Kurt Schreinert: Benedikte Naubert (1941), S. 92f.
In fast allen Vergangenheitsromanen der Naubert spielt die „geheime Geschichte" eine bedeutende, in einigen sogar die ausschlaggebende Rolle. Die Dichterin rechtfertigt in der Mehrzahl der Werke ihr Wissen um diese geheimen Vorgänge mit der Erfindung eines „Urschreibers", eines Zeitgenossen der Ereignisse, dessen Aufzeichnungen sie zu bearbeiten oder herauszugeben vorgibt, oder bezieht sich auf auf alte Urkunden. Ihre Angaben erhalten auf diese Weise den Anschein historischer Zuverlässigkeit, und und die Abweichungen von der wahren Geschichte gewinnen eine glaubhafte Begründung. Außerdem ergab diese Erfindung einer Urschrift die technisch reizvolle Möglichkeit, mit Handschriftenlücken zu arbeiten und mit eigenen Vermutungen einzuspringen. Gelegentlich benutzt die Dichterin diese Fiktion auch zum geistreichen Spiel mit ihrer Erfindung und den wahren geschichtlichen Tatsachen, indem sie die Miene einer ernsten Forscherin aufsetzt und die Behauptungen ihres Urschreibers oder aber der Geschichtsschreibung in Zweifel zieht. Benedikte Naubert ist nicht die Erfinderin dieser Technik. Schon der heroisch-galante Roman bediente sich dieses Kunstgriffs: in der„Aramena" motiviert Anton Ulrich von Braunschweig seine Kenntnisse mit Aufzeichnungen des gelehrten Kelten Bardo, die auf bleiernen Tafeln im Gemäuer der Assenburg aufgefunden werden. Wieland spielt im Vorbericht des „Agathon" scherzend mit dem Gedanken der Fiktion einer alten griechischen Handschrift und bezieht sich im Roman selbst wiederholt auf den Autor jenes angeblichen Manuskriptes (z.B. 1. Kapitel des 11. Buches). Besonders bevorzugt wurde diese Fiktion der Auffindung alter Papiere natürlich in den Romanen, die die deutsche Vergangenheit im allgemeinen oder im besonderen zum Gegenstand hatten. So leitete schon Paul von Stetten seine „Briefe eines Frauenzimmers aus dem 15. Jahrhundert" (1777) mit der Vorbemerkung ein, daß er die Manuskripte „in einem großen Schubladen-Kasten" entdeckt habe, und im Gefolge der „Emma" beruft sich Joh. Georg Schilling in seinem „Berthold von Urach" auf alte, von Mäusen angenagte Papiere. Mehrere der Romane der Naubert benutzen diese Technik bereits in kunstvoller Weise,indem die Entdeckung der Papiere in einer eigenen Erzählung motiviert wird. Im Roman „Elisabeth von Toggenburg" entfernt die Titelheldin heimlich aus einer alten Klostertruhe Briefe und Aufzeichnungen, die sie ihrem Bruder nach und nach zur Kenntnis bringt. Die Briefe verschiedener Personen und die Aufzeichnungen des Titelhelden, aus denen der „Alf von Dülmen" besteht, werden in einem bleiernen Kästchen in Alfs Grab vorgefunden, und in der „Gräfin von Frondsberg" teilt eine Dame des ausgehenden 18. Jahrhunderts einer Freundin eine Briefwechselfolge mit, die sie „auf Erlaubniß der Eignerin" einem Familienarchiv entnimmt und „aus der altdeutschen Mundart, zum Theil auch aus Mönchslatein (mit Hülfe unsers Pfarrers) und altfränkischem Französisch" überträgt. (Aus Google-Schnipseln mittels des unter http://archiv.twoday.net/stories/565875841/ beschriebenen Tricks zusammengesetzt.)
Vgl. auch Gabriele Hooffacker: Literarische Fälschungen der Neuzeit (1986), S. 56-61: "Fiktion alter Quellen und Textvorlagen". Sie führt als erstes Beispiel Walpoles Castle of Otranto (Erstausgabe 1764) an.
Zu von Stettens Briefen:
https://de.wikisource.org/wiki/Paul_von_Stetten_der_J%C3%BCngere
http://books.google.de/books?id=6IAAAAAAcAAJ&pg=PA122 (Rezeption)
http://books.google.de/books?id=4OoEAAAAQAAJ&pg=RA1-PA31 (Rezension, die sie für echt ausgibt)
Ergänzung zu:
http://archiv.twoday.net/stories/326528152/
http://austenonly.com/2010/03/21/the-castle-of-otranto-by-horace-walpole/
In fast allen Vergangenheitsromanen der Naubert spielt die „geheime Geschichte" eine bedeutende, in einigen sogar die ausschlaggebende Rolle. Die Dichterin rechtfertigt in der Mehrzahl der Werke ihr Wissen um diese geheimen Vorgänge mit der Erfindung eines „Urschreibers", eines Zeitgenossen der Ereignisse, dessen Aufzeichnungen sie zu bearbeiten oder herauszugeben vorgibt, oder bezieht sich auf auf alte Urkunden. Ihre Angaben erhalten auf diese Weise den Anschein historischer Zuverlässigkeit, und und die Abweichungen von der wahren Geschichte gewinnen eine glaubhafte Begründung. Außerdem ergab diese Erfindung einer Urschrift die technisch reizvolle Möglichkeit, mit Handschriftenlücken zu arbeiten und mit eigenen Vermutungen einzuspringen. Gelegentlich benutzt die Dichterin diese Fiktion auch zum geistreichen Spiel mit ihrer Erfindung und den wahren geschichtlichen Tatsachen, indem sie die Miene einer ernsten Forscherin aufsetzt und die Behauptungen ihres Urschreibers oder aber der Geschichtsschreibung in Zweifel zieht. Benedikte Naubert ist nicht die Erfinderin dieser Technik. Schon der heroisch-galante Roman bediente sich dieses Kunstgriffs: in der„Aramena" motiviert Anton Ulrich von Braunschweig seine Kenntnisse mit Aufzeichnungen des gelehrten Kelten Bardo, die auf bleiernen Tafeln im Gemäuer der Assenburg aufgefunden werden. Wieland spielt im Vorbericht des „Agathon" scherzend mit dem Gedanken der Fiktion einer alten griechischen Handschrift und bezieht sich im Roman selbst wiederholt auf den Autor jenes angeblichen Manuskriptes (z.B. 1. Kapitel des 11. Buches). Besonders bevorzugt wurde diese Fiktion der Auffindung alter Papiere natürlich in den Romanen, die die deutsche Vergangenheit im allgemeinen oder im besonderen zum Gegenstand hatten. So leitete schon Paul von Stetten seine „Briefe eines Frauenzimmers aus dem 15. Jahrhundert" (1777) mit der Vorbemerkung ein, daß er die Manuskripte „in einem großen Schubladen-Kasten" entdeckt habe, und im Gefolge der „Emma" beruft sich Joh. Georg Schilling in seinem „Berthold von Urach" auf alte, von Mäusen angenagte Papiere. Mehrere der Romane der Naubert benutzen diese Technik bereits in kunstvoller Weise,indem die Entdeckung der Papiere in einer eigenen Erzählung motiviert wird. Im Roman „Elisabeth von Toggenburg" entfernt die Titelheldin heimlich aus einer alten Klostertruhe Briefe und Aufzeichnungen, die sie ihrem Bruder nach und nach zur Kenntnis bringt. Die Briefe verschiedener Personen und die Aufzeichnungen des Titelhelden, aus denen der „Alf von Dülmen" besteht, werden in einem bleiernen Kästchen in Alfs Grab vorgefunden, und in der „Gräfin von Frondsberg" teilt eine Dame des ausgehenden 18. Jahrhunderts einer Freundin eine Briefwechselfolge mit, die sie „auf Erlaubniß der Eignerin" einem Familienarchiv entnimmt und „aus der altdeutschen Mundart, zum Theil auch aus Mönchslatein (mit Hülfe unsers Pfarrers) und altfränkischem Französisch" überträgt. (Aus Google-Schnipseln mittels des unter http://archiv.twoday.net/stories/565875841/ beschriebenen Tricks zusammengesetzt.)
Vgl. auch Gabriele Hooffacker: Literarische Fälschungen der Neuzeit (1986), S. 56-61: "Fiktion alter Quellen und Textvorlagen". Sie führt als erstes Beispiel Walpoles Castle of Otranto (Erstausgabe 1764) an.
Zu von Stettens Briefen:
https://de.wikisource.org/wiki/Paul_von_Stetten_der_J%C3%BCngere
http://books.google.de/books?id=6IAAAAAAcAAJ&pg=PA122 (Rezeption)
http://books.google.de/books?id=4OoEAAAAQAAJ&pg=RA1-PA31 (Rezension, die sie für echt ausgibt)
Ergänzung zu:
http://archiv.twoday.net/stories/326528152/
http://austenonly.com/2010/03/21/the-castle-of-otranto-by-horace-walpole/
KlausGraf - am Montag, 12. Mai 2014, 22:33 - Rubrik: Geschichtswissenschaft