wittert womöglich Fälschungen, die gar keine sind.
Verdächtig kommt mir der älteste deutsche Speisezettel zur Einweihung der Stadtkirche zu Weißenfels 1303 vor, den Erbstein in den Curiositäten 9, 1821 mitteilte:
http://books.google.de/books?id=Kn05AAAAcAAJ&pg=PA546
In der ALZ 1816 wird ein früheres Buch Erbsteins besprochen und der Küchenzettel auf eine Publikation 1703 zurückgeführt. Angemerkt wird, dass damals noch gar keine Groschen in Meißen geprägt wurden:
http://books.google.de/books?id=eNzjAAAAMAAJ&pg=PA709
Sowohl die deutsche Sprache als auch die Speisenfolge und vor allem die Angabe von Gulden wecken mein Misstrauen. Aber landauf landab gilt das Stück als echt:
https://www.google.de/search?tbm=bks&q=einweihung+weißenfels+1303
Den Schnipsel "das der Rat der Stadt Weißenfels am 15. Sept. xiijciij [1303 !!] für den im Jahre 1304 [!] verstorbenen Bischof" (angebl. Zs. für Mundartforschung 1971) ziehe ich aus
https://www.google.de/search?tbm=bks&q=einweihung+weißenfels+1303
Nach HathiTrust dürfte es sich um S. 97 von Zeitschrift für Mundartforschung. v.17-19 1941-1944 handeln.
Das Grimmsche Wörterbuch
http://woerterbuchnetz.de/DWB/?sigle=DWB&mode=Vernetzung&lemid=GZ13174 sagt zu zwetsche: "die ältesten zeugnisse des deutschen wortes (im 15. und 16. jh., s. u.) stammen aus dem südwesten des sprachgebietes". Der zitierte Küchenzettel 15. Jh. Zeitschrift für Kulturgeschichte 4, 1875, S. 512 ist unser Weissenfelser Dokument!
Noch schlagender der Anachronismus tractoret. Das Wörterbuch sagt: "tractieren, vb. , handhaben, behandeln, bewirten, erörtern, verhandeln; aus lat. tractare (vgl. Seiler lehnw. 3, 274) im 15. jh. entlehnt (zuerst 1445 in quell. d. westfäl. gesch. 2, 315 Seibertz bezeugt [...])"
[korcken sollen Gurken sein. Dt. Wb.: "das wort ist im deutschen seit dem 16. jh. als entlehnung aus dem westslav. bezeugt, poln. ogórek (älter ogurek); ech."
Die Graphie schavfleisch findet Google Books nur in dieser Quelle:
https://www.google.de/search?tbm=bks&q=%22schavfleisch%22 ]
Manfred Straube zitiert 2007 eine archivalische Quelle, Stadtarchiv Naumburg Sa 66:
http://books.google.de/books?id=X6LUDzOgwskC&pg=PA250
Mal sehen, was es damit auf sich hat ...
Nachtrag:
Belletristische Rezeption:
http://books.google.de/books?id=63kHAAAAQAAJ&pg=RA1-PA63
Das Stadtarchiv Naumburg teilte am 4. April 2012 mit: "bei der Handschrift mit der Signatur Sa 66 handelt es sich um:
Chronica des Klosters Weißenfels. Abschrift des 18. Jahrhunderts, das Original soll sich in Dresden befinden.
Genaue Quelle ist nicht bekannt. Abschrift aus dem Nachlass von Carl Peter Lepsius."
Aus chronologischen Gründen unschuldig ist der Naumburger Geschichtsfälscher Johann Georg Rauhe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Georg_Rauhe
Nach Schultzes Geschichtsquellen der Provinz Sachsen S. 145f. stammt der erste Abdruck von Johann David Schieferdecker:
Erneuertes Gedächtniss des Weissenfelsischen Zions, oder eigentliche Beschreibung der Pfarrkirche zu unser Lieben-Frauen in Weissenfels, 1703, gefolgt von Geschichte und Topographie der Stadt und des Amtes Weißenfels in Sachsen : aus autentischen Urkunden gezogen / von Georg Ernst Otto (1796) und Schöttgen-Kreysig, Diplomatische Nachlese 2, 1733, S. 657.
Nach dem Reichs-Anzeiger 1796 druckte den Text
http://books.google.de/books?id=JbcJAAAAQAAJ&pg=RA1-PA22
Reichs-Anzeiger:
http://books.google.de/books?id=O0JEAAAAcAAJ&pg=PA54
Varianten: Leipziger Senf, erfurtischer Anis
Druck 1785 (nach Justi?):
http://books.google.de/books?id=VflHAAAAcAAJ&pg=PA36
Nach Kreysig druckte:
http://books.google.de/books?id=UXUAAAAAcAAJ&pg=PA352
Kreysig gab einen gekürzten Auszug der Schrift von Schieferdecker:
http://digital.bibliothek.uni-halle.de/hd/periodical/pageview/937646
Bei der ausführlichen Schilderung des Einweihungsrituals 1303 fragt man sich allerdings, woher der Herr Autor das wissen will.
Leider gibts von den Deutschen Inschriften nur einen Schnipsel, in dem aber die Jahreszahl 1303 ganz in Frage gestellt wird. Zu lesen sei 1351
http://books.google.de/books?id=NHIgAQAAIAAJ&q=weissenfels+inschriften+schieferdecker+1303
und weitere Schnipsel
[Update: http://archiv.twoday.net/stories/931537631/ ]
Erbstein druckte nach Schieferdecker und bespricht ausführlich die Groschen-Erwähnung ("wenn sie als ächt bestehen soll"):
http://books.google.de/books?id=M24MAAAAYAAJ&pg=PR8-IA4
Zur Schreibsprache in Weißenfels im 14. Jh. sehe man die Beschreibung der Chronik des Clarenklosters (Handschrift aus den 1370er Jahren) durch Werner J. Hoffmann:
http://www.manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/html/obj31600980
Zur Handschrift:
http://www.handschriftencensus.de/14583
Digitalisat:
http://digital.slub-dresden.de/ppn274270560
Die Dresdener Abschrift aus dem 16. Jh., Chronica des Klosters Weißenfelß, ist, vorausgesetzt die oben erwähnte Naumburger Abschrift enthält tatsächlich den Küchenzettel [das ist der Fall], sicher nicht die Vorlage für diesen, da nur das Schwesternbuch der Klarissen überliefert wird, wie man sich anhand des Digitalisats überzeugen kann:
http://digital.slub-dresden.de/id310402379
Carl Peter Lepsius erwähnt in seiner Arbeit über das Weißenfelser Klarissenkloster
http://books.google.de/books?id=FgAHAAAAcAAJ&pg=PA231
nur eine einzige Klosterchronik, nämlich das Schwesternbuch, aus dem er Auszüge aus einer Abschrift des Bürgermeisters Hoffmann zu Freiburg (den finde ich nicht!) mitteilte. S. 275 gibt er den Küchenzettel nach ungenannter Quelle, vermutlich Schiefendecker, den er S. 249 als Editor (aus dem Original!) erwähnt.
Dass eine Datierung "Anno domini xiii. ciii den xv September" ganz und gar unüblich ist, zeigen die von Lepsius mitgeteilten lateinischen Urkunden. Die erste deutsche stammt aus der Mitte des 14. Jahrhunderts.
Zwei Zeitungsartikel fand ich zum Thema:
Älteste Speisekarte lebt auf : 700 Jahre St.-Marien-Kirche
/ Bärbel Schmuck. - In: Mitteldeutsche Zeitung, Bd. 14 (2003), 74, S.9
Sachsen-Anhalt hatte die erste Speisekarte
/ Ulrike Sebert. - In: Magdeburger Volksstimme (2002), 291(14.12.2002)Wochenend-Magazin, S. 3
Zwischenbilanz: Wenn die Kirche erst 1351 eingeweiht wurde, ist das ganze Dokument hinfällig. Angesichts der vielen Merkwürdigkeiten dürfte es sich bei der "ältesten Speisekarte" um eine Fälschung Schieferdeckers handeln.
Weitere Nachträge:
Die ULB Halle war so freundlich, kurzfristig zwei wichtige Bücher zu digitalisieren.
Geschichte und Topographie der Stadt und des Amtes Weissenfels in Sachsen : aus autentischen Urkunden gezogen / von Georg Ernst Otto, Amts-Landrichter. Emerit, 1796
S. 49 "von guter Hand"
http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd18/content/pageview/5387196
Schieferdecker 1703, S. 9f.
http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd18/content/pageview/5379763
Das Stadtarchiv Naumburg übermittelte Bilder aus der genannten Handschrift S. 35-36. Im Anschluss an die Wiedergabe des Küchenzettels fällt der Name Schieferdecker (Rest auf dem Bild abgeschnitten).
Silke Künzel vom Stadtarchiv Weißenfels stellte einen Auszug aus dem Inschriftenband von Jäger zur Verfügung und teilte ergänzend mit: "nach Franz Jäger (s. Einfügung) fand die Einweihung der Marienkirche nicht 1303 sondern 1351 statt. Somit handelt es sich bei dem Speisezettel um eine Fälschung. Die von ihm angeführten Quellen lauten vollständig:
Büttner, Johann Christian, Chronik der Stadt Weißenfels und der angrenzenden Länder, Ms. Stadtarchiv Weißenfels, W/Ch 17.
Schieferdecker, Johann David, Erneuertes Gedächtnis/Des/Weissenfelsischen Zions/oder/Eigentliche Beschreibung/Der Pfarr-Kirche zu unser Lieben Frauen in Weißenfels, Weißenfels 1703.
Dietmann, Karl Gottlob, Die gesamte der ungeänderten Augspurgischen Konfeßion zugethane Priesterschaft in dem Churfürstenthum Sachsen, 5 Bde., Dresden/Leipzig 1752-1755, 1763.
Aus alter Zeit, Alte Inschriften, in: Weißenfelser Kreisblatt, Tageblatt für Stadt und Land, Nr.23, 28.01.1873 und Nr.36, 12. 02.1873.
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, Heft 3: Der Kreis Weißenfels, bearb. von Gustav Sommer, Halle a.d.S. 1880.
Lorenz, Ottomar, Die Stadtkirche zu Weißenfels, Weißenfels 1903.
Gerhardt, Friedrich, Geschichte der Stadt Weißenfels an der Saale mit neuen Beiträgen zur Geschichte des Herzogtums Sachsen-Weißenfels, Weißenfels 1907.
Kaphengst, R., Unsere Stadtkirche. Eine kunsthistorische Skizzen, in: Heimatkalender für den Stadt- und Landkreis Weißenfels, Weißenfels 1925.
Bach, Gerhard, Zeugen einer längst vergangenen Zeit in unserer Stadt, in: Weißenfelser Heimatbote, Heft 1/1997, S.7ff. "
Dr. Werner Hoffmann (UB Leipzig) schrieb mir am 16.4.: "zur Schreibsprache des Weißenburger Küchenzettels (Wortlaut wie in Curiositäten ... 9, 1821, S. 546-548 abgedruckt) läßt sich zunächst einmal feststellen: Die Sprache entspricht ganz und gar nicht dem Ostmitteldeutschen des 14. Jh.s: Zum einen zeigt sie rein niederdeutsche Formen wie "tho, dage, bischop", zum andern Diphthongschreibungen wie "naw [='neu'], seine, house, sawer". Beide Merkmale sprechen sehr stark gegen eine Entstehung des Schriftstücks im 14. Jh. im ostmd. Raum. Aufgrund der Sprache scheint es mir allerdings nicht unmöglich, dass das Schriftstück in viel späterer Zeit im Grenzbereich von Mitteldeutsch und Niederdeutsch entstanden ist; aber das kann ich nicht beurteilen.
Gegen die Echtheit des Schriftstücks spricht auch (wie Sie schon an einer Stelle andeuten) die Erwähnung von Groschen als Zahlungsmittel:
Groschen wurden in Meißen nämlich erst ab 1339 geprägt Vgl. dazu jetzt: Universitätsbibliothek Leipzig, Münzen der Groschenzeit der Markgrafschaft Meißen und des Kurfürstentums Sachsen. Bestandskatalog von Ewald Hausmann, Leipzig 2011, S. 10."
Am 25.4.2012 nahm auch Volker Honemann Stellung (Mail an mich): "nun habe ich mir den 'Weißenfelser Küchenzettel' noch einmal vorgenommen und kann mir nicht vorstellen, daß er aus dem 14. Jh. sein soll, es sei denn, da hätte jemand im 16. Jh. einen alten Text sprachlich sehr gründlich überarbeitet und dabei eine Art 'Kunstfrühneuhochdeutsch' produziert (und warum hätte er das tun sollen?). Es gibt an ein paar Stellen mitteldeutsche Charakteristika (starke Endsilben auf -i statt e: newin), aber dann auch Formen wie 'tracteeret', die im 14. Jh. ganz undenkbar sind, auch eine Schreibung wie 'Brwn' für den Zeitzer Bischof ist artifiziell. Manches wirkt dann fast wie ein Relikt-niederdeutsch (hebben). Und ein Begriff wie 'Einweihungsdinge' ist im 14. Jh, schlechterdings nicht vorstellbar. Also doch wohl eine Fälschung!"
Damit wird man behaupten dürfen: Der Weißenfelser Küchenzettel von 1303 ist eine frühneuzeitliche Fälschung
#forschung
http://www.koch-welten.de/
Verdächtig kommt mir der älteste deutsche Speisezettel zur Einweihung der Stadtkirche zu Weißenfels 1303 vor, den Erbstein in den Curiositäten 9, 1821 mitteilte:
http://books.google.de/books?id=Kn05AAAAcAAJ&pg=PA546
In der ALZ 1816 wird ein früheres Buch Erbsteins besprochen und der Küchenzettel auf eine Publikation 1703 zurückgeführt. Angemerkt wird, dass damals noch gar keine Groschen in Meißen geprägt wurden:
http://books.google.de/books?id=eNzjAAAAMAAJ&pg=PA709
Sowohl die deutsche Sprache als auch die Speisenfolge und vor allem die Angabe von Gulden wecken mein Misstrauen. Aber landauf landab gilt das Stück als echt:
https://www.google.de/search?tbm=bks&q=einweihung+weißenfels+1303
Den Schnipsel "das der Rat der Stadt Weißenfels am 15. Sept. xiijciij [1303 !!] für den im Jahre 1304 [!] verstorbenen Bischof" (angebl. Zs. für Mundartforschung 1971) ziehe ich aus
https://www.google.de/search?tbm=bks&q=einweihung+weißenfels+1303
Nach HathiTrust dürfte es sich um S. 97 von Zeitschrift für Mundartforschung. v.17-19 1941-1944 handeln.
Das Grimmsche Wörterbuch
http://woerterbuchnetz.de/DWB/?sigle=DWB&mode=Vernetzung&lemid=GZ13174 sagt zu zwetsche: "die ältesten zeugnisse des deutschen wortes (im 15. und 16. jh., s. u.) stammen aus dem südwesten des sprachgebietes". Der zitierte Küchenzettel 15. Jh. Zeitschrift für Kulturgeschichte 4, 1875, S. 512 ist unser Weissenfelser Dokument!
Noch schlagender der Anachronismus tractoret. Das Wörterbuch sagt: "tractieren, vb. , handhaben, behandeln, bewirten, erörtern, verhandeln; aus lat. tractare (vgl. Seiler lehnw. 3, 274) im 15. jh. entlehnt (zuerst 1445 in quell. d. westfäl. gesch. 2, 315 Seibertz bezeugt [...])"
[korcken sollen Gurken sein. Dt. Wb.: "das wort ist im deutschen seit dem 16. jh. als entlehnung aus dem westslav. bezeugt, poln. ogórek (älter ogurek); ech."
Die Graphie schavfleisch findet Google Books nur in dieser Quelle:
https://www.google.de/search?tbm=bks&q=%22schavfleisch%22 ]
Manfred Straube zitiert 2007 eine archivalische Quelle, Stadtarchiv Naumburg Sa 66:
http://books.google.de/books?id=X6LUDzOgwskC&pg=PA250
Mal sehen, was es damit auf sich hat ...
Nachtrag:
Belletristische Rezeption:
http://books.google.de/books?id=63kHAAAAQAAJ&pg=RA1-PA63
Das Stadtarchiv Naumburg teilte am 4. April 2012 mit: "bei der Handschrift mit der Signatur Sa 66 handelt es sich um:
Chronica des Klosters Weißenfels. Abschrift des 18. Jahrhunderts, das Original soll sich in Dresden befinden.
Genaue Quelle ist nicht bekannt. Abschrift aus dem Nachlass von Carl Peter Lepsius."
Aus chronologischen Gründen unschuldig ist der Naumburger Geschichtsfälscher Johann Georg Rauhe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Georg_Rauhe
Nach Schultzes Geschichtsquellen der Provinz Sachsen S. 145f. stammt der erste Abdruck von Johann David Schieferdecker:
Erneuertes Gedächtniss des Weissenfelsischen Zions, oder eigentliche Beschreibung der Pfarrkirche zu unser Lieben-Frauen in Weissenfels, 1703, gefolgt von Geschichte und Topographie der Stadt und des Amtes Weißenfels in Sachsen : aus autentischen Urkunden gezogen / von Georg Ernst Otto (1796) und Schöttgen-Kreysig, Diplomatische Nachlese 2, 1733, S. 657.
Nach dem Reichs-Anzeiger 1796 druckte den Text
http://books.google.de/books?id=JbcJAAAAQAAJ&pg=RA1-PA22
Reichs-Anzeiger:
http://books.google.de/books?id=O0JEAAAAcAAJ&pg=PA54
Varianten: Leipziger Senf, erfurtischer Anis
Druck 1785 (nach Justi?):
http://books.google.de/books?id=VflHAAAAcAAJ&pg=PA36
Nach Kreysig druckte:
http://books.google.de/books?id=UXUAAAAAcAAJ&pg=PA352
Kreysig gab einen gekürzten Auszug der Schrift von Schieferdecker:
http://digital.bibliothek.uni-halle.de/hd/periodical/pageview/937646
Bei der ausführlichen Schilderung des Einweihungsrituals 1303 fragt man sich allerdings, woher der Herr Autor das wissen will.
Leider gibts von den Deutschen Inschriften nur einen Schnipsel, in dem aber die Jahreszahl 1303 ganz in Frage gestellt wird. Zu lesen sei 1351
http://books.google.de/books?id=NHIgAQAAIAAJ&q=weissenfels+inschriften+schieferdecker+1303
und weitere Schnipsel
[Update: http://archiv.twoday.net/stories/931537631/ ]
Erbstein druckte nach Schieferdecker und bespricht ausführlich die Groschen-Erwähnung ("wenn sie als ächt bestehen soll"):
http://books.google.de/books?id=M24MAAAAYAAJ&pg=PR8-IA4
Zur Schreibsprache in Weißenfels im 14. Jh. sehe man die Beschreibung der Chronik des Clarenklosters (Handschrift aus den 1370er Jahren) durch Werner J. Hoffmann:
http://www.manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/html/obj31600980
Zur Handschrift:
http://www.handschriftencensus.de/14583
Digitalisat:
http://digital.slub-dresden.de/ppn274270560
Die Dresdener Abschrift aus dem 16. Jh., Chronica des Klosters Weißenfelß, ist, vorausgesetzt die oben erwähnte Naumburger Abschrift enthält tatsächlich den Küchenzettel [das ist der Fall], sicher nicht die Vorlage für diesen, da nur das Schwesternbuch der Klarissen überliefert wird, wie man sich anhand des Digitalisats überzeugen kann:
http://digital.slub-dresden.de/id310402379
Carl Peter Lepsius erwähnt in seiner Arbeit über das Weißenfelser Klarissenkloster
http://books.google.de/books?id=FgAHAAAAcAAJ&pg=PA231
nur eine einzige Klosterchronik, nämlich das Schwesternbuch, aus dem er Auszüge aus einer Abschrift des Bürgermeisters Hoffmann zu Freiburg (den finde ich nicht!) mitteilte. S. 275 gibt er den Küchenzettel nach ungenannter Quelle, vermutlich Schiefendecker, den er S. 249 als Editor (aus dem Original!) erwähnt.
Dass eine Datierung "Anno domini xiii. ciii den xv September" ganz und gar unüblich ist, zeigen die von Lepsius mitgeteilten lateinischen Urkunden. Die erste deutsche stammt aus der Mitte des 14. Jahrhunderts.
Zwei Zeitungsartikel fand ich zum Thema:
Älteste Speisekarte lebt auf : 700 Jahre St.-Marien-Kirche
/ Bärbel Schmuck. - In: Mitteldeutsche Zeitung, Bd. 14 (2003), 74, S.9
Sachsen-Anhalt hatte die erste Speisekarte
/ Ulrike Sebert. - In: Magdeburger Volksstimme (2002), 291(14.12.2002)Wochenend-Magazin, S. 3
Zwischenbilanz: Wenn die Kirche erst 1351 eingeweiht wurde, ist das ganze Dokument hinfällig. Angesichts der vielen Merkwürdigkeiten dürfte es sich bei der "ältesten Speisekarte" um eine Fälschung Schieferdeckers handeln.
Weitere Nachträge:
Die ULB Halle war so freundlich, kurzfristig zwei wichtige Bücher zu digitalisieren.
Geschichte und Topographie der Stadt und des Amtes Weissenfels in Sachsen : aus autentischen Urkunden gezogen / von Georg Ernst Otto, Amts-Landrichter. Emerit, 1796
S. 49 "von guter Hand"
http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd18/content/pageview/5387196
Schieferdecker 1703, S. 9f.
http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd18/content/pageview/5379763
Das Stadtarchiv Naumburg übermittelte Bilder aus der genannten Handschrift S. 35-36. Im Anschluss an die Wiedergabe des Küchenzettels fällt der Name Schieferdecker (Rest auf dem Bild abgeschnitten).
Silke Künzel vom Stadtarchiv Weißenfels stellte einen Auszug aus dem Inschriftenband von Jäger zur Verfügung und teilte ergänzend mit: "nach Franz Jäger (s. Einfügung) fand die Einweihung der Marienkirche nicht 1303 sondern 1351 statt. Somit handelt es sich bei dem Speisezettel um eine Fälschung. Die von ihm angeführten Quellen lauten vollständig:
Büttner, Johann Christian, Chronik der Stadt Weißenfels und der angrenzenden Länder, Ms. Stadtarchiv Weißenfels, W/Ch 17.
Schieferdecker, Johann David, Erneuertes Gedächtnis/Des/Weissenfelsischen Zions/oder/Eigentliche Beschreibung/Der Pfarr-Kirche zu unser Lieben Frauen in Weißenfels, Weißenfels 1703.
Dietmann, Karl Gottlob, Die gesamte der ungeänderten Augspurgischen Konfeßion zugethane Priesterschaft in dem Churfürstenthum Sachsen, 5 Bde., Dresden/Leipzig 1752-1755, 1763.
Aus alter Zeit, Alte Inschriften, in: Weißenfelser Kreisblatt, Tageblatt für Stadt und Land, Nr.23, 28.01.1873 und Nr.36, 12. 02.1873.
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, Heft 3: Der Kreis Weißenfels, bearb. von Gustav Sommer, Halle a.d.S. 1880.
Lorenz, Ottomar, Die Stadtkirche zu Weißenfels, Weißenfels 1903.
Gerhardt, Friedrich, Geschichte der Stadt Weißenfels an der Saale mit neuen Beiträgen zur Geschichte des Herzogtums Sachsen-Weißenfels, Weißenfels 1907.
Kaphengst, R., Unsere Stadtkirche. Eine kunsthistorische Skizzen, in: Heimatkalender für den Stadt- und Landkreis Weißenfels, Weißenfels 1925.
Bach, Gerhard, Zeugen einer längst vergangenen Zeit in unserer Stadt, in: Weißenfelser Heimatbote, Heft 1/1997, S.7ff. "
Dr. Werner Hoffmann (UB Leipzig) schrieb mir am 16.4.: "zur Schreibsprache des Weißenburger Küchenzettels (Wortlaut wie in Curiositäten ... 9, 1821, S. 546-548 abgedruckt) läßt sich zunächst einmal feststellen: Die Sprache entspricht ganz und gar nicht dem Ostmitteldeutschen des 14. Jh.s: Zum einen zeigt sie rein niederdeutsche Formen wie "tho, dage, bischop", zum andern Diphthongschreibungen wie "naw [='neu'], seine, house, sawer". Beide Merkmale sprechen sehr stark gegen eine Entstehung des Schriftstücks im 14. Jh. im ostmd. Raum. Aufgrund der Sprache scheint es mir allerdings nicht unmöglich, dass das Schriftstück in viel späterer Zeit im Grenzbereich von Mitteldeutsch und Niederdeutsch entstanden ist; aber das kann ich nicht beurteilen.
Gegen die Echtheit des Schriftstücks spricht auch (wie Sie schon an einer Stelle andeuten) die Erwähnung von Groschen als Zahlungsmittel:
Groschen wurden in Meißen nämlich erst ab 1339 geprägt Vgl. dazu jetzt: Universitätsbibliothek Leipzig, Münzen der Groschenzeit der Markgrafschaft Meißen und des Kurfürstentums Sachsen. Bestandskatalog von Ewald Hausmann, Leipzig 2011, S. 10."
Am 25.4.2012 nahm auch Volker Honemann Stellung (Mail an mich): "nun habe ich mir den 'Weißenfelser Küchenzettel' noch einmal vorgenommen und kann mir nicht vorstellen, daß er aus dem 14. Jh. sein soll, es sei denn, da hätte jemand im 16. Jh. einen alten Text sprachlich sehr gründlich überarbeitet und dabei eine Art 'Kunstfrühneuhochdeutsch' produziert (und warum hätte er das tun sollen?). Es gibt an ein paar Stellen mitteldeutsche Charakteristika (starke Endsilben auf -i statt e: newin), aber dann auch Formen wie 'tracteeret', die im 14. Jh. ganz undenkbar sind, auch eine Schreibung wie 'Brwn' für den Zeitzer Bischof ist artifiziell. Manches wirkt dann fast wie ein Relikt-niederdeutsch (hebben). Und ein Begriff wie 'Einweihungsdinge' ist im 14. Jh, schlechterdings nicht vorstellbar. Also doch wohl eine Fälschung!"
Damit wird man behaupten dürfen: Der Weißenfelser Küchenzettel von 1303 ist eine frühneuzeitliche Fälschung
#forschung
http://www.koch-welten.de/
KlausGraf - am Dienstag, 3. April 2012, 23:28 - Rubrik: Landesgeschichte