Allgemeines
Architekturarchive
Archivbau
Archivbibliotheken
Archive in der Zukunft
Archive von unten
Archivgeschichte
Archivpaedagogik
Archivrecht
Archivsoftware
Ausbildungsfragen
Bestandserhaltung
Bewertung
Bibliothekswesen
Bildquellen
Datenschutz
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
null

 
The National Library of Ireland has made available for the first time James Joyce's manuscripts for free to the public via the Library's online catalogue. The online publication coincides with a book set publication of the same manuscripts that are being sold for hundreds of Euro. The Irish Times reports on the publication of Joyce's collection, and the factors that have played into the Library's early announcement of the project. The decision to announce the online version of the Joyce manuscripts was made after a Joycean scholar published the material in editions priced at up to €250. Joycean scholar Danis Rose has published Joyce's material ranging in prices from €75 and €250, or up to €800 for an entire set. Rose has claimed he is now the copyright holder in the EU of these manuscripts according to The Irish Times

http://xrefer.blogspot.de/2012/04/irelands-national-library-publish-james.html

http://www.irishcentral.com/ent/Irelands-National-Library-publish-James-Joyce-manuscripts-online-amid-copyright-dispute-147430065.html

http://www.irishtimes.com/newspaper/ireland/2012/0412/1224314641103.html

http://www.irishtimes.com/newspaper/ireland/2012/0412/1224314641130.html

http://houseofbreathings.com/

http://www.gaelnet.de/2012/04/12/joyce-manuskripte-offentlich-im-internet/

Digitalisate: http://catalogue.nli.ie/ (Joyce eingeben und digitised content wählen)
http://catalogue.nli.ie/Record/vtls000194606

Dieser schäbige Editor Rose, der sich gegen die Online-Veröffentlichung wendet, beruft sich auf ein Stück Murks-EU-Urheberrecht.

Den deutschen Murks bespreche ich in meiner "Urheberrechtsfibel", die jeder besitzen sollte, der sich für das deutsche Urheberrecht interessiert:

http://www.amazon.de/Urheberrechtsfibel-deutschen-Urheberrechtsgesetzes-kritisch-kommentiert/dp/3861990024/

http://archiv.twoday.net/search?q=urheberrechtsfibel

Auszug:

§ 71 Nachgelassene Werke
(1) Wer ein nicht erschienenes Werk nach Erlöschen des Urheberrechts
erlaubterweise erstmals erscheinen läßt oder erstmals öffentlich wiedergibt,
hat das ausschließliche Recht, das Werk zu verwerten. Das gleiche gilt für
nicht erschienene Werke, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes niemals
geschützt waren, deren Urheber aber schon länger als siebzig Jahre tot ist.
Die §§ 5 und 10 Abs. 1 sowie die §§ 15 bis 24, 26, 27, 44a bis 63 und 88
sind sinngemäß anzuwenden.
(2) Das Recht ist übertragbar.
(3) Das Recht erlischt fünfundzwanzig Jahre nach dem Erscheinen des
Werkes oder, wenn seine erste öffentliche Wiedergabe früher erfolgt ist,
nach dieser. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen.

Nach Ansicht des Landgerichts Magdeburg (Urteil vom 16. Oktober 2003, Az.: 7 O 847/03) ist die berühmte vorgeschichtliche „Himmelsscheibe von Nebra“ ein nachgelassenes Werk im Sinn von § 71. Das Land Sachsen-Anhalt habe im Rahmen einer Pressekonferenz am 25. September 2002 ihr Erscheinen erwirkt und sei dadurch für 25 Jahre Inhaber des Schutzrechtes geworden.

Das seit 1995 auch europaweit geltende Recht der „Editio princeps“
entzieht ein Werk der Gemeinfreiheit, wenn es erstmals erscheint oder öffentlich wiedergegeben wird. Die Magdeburger Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht verfehlt. Sie muss die modernen Begriffe „Werk“ und „Erscheinen“ in vorgeschichtliche Zeit zurückprojizieren. Entgegen der Ansicht des Gerichts spricht vieles dafür, dass die Himmelsscheibe in vorgeschichtlicher Zeit erschienen ist, indem sie als Kultobjekt bei öffentlichen Zeremonien Verwendung fand. Obwohl die Vorschrift den Finder des erstmals veröffentlichten Kulturguts belohnen soll, sprachen die Richter das Schutzrecht dem Eigentümer zu.

Am 22. Januar 2009 entschieden die Richter des Bundesgerichtshofs
einen Rechtsstreit um die Vivaldi-Oper Motezuma (Az.: I ZR 19/07). Da Vivaldi aller Wahrscheinlichkeit einer venezianischen Praxis gefolgt ist, wonach Opernpartituren zum Kopieren für Interessenten bereitstanden, war die Oper nach Ansicht der Karlsruher Richter bereits im 18. Jahrhundert erschienen. Allgemein stellten sie zum Kriterium des Erscheinens fest: „Derjenige, der einen auf das ausschließliche Verwertungsrecht des Herausgebers der Erstausgabe eines Werkes nach § 71 UrhG gestützten Anspruch geltend macht, trägt grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das Werk im Sinne dieser Bestimmung ‚nicht erschienen‘ ist. Er kann sich allerdings zunächst auf die Behauptung beschränken, das Werk sei bislang nicht erschienen. Es ist dann Sache der Gegenseite, die Umstände darzulegen, die dafür sprechen, dass das Werk doch schon erschienen ist.“ Es ist fraglich, ob mit den vom BGH aufgestellten Grundsätzen das Magdeburger Urteil noch
vereinbar ist.

Wenn ich recht sehe, haben sich die Kommentatoren über eine praktisch durchaus bedeutsame Frage noch keine Gedanken gemacht. Was ist, wenn zunächst nur eine Teiledition eines Werks erscheint? Wenn ein Editor etwa die Hälfte von unveröffentlichten Lebenserinnerungen aus dem 19. Jahrhundert erscheinen lässt, blockiert er damit auch das Erscheinen des Restes? Oder kann ein anderer Herausgeber den Rest erscheinen lassen? Dieser Zweitherausgeber wäre aber daran gehindert, die in der Erstedition erschienene Hälfte ohne Zustimmung des Ersteditors erneut abzudrucken. Aus wissenschaftlicher Sicht und aus der Perspektive der am Werk Interessierten, wäre eine solche Aufteilung der
Rechte abwegig. Ein ähnliches Problem stellt sich bei verschiedenen
Fassungen eines Werkes: Kann, wer eine Fassung ediert, die Veröffentlichung einer anderen, ebenfalls bislang unveröffentlichten Fassung verhindern?

Das durch § 71 gewährte, sehr weitgehende Ausschließlichkeitsrecht
bedeutet, dass die Wissenschaft es für 25 Jahre akzeptieren muss, dass eine hundsmiserable Erstausgabe den Markt beherrscht. Wer eine verbesserte Neuausgabe erscheinen lassen will, braucht zwingend die Erlaubnis des Erstherausgebers, und dieser unterliegt in keinerlei Hinsicht einem Zwang zum Vertragsabschluss. Mit der Forschungsfreiheit des Artikels 5 Grundgesetz ist eine solche Konstellation meines Erachtens nicht zu vereinbaren!

Die Vorschrift ist erlassen worden, ohne sich Gedanken darüber zu
machen, ob Texteditoren sie überhaupt brauchen. Angesichts der Tatsache, dass viele Staaten keine vergleichbare Norm kennen, ohne dass man sagen könnte, dass sie editionswissenschaftlich unterentwickelt wären, kann das Anreiz-Argument zurückgewiesen werden. Wissenschaftler und Publizisten veröffentlichen nachgelassene Werke, weil sie sie interessant finden oder mit der Erstedition so etwas wie einen „Scoop“ landen wollen, aber nicht, weil es eine – ihnen meist ohnehin unbekannte – Vorschrift gibt, die andere für 25 Jahre von einer Zweitedition ausschließt.

Wenn § 71 im Musikbereich tatsächlich unverzichtbar sein sollte,
hätte man ihn ja darauf beschränken können. Und wie meine Beispiele zeigen, entgehen den Kommentatoren die praktischen Probleme, weil sie am Schreibtisch über editorische Sachverhalte schreiben, von denen sie nicht die geringste Ahnung haben.

Wenn § 70 schädlich ist, ist es § 71 erst recht. Die Bestimmung schädigt die Public Domain in massiver Weise, gängelt unzumutbar die Editionswissenschaft und wirft insbesondere erhebliche Beweisprobleme hinsichtlich des Nachweises des Nichterschienenseins auf. Grund genug, die ersatzlose Streichung zu fordern.


Zu § 71 UrhG in Archivalia
http://archiv.twoday.net/search?q=editio+princeps

 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma