Sache muss jederzeit aus den Akten vollständig ersichtlich sein." (Hervorhebung von mir)
http://www.zeit.de/2000/27/200027.hirsch-text_.xml (Robert Leicht)
Gerichtsentscheidungen zur Aktenführung habe ich am 30. Juni 2003 in diesem Weblog zusammengestellt und ausführlich zitiert:
http://archiv.twoday.net/stories/40915/
Es darf also nicht sein, dass so wichtige Verhandlungen wie über die Behandlung verwaister Werke im Rahmen der geplanten Deutschen Digitalen Bibliothek in der Deutschen Nationalbibliothek ausschließlich mündlich geführt werden. Selbst wenn man sich mit den anderen Beteiligten etwa aus Gründen des IFG darauf geeinigt hätte, wäre das absolut idiotisch. Man müsste sich dann vorstellen, dass Frau Niggemann und ihre engsten Mitarbeiter die Eckpunkte der geplanten Vereinbarung gemeinsam auswendig lernen, damit sie gegenüber dem Börsenverein und der VG Wort (deren Akten selbstverständlich jedem Informationsbegehren der Öffentlichkeit entzogen sind) nicht ins Hintertreffen geraten.
Ich bin überzeugt, dass es Unterlagen über die Verhandlungen gibt. Man will sie mir nur nicht offenlegen z.B. weil man Vertraulichkeit vereinbart hat. Dann wäre zu prüfen, ob die Versagungsgründe des IFG ziehen oder nicht. Aber zu behaupten, es gäbe keine Unterlagen, ist lächerlich und unredlich.
Festzustehen scheint, dass die Bibliotheken Verwaltungstransparenz zu scheuen scheinen wie der Teufel das Weihwasser, vor allem, wenn es um Kontakte mit privaten Organisationen oder Firmen geht. Obwohl bei solchen mitunter mehr als fragwürdigen "Deals" Presse und die Öffentlichkeit einen eindeutigen Informationsanspruch haben, wird Geheimniskrämerei betrieben, wird versucht gesetzliche Auskunftsrechte (z.B. nach den Pressegesetzen oder dem Medienstaatsvertrag sowie nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder) auszuhebeln oder ihre Wahrnehmung so kostenträchtig zu gestalten, dass man dankend verzichtet.
2007: Meine Bitte um Überlassung des Vertrags zwischen Google und der Bayerischen Staatsbibliothek wird vom Ministerium zurückgewiesen. 2010 segnet der Petitionsausschuß des Bayerischen Landtags das ab.
http://archiv.twoday.net/stories/3484352/
2007: Die SUB Göttingen weigert sich mir gegenüber, Details der Vereinbarung zwischen der Universität Göttingen und dem Springer-Verlag über Open Access mitzuteilen.
http://archiv.twoday.net/stories/4341449/
2009: Die ThULB Jena verweigert Auskünfte zur Kooperation mit dem Klostermann-Verlag in Sachen ZfBB-Archiviereung. Meine Klage vor dem Verwaltungsgericht Jena läuft noch.
http://archiv.twoday.net/stories/5755033/
2010: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz verlangt von mir wegen Prüfung eines Informationszugangsbegehrens hinsichtlich des Vertrags mit de Gruyter über die Digitalisierung der Vossischen Zeitung einen Kostenvorschuss von 250 Euro. Meine Mail an den Beauftragten für die Informationsfreiheit des Bundes ist zwar eingetroffen, der Zwischenbescheid steht aber noch aus (siehe oben).
http://archiv.twoday.net/stories/6455470/
KlausGraf - am Montag, 9. August 2010, 16:55 - Rubrik: Archivrecht
Jens Kleefeld (Gast) meinte am 2010/08/09 21:55:
Es liegt doch offensichtlich der Ausschlussgrund des § 4 I B-IFG vor.§ 4 Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses
(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde.
KlausGraf antwortete am 2010/08/09 22:59:
Ach ja?
Dann muss er auch benannt werden. Und Sie sollten das "soweit und solange" nicht überlesen. "Offensichtlich" ist da nichts.
Eberhard R. Hilf (Gast) antwortete am 2010/08/10 17:54:
Bürgerrechte vs. Bürgerauftrag
§ 4 Schutz des behördlichen Entscheidungsprozessesgreift sicher für die Vertretungen des Bürgers durch Behörden im Sinne eines Auftrags, und 'solange und soweit' die Öffentlichmachung den Auftrag schädigen würde, z.B. Verfolgung von Verbrechern; Änderung amtlicher Zinssätze;
es gilt aber nicht einmal für den Aufstellungsort von Radarfallen;
und schon garnicht für Tätigkeiten in Vertretung von Bürgerrechten;
hier soll ja gerade der Bürger mitwirken, damit die Vertretung nicht nur in seinem vermuteten Interesse stattfindet; Diese Asymmetrie bei Verhandlungen von Behörden in einer Demokratie,- und die öffentlich geförderten Bibliotheken gehören sicher dazu,- gegenüber privatwirtschaftlichen Firmen und analogen Konstrukten wie VG WORT ist also in einer Demokratie gewollt und auf lange Sicht kein Nachteil sondern eine Stärke.
Also hoffen wir, dass Sie, Herr Graf, uns weiter über Ihre Auslotungen dieser Grenzlinie informieren.