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Vor über einem Jahr fiel mir bei der Sichtung der Abbildungen der Mackinney-Collection

http://www.lib.unc.edu/dc/mackinney/?CISOROOT=/mackinney

auf, dass die Astrologisch-medizinische Sammelhandschrift Edinburgh, Library of Royal Observatory, Cr. 4.6 von dem bekannten Augsburger Berufsschreiber Konrad Bollstatter geschrieben sein könnte.

Der Handschriftencensus http://www.handschriftencensus.de/14955 ignoriert die ausführliche Beschreibung in der Jordanus-Datenbank: http://jordanus.org

Ob 1464 (?) als Datierung zutrifft oder die Handschrift eher in die Jahre um 1480 gehört, muss offen bleiben.

Jürgen Wolf, den ich mit meiner Vermutung zu Bollstatter konfrontierte, war skeptisch. Auf meine Bitte hin beurteilte Karin Schneider am 10.2.2010 die Schrift anhand von Ausdrucken: "Ihre Kopien aus der Hs. Edinburgh Obs. Cr. 4.6 habe ich mehrfach mit meinen Kopien von Bollstatter-Schrifterzeugnissen verglichen, ohne zu einem klaren Ergebnis zu kommen. Die für ihn bekannten ganz typischen Buchstabenformen, die seine Hand in den bekannten und signierten Hss. so gut kenntlich machen, besonders die kursiven Schleifen an h, z und r, finden sich nicht auf dern Seiten der astrologisch-medizinischen Hs., auch andere Buchstaben wie g, v, w und die Majuskeln zeigen meist einen anderen Ductus, dem auch die für ihn typische Gleichmäßigkeit fehlt. Man könnte natürlich annehmen, daß Bollstatter die Hs. Edinburgh sehr eilig und nachlässig für sich selbst zusammenschrieb, oder daß sie in seinem Umkreis aus einer 'echten' nicht erhaltenen Bollstatter-Hs. kopiert wurde?"

Dies bedeutet: Nach dem maßgeblichen Urteil von Karin Schneider kann die Handschrift Bollstatter weder klar zu- noch abgesprochen werden. Auf jeden Fall wird man als Schreibwort "wahrscheinlich Augsburg" ansetzen dürfen. Zur Schreiberproblematik sollte man sich vielleicht auf "Umkreis des Konrad Bollstatter" einigen.

Vielleicht kann auch die Kunstgeschichte Licht auf das Problem werfen. Das Bild des Astronomen (siehe unten) weist für mich eine klare Ähnlichkeit mit dem Teichner-Autorenbild

http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Bollstatter_mgf_564.jpg

auf. Auch das Twinger-Autorenbild ist vom gleichen Typus.

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cgm_7366_1v.jpg

Weitere Schriftproben Bollstatters:

http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Konrad_Bollstatter

Zu Bollstatter zusammenfassend:
http://de.wikipedia.org/wiki/Konrad_Bollstatter

Update:

ich teile die Skepsis von Jürgen Wolf und Karin Schneider. Ehrlichgesagt glaube ich nicht, daß der Schreiber der Hs. in Edinburgh Bollstatter ist. Was einzelne Buchstabenformen betrifft, würde ich wiederholen, was Frau Schneider geschrieben hat, und dem noch einiges hinzufügen. Etwa die charakteristische Art und Weise, wie Bollstatter die Schäfte von s und f mit starker Schwellung der Linie zieht. Das berührt sich mit dem Gesamteindruck vom Duktus, der sich bei B. u.a. durch die sehr gleichmäßige Neigung dieser Schäfte auszeichnet, und auch in anderer Hinsicht viel gleichmäßiger. Ob man das mit größerer Eile erklären kann, würde ich bezweifeln.

Ich würde hinterfragen, mit welchem Recht man vom "Umkreis des Konrad Bollstatter" sprechen könnte. Was kann "Umkreis" ganz konkret heißen bei einem allein agierenden Lohnschreiber ohne größeren Werkstattkontext? In der Kunstgeschichte wird der Begriff "Umkreis" ja sehr gerne verwendet - was er aber genau heißen soll, selten definiert. Implizit bedeutet es meist nur, daß man sich nicht traut, ein Werk derselben Hand zuschreiben, aber irgendwie doch irgendwelche Ähnlichkeiten sieht. Wenn es einen größeren Werkstattzusammenhang gibt, mag es diskutabel sein (ob es eine Riemenschneider-Werkstatt mit Dutzenden von Gesellen ist, die natürlich genauso schnitzen sollten wie der Meister, damit der Ausstoß homogen bleibt, oder ein frühmittelalterliches Klosterskriptorium mit Normierungsbemühungen).

Die Bilder helfen nicht viel weiter. Die Autorenmedaillons geben ein so weitverbreitetes Schema wieder, daß ich persönlich nicht wagen würde, einen Bollstatter-Codex als unmittelbare Vorlage vorauszusetzen. Die Illustrationen sind von sehr schlichter Machart; stilistisch wüßte ich deshalb nicht, wohin mit ihnen. Auf den ersten Blick könnte man an dilettantische Nachzeichnungen nach Holzschnitten denken; ob das zielführend ist, wäre zu prüfen.

Mit besten Grüßen,
Peter Schmidt

PD Dr. Peter Schmidt
Bayerische Akademie der Wissenschaften
Kommission für Deutsche Literatur des Mittelalters
(Mail vom 10. August, die ich mit freundlicher Genehmigung wiedergeben darf)

#forschung

Edinburgh

Teichner-Autorenbild
Lothar (Gast) meinte am 2010/08/10 13:10:
Dem würde ich mich klar anschließen. In Abhängigkeit der Epochen sind immer ähnliche Stile zu erkennen! Das war damals so und setzt sich sicher über unser Dasein in den nachfolgenden Jahrzehnten auch noch so fort! Das beste Beispiel ist doch derzeit die Popmusik - in der die Individualität der Künstler völlig in der Gleichheit der Masse unter geht. Sicher gab es diese Tendenz schon damals. 
 

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