Neulich berichteten wir wieder über die unendliche Geschichte des skandalösen Umgangs mit Kulturgut durch die Ysenburger.
http://archiv.twoday.net/stories/96989939/
Nun hat sich die Evangelische Kirche entschlossen, gegen den Fürsten vorzugehen:
http://www.wetterauer-zeitung.de/Home/Kreis/Staedte-und-Gemeinden/Buedingen/Artikel,-Kirche-geht-gegen-Fuerst-zu-Ysenburg-vor-_arid,337123_regid,3_puid,1_pageid,91.html
Der Adlige soll die Stiftung mit dubiosen Geschäften zur Begleichung von Familienschulden missbraucht haben: Er verkaufte mehrere Immobilien und Liegenschaften an die Stiftung, der er selber vorstand. Als Privatmann Fürst zu Ysenburg hat er also Geschäfte mit dem Stiftungsvorsitzenden Fürst zu Ysenburg gemacht. »Außerdem soll er sich selber Darlehen gegeben haben«, fügt Schmidt an.
In den vergangenen Jahren habe die EKHN über eine Million Euro in die Sanierung der beiden Büdinger Kirchen gesteckt. »Die Stiftung hat gerade mal zwei Prozent beigesteuert«, beklagt sich Schmidt. Laut Satzung ist die Stiftung Eigentümer der Marien- und der Remigiuskirche, der beiden Pfarrhäuser und des Friedhofs. Zweck der Stiftung ist laut Satzung die »Erhaltung, Unterhaltung und Ermöglichung der Nutzung dieser Grundstücke und Naturdenkmäler.«
Die Kritik der Kirche richtet sich jedoch nicht nur gegen das Fürstenhaus – auch beim Land Hessen habe es Versäumnisse gegeben: Seit über zwei Jahren warne man das Regierungspräsidium vor den Machenschaften des Fürsten. »Die Verantwortlichen sehen aber wohl keinen Anlass zum Handeln«, sagt Schmidt. Stattdessen habe das RP Anfang des Jahres eine Satzung der Stiftung genehmigt, die dem Fürsten praktisch die Verfügung über das Stiftungskapital einräume. Die neue Satzung ermögliche es ihm zudem, die 750 Jahre alte Stiftung aufzulösen. Kirchen, Pfarrhäuser und Friedhof gingen dann an die EKHN, »das sonstige Vermögen fällt an den dann lebenden Chef des Fürstlichen Hauses zu Ysenburg und Büdingen«, heiße es in der Satzung – also auch jene Grundstücke, die er der Stiftung verkauft habe.
Die Versäumnisse nimmt die Kirche zum Anlass, eine Amtshaftungsklage gegen das Land Hessen zu prüfen.
Heimatforscher Christian Vogel ( Vorsitzender der Vereinigung für Heimatforschung in Vogelsberg, Wetterau und Kinzigtal) macht sich Sorgen um eines der fürstlichen Archive.
Herr Vogel, Sie setzen sich für die Sicherung des Ysenburger Archivgutes in Büdingen ein. Welche Bedeutung haben diese Archive?
In Büdingen gibt es mindestens zwei Ysenburger Archive. Da gibt es einmal das „Brauhaus“ gleich beim Schloss, dort liegen vor allem die Urkunden aus dem Mittelalter und die Akten der Neuzeit bis zum 17. Jahrhundert. Diese Archivalien waren gemeinsames Eigentum der drei Linien Büdingen, Wächtersbach und Meerholz, in die sich Ende des 17. Jahrhunderts das Haus Ysenburg aufgespalten hatte und die seit 1941 wieder in Büdingen vereint sind. Bei der Auflösung der Fideikommisse wurden 1931 diese gemeinschaftlichen Archivalien auf eine Stiftung übertragen.
Der Fideikommiss war ein Jahrhundertealtes Erbrecht, um das Familienvermögen adliger Familien zu sichern. 1938 wurde der Fideikommiss aufgehoben. An Oberlandesgerichten wurden Senate eingesetzt, um künstlerisch, wissenschaftlich und geschichtlich wertvolles Gut zu sichern. Die Rechtsvorschriften gelten bis heute.
Ist das die Stiftung, die die kirchlichen Güter in Büdingen verwaltet und bei der jetzt die Staatsanwaltschaft wegen Verdachtes der Untreue ermittelt?
Nein, es handelt sich um eine andere Stiftung, die „Versorgungsstiftung Ysenburg und Büdingen“, deren Vorsitzender wohl immer noch ebenfalls Wolfgang Ernst zu Ysenburg ist. Neben dem Archiv im „Brauhaus“ gibt es aber noch ein zweites Ysenburger Archiv im „Bandhaus“ in etwas größerer Entfernung vom Schloss. Dort lagern die Akten der Rentkammerarchive von Wächtersbach, Meerholz und teilweise auch von Büdingen. Um diese Akten geht es zurzeit vordringlich.
Und alle diese Archive gehören der Familie Ysenburg?
Otto Friedrich Fürst zu Ysenburg hat mit dem gesamten Ysenburger Vermögen 1941 auch die drei Rentkammerarchive geerbt und die Schriften und Akten in Büdingen vereinigt.
Welche Bedeutung haben diese Archive?
Es handelt sich bei den Rentkammerarchiven um eine riesige Masse von Verwaltungsakten staatlichen Handelns vor allem aus dem 18. Jahrhundert, als die Papierflut zunahm.
Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich aus diesen Akten?
Sie sind die wichtigste Quelle überhaupt für bis zu 60 Ortschaften. Wer zum Beispiel über Bruchenbrücken oder Bönstadt im 18. Jahrhundert und teilweise auch im 17. und 19. Jahrhundert arbeiten will, ist auf diese Archive angewiesen.
Diese Archive sind von erheblichem öffentlichem Interesse?
Ja, ihr Verlust wäre für die Geschichtsschreibung betroffener Orte von Bruchenbrücken über Büdingen bis Wächtersbach eine Katastrophe.
Sie sind also keine Privatsache?
Es handelt sich um keine Familienpapiere, sondern um Verwaltungsakten öffentlichen staatlichen Charakters aus der Zeit, als die Ysenburger Lande noch selbstständige Staaten waren. Zwischen 1806 und 1835 lief dies langsam aus. Da die Häupter der drei Ysenburger Linien bis 1919, - wenn auch nur noch theoretisch, - Unterregenten blieben, beließ man ihnen diese staatlichen Archive. Nach 1919 wurde dann zumindest für eine staatliche Aufsicht gesorgt, die eine sichere Aufbewahrung und den Zugang zu ermöglichen hat.
Was muss getan werden, um diese staatliche Aufsicht durchzusetzen?
Das Archiv im „Brauhaus“ mag zurzeit außer Betracht bleiben, da es einer Stiftung gehört und das Gebäude in leidlichem Zustand ist. Mit dem Archiv im „Bandhaus“ muss aber etwas geschehen. Das Gebäude ist innen wie außen in ruinösem Zustand. Es gehört der BEHA Immobilien GmbH, die ihren Sitz von Flieden ins Büdinger Schloss verlegt hat und vermutlich längst in den Konkurs des gesamten von Otto Friedrich Fürst zu Ysenburg hinterlassenen Vermögens geraten ist.
Was befindet sich in dem Bandhaus?
Was sich im Einzelnen in dem Gebäude an für die Forschung unzugängliches Archivgut befindet, ist nicht bekannt. Eben sowenig bekannt ist auch, wem dies Archivgut gehört. Seit 1990 gibt es kein einheitliches Ysenburger Vermögen mehr. Otto Friedrich zu Ysenburg wurde beerbt von zwei Söhnen und einem Enkel, denen drei GbRs und noch ein paar andere Firmen gehörten. Es gab dann immer wieder Veränderungen. Wenn man mit Ysenburgischem zu tun hat, weiß man daher meist nicht, wer dahinter steckt.
Wer muss unter diesen Umständen schnell handeln?
Unter diesen Umständen muss der Staat im öffentlichen Interesse für Transparenz, Sicherheit und Zugänglichkeit sorgen. Die Fideikommissgesetzgebung gibt ihm hierzu die Handhabe. Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst hat das Recht über einen Antrag beim Fideikommissgericht in Kassel zu bewirken, dass das Staatsarchiv in Darmstadt endlich tätig werden kann. Zu lange Zeit ist es schon trotz Mahnungen untätig geblieben.
Das Interview führte Bruno Rieb
http://www.fr-online.de/bad-vilbel/heimatforscher-vogel--verlust-waere-eine-katastrophe-,1472868,15055750.html
Update:
http://archiv.twoday.net/stories/97014410/
Foto des Büdinger Schlosses: Sven Teschke http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.de
http://archiv.twoday.net/stories/96989939/
Nun hat sich die Evangelische Kirche entschlossen, gegen den Fürsten vorzugehen:
http://www.wetterauer-zeitung.de/Home/Kreis/Staedte-und-Gemeinden/Buedingen/Artikel,-Kirche-geht-gegen-Fuerst-zu-Ysenburg-vor-_arid,337123_regid,3_puid,1_pageid,91.html
Der Adlige soll die Stiftung mit dubiosen Geschäften zur Begleichung von Familienschulden missbraucht haben: Er verkaufte mehrere Immobilien und Liegenschaften an die Stiftung, der er selber vorstand. Als Privatmann Fürst zu Ysenburg hat er also Geschäfte mit dem Stiftungsvorsitzenden Fürst zu Ysenburg gemacht. »Außerdem soll er sich selber Darlehen gegeben haben«, fügt Schmidt an.
In den vergangenen Jahren habe die EKHN über eine Million Euro in die Sanierung der beiden Büdinger Kirchen gesteckt. »Die Stiftung hat gerade mal zwei Prozent beigesteuert«, beklagt sich Schmidt. Laut Satzung ist die Stiftung Eigentümer der Marien- und der Remigiuskirche, der beiden Pfarrhäuser und des Friedhofs. Zweck der Stiftung ist laut Satzung die »Erhaltung, Unterhaltung und Ermöglichung der Nutzung dieser Grundstücke und Naturdenkmäler.«
Die Kritik der Kirche richtet sich jedoch nicht nur gegen das Fürstenhaus – auch beim Land Hessen habe es Versäumnisse gegeben: Seit über zwei Jahren warne man das Regierungspräsidium vor den Machenschaften des Fürsten. »Die Verantwortlichen sehen aber wohl keinen Anlass zum Handeln«, sagt Schmidt. Stattdessen habe das RP Anfang des Jahres eine Satzung der Stiftung genehmigt, die dem Fürsten praktisch die Verfügung über das Stiftungskapital einräume. Die neue Satzung ermögliche es ihm zudem, die 750 Jahre alte Stiftung aufzulösen. Kirchen, Pfarrhäuser und Friedhof gingen dann an die EKHN, »das sonstige Vermögen fällt an den dann lebenden Chef des Fürstlichen Hauses zu Ysenburg und Büdingen«, heiße es in der Satzung – also auch jene Grundstücke, die er der Stiftung verkauft habe.
Die Versäumnisse nimmt die Kirche zum Anlass, eine Amtshaftungsklage gegen das Land Hessen zu prüfen.
Heimatforscher Christian Vogel ( Vorsitzender der Vereinigung für Heimatforschung in Vogelsberg, Wetterau und Kinzigtal) macht sich Sorgen um eines der fürstlichen Archive.
Herr Vogel, Sie setzen sich für die Sicherung des Ysenburger Archivgutes in Büdingen ein. Welche Bedeutung haben diese Archive?
In Büdingen gibt es mindestens zwei Ysenburger Archive. Da gibt es einmal das „Brauhaus“ gleich beim Schloss, dort liegen vor allem die Urkunden aus dem Mittelalter und die Akten der Neuzeit bis zum 17. Jahrhundert. Diese Archivalien waren gemeinsames Eigentum der drei Linien Büdingen, Wächtersbach und Meerholz, in die sich Ende des 17. Jahrhunderts das Haus Ysenburg aufgespalten hatte und die seit 1941 wieder in Büdingen vereint sind. Bei der Auflösung der Fideikommisse wurden 1931 diese gemeinschaftlichen Archivalien auf eine Stiftung übertragen.
Der Fideikommiss war ein Jahrhundertealtes Erbrecht, um das Familienvermögen adliger Familien zu sichern. 1938 wurde der Fideikommiss aufgehoben. An Oberlandesgerichten wurden Senate eingesetzt, um künstlerisch, wissenschaftlich und geschichtlich wertvolles Gut zu sichern. Die Rechtsvorschriften gelten bis heute.
Ist das die Stiftung, die die kirchlichen Güter in Büdingen verwaltet und bei der jetzt die Staatsanwaltschaft wegen Verdachtes der Untreue ermittelt?
Nein, es handelt sich um eine andere Stiftung, die „Versorgungsstiftung Ysenburg und Büdingen“, deren Vorsitzender wohl immer noch ebenfalls Wolfgang Ernst zu Ysenburg ist. Neben dem Archiv im „Brauhaus“ gibt es aber noch ein zweites Ysenburger Archiv im „Bandhaus“ in etwas größerer Entfernung vom Schloss. Dort lagern die Akten der Rentkammerarchive von Wächtersbach, Meerholz und teilweise auch von Büdingen. Um diese Akten geht es zurzeit vordringlich.
Und alle diese Archive gehören der Familie Ysenburg?
Otto Friedrich Fürst zu Ysenburg hat mit dem gesamten Ysenburger Vermögen 1941 auch die drei Rentkammerarchive geerbt und die Schriften und Akten in Büdingen vereinigt.
Welche Bedeutung haben diese Archive?
Es handelt sich bei den Rentkammerarchiven um eine riesige Masse von Verwaltungsakten staatlichen Handelns vor allem aus dem 18. Jahrhundert, als die Papierflut zunahm.
Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich aus diesen Akten?
Sie sind die wichtigste Quelle überhaupt für bis zu 60 Ortschaften. Wer zum Beispiel über Bruchenbrücken oder Bönstadt im 18. Jahrhundert und teilweise auch im 17. und 19. Jahrhundert arbeiten will, ist auf diese Archive angewiesen.
Diese Archive sind von erheblichem öffentlichem Interesse?
Ja, ihr Verlust wäre für die Geschichtsschreibung betroffener Orte von Bruchenbrücken über Büdingen bis Wächtersbach eine Katastrophe.
Sie sind also keine Privatsache?
Es handelt sich um keine Familienpapiere, sondern um Verwaltungsakten öffentlichen staatlichen Charakters aus der Zeit, als die Ysenburger Lande noch selbstständige Staaten waren. Zwischen 1806 und 1835 lief dies langsam aus. Da die Häupter der drei Ysenburger Linien bis 1919, - wenn auch nur noch theoretisch, - Unterregenten blieben, beließ man ihnen diese staatlichen Archive. Nach 1919 wurde dann zumindest für eine staatliche Aufsicht gesorgt, die eine sichere Aufbewahrung und den Zugang zu ermöglichen hat.
Was muss getan werden, um diese staatliche Aufsicht durchzusetzen?
Das Archiv im „Brauhaus“ mag zurzeit außer Betracht bleiben, da es einer Stiftung gehört und das Gebäude in leidlichem Zustand ist. Mit dem Archiv im „Bandhaus“ muss aber etwas geschehen. Das Gebäude ist innen wie außen in ruinösem Zustand. Es gehört der BEHA Immobilien GmbH, die ihren Sitz von Flieden ins Büdinger Schloss verlegt hat und vermutlich längst in den Konkurs des gesamten von Otto Friedrich Fürst zu Ysenburg hinterlassenen Vermögens geraten ist.
Was befindet sich in dem Bandhaus?
Was sich im Einzelnen in dem Gebäude an für die Forschung unzugängliches Archivgut befindet, ist nicht bekannt. Eben sowenig bekannt ist auch, wem dies Archivgut gehört. Seit 1990 gibt es kein einheitliches Ysenburger Vermögen mehr. Otto Friedrich zu Ysenburg wurde beerbt von zwei Söhnen und einem Enkel, denen drei GbRs und noch ein paar andere Firmen gehörten. Es gab dann immer wieder Veränderungen. Wenn man mit Ysenburgischem zu tun hat, weiß man daher meist nicht, wer dahinter steckt.
Wer muss unter diesen Umständen schnell handeln?
Unter diesen Umständen muss der Staat im öffentlichen Interesse für Transparenz, Sicherheit und Zugänglichkeit sorgen. Die Fideikommissgesetzgebung gibt ihm hierzu die Handhabe. Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst hat das Recht über einen Antrag beim Fideikommissgericht in Kassel zu bewirken, dass das Staatsarchiv in Darmstadt endlich tätig werden kann. Zu lange Zeit ist es schon trotz Mahnungen untätig geblieben.
Das Interview führte Bruno Rieb
http://www.fr-online.de/bad-vilbel/heimatforscher-vogel--verlust-waere-eine-katastrophe-,1472868,15055750.html
Update:
http://archiv.twoday.net/stories/97014410/
Foto des Büdinger Schlosses: Sven Teschke http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.de