Der Münchner Literat Franz Trautmann (1813-1887; GND, Killy) hat seinen Historienroman "Die Abenteuer Herzogs Christoph von Bayern, genannt der Kämpfer [...]" (Erstausgabe 1852/53) mit zwei angeblich authentischen Schriftstücken gewürzt: einem Brief eines Andreas Sluder aus München 1493 und einem teilweise wiedergegebenen "Pilgramsbuch" Herzog Christophs von Bayern (ebenfalls 1493).
Erstausgabe 1853
http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10121614_00410.html
Die üblicherweise zitierte 3. Auflage 1880bedarf eines US-Proxy:
http://hdl.handle.net/2027/uc1.$b461440?urlappend=%3Bseq=449
Nachdem Armin Kunz den Sluder-Brief als Fälschung Trautmanns erwiesen hat, kann gezeigt werden, dass auch das Tagebuch Christophs ("Pilgramsbuch") von Trautmann erfunden wurde. Obwohl eine gründliche Lektüre schnell einen Anachronismus-Verdacht aufkommen lässt, wurde es bis jetzt von Historikern unkritisch als echte Quelle verwertet.
Authentisch ist dagegen der in der ersten Auflage noch nicht vorhandene Brief Christophs vom 28. Mai 1493, den Jyri Hasecker (der das Pilgramsbuch für echt hält!) 2008 in den Oefeleana 6 des Bayerischen Hauptstaatsarchivs nachwies.
http://www.libreka.de/9783899714623/32
***
Zunächst ist zu betonen, dass der gründlichen Untersuchung von Armin Kunz: Die Jerusalemfahrt Lucas Cranachs d.Ä. Quellenkritische Untersuchung der Überlieferungsgeschichte eines (kunst)historischen Topos. In: Archiv für Kulturgeschichte 78 (1996), S. 87-114 ein schlüssiger Fälschungsnachweis für den Sluder-Brief zu entnehmen ist.
Schon die Tatsache, dass in dem Privatbrief drei höchst bemerkenswerte kunstgeschichtliche Sachverhalte, darunter die Jerusalemfahrt Cranachs, vorkommen, erregt Verdacht. Kunz stützt sich auf eine genaue Sichtung der im Brief gegebenen Liste der Jerusalempilger im Gefolge Friedrichs des Weisen. Sluders Brief fußt auf den "Annales" des Johann Sebastian Müller von 1700 einschließlich der dort enthaltenen Abweichungen von der Urquelle Spalatin.
Müller 1700, S. 56
http://books.google.de/books?id=kFVPAAAAcAAJ&pg=PA56
Der Schluss, "daß es sich bei Sluders Brief um eine von großer historischer Kenntnis genährte und eben deshalb auch irreführende Fälschung handelt" (Kunz S. 105) ist eindeutig.
Der Fälscher Trautmann hatte sich gegenüber Reinhold Röhricht für die Echtheit des Briefs verbürgt (Kunz Anm. 21) und als Fundort die 1871 durch Feuer zerstörte Aretin'sche Bibliothek auf Schloss Haidenburg angegeben. Zum Brand und Bibliotheksverlust:
http://books.google.de/books?id=ZqRTAAAAcAAJ&pg=PA411
Erst Röhricht/Meisner teilten diesen Fundort in ihrer Ausgabe des Hundt'schen Rechnungsbuchs 1883 mit:
http://resikom.adw-goettingen.gwdg.de/berichte/PDF/Roehricht_1883_Hundt.pdf
Gegen Hedwig Michaelson - die zwei Beiträge im Repertorium für Kunstwissenschaft 1899 sind in Digizeitschriften Open Access:
http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN487700287_0022 -
behauptete Eduard Flechsig im Jahr 1900, der Sluder-Brief sei eine "dichterische Erfindung" Trautmanns.
https://archive.org/stream/cranachstudien01flecuoft#page/n17/mode/2up
Hans Ankwicz-Kleehofen, der den Adressaten, einen Wiener Kaufmann Hans Weimann, in Wiener Unterlagen nicht finden konnte, sprach im Alt-Wiener Kalender für das Jahr 1922 klar von einer "Fälschung".
http://hdl.handle.net/2027/wu.89092597590?urlappend=%3Bseq=84 (US)
Aber diese Zweifel wurden nicht rezipiert.
Unbeachtet blieb auch Thedor Aigns Hinweis (von Kunz nicht berücksichtigt) in seinem Ketzel-Buch (1961), dass der Brief Kennzeichen der Spätromantik trage [Korrektur siehe NACHTRAG], siehe die Rezension in der ZWLG [21, 1962, S. 411 von Gerd Wunder]:
http://books.google.de/books?id=BksOAQAAIAAJ&q=%22andreas+sluder%22
Elisabeth Caesar: Sebald Schreyer, MVGN 1969 ging von der Echtheit aus.
http://periodika.digitale-sammlungen.de/mvgn/Blatt_bsb00000972,00141.html
Rainer Zittlau: Heiliggrabkapelle und Kreuzweg, 1992 versuchte sogar einen Echtheitsbeweis (von Kunz nicht erörtert)
http://books.google.de/books?id=ctzVAAAAMAAJ&q=gef%C3%A4lscht
Zustimmend die Rezension
http://periodika.digitale-sammlungen.de/zblg/seite/zblg56_0295
Dietrich Huschenbett im ²VL 2 (1980), Sp. 966 erwähnte den Brief ohne Hinweise auf Kritik. Schon in Bd. 1 (1978), Sp. 1229 hatte er im Artikel über Christoph von Bayern das Pilgramsbuch als echt angesehen (der Autorität von Röhricht/Meisner folgend). In seinem Pilgerreisen-Aufsatz DVjs 1985, S. 38 verwertete er das Pilgramsbuch ohne Vorbehalte.
Halm 1994 und die Digiberichte behandeln die Quelle ebenfalls als echt.
http://www.digiberichte.de/Halm_1994_Deutsche_Reiseberichte.pdf#nameddest=98
Auch nach dem Erscheinen des Aufsatzes von Kunz 1996 wurden sowohl der Sluder-Brief als auch das Pilgramsbuch unverändert als authentische Quellen verwertet.
Von Cordula Nolte in: Fremdheit und Reisen 1997
http://books.google.de/books?id=I7EYAAAAYAAJ&q=%22hocher+r%C3%BChrung%22
Von Detlev Kraak: Monumentale Zeugnisse 1997
https://www.google.de/search?tbm=bks&q=sebald+schreyer+sluder
Hier ist besonders pikant, dass die zitierte S. 428 eindeutig aus dem Roman-Teil stammt und unter keinen Umständen als authentische Quelle hätte verwertet werden dürfen.
http://books.google.de/books?id=nB8TAQAAIAAJ&q=christoph+bayern
Von Helmut Schlereth: Pollich 2001
http://books.google.de/books?id=8NchAQAAMAAJ&q=%22hans+weinmann%22
Von Carola Fey, in: Mittelalterliche Fürstenhöfe und ihre Erinnerungskulturen 2006, S. 145
http://www.libreka.de/9783899713275/145
Von Andreas Tacke: Reliquienkult, 2006
http://books.google.de/books?id=Bf6DcnWNfDYC&pg=PA135
Von Carina Brumme: Wallfahrtswesen, 2010
http://books.google.de/books?id=J8Xwn1anJEgC&pg=PA214
Das zutiefst fragwürdige Nachschlagewerk "Reiseberichte und Geschichtsdichtung" (2012) hat den Aufsatz von Kunz übersehen, nennt aber immerhin die Zweifel von Bastert 1993:
http://books.google.de/books?id=nzqLp6td3z4C&pg=PA46-IA12
***
Kunz hätte in seinem Aufsatz deutlich aussprechen sollen, dass auch das Pilgramsbuch Herzog Christophs ein Machwerk Trautmanns ist. Er sagt das eher indirekt (S. 94), wenn er moniert, dass trotz der gewichtigen Zweifel das 17. Kapitel Trautmanns "Aus Herzog Christoph's Pilgrambuch" Aufnahme in die Liste der Primärliteratur einer germanistischen Studie zur Pilgerliteratur (Hippler 1987) gefunden habe. Wenn eine Anekdote zu Pollichius aus einem frühneuzeitlichen Kompendium zur sächsischen Geschichte in das Pilgramsbuch einfließen konnte (S. 101) wird dem aufmerksamen Leser klar, dass auch dieses ebenso wenig echt ist wie der Sluder-Brief.
In seiner Aachener Dissertation ist Bernd Bastert 1993 kurz auf das angebliche Ego-Dokument Christophs von Bayern eingegangen (Der Münchner Hof und Fuetrers 'Buch der Abenteuer', S. 68-70). Er zitiert das Dokument nach der Wiedergabe in Pörnbacher/Hubensteiner: Bayerische Bibliothek 1 (1978), S. 618-625. Die Frage nach dem Verfasser des Texts sei noch nie gestellt worden. Die Episode vom "Privatkreuzzug" des oberbayerischen Herzogs hält er für "äußerst unglaubwürdig" (S. 69), da die Rahmenbedingungen solcher Pilgerreisen damals solche Konflikte vermeiden sollten. Auch die Episode über die Krankheit des Herzogs hält er für "frei erfunden" (S. 70). Die Stilisierung des Reiseberichts nach einer "aventiure-Fahrt" schreibt Bastert allerdings einem Zeitgenossen aus dem Umkreis des Herzogshofs zu. Auf die Idee, dass Trautmann der Erfinder des Pilgramsbuch sein könnte, ist er offenkundig nicht gekommen. Die kunsthistorischen Stellungnahmen zum Sluder-Brief waren ihm nicht bekannt.
Auch die dubiose sprachliche Gestalt des Texts sprach Bastert nicht an. Ohne ins Detail zu gehen, beobachtete Kunz (S. 105), dass gegenüber dem echten Christoph-Brief von 1493 (siehe oben), der sich entschieden schlechter verstehen lässt als das Pilgramsbuch und der Sluder-Brief, der Sluder-Brief eher einen altertümlenden als einen wirklich alten Eindruck mache.
Ohne hieb- und stichfesten Rückhalt hinsichtlich der Wörterbücher begibt sich ein Nicht-Sprachwissenschaftlicher hinsichtlich eines schreibsprachlich begründeten Fälschungsverdachts auf sehr dünnes Eis, auch wenn er sich mit Belegen in Google Books abzusichern versucht. Geringes Gewicht hat von daher mein Eindruck aufgrund der Lektüre vieler zeitgenössischer Texte, dass Satzbau und Vokabular eher nicht ins Ende des 15. Jahrhunderts gehören.
Ein Blick auf den echten Brief (3. Auflage, S. 448f.) zeigt, dass die dortigen Graphien (y regelmäßig für ie, i, zw statt zu, p statt b z.B. in pruder usw.) es ausschließen, dass der Trautmann'sche Text des Pilgerbuchs auf ein Autograph des Herzogs zurückgeht. Aber es könnte ja eine Abschrift sein.
Bis zum Beweis des Gegenteils behaupte ich, dass eine Formulierung "ganz köstlich von eitel cedernholzgebälk" (1. Auflage, S. 416) anachronistisch ist. Für "grabliegerschaft" (S. 415) finde ich überhaupt keinen Beleg bei Google oder im Grimmschen Wörterbuch. Vom "Leidenskreuz" (S. 413, 415) sprach man eher im 18./19. Jahrhundert, desgleichen von hoher Rührung (S. 415 "gingen vns vor hocher rührung die augen über"). Überhaupt befremdet die Emotionalität des Textes, die eher ins 19. Jahrhundert passt.
Glücklicherweise liefert der Aufsatz von Kunz wesentlich "härtere" Argumente, um die Fälschung zu belegen. Bereits erwähnt wurde eine Pollichius-Anekdote, die aus einer späteren Quelle in den Text Eingang fand.
S. 417 ist die Rede von einem Georg Kötzel aus Nürnberg, dessen Vater die Fälle der Passion Christi bis Golgatha ausgemessen habe. Und dieser Georg Ketzel erscheint - ganz zufällig - auch im Sluder-Brief (S. 406), wo man zusätzlich erfährt, Martin Ketzel habe sich zum zweiten Mal nach Jerusalem aufgemacht, um die Messung zu dokumentieren. Diese Überlieferung stammt aus der gedruckten Nürnberger Literatur und ist nicht vor dem 17. Jahrhundert zu belegen. Kunz (Anm. 4) verweist darauf, dass Christian Geyer sie 1905 endgültig wiederlegt habe: Zur Geschichte der Adam Krafftschen Stationen. In: Repertorium für Kunstwissenschaft 28 (1905), S. 351-364, 495-511. Die Beziehung des Stationenwegs zu den Ketzel ist unhistorisch, und daher kann weder der Sluder-Brief noch das Pilgramsbuch eine authentische Quelle sein.
Dass anders als beide Fälschungen angeben nicht Georg Ketzel, sondern Wolf Ketzel 1493 mit Kurfürst Friedrich und Herzog Christoph ins Heilige Land zog, hatte schon Joseph Heller 1821 richtiggestellt.
http://books.google.de/books?id=yb0-AAAAcAAJ&pg=PA117
Das sagt auch die freilich sehr unzuverlässige (siehe Geyer) Gedächtnistafel der Ketzel im GNM.
http://objektkatalog.gnm.de/objekt/Gm581
Die falsche Angabe zum Vornamen des Ketzel-Pilgers war auch eines der Fälschungsindizien von Kunz (S. 100).
Sluder-Brief und Pilgramsbuch sind von einerlei Machart und beide nicht echt, sondern aufgrund von Anachronismen, die sich aus der Verwertung von Werken des 17./18. Jahrhunderts ergeben, als (außerordentlich kundige) Fälschungen von Franz Trautmann zu erweisen. Es bleibt zu ermitteln, welche Quellen Trautmann aus dem Feld der Jerusalem-Pilgerschriften verwertet hat.
Die Ehre des Fälschungsnachweises gebührt Armin Kunz, auch wenn ich einige Details ergänzen konnte. Es ist zu hoffen, dass Wissenschaftler von der Verwertung dieser Quelle für die Zeit um 1493 künftig Abstand nehmen und sie als das werten, was sie ist, nämlich eine archaisierende Fiktion des 19. Jahrhunderts.
NACHTRAG
Aigns Ketzel-Buch S. 28-32 stellt zunächst klar, dass aufgrund älterer Quellen die Überlieferung von zwei Pilgerfahrten Martin Ketzels glaubwürdig sein dürfte. Die in der Tradition (und von Trautmann) angeführten verlorenen Unterlagen sind so als zuverlässiges Detail nicht abzusichern (S. 29).
S. 30 geht Aign irrtümlich davon aus, dass der Sluder-Brief erstmals 1880 publiziert wurde (richtig: 1853).
Aign stellt fest (S. 31): Es sei nicht richtig, dass die Kraft'schen Stationen 1493 schon vollendet waren. Es sei nicht richtig, dass Martin Ketzel damals in Nürnberg lebte. Und es sei nicht richtig, dass Georg ins Heilige Land pilgerte.
Martin Ketzel hatte entgegen der Aussage des Sluder-Briefs nicht nur einen einzigen Sohn Georg. Doch ist es natürlich denkbar, dass diese 1493 bereits verstorben waren.
Sebald Schreyers Brief müsste kurz zuvor nach München geschrieben worden sein. Dafür gibt es aber im Schreyer'schen Gedenkbuch B keinen Anhaltspunkt.
Vor dem naheliegenden Schluss, dass die unrichtigen Angaben durch Fälschung entstanden sind, scheute Aign erstaunlicherweise zurück. Die Spätromantik brachte offenbar erst der Rezensent Gerd Wunder seiner Arbeit in der ZWLG ins Spiel.
Zittlau referiert zunächst den Meinungsstand. Auch Berthold Daun hielt im Jahr 1900 den Brief für eine Erfindung, und dies scheint dann die kunsthistorische communis opinio geworden zu sein.
Zittlau datiert den Brief auf den 24. März 1493 (Quirinus von Tegernsee). Angesichts der ihm bekannten Ungereimtheiten, auf die Aign deutlich hingewiesen hatte, ist es schon recht dreist zu behaupten, die Einzelheiten des Briefs hätten sich bisher nicht schlüssig widerlegen lassen (S. 23). Dass abschließend auch noch die Gender-Karte gezogen wird - der Streit habe zur Herabwürdigung einer der ersten Kunsthistorikerinnen in Deutschland gedient, die es gewagt habe, einer Autorität zu widersprechen - erscheint befremdlich.
Da der Brief Schreyer nicht als Förderer der Kreuzweganlage zeigt, hat das Argument Zittlaus keine Relevanz: "Es wäre verwunderlich, wenn Trautmann damals in einem erfundenen Brief die richtigen Zuständigkeiten erahnt hätte" (S. 23).
Besonders fassungslos macht die Aussage, der Brief sei sprachlich unverdächtig, die sich auf mündliche Stellungnahmen von "Herrn Höppl" vom Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Dr. Reinhard Höppl) und den Bamberger Wissenschaftlern Rolf Bergmann und Claudine Moulin beruft!
Die angeführten Gruß- und Schlussformeln mögen ja zeitgenössisch sein. Bei Ausführungen zu "sint" zeigt Zittlau seine mangelnde Vertrautheit mit der Sprache der Zeit. Bei "sint er [...] das mass verloren" steht sint offensichtlich für sintemalen = weil, und in einem Brief Schreyers von 1503 ist "mein willig dinst sind" ganz korrekt, wenn dinst Plural ist. Zittlau versteht beide Male den Text nicht und will f statt s (also das Verb finden) lesen.
Angesichts solcher Inkompetenz kann man die Ehrenrettung des Sluder-Briefs als echte Quelle getrost zur Seite legen.
Folker Reichert, der vielleicht beste Kenner echter Jerusalem-Pilgerschriften, teilte per Mail mit, dass er meinen Ausführungen zustimmt.
Volker Honemann schrieb mir zur Sprache: "das sieht mir doch sehr nach einem ziemlich glatten Kunst-Frühneuhochdeutsch aus (Pilgramsbuch), wie es im 19. Jh. ja nicht selten produziert worden ist, siehe z. B. die Hexen-Romane von Wilhelm Meinhold und besonders seinen 'Sigismund Hager' - unbedingt lesen; ein tolles Stück!"
Helga Czerny: Der Tod der bayerischen Herzöge im Spätmittelalter ... (2005) schreibt in ihrer ausführlichen Darstellung zu Herzog Christoph (S. 210-227, hier S. 211) sehr naiv: "An der Echtheit des Tagebuchs ist m. E. nicht zu zweifeln. Es stimmt vor allem bei den Zeitangaben, wie Ankunft in Jerusalem und Abreise von dort mit dem Bericht Spalatins überein". Warum wohl? Spalatins Angaben konnten auch schon vor der Spalatin-Ausgabe 1851 in die Trautmann bekannte Sekundärliteratur eingehen. Müller hatte Spalatin gekannt und 1770 war Spalatins Text bereits gedruckt worden (S. 212 Anm. 161). Basterts Zweifeln schloss sie sich nicht an und zitiert S. 212 Anm. 160 den Sluder-Brief (ohne die Arbeit von Kunz zu kennen) und S. 215f. das Pilgramsbuch. Sollte in einem echten Text sich nicht der Unterschied zwischen Großprior und Großmeister korrekt widerspiegeln (S. 216)?
Sie schreibt nichts über den fiktionalen Charakter der Arbeit Trautmanns und verwertet unbelegte Angaben Trautmanns (S. 221 Weilheimer Stiftung nach Trautmann S. 492
http://hdl.handle.net/2027/uc1.$b461440?urlappend=%3Bseq=500 ). S. 213 Anm. 168 gibt sie sogar an, ein späterer Antwortbrief des Großmeisters, den Trautmann anführt, über die Grabmal-Zeichnung (Abbildung S. 807) sei nicht aufzufinden. Ich schließe daraus, dass Trautmann auch in den "dokumentarischen" Anhang eigene Erfindungen verwoben hat. Die Konsequenz muss sein, Trautmann als historische Quelle für Informationen zur Biographie Herzog Christophs strikt zu meiden.
#forschung
Zu Fälschungen in Archivalia
http://archiv.twoday.net/stories/96987511/
Erstausgabe 1853
http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10121614_00410.html
Die üblicherweise zitierte 3. Auflage 1880
http://hdl.handle.net/2027/uc1.$b461440?urlappend=%3Bseq=449
Nachdem Armin Kunz den Sluder-Brief als Fälschung Trautmanns erwiesen hat, kann gezeigt werden, dass auch das Tagebuch Christophs ("Pilgramsbuch") von Trautmann erfunden wurde. Obwohl eine gründliche Lektüre schnell einen Anachronismus-Verdacht aufkommen lässt, wurde es bis jetzt von Historikern unkritisch als echte Quelle verwertet.
Authentisch ist dagegen der in der ersten Auflage noch nicht vorhandene Brief Christophs vom 28. Mai 1493, den Jyri Hasecker (der das Pilgramsbuch für echt hält!) 2008 in den Oefeleana 6 des Bayerischen Hauptstaatsarchivs nachwies.
http://www.libreka.de/9783899714623/32
***
Zunächst ist zu betonen, dass der gründlichen Untersuchung von Armin Kunz: Die Jerusalemfahrt Lucas Cranachs d.Ä. Quellenkritische Untersuchung der Überlieferungsgeschichte eines (kunst)historischen Topos. In: Archiv für Kulturgeschichte 78 (1996), S. 87-114 ein schlüssiger Fälschungsnachweis für den Sluder-Brief zu entnehmen ist.
Schon die Tatsache, dass in dem Privatbrief drei höchst bemerkenswerte kunstgeschichtliche Sachverhalte, darunter die Jerusalemfahrt Cranachs, vorkommen, erregt Verdacht. Kunz stützt sich auf eine genaue Sichtung der im Brief gegebenen Liste der Jerusalempilger im Gefolge Friedrichs des Weisen. Sluders Brief fußt auf den "Annales" des Johann Sebastian Müller von 1700 einschließlich der dort enthaltenen Abweichungen von der Urquelle Spalatin.
Müller 1700, S. 56
http://books.google.de/books?id=kFVPAAAAcAAJ&pg=PA56
Der Schluss, "daß es sich bei Sluders Brief um eine von großer historischer Kenntnis genährte und eben deshalb auch irreführende Fälschung handelt" (Kunz S. 105) ist eindeutig.
Der Fälscher Trautmann hatte sich gegenüber Reinhold Röhricht für die Echtheit des Briefs verbürgt (Kunz Anm. 21) und als Fundort die 1871 durch Feuer zerstörte Aretin'sche Bibliothek auf Schloss Haidenburg angegeben. Zum Brand und Bibliotheksverlust:
http://books.google.de/books?id=ZqRTAAAAcAAJ&pg=PA411
Erst Röhricht/Meisner teilten diesen Fundort in ihrer Ausgabe des Hundt'schen Rechnungsbuchs 1883 mit:
http://resikom.adw-goettingen.gwdg.de/berichte/PDF/Roehricht_1883_Hundt.pdf
Gegen Hedwig Michaelson - die zwei Beiträge im Repertorium für Kunstwissenschaft 1899 sind in Digizeitschriften Open Access:
http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN487700287_0022 -
behauptete Eduard Flechsig im Jahr 1900, der Sluder-Brief sei eine "dichterische Erfindung" Trautmanns.
https://archive.org/stream/cranachstudien01flecuoft#page/n17/mode/2up
Hans Ankwicz-Kleehofen, der den Adressaten, einen Wiener Kaufmann Hans Weimann, in Wiener Unterlagen nicht finden konnte, sprach im Alt-Wiener Kalender für das Jahr 1922 klar von einer "Fälschung".
http://hdl.handle.net/2027/wu.89092597590?urlappend=%3Bseq=84 (US)
Aber diese Zweifel wurden nicht rezipiert.
Unbeachtet blieb auch Thedor Aigns Hinweis (von Kunz nicht berücksichtigt) in seinem Ketzel-Buch (1961), dass der Brief Kennzeichen der Spätromantik trage [Korrektur siehe NACHTRAG], siehe die Rezension in der ZWLG [21, 1962, S. 411 von Gerd Wunder]:
http://books.google.de/books?id=BksOAQAAIAAJ&q=%22andreas+sluder%22
Elisabeth Caesar: Sebald Schreyer, MVGN 1969 ging von der Echtheit aus.
http://periodika.digitale-sammlungen.de/mvgn/Blatt_bsb00000972,00141.html
Rainer Zittlau: Heiliggrabkapelle und Kreuzweg, 1992 versuchte sogar einen Echtheitsbeweis (von Kunz nicht erörtert)
http://books.google.de/books?id=ctzVAAAAMAAJ&q=gef%C3%A4lscht
Zustimmend die Rezension
http://periodika.digitale-sammlungen.de/zblg/seite/zblg56_0295
Dietrich Huschenbett im ²VL 2 (1980), Sp. 966 erwähnte den Brief ohne Hinweise auf Kritik. Schon in Bd. 1 (1978), Sp. 1229 hatte er im Artikel über Christoph von Bayern das Pilgramsbuch als echt angesehen (der Autorität von Röhricht/Meisner folgend). In seinem Pilgerreisen-Aufsatz DVjs 1985, S. 38 verwertete er das Pilgramsbuch ohne Vorbehalte.
Halm 1994 und die Digiberichte behandeln die Quelle ebenfalls als echt.
http://www.digiberichte.de/Halm_1994_Deutsche_Reiseberichte.pdf#nameddest=98
Auch nach dem Erscheinen des Aufsatzes von Kunz 1996 wurden sowohl der Sluder-Brief als auch das Pilgramsbuch unverändert als authentische Quellen verwertet.
Von Cordula Nolte in: Fremdheit und Reisen 1997
http://books.google.de/books?id=I7EYAAAAYAAJ&q=%22hocher+r%C3%BChrung%22
Von Detlev Kraak: Monumentale Zeugnisse 1997
https://www.google.de/search?tbm=bks&q=sebald+schreyer+sluder
Hier ist besonders pikant, dass die zitierte S. 428 eindeutig aus dem Roman-Teil stammt und unter keinen Umständen als authentische Quelle hätte verwertet werden dürfen.
http://books.google.de/books?id=nB8TAQAAIAAJ&q=christoph+bayern
Von Helmut Schlereth: Pollich 2001
http://books.google.de/books?id=8NchAQAAMAAJ&q=%22hans+weinmann%22
Von Carola Fey, in: Mittelalterliche Fürstenhöfe und ihre Erinnerungskulturen 2006, S. 145
http://www.libreka.de/9783899713275/145
Von Andreas Tacke: Reliquienkult, 2006
http://books.google.de/books?id=Bf6DcnWNfDYC&pg=PA135
Von Carina Brumme: Wallfahrtswesen, 2010
http://books.google.de/books?id=J8Xwn1anJEgC&pg=PA214
Das zutiefst fragwürdige Nachschlagewerk "Reiseberichte und Geschichtsdichtung" (2012) hat den Aufsatz von Kunz übersehen, nennt aber immerhin die Zweifel von Bastert 1993:
http://books.google.de/books?id=nzqLp6td3z4C&pg=PA46-IA12
***
Kunz hätte in seinem Aufsatz deutlich aussprechen sollen, dass auch das Pilgramsbuch Herzog Christophs ein Machwerk Trautmanns ist. Er sagt das eher indirekt (S. 94), wenn er moniert, dass trotz der gewichtigen Zweifel das 17. Kapitel Trautmanns "Aus Herzog Christoph's Pilgrambuch" Aufnahme in die Liste der Primärliteratur einer germanistischen Studie zur Pilgerliteratur (Hippler 1987) gefunden habe. Wenn eine Anekdote zu Pollichius aus einem frühneuzeitlichen Kompendium zur sächsischen Geschichte in das Pilgramsbuch einfließen konnte (S. 101) wird dem aufmerksamen Leser klar, dass auch dieses ebenso wenig echt ist wie der Sluder-Brief.
In seiner Aachener Dissertation ist Bernd Bastert 1993 kurz auf das angebliche Ego-Dokument Christophs von Bayern eingegangen (Der Münchner Hof und Fuetrers 'Buch der Abenteuer', S. 68-70). Er zitiert das Dokument nach der Wiedergabe in Pörnbacher/Hubensteiner: Bayerische Bibliothek 1 (1978), S. 618-625. Die Frage nach dem Verfasser des Texts sei noch nie gestellt worden. Die Episode vom "Privatkreuzzug" des oberbayerischen Herzogs hält er für "äußerst unglaubwürdig" (S. 69), da die Rahmenbedingungen solcher Pilgerreisen damals solche Konflikte vermeiden sollten. Auch die Episode über die Krankheit des Herzogs hält er für "frei erfunden" (S. 70). Die Stilisierung des Reiseberichts nach einer "aventiure-Fahrt" schreibt Bastert allerdings einem Zeitgenossen aus dem Umkreis des Herzogshofs zu. Auf die Idee, dass Trautmann der Erfinder des Pilgramsbuch sein könnte, ist er offenkundig nicht gekommen. Die kunsthistorischen Stellungnahmen zum Sluder-Brief waren ihm nicht bekannt.
Auch die dubiose sprachliche Gestalt des Texts sprach Bastert nicht an. Ohne ins Detail zu gehen, beobachtete Kunz (S. 105), dass gegenüber dem echten Christoph-Brief von 1493 (siehe oben), der sich entschieden schlechter verstehen lässt als das Pilgramsbuch und der Sluder-Brief, der Sluder-Brief eher einen altertümlenden als einen wirklich alten Eindruck mache.
Ohne hieb- und stichfesten Rückhalt hinsichtlich der Wörterbücher begibt sich ein Nicht-Sprachwissenschaftlicher hinsichtlich eines schreibsprachlich begründeten Fälschungsverdachts auf sehr dünnes Eis, auch wenn er sich mit Belegen in Google Books abzusichern versucht. Geringes Gewicht hat von daher mein Eindruck aufgrund der Lektüre vieler zeitgenössischer Texte, dass Satzbau und Vokabular eher nicht ins Ende des 15. Jahrhunderts gehören.
Ein Blick auf den echten Brief (3. Auflage, S. 448f.) zeigt, dass die dortigen Graphien (y regelmäßig für ie, i, zw statt zu, p statt b z.B. in pruder usw.) es ausschließen, dass der Trautmann'sche Text des Pilgerbuchs auf ein Autograph des Herzogs zurückgeht. Aber es könnte ja eine Abschrift sein.
Bis zum Beweis des Gegenteils behaupte ich, dass eine Formulierung "ganz köstlich von eitel cedernholzgebälk" (1. Auflage, S. 416) anachronistisch ist. Für "grabliegerschaft" (S. 415) finde ich überhaupt keinen Beleg bei Google oder im Grimmschen Wörterbuch. Vom "Leidenskreuz" (S. 413, 415) sprach man eher im 18./19. Jahrhundert, desgleichen von hoher Rührung (S. 415 "gingen vns vor hocher rührung die augen über"). Überhaupt befremdet die Emotionalität des Textes, die eher ins 19. Jahrhundert passt.
Glücklicherweise liefert der Aufsatz von Kunz wesentlich "härtere" Argumente, um die Fälschung zu belegen. Bereits erwähnt wurde eine Pollichius-Anekdote, die aus einer späteren Quelle in den Text Eingang fand.
S. 417 ist die Rede von einem Georg Kötzel aus Nürnberg, dessen Vater die Fälle der Passion Christi bis Golgatha ausgemessen habe. Und dieser Georg Ketzel erscheint - ganz zufällig - auch im Sluder-Brief (S. 406), wo man zusätzlich erfährt, Martin Ketzel habe sich zum zweiten Mal nach Jerusalem aufgemacht, um die Messung zu dokumentieren. Diese Überlieferung stammt aus der gedruckten Nürnberger Literatur und ist nicht vor dem 17. Jahrhundert zu belegen. Kunz (Anm. 4) verweist darauf, dass Christian Geyer sie 1905 endgültig wiederlegt habe: Zur Geschichte der Adam Krafftschen Stationen. In: Repertorium für Kunstwissenschaft 28 (1905), S. 351-364, 495-511. Die Beziehung des Stationenwegs zu den Ketzel ist unhistorisch, und daher kann weder der Sluder-Brief noch das Pilgramsbuch eine authentische Quelle sein.
Dass anders als beide Fälschungen angeben nicht Georg Ketzel, sondern Wolf Ketzel 1493 mit Kurfürst Friedrich und Herzog Christoph ins Heilige Land zog, hatte schon Joseph Heller 1821 richtiggestellt.
http://books.google.de/books?id=yb0-AAAAcAAJ&pg=PA117
Das sagt auch die freilich sehr unzuverlässige (siehe Geyer) Gedächtnistafel der Ketzel im GNM.
http://objektkatalog.gnm.de/objekt/Gm581
Die falsche Angabe zum Vornamen des Ketzel-Pilgers war auch eines der Fälschungsindizien von Kunz (S. 100).
Sluder-Brief und Pilgramsbuch sind von einerlei Machart und beide nicht echt, sondern aufgrund von Anachronismen, die sich aus der Verwertung von Werken des 17./18. Jahrhunderts ergeben, als (außerordentlich kundige) Fälschungen von Franz Trautmann zu erweisen. Es bleibt zu ermitteln, welche Quellen Trautmann aus dem Feld der Jerusalem-Pilgerschriften verwertet hat.
Die Ehre des Fälschungsnachweises gebührt Armin Kunz, auch wenn ich einige Details ergänzen konnte. Es ist zu hoffen, dass Wissenschaftler von der Verwertung dieser Quelle für die Zeit um 1493 künftig Abstand nehmen und sie als das werten, was sie ist, nämlich eine archaisierende Fiktion des 19. Jahrhunderts.
NACHTRAG
Aigns Ketzel-Buch S. 28-32 stellt zunächst klar, dass aufgrund älterer Quellen die Überlieferung von zwei Pilgerfahrten Martin Ketzels glaubwürdig sein dürfte. Die in der Tradition (und von Trautmann) angeführten verlorenen Unterlagen sind so als zuverlässiges Detail nicht abzusichern (S. 29).
S. 30 geht Aign irrtümlich davon aus, dass der Sluder-Brief erstmals 1880 publiziert wurde (richtig: 1853).
Aign stellt fest (S. 31): Es sei nicht richtig, dass die Kraft'schen Stationen 1493 schon vollendet waren. Es sei nicht richtig, dass Martin Ketzel damals in Nürnberg lebte. Und es sei nicht richtig, dass Georg ins Heilige Land pilgerte.
Martin Ketzel hatte entgegen der Aussage des Sluder-Briefs nicht nur einen einzigen Sohn Georg. Doch ist es natürlich denkbar, dass diese 1493 bereits verstorben waren.
Sebald Schreyers Brief müsste kurz zuvor nach München geschrieben worden sein. Dafür gibt es aber im Schreyer'schen Gedenkbuch B keinen Anhaltspunkt.
Vor dem naheliegenden Schluss, dass die unrichtigen Angaben durch Fälschung entstanden sind, scheute Aign erstaunlicherweise zurück. Die Spätromantik brachte offenbar erst der Rezensent Gerd Wunder seiner Arbeit in der ZWLG ins Spiel.
Zittlau referiert zunächst den Meinungsstand. Auch Berthold Daun hielt im Jahr 1900 den Brief für eine Erfindung, und dies scheint dann die kunsthistorische communis opinio geworden zu sein.
Zittlau datiert den Brief auf den 24. März 1493 (Quirinus von Tegernsee). Angesichts der ihm bekannten Ungereimtheiten, auf die Aign deutlich hingewiesen hatte, ist es schon recht dreist zu behaupten, die Einzelheiten des Briefs hätten sich bisher nicht schlüssig widerlegen lassen (S. 23). Dass abschließend auch noch die Gender-Karte gezogen wird - der Streit habe zur Herabwürdigung einer der ersten Kunsthistorikerinnen in Deutschland gedient, die es gewagt habe, einer Autorität zu widersprechen - erscheint befremdlich.
Da der Brief Schreyer nicht als Förderer der Kreuzweganlage zeigt, hat das Argument Zittlaus keine Relevanz: "Es wäre verwunderlich, wenn Trautmann damals in einem erfundenen Brief die richtigen Zuständigkeiten erahnt hätte" (S. 23).
Besonders fassungslos macht die Aussage, der Brief sei sprachlich unverdächtig, die sich auf mündliche Stellungnahmen von "Herrn Höppl" vom Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Dr. Reinhard Höppl) und den Bamberger Wissenschaftlern Rolf Bergmann und Claudine Moulin beruft!
Die angeführten Gruß- und Schlussformeln mögen ja zeitgenössisch sein. Bei Ausführungen zu "sint" zeigt Zittlau seine mangelnde Vertrautheit mit der Sprache der Zeit. Bei "sint er [...] das mass verloren" steht sint offensichtlich für sintemalen = weil, und in einem Brief Schreyers von 1503 ist "mein willig dinst sind" ganz korrekt, wenn dinst Plural ist. Zittlau versteht beide Male den Text nicht und will f statt s (also das Verb finden) lesen.
Angesichts solcher Inkompetenz kann man die Ehrenrettung des Sluder-Briefs als echte Quelle getrost zur Seite legen.
Folker Reichert, der vielleicht beste Kenner echter Jerusalem-Pilgerschriften, teilte per Mail mit, dass er meinen Ausführungen zustimmt.
Volker Honemann schrieb mir zur Sprache: "das sieht mir doch sehr nach einem ziemlich glatten Kunst-Frühneuhochdeutsch aus (Pilgramsbuch), wie es im 19. Jh. ja nicht selten produziert worden ist, siehe z. B. die Hexen-Romane von Wilhelm Meinhold und besonders seinen 'Sigismund Hager' - unbedingt lesen; ein tolles Stück!"
Helga Czerny: Der Tod der bayerischen Herzöge im Spätmittelalter ... (2005) schreibt in ihrer ausführlichen Darstellung zu Herzog Christoph (S. 210-227, hier S. 211) sehr naiv: "An der Echtheit des Tagebuchs ist m. E. nicht zu zweifeln. Es stimmt vor allem bei den Zeitangaben, wie Ankunft in Jerusalem und Abreise von dort mit dem Bericht Spalatins überein". Warum wohl? Spalatins Angaben konnten auch schon vor der Spalatin-Ausgabe 1851 in die Trautmann bekannte Sekundärliteratur eingehen. Müller hatte Spalatin gekannt und 1770 war Spalatins Text bereits gedruckt worden (S. 212 Anm. 161). Basterts Zweifeln schloss sie sich nicht an und zitiert S. 212 Anm. 160 den Sluder-Brief (ohne die Arbeit von Kunz zu kennen) und S. 215f. das Pilgramsbuch. Sollte in einem echten Text sich nicht der Unterschied zwischen Großprior und Großmeister korrekt widerspiegeln (S. 216)?
Sie schreibt nichts über den fiktionalen Charakter der Arbeit Trautmanns und verwertet unbelegte Angaben Trautmanns (S. 221 Weilheimer Stiftung nach Trautmann S. 492
http://hdl.handle.net/2027/uc1.$b461440?urlappend=%3Bseq=500 ). S. 213 Anm. 168 gibt sie sogar an, ein späterer Antwortbrief des Großmeisters, den Trautmann anführt, über die Grabmal-Zeichnung (Abbildung S. 807) sei nicht aufzufinden. Ich schließe daraus, dass Trautmann auch in den "dokumentarischen" Anhang eigene Erfindungen verwoben hat. Die Konsequenz muss sein, Trautmann als historische Quelle für Informationen zur Biographie Herzog Christophs strikt zu meiden.
#forschung
Zu Fälschungen in Archivalia
http://archiv.twoday.net/stories/96987511/
KlausGraf - am Freitag, 25. April 2014, 00:07 - Rubrik: Geschichtswissenschaft